Ich stell hier einfach mal mein Exzerpt eines Aufsatzes rein:
Fred Wendorf, The Prehistory of Nubia 2,Tushka
Tushka nach Wendorf
[855]
- ungefähr 45 km nördlich Ballana kleine nubische Gemeinde Tushka auf Westufer Nil, dort erhalten eine ungefähr 4 km weite Ausdehnung von Nilschlamm der Sahaba-Formation
- Konturen legen große Einbuchtung nahe, die Wasser erhielt vom Nil während Hochflutperiode in Zeit von Sahaba-Anstieg
- vor Überflutung durch Sahaba-Schlamm war es niedrig gelegenes Gebiet kleiner Süßwasserseen
- an See grenzend, besonders Nordufer, Dünenfeld mit kleinen Teichen gebildet in den Senken zwischen den Dünen
- Seeränder und Dünen an Teichen guter Siedlungsplatz, Herdreste weisen auf das Interesse paläolithische Menschen
- 1964 Januar erstmalig untersucht: Plätze vermessen und Testgrabungen an einer Stelle (8886)
als Arbeit in Ballana beendet, Transfer des Teams nach Tushka für kurzen Aufenthalt um mehrere menschliche Skelette zu bergen, die durch Erosion offen lagen
- Gebiet wieder aufgesucht Februar 1966 und Grabungen gestartet auf größerem Platz (8905) [856]
Geologie
- 8905 3,5 km nordwestlich von Tushka auf Westufer Nil, ca. 250 km flußab von Assuan; liegt durchschnittlich über 140 m MM
geologische Entwicklung:
1. Bildung Becken im nubischen Sandstein, erstreckte sich nach Osten parallel zum rückwärtigen Hang härteren Sandsteins
2. Seebildung im Becken, Sedimente unteres Ballana setzen sich ab
Corbicula und fehlende Verdunstungsschichten weisen auf ganzjähriges Bestehen des Sees obwohl Schwankungen des Seespiegels nachweisbar
Dünenbildung am Nordufer des Sees und Schilfwuchs entlang der Korridore zwischen den Sandhügeln [864]
3. Absenkung des Seespiegels
4. Einbruch des Nil, Bildung Überschwemmungsebene von 20-25 m über gegenwärtiger Überschwemmungsebene, See wurde Nileinbuchtung
als Einbuchtung wuchs mag die Nordküste besiedelt worden sein von Population die Artefakte hinterließ
5. Verschwinden der Einbuchtung und Umkehr der Dünenbildung nach ca. 12550, Nil schnitt sein 20-25 m Flutebene und Tushka nicht länger von Flut betroffen; Erosion wirkt auf Landschaft ein
6. Oxydationsprozesse – Herde könnten zu dieser Phase gehören
7. weitere Erosion [865]
Material von 8905
- besteht aus über 100 Herden, erkennbar an Ansammlungen von durch Feuer zerstörten Steinen, teilweise in situ, teilweise verschleppt
- machen Herde mögen gleichzeitig genutzt worden sein, so scheint, dass es ein bevorzugter Platz war, der immer wieder aufgesucht wurde – keine große Gemeinschaft, sondern immer wieder aufgesucht durch kleine Gruppen
- Gebiet heute unattraktiv, damals aber reichlicher Fisch aus der Bucht, Dünen guter Lagerplatz, frisches Wasser aus dortigen Teichen
- Herde entlang Ufer und bei Herden zahlreiche Fischreste – möglicherweise Haltbarmachung durch Räuchern
- weiter vom Ufer entfernte Herde weniger Fisch, dafür Knochen z.B. Bos primigenius
- Bucht wohl in Hochwasserzeiten gefüllt, sonst sumpfiges stehendes Gewässer – günstigste Zeit unmittelbar nach Flut, wenn Fisch aus den verbleibenden Teichen gefangen werden konnte – Sommer, früher Herbst
- Teiche zwischen Dünen erlangten in Sumpfzeit Bedeutung, wenn Jagd wieder wichtiger wurde
- zur Jagd und Fischfang kam Getreidesammeln, Anzahl von Mühlsteinen gefunden, einige unter Schlamm der Bucht und andere in den verfestigten Lagen der Teiche zwischen den Dünen
selbe Orte lieferten verschiedene lunatics mit glänzenden Kanten (Sichelglanz?)
- Dünen und Ufer könnten reichlichen Grasbewuchs aufgewiesen haben
- zusätzlich noch reichliche Steinartefakte, Eierschalen, Bestattungen [940]
Ökonomische Aktivitäten
- Reste von Savannenfauna wie bos, hartebeest, Gazelle treten gemeinsam auf 8905 auf, teilweise zahlreich auf Plätzen wie A und C [941]
- Jagd muss wichtige Nahrungsquelle gewesen sein
- Fisch genau so verbreitet, besonders auf D, das direkt an Bucht; das meiste vom Kopf, legt nahe, dass nicht dort konsumiert, sondern nach Entfernung Kopf woanders hingebracht; Fisch kann geräuchert worden sein – wäre gute Erklärung für viele von Feuer zerstörte Steine entlang des Ufers
- sehr interessant die Mahlsteine und lunatics mit Sichelglanz an verschiedenen Orten in Teichen und unter Sahabaschlamm, dadurch also nicht später eingedrungen – somit einzigartig für diese Zeit im Nahen Osten und Nordafrika [942]
- lunates mit Sichelglanz tauchen in Nubien nur auf 8905 auf, andere lunates weisen nirgends sonst Sichelglanz auf – allerdings oft Lesefunde von Oberfläche und so aller vielleicht vorhandener Glanz durch Erosion beseitigt
- Glanzmuster deutet auf Schäftung (siehe Abb. 92b), Spuren von Klebmittel erhalten bei 92.b
- nach Experimenten entsteht Sichelglanz, wenn mit Werkzeugen Gras oder ähnliches flexible Materialien geschnitten, die Kieselerde enthalten
möglich diesen Glanz von dem zu unterscheiden, der entsteht beim Schneiden von Leder, Holz, Rohr – aber nicht ganz geklärt [943] – allerdings große Ähnlichkeiten mit Sichelklingen aus Ägypten
- Diskussion aber, ob Sichel gut für Wildgräser, deren Ähren sind spröde und verstreuen Samen bei leichter mechanischer Einwirkung, während bei domestizierten Formen dreschen notwendig (so Flannery)
da Mutation mit widerstandsfähigen Ähren ihre Samen schlechter verstreuen, setzen sich derartige genetische Merkmale unter natürlichen Bedingungen nicht durch
- würde bedeuten, dass Gräser bei 8905 schon gewissen Domestikationsvorgängen unterworfen
- aktuelle Experimente zeigen aber Erntemöglichkeiten – allerdings nur, wenn Gras noch Grün (J. R. Harlan mündlich dem Verfasser)
- Harlans Experimente legen nahe, dass Sichel nicht nach Domestikation erschienen ist, sondern schon vorhanden war und sogar zum Domestikationsvorgang beigetragen haben könnte: Menschen pflanzen die Samen, die mit Hilfe der Sichel geerntet – mutierte Pflanzen wurden in dem Moment erfolgreich, als Menschen zu ernten und zu pflanzen begannen
- ist Sichel vor Domestikation erschienen, so ist sie zwangsläufig kein Domestikationsanzeiger (wohl aber vielleicht ein Indikator für eine Vorstufe, Anm. Schletze) mehr – auch nicht auf 8905
- Mühlsteine erscheinen auch an anderen Plätzen in Nubien und im selben Zeithorizont: Kom Ombo in oberen Schichten von Nilschlamm die der Sahaba-Formation entsprechen und über 14C zwischen 11 500 und 11 000 datiert [944]
- können verschiedenen Zwecken dienen: Pigmente zerkleinern, Nüsse knacken, Wurzeln zerreiben, Getreide mahlen
- zahlreich auf 8905 und Oberflächenspuren auf ihnen zeugen von regem Gebrauch – wichtig müssen sie für Ökonomie gewesen sein, da für sie und mit ihnen viel Zeit aufgewandt wurde
- neben Sammeln war sicher Aufbereitung der Nahrung wichtige Tätigkeit paläolithischer Menschen, aber kein Nachweis, das Getreide gemahlen
- Steine, wohl verwandt für mahlende oder schlagende Tätigkeit fanden sich auch auf paläolithischen Plätzen in Europa; scheinen aber auf Grund Arbeitsspuren und Anzahl der Artefakte nicht allzu bedeutend gewesen zu sein
- Steine von Nubien unterscheiden sich von Artefakten, da Mühlstein und Handstein – spezialisierte Werkzeuge
- große Anzahl an einem Platz würde sich nur bei überragenden Ressourcen wie Getreide lohnen
- entscheidend ist Vergesellschaftung von Mühlstein mit Sichelklingen – jedes einzelne kann verschiedenen Zwecken dienen, zusammen weisen sie aber auf Getreidenutzung
- dazu kommen noch Grasreste und Pollen in den Schichten – sind aber noch nicht identifiziert
- Flusstäler wurden immer unterbewertet in Hinblick auf Pflanzendomestikation, da Augenmerk auf Hochländern des fruchtbaren Halbmondes lag
- städtische Gesellschaften und „Zivilisationen“ ohne Nahrungsproduktion nicht vorstellbar
- Nutzung von Gräsern als neue Nahrungsquelle wichtig für Entstehung erster Dörfer genau wie spätere Domestikation
- aber Mühlsteine erscheinen im Fruchtbaren Halbmond sehr spät [945], die ältesten finden sich im Niltal
- im Iran fehlen sie im „Zarzian“ (14C 10 000) und erscheinen erst in Shanidar-Höhle und Zawi Chemi (14C 8920 und 8650 – so auch in Palästina
- obwohl keine Getreidereste dort gefunden wurden, Getreidenutzung in Interpretation mit diesen Artefakten verbunden
- Entwicklung läuft über intensives Sammeln von Getreide, Intensität steigert sich, bis zu den ersten Nachweisen für domestizierte Pflanzen
- dabei entsteht eine zunehmende Abhängigkeit, während Jagd und sonstiges Sammeln beibehalten werden
- für Autor überraschend, dass erster Nachweis für Beginn dieser Entwicklung im Niltal, das heute frei von größeren Wildgrasbeständen
- aufgefundene Sporen können jedoch sowohl zu Gras als auch zu Weizen oder Gerste gehören, womit abschließende Aussage nicht möglich
- im heutigen Nubien weder Weizen noch Gerste, aber möglich im Spätpleistozän [946]
- Reste großer Savannentiere, Böden, die sich zur Zeit nur entlang der Mittelmeerküste bilden; Nachweis für ganzjährige Teiche und Seen zu dieser Zeit in Zentralägypten weisen auf ein anderes Klima mit mehr Niederschlag und niedrigeren Sommertemperaturen
- im Gegensatz zur Meinung mancher Gelehrter musste es deutliche Klimaunterschiede gegeben haben; neuere Dateien weisen auf ein kälteres Klima im Südwesten des Iran um 11 000 v.d.Z. (Pollen- und Mikrofaunenanalyse) und eine folgende allmähliche Erwärmung
- ähnliche Daten kommen auch von Untersuchungen aus der Sahara, wo bis 8000 v.d.Z. von einer Feuchtsteppe auszugehen ist, mit mediterraner Flora in der Zentralsahara