Gründe für das Scheitern der Republik?

Apvar

Premiummitglied
Lese gerade das Buch "Krise und Untergang der römischen Republik" von Karl Christ.
Durch die Lektüre sind mir einige Gedanken zum Thema scheitern der Republik gekommen.
Meist wird ja auf die Bürgerkriege von der Herren Marius, Sulla, Caesar, Octavian und so weiter verwiesen, so wie Krise der Gracchen. Nur ist das nicht zu kurz gegriffen?
Ganz klar, das sehr konservative Verhalten der Nobilität hat die Krise und den Untergang beschleunigt.Und einige Reformen haben die Probleme sogar verstärkt.
Der Hauptgrund für das scheitern ist jedoch das beibehalten der Milizarmee in der Zeit der Punischen Kriege. Und zwar ist Rom zu diesem Zeitpunkt auch mittel oder sogar langfristig mit seinen Legionen ausserhalb des italienischen Festlandes aufgetreten. Die Legionen konnten nicht mehr zur Erntezeit entlassen werden. Damit fiel umlaufe der Zeit sehr viel Ackerland, welches von den Familien der Soldaten, welche ihr Land durch den Kriegsdienst nicht mehr bebauen konnten, in die Hände von Großgrundbesitzern.
Gleichzeitig war dadurch bedingt das die Rekrutierungsbasis für die Legionen mit der Zeit stark reduziert. Erst durch die Mariannischen Reformen, durch Wegfall der unteren Besitzgrenze für das Militär, wurde die Rekrutierungsbasis stark erweitert. Nur kam dazu das Problem, wie wurden die Soldaten entschädigt und wer war für sie verantwortlich. Hier gab leider auch keine Antwort zu den fragen.
Zum anderen warum ist man bei der jährlichen wahlen geblieben? Durch die kurzen Legislaturperioden war man gezwungen sehr schnell mit den Gesetzesentwürfen auf das Forum zu kommen, ohne sich lange Gedanken über folgn der Gesetzte machen zu können.
Bei einigen Ämtern war die jährlich Wahl wohl auch notwendig, da sonst der Amtsinhaber daran Pleite gegangen wäre. Als Beispiel könnte man die Ämter der Volkstribunen und er Konsule sehen, welche auch mehrjährig hätten gewählt werden können.

Apvar
 
Ich denke nicht, dass es die eine Ursache für den Untergang der römischen Republik gegeben hat, sondern dass es eine vielzahl von Ursachen waren, die zusammen gekommen sind.

Und einiges, was du beschreibst, hängt ja auch zusammen. Das Bauernproblem verweist genau auf Tiberius Gracchus, auch Marius hängt massiv damit zusammen. Und Sulla, Pompeius, Caesar und Octavian wären ohne die Heeresreform auch eher nicht möglich gewesen.

Das andere große Problem hast du ja auch angesprochen. Das Beibehalten der stadtstaatlichen Grundordnung, die denkbar ungeeignet für die Regierung eines Weltreiches war - was ja sehr schön an Sullas Reform zu sehen ist, die ganz auf die Probleme in Rom fokussiert war, das Reich aber vollkommen ausblendete.

Bei den jährlichen Wahlen ist man zum einen wohl geblieben, weil es ein Grundpfeiler der res publica war, und die Römer taten sich immer schwer, irgendetwas zu ändern, Stichwort mos maiorum.
Zum anderen zeigt ja der immer mehr verrechtlichte cursus honorum, dass man da gar keine Spielräume mehr hatte, da wenig Ämter, aber viele, die sie haben wollten. Eine Verlängerung von Amtszeiten hätte sich da gar nicht durchsetzen lassen.
 
Lese gerade das Buch "Krise und Untergang der römischen Republik" von Karl Christ.
Durch die Lektüre sind mir einige Gedanken zum Thema scheitern der Republik gekommen.
Meist wird ja auf die Bürgerkriege von der Herren Marius, Sulla, Caesar, Octavian und so weiter verwiesen, so wie Krise der Gracchen. Nur ist das nicht zu kurz gegriffen?
Ganz klar, das sehr konservative Verhalten der Nobilität hat die Krise und den Untergang beschleunigt. Und einige Reformen haben die Probleme sogar verstärkt.
Der Hauptgrund für das Scheitern ist jedoch das Beibehalten der Milizarmee in der Zeit der Punischen Kriege. Und zwar ist Rom zu diesem Zeitpunkt auch mittel- oder sogar langfristig mit seinen Legionen außerhalb des italienischen Festlandes aufgetreten. Die Legionen konnten nicht mehr zur Erntezeit entlassen werden. Damit fiel im Laufe der Zeit sehr viel Ackerland, welches von den Familien der Soldaten, welche ihr Land durch den Kriegsdienst nicht mehr bebauen konnten, in die Hände von Großgrundbesitzern.

Ich verstehe dein jedoch nicht.
 
Mit fem jedoch meine ich das durch das beibehalten der Milizarmee der Mittelstand, welcher die Soldaten stellte verarmte und ausdünnte. Die Karthager oder auch die griechischen Städte haben viel mehr auf Söldner gesetzt, so das die Bauern und Handwerker vielfach zu Hause bleiben konnten und Steuereinnahmen erwirtschaften konnten.
Oder bei den Reformen des Marius um vernünftige Besoldung und Entlassungsprämie mit geregelt worden währe.
Mit dem langen beibehalten an dem Milizsystem ist sehr viel Sprengstoff entstanden.
Das Heer wurde ja auch erst nach Katastrophen, wie den Niederlangen gegen die Klimpern und Teutonen reformiert worden.

Apvar
 
Mit dem jedoch meine ich, dass durch das Beibehalten der Milizarmee der Mittelstand, welcher die Soldaten stellte, verarmte und ausdünnte. Die Karthager oder auch die griechischen Städte haben viel mehr auf Söldner gesetzt, so dass die Bauern und Handwerker vielfach zu Hause bleiben und Steuereinnahmen erwirtschaften konnten.
Oder bei den Reformen des Marius um vernünftige Besoldung und Entlassungsprämie mit geregelt worden wäre.
Mit dem langen Beibehalten an dem Milizsystem ist sehr viel Sprengstoff entstanden.
Das Heer wurde ja auch erst nach Katastrophen, wie den Niederlangen gegen die Klimpern und Teutonen reformiert.

Das jedoch las sich als Widerspruch zu den Sätzen davor.
Um Söldner zu bezahlen, braucht es Geld in der Staatskasse. Woher hätten die Römer es nehmen sollen? Und wir wollen nicht vergessen, dass das karthagische und griechische Modell mit Söldnern ebenfalls nicht das günstigste war. Wir wollen nur an den Söldneraufstand denken, der Karthago nach dem Ersten Punischen Krieg an den Rand seiner Existenz brachte oder dass die Griechen der Magna Grecia in Unteritalien und auf Sizilien mit Söldnern auch nicht die besten Erfahrungen hatten, man denke an Syrakus und die Mamertiner.
 
Das Heer wurde ja auch erst nach Katastrophen, wie den Niederlangen gegen die Klimpern und Teutonen reformiert worden.
sorry, aber das ist gar zu schön :rofl::rofl::rofl:

aber zum Thema selber eine Frage: wurde das bewußt herbeigeführte scheitern oder besser gesagt vielleicht aushebeln der Republik komplett mit damals legalen Mitteln inszeniert, oder fanden auch Rechtsbrüche statt?
 
Man muss ja von einer Bürgerarmee von Wehrpflichtigen nicht gleich zu einer Söldnerarmee karthagischen Stils übergehen. Andererseits war es im weiteren schon verhängnisvoll, mit der marianische Reform die Legionen an ihren Feldherrn zu binden und von ihm abhängig zu machen. Da muss man sich dann nicht wundern, wenn die im Ernstfall für den marschieren, der sie bezahlt und ihre Altersversorgung sicherstellt.

Andererseits hatten wir aber auch später in der Kaiserzeit jede Menge Usurpatoren. Und dies, obwohl die Legionen vom Kaiser/Staat bezahlt wurden und auf ihn vereidigt waren, mit all dem Kult, der um den Göttlichen noch gemacht wurde. Die Gründe, warum Legionen Usurpatoren folgten oder sie erst zu welchen machten, sind situativ und vielfältig. Es hätte also wohl auch für einen Julius Caesar andere Methoden gegeben, seine Legionen für ihn marschieren zu lassen, wenn die marianische Reform anders gewesen wäre, als sie war.

Due Frage, die ich mir stelle ist: Wie hätte man Usurpationen überhaupt verhindern können; nicht nur in der Republik, sondern auch in der Kaiserzeit. Kann man das überhaupt unter den gesellschaftlichen Umständen der Antike? Usurpationen gab es auch nach der Antike und gibt bis heute noch regelmässig. Man nennt sie nur Militärputsch. Ich habe nicht wirklich eine Idee, was man anders hätte machen können, um Usurpationen zu verhindern. Zumindest nicht die großen, umwälzenden Usurpationen der späten Republik und der späteren Kaiserzeit.

Ich habe mir schon die Frage gestellt, ob eine Berufsarmee mit gleichzeitiger Wehrpflicht (wie lang auch immer) für alle nicht-erstgeborenen Söhne, etwas hätte ändern können. Sowohl für Julius Cäsar als auch für spätere Usurpatoren. Hätten diese Wehrpflichtigen in den Legionen diese resistenter gegen Usurpation machen können? Man darf es bezweifeln. Aber wie ginge es denn überhaupt?

Die Frage nach der Reformunfähigkeit der Republik hatte ich an anderer Stelle schon gestellt. Die römisch-republikanische Verfassung war ungeeignet, ein Weltreich zu regieren. Sulla und Andere sehe ich eher als Restauratoren, mit einem verhängnisvollen Fokus auf Rom. Eine einzige Nabelschau; das eigentliche Problem haben sie nie angepackt. Auch hier die Frage: hätte es angesichts der Denke der Römer und der politischen Kultur und Politologie der Antike überhaupt eine republikanische Alternative gegeben, die ein Weltreich hätte verwalten können? Theoretisch lässt sich schnell ein föderales System einer repräsentativen Demokratie ausdenken, die die revilutionären Schichten und Gruppen an der Macht beteiligt. Aber hätte sowas die Vorstellungswelt der Antike und besonders die der Römer nicht gnadenlos gesprengt?

So blieb als einzig denkbare Alternative die Alleinherrschaft. Diese stellt den Kaiser über die Oberschicht und eröffnet der revolutionären Mittelschicht - auch in den Provinzen - Wege zur Macht. Am Ende der Entwicklung wuchs das zusammen zu einem spätantiken römischen Adel und einer machtlosen Unterschicht. Und wieder war man in einer fatalen Situation.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zum anderen warum ist man bei der jährlichen wahlen geblieben? Durch die kurzen Legislaturperioden war man gezwungen sehr schnell mit den Gesetzesentwürfen auf das Forum zu kommen, ohne sich lange Gedanken über folgn der Gesetzte machen zu können.
Bei einigen Ämtern war die jährlich Wahl wohl auch notwendig, da sonst der Amtsinhaber daran Pleite gegangen wäre. Als Beispiel könnte man die Ämter der Volkstribunen und er Konsule sehen, welche auch mehrjährig hätten gewählt werden können.
Das andere große Problem hast du ja auch angesprochen. Das Beibehalten der stadtstaatlichen Grundordnung, die denkbar ungeeignet für die Regierung eines Weltreiches war - was ja sehr schön an Sullas Reform zu sehen ist, die ganz auf die Probleme in Rom fokussiert war, das Reich aber vollkommen ausblendete.

Bei den jährlichen Wahlen ist man zum einen wohl geblieben, weil es ein Grundpfeiler der res publica war, und die Römer taten sich immer schwer, irgendetwas zu ändern, Stichwort mos maiorum.
Zum anderen zeigt ja der immer mehr verrechtlichte cursus honorum, dass man da gar keine Spielräume mehr hatte, da wenig Ämter, aber viele, die sie haben wollten. Eine Verlängerung von Amtszeiten hätte sich da gar nicht durchsetzen lassen.
Ich sehe das mit der Annuität nicht so kritisch. Auch der Aussage, dass die stadtstaatliche Grundordnung denkbar ungeeignet für die Regierung eines Weltreichs gewesen sei, kann ich in dieser Schärfe nicht zustimmen. Für mich lagen die Probleme eher anderswo. Aber der Reihe nach:

Was genau soll an den jährlichen Wahlen denn so schlimm gewesen sein, oder, anders gefragt, was wäre besser gewesen, wenn die Konsuln vier oder fünf Jahre amtiert hätten?
Man darf dabei nicht an heutige Zustände in unseren parlamentarischen Parteiendemokratien denken. Heutzutage wären jährliche Parlamentswahlen nichts, da mindestens ein halbes Jahr vor der Wahl wegen des Wahlkampfs nichts mehr geht und nach der Wahl wochen-, wenn nicht monatelang eine neue Regierung gebildet wird. In Rom war das anders, weil Einzelpersonen gewählt wurden. Die neugewählten Magistrate konnten unmittelbar bei Amtsantritt auch tatsächlich loslegen, und da üblicherweise Magistrate nicht direkt wiedergewählt wurden und auch nicht gleich nach einem Amt ins nächste gewählt wurden, mussten sie auch nicht die letzten Monate ihres Amtsjahrs mit dem Wahlkampf für ihre Wiederwahl verbringen. Sie konnten also im Wesentlichen durcharbeiten.
Das mit den Gesetzesentwürfen sehe ich auch nicht so kritisch. Die römischen Gesetze waren - verglichen mit unseren - meist sehr einfach gestrickt und enthielten nur wenige recht allgemein gehaltene und einigermaßen verständliche Bestimmungen. Sie mussten also nicht erst monatelang ausgearbeitet werden. Dass man die Auswirkungen eines Gesetzes sorgfältig durchdenkt, ist heute auch immer weniger der Fall, immer öfter werden Gesetze im Schnellschuss erlassen, weil gerade ein Thema von der Opposition und/oder den Boulevardmedien hochgespielt wird oder rasch auf eine Krise reagiert werden muss. Verglichen mit den Gesetzesungetümen, die heute mitunter binnen weniger Wochen verfasst und durchs Parlament gepeitscht werden und die die Abgeordneten oft selbst nicht einmal lesen, geschweige denn verstehen, waren die römischen Gesetze meist recht banal und die Auswirkungen überschaubar. Umgekehrt, wenn ein Gesetz wirklich durchdacht wird, zieht sich der Gesetzwerdungsprozess oft über Jahre dahin, und am Ende endet der Entwurf entweder in einer Schublade oder wird total verwässert und verkompliziert, weil die Einwände von allerhand Interessensvertretern berücksichtigt werden.
Für längere Amtszeiten spricht normalerweise die Kontinuität, also dass sich Amtsträger gründlich einarbeiten können, dann längere Zeit erfahrene Amtsträger im Amt sind und sich die Regierungspolitik nicht so häufig ändert. Aber wäre das in Rom der Fall gewesen? Zum einen ist zu sagen, dass für manche Ämter kaum bestimmte Kompetenzen erforderlich waren, oft reichte es, über die eigenen Befugnisse Bescheid zu wissen. Ausnahmen waren vor allem der Praetor urbanus und der Praetor peregrinus, die sich mit dem Recht auskennen sollten (aber natürlich auch Mitarbeiter hatten), und die Quaestoren. Gerade die Volkstribunen brauchten kein Spezialwissen. Längere Amtszeiten und das Sammeln von Erfahrungen waren vor allem bei militärischen Kommandos wichtig, aber da wurde erforderlichenfalls oft mit dem Promagistrat abgeholfen. Ein Problem der kurzen Amtszeiten war lange Zeit (3. und 2. Jhdt. v. Chr.), dass Magistrate, deren Tätigkeitsbereich außerhalb Italiens lag (also z. B. Praetoren, die Statthalterschaften übernahmen, oder Konsuln, die Krieg führten), zu Beginn ihres Amtsjahrs einige Zeit mit der Anreise vergeuden mussten. Aber das wurde im 1. Jhdt. v. Chr. dadurch entschärft, dass Provinzen in der Regel von Promagistraten verwaltet wurden und Konsuln kaum noch selbst Krieg führten. Eine kontinuierliche Regierungspolitik war wegen der Kollegialität ohnehin kaum möglich, da sich die Konsuln, wenn sich beide in Rom aufhielten, gegenseitig ins Handwerk pfuschen konnten, und die Volkstribunen arbeiteten auch nicht nur gegen die Konsuln und den Senat, sondern auch gegeneinander. Einen echten Vorteil kann ich in längeren Amtszeiten - unter Beibehaltung des sonstigen römischen Systems - also nicht erkennen.

Zum Punkt mit der stadtstaatlichen Grundordnung:
Optimal war die römische republikanische Verfassung für die Verwaltung eines Weltreichs natürlich nicht. Das Hauptproblem sehe ich allerdings nicht im stadtstaatlichen Charakter der Verfassung, sondern darin, dass die Provinzverwaltung aktiven Politikern übertragen wurde, die einerseits während ihrer Amtszeit in ihrer Provinz keiner Kontrolle unterlagen, andererseits ihre Statthalterschaft für ihre weitere Karriere zu nutzen versuchten, indem sie sich bereicherten oder auf eigene Faust Kriege führten.
Ein weiteres Problem war die mangelnde Fähigkeit mancher Feldherrn, aber das ließ sich in der Republik kaum vermeiden. In der Kaiserzeit konnten die Kaiser nach eigenem Gutdünken fähige Personen auswählen, aber in der Republik musste nun einmal eines der republikanischen Organe entscheiden, und somit war die Auswahl der Feldherrn immer Teil des politischen Machtspiels, sodass die Stärkung der eigenen Partei wichtiger war als die Befähigung.

Zwei Hauptprobleme der späten Republik lagen für mich in der Unausgegorenheit der Verfassung und der mangelnden Kontrolle.
- Die römische Verfassung war nicht aus einem Stück geschaffen worden, sondern im Laufe von Jahrhunderten entstanden, indem immer wieder neue Ämter geschaffen und Kompetenzen geändert wurden, was zu allerhand Ecken und Kanten und inneren Widersprüchen führte, die wiederum zu Konflikten führten. Z. B. waren die Kompetenzen des Senats und der verschiedenen Volksversammlungen zueinander nicht klar abgegrenzt. Die Volkstribunen passten mit ihren weitreichenden Blockademöglichkeiten nicht so wirklich ins System. Die Kompetenzen der verschiedenen Magistrate waren nicht genau festgelegt und überschnitten sich teilweise. Nicht vergessen darf man natürlich auch die Manipulierbarkeit des gesamten Systems im Namen der Religion, indem z. B. Priester bestimmte Beschlüsse oder sogar Wahlen für ungültig erklären konnten, wenn sie gegen religiöse Vorschriften verstießen oder die Götter ihren Unwillen bekundet hätten, was besonders problematisch war, weil die Priester meist selbst Politiker waren.
- Es gab keine echte Kontrolle der Magistrate und der Beschlüsse der gesetzgebenden Körperschaften und Versammlungen. Es gab z. B. keine Verfassungsgerichtsbarkeit, die klären konnte, wer wofür zuständig war und ob Gesetze/Beschlüsse gültig zustandegekommen waren. Stattdessen entschieden Macht und politischer Einfluss. Amtsinhaber konnten nicht ihres Amts enthoben werden (außer mit dem Kunstgriff, dass ihre Wahl gegen religiöse Vorschriften verstoßen hätte); belangt werden konnten sie erst nach ihrer Amtszeit. Der Bürger konnte sich kaum gegen Willkür von oben wehren. Er konnte sich allenfalls an die Volkstribunen wenden oder an die Volksversammlung appellieren, aber die Volkstribunen waren auch Politiker, die ihre eigenen Interessen verfolgten, also kein Ersatz für eine ordentliche Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtsbarkeit. Gegen illegales Handeln des Senats oder eines Magistrats gab es keinen echten Schutz und auch keine echten Sanktionen. Provinzstatthalter unterlagen während ihrer Amtszeit keiner Kontrolle, erst recht nicht konnten die Provinzbewohner sich gegen sie schützen, und auch nach Ende der Statthalterschaft waren sie auf die Unterstützung einflussreicher Römer angewiesen, wenn sie ehemalige Statthalter belangen wollten. Bezeichnend für das System war auch, dass die Besetzung der Gerichte zwischen Rittern und Senatoren umstritten war, weil es eben keine unabhängigen Gerichte gab, sondern Gerichte Mittel des politischen Kampfes waren und Entscheidungen davon abhingen, wer im Gericht dominierte und wie das Gericht politisch zum Angeklagten stand.
- Beide Punkte zusammen bewirkten, dass es kein geordnetes Verfassungsleben gab, sondern Politik hauptsächlich in Form von Machtkämpfen ausgetragen wurde. Wer was beschließen konnte, wer sich was erlauben konnte, ob jemand wenigstens nach seiner Amtszeit belangt wurde, all das hing vor allem davon ab, wer gerade welchen Einfluss und welche mächtigen Unterstützer hatte. Das führte umgekehrt dazu, dass es für Politiker wichtig wurde, ihre eigene Stellung auszubauen, z. B. durch einflussreiche Verbündete, Klienten und Armeen, um in der Innenpolitik Druck ausüben zu können und somit mehr Einfluss zu erlangen und sich im Idealfall unangreifbar zu machen. Paradebeispiel dafür ist Caesar, der schon deswegen putschen musste, weil er ansonsten voraussichtlich nach Ende seines Promagistrats von seinen Gegnern in Rom abgeurteilt worden wäre. Oder, andersherum gesehen: Wenn ein Politiker eine Verurteilung durch seine Gegner vermeiden wollte, war es günstig, schon während seines Amts - notfalls per Machtmissbrauchs, der im Erfolgsfall ohnehin nicht geahndet wurde - entsprechend vorzusorgen.
 
Gegen illegales Handeln des Senats oder eines Magistrats gab es keinen echten Schutz und auch keine echten Sanktionen.
Je nachdem, wie die Machtverhältnisse waren. Legal war, was durchsetzbar war, illegal, was gekippt werden konnte.

Nehmen wir das Problem des 2. Konsulats Caesars. Caesar wollte eine eigentlich nicht gestattete Bewerbung in absentia. Während des Triumvirats konnte das Privileg durchgesetzt werden, es war also legal. Später erwirkte Pompeius ja sogar die Zustimmung aller Volkstribune. Je näher der Termin allerdings kam, desto mehr Riegel wurden dem Ansinnen Caesars vorgesetzt. Jetzt war plötzlich das Gegenteil von dem Recht, was vorher gegolten hatte.

Alles also nur eine Frage der Durchsetzbarkeit. Genauso mit Sanktionen gegen Magistrate. Wann handelt überhaupt ein Magistrat illegal?
 
Mit fem jedoch meine ich das durch das beibehalten der Milizarmee der Mittelstand, welcher die Soldaten stellte verarmte und ausdünnte. Die Karthager oder auch die griechischen Städte haben viel mehr auf Söldner gesetzt, so das die Bauern und Handwerker vielfach zu Hause bleiben konnten und Steuereinnahmen erwirtschaften konnten.
Bei den Griechen kam der Einsatz von Söldnern in größerem Umfang aber erst während des Peloponnesischen Krieges auf, und er bestand auch hauptsächlich im Anheuern von Peltasten, Bogenschützen und Plänklern als Ergänzung zu den Hoplitenheeren. Davor hatten zwar schon viele Griechen selbst als Söldner gedient, allerdings hauptsächlich außerhalb Griechenlands.
Bis zum Peloponnesischen Krieg führten die Griechen ihre Kriege fast ausschließlich mit Bürgerheeren. Allerdings fanden viele dieser Feldzüge in der näheren Umgebung statt, sodass die Soldaten nicht allzu lange weg waren.

Je nachdem, wie die Machtverhältnisse waren. Legal war, was durchsetzbar war, illegal, was gekippt werden konnte. [...] Alles also nur eine Frage der Durchsetzbarkeit. Genauso mit Sanktionen gegen Magistrate.
Ja, ganz meine Rede.

Wann handelt überhaupt ein Magistrat illegal?
Ein paar Gesetze gab es schon, außerdem natürlich den mos maiorum, der auch so etwas wie Verfassungsgewohnheitsrecht enthielt. Im Einzelfall konnte man freilich oft darüber streiten, ob etwas "illegal" war.

Ein Beispiel wäre die von Cicero betriebene Hinrichtung der gefangenen Verschwörer um Catilina: Die Lex Sempronia de provocatione gewährte jedem Bürger das Recht, bei einem Todesurteil ans Volk zu appellieren, aber darüber setzten sich Cicero und Cato hinweg, wobei sich Cato auf den mos maiorum stützte und Cicero argumentierte, dass Staatsfeinde ihre Rechte verlieren würden. Noch gravierender war das alles, weil sich unter den Verschwörern auch ein amtierender Praetor befand. Cicero und Cato setzten sich durch und ließen die Catilinarier hinrichten - freilich nicht unbedingt, weil sie im Recht waren, sondern weil sie nach der Flucht der meisten Catilinarier die Stadt kontrollierten und den Senat dominierten und Kritiker der Maßnahme, mit Ausnahme Caesars, lieber schwiegen, um nicht selbst der Verschwörungsteilnahme verdächtigt zu werden. Eine unabhängige Instanz, die die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens prüfen können hätte, gab es ohnehin nicht.

Wie sehr immer Politik und Machtverhältnisse hineinspielten, sah man z. B. beim Prozess gegen Milo wegen seines Mordes an Clodius Pulcher. Cicero verteidigte ihn, wobei er auf Notwehr plädierte und dass Milo ohnehin zum Wohl des Staates gehandelt habe, aber Pompeius wollte eine Verurteilung und ließ sogar Soldaten aufmarschieren, um das Gericht unter Druck zu setzen.
 
Ich frage mich, wie die diese Gesetze eigentlich alle immer präsent haben konnten, wenn sie nirgendwo als Verfassung o.ä. niedergeschireben waren. Mos Maiorum hin oder her, bestand da nicht die Gefahr, dass sich das Gesetz verändert, wenn diejenigen, die es kennen, altern und sterben? Das ist glaube ich auch mit ein Grund, warum das Kaisertum nach und Nach die Res Publica in offene Monarchie verwandeln konnten.
 
Das Kaisertum war nie eine offene Monarchie, der Kaiser als Monarch existierte in der Verfassung des Prinzipats nie. Sonst wäre das Lex de imperio Vespasiani auch nicht so interessant. Und zu den Gesetzestexten, auch hier kannte man Aufzeichnungen ;)
 
Ich frage mich, wie die diese Gesetze eigentlich alle immer präsent haben konnten, wenn sie nirgendwo als Verfassung o.ä. niedergeschireben waren. Mos Maiorum hin oder her, bestand da nicht die Gefahr, dass sich das Gesetz verändert, wenn diejenigen, die es kennen, altern und sterben?
Ein paar niedergeschriebene Verfassungsgesetze und auch sonstige Gesetze gab es schon. Es starben auch nicht immer alle gleichzeitig.
Amtierende Magistrate umgaben sich mit einem Anhang aus Bekannten, darunter auch Rechtskundigen, die ihnen bei der Arbeit halfen.
Außerdem kann man römische Politiker nicht mit heutigen Politikern vergleichen. Wer zur Oberschicht gehörte (und faktisch hatten fast nur Angehörige der Oberschicht die finanziellen Mittel für eine politische Karriere), wurde schon in seiner Jugend auf eine mögliche politische Karriere vorbereitet. Z. B. mussten Schüler das Zwölftafelgesetz auswendig lernen. Zur "Ausbildung" eines künftigen Politikers gehörte auch eine gründliche Rhetorikausbildung, wobei zu Übungszwecken Reden zu verschiedenen Themen gehalten wurden, auch Vorkommnissen der Vergangenheit (z. B. "Hat der Politiker X recht gehandelt, als er ... ?"). Wenn der junge Mann dann die Öffentlichkeit auf sich aufmerksam machen wollte, war dazu ein probates Mittel, als Gerichtsredner aufzutreten. Spätestens dann musste er sich Rechtskenntnisse aneignen.
 
Die Gesetze waren nicht nur niedergeschrieben, sondern auch öffentlich. Sie wurden auf Tafeln (bevorzugt Holz oder Bronze) im öffentlichen Raum aufgestellt (das berühmte Zwölftafelgesetz hat daher seinen Namen). Von den Bronzetafeln sind auch einige auf uns gekommen. Im Übrigen nicht erst bei den Römern, auch schon bei den Griechen.
 
Der OP bezieht sich ja auf Christ und die These, daß die marianische Heeresreform den späteren Putsch eines Julius Caesar maßgeblich begünstigte.
Ohne willfährige Legionen wäre das in der Tat schwierig gewesen. Die römische Revolution hätte nie stattgefunden oder sehr anders ausgesehen.

Ich möchte die Diskussion mal etwas zusammenfassen und ordnen: Für mich gab es da 3 Kardinalfehler.

1. Rekrutierung
Die Praxis der Rekrutierung von Freiwilligen gab es schon früher. Bereits in den punischen Kriegen von Scipio und später von Sulla wurden Freiwilligenheere aufgestellt. Diese wurden gerne aus der eigenen Klientel rekrutiert, waren dem Feldherrn also wohlgesonnen und politisch verpflichtet. Auch ein Julius Caesar rekrutierte in Gallia Cisalpina und Illyricum. Waren das nicht genau die Provinzen / Städte, deren Interessen er später in Rom massiv vertrat; ihre lokalen Führer sogar in den Senat brachte? Klientel waren in Rom ja nicht einige verstreute Anhänger, sondern ganze Städte und Regionen. Kann man sagen, daß die spätrepublikanischen Feldherren darauf achteten möglichst aus ihrer Klientel zu rekrutieren? Oder war das nicht sogar systembedingt, wenn ein anständiger Prokonsul seine Provinz nicht nur ausbeutet sondern sie vertrat und so eine große Klientel für seine politische Zukunft aufbaute?

2. Altersversorgung
Die Altersversorgung war meines Wissens nicht verbindlich geregelt. Marius begann damit, diesen besitzlosen Soldaten nach den Feldzügen Land zuzuweisen. Genügend Land zu enteignen in eroberten Gebieten gabs ja; nur In Italien war das schwieriger um nicht zu sagen illegal (Proskriptionen etc.). Aber auch für einen Scipio war es sicher selbstverständlich, für seine Freiwilligen zu sorgen. Das war seine verdammte Pflicht als Patron einer Klientel.

Irgendwann leiteten die Soldaten daraus einen Anspruch auf Land ab. Einen Anspruch auf Fürsorge hatten sie ohnehin, wenn sie sich als Klientel des Feldherrn betrachteten und der Patron dieser Sicht nicht widersprach; was er wohl kaum getan haben wird.

Der Senat hat aber niemals die Versorgung der Soldaten offiziell geregelt. Es wurde situativ gehandhabt. Einen codifizierten Rechtsanspruch gab es nicht. Zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen bedurfte der einfache Römer eines Patrons. Und hier schliesst sich der Teufelskreis. So wurde auch der letzte Legionär zum Klientel eines römischen Feldherrn und Politikers.

3. Sold und Beutezuteilung

Hier bin ich mir nicht sicher, wie das lief. Sicherlich wurde der Sold von der jeweiligen Legionskommandatur ausbezahlt. Und die hatte zu schauen, wo das Geld herkam. Wurde der Sold eigentlich offiziell aus der Staatskasse bezahlt, oder war auch das Sache des Feldherrn?

Bei den ganzen Legionen die Caesar aushob, ohne dafür die volle Unterstützung des Senats zu haben, kann ich mir das gut vorstellen. Auch andere Prokonsule sind ja in ihren Provinzen erst mal losmarschiert, ohne daß der Senat wusste, daß der grad einen Krieg anzettelt. Zumindest kann ich mir vorstellen, daß der Feldherr mit seiner Privatschatulle einsprang oder einfach Einnahmen aus seinen Provinzen zweckentfremdete, wenn mal wieder der Sold nicht rechtzeitig kam und in Rom Dampf machte. Aus Sicht des Legionärs, war es wieder der Feldherr, der als Patron für seinen Sold sorgte und nicht der Staat.

Über die Beutezuteilung hab ich nix genaues gefunden. Es scheint aber Sache des Feldherrn gewesen zu sein, ob und wie heftig geplündert wurde und wer was bekam; wenn nicht offiziell so zumindest de facto.

Augustus änderte all dies. Und wenn man nach Ursachen für das Scheitern der Republik fragt, dann ist man gut beraten, zu schauen, was Augustus änderte.

1. Die Feldherren wurden von ihm ernannt und er wird wohl kaum Gegner ernannt haben. Die Soldaten wurden auf ihn vereidigt, man könnte sagen sie waren seine persönliche Klientel. Auch der Kaiserkult trug dazu bei.

2. Der Princeps selbst war verantwortlich für die Altersversorgung und hatte auch die notwendige Macht, diese sicherzustellen. Auch wurde die Altersversorgung verbindlicher geregelt.

3. Der Sold kam aus einem speziellen Budget der Staatskasse, das auch zum großen Teilen aus Augustus Privatschatulle gefüttert wurde.

Was die Beute anging bin ich mir noch unsicher. Es gab da ja einen Verwaltungsbeamten/offizier je Legion der sich mit Sold und Beute beschäftigte. Der war sicher dem Legaten unterstellt, aber wem berichtete er wirklich? Hatte er auch eine Berichtspflicht an den Kaiser? Gab es eine weitgehendere Kontrolle der Legaten vor Ort um Bereicherung und schlimmere Machenschaften auszuschliessen? Alleine die Tatsache, daß jeder Provinzbeamte oder Offizier im Zweifelsfall den Legaten beim Kaiser anschwärzen konnte, könnte gereicht haben. Ich spreche dabei nicht über spätere Zeiten der Usurpation.

Was hätte ein republikanischer Senat nun machen können, um die Republik zu stärken? Eigentlich einfach Alles, was Augustus auch tat.

1. Einen geregelten Prozess der Rekrutierung der die Möglichkeiten zur Einflußnahme durch den Feldherrn und Kliententum stark einschränkt. Sowie weitere Massnahmen, die Soldaten auf SPQR einzuschwören.
Wirksam wäre auch eine Trennung von Provinzadministration (Procurator/-konsul) und militärischer Führung (Legat) gewesen. Aber so weit war man auch in Sachen personeller Machbarkeit wohl erst mit Diokletian.

2. Eine klar geregelte Altersversorgung mit codifiziertem Rechtsanspruch durch Landzuteilung oder Geldzahlung. Die Abwicklung erfolgt durch oder geregelt durch einen der zentralen Magistrate und lokale ihm berichtspflichtige Beamte (Projektbeauftragte)

3. Auszahlung von Sold und Beute durch einen dem Senat / amtierenden Konsul berichtspflichtigen Offiziers. Die Bezahlung erfolgt aus einem ausreichnden Budget der Staatskasse.

Die Frage ist: Warum hat man es nicht getan? Sah man die große Gefahr nicht oder war das Alles gegen jede republikanische Tradition und Vorstellungskraft? Oder war der römische Staat einfach chronisch pleite und setzte so auf die "gute alte Tradition" die Politiker (und das waren die Prokonsule auch) alles bezahlen zu lassen? Eine fatale Einstellung.

Klar ist auch: das alleine, hätte die Republik nicht gerettet. Andere Gründe für das Scheitern wurden oben genannt. Aber es hätte es den Putschisten schon erheblich schwerer gemacht.

Wie ich allerdings bereits in einem anderen Thread zur Diskussion stellte, verhinderte auch die bessere Praxis der Imperatoren keine Usurpationen. Damit alleine, war also offensichtlich die Loyalität der Legionäre nicht verbindlich zu sichern. Die weit interessantere und weitgehendere Frage ist also: Wie hätte man Usurpationen noch besser verhindern können? Denn auch das verbesserte System der frühen Principes versagte irgendwann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Gesetze waren nicht nur niedergeschrieben, sondern auch öffentlich.
Das galt allerdings natürlich nur für ausdrücklich erlassene Gesetze. Der Großteil des Privatrechts war Gewohnheitsrecht, nur fallweise wurden, meist aus bestimmten Anlässen heraus, ausdrückliche schriftlich fixierte Gesetze erlassen. Aus der Zeit der Republik nach den Zwölftafelgesetzen sind etwa 30 Gesetze privatrechtlichen Inhalts bekannt, die meist nur einige wenige Einzelfragen regelten. Auch das öffentliche Recht war nur teilweise ausdrücklich erlassen worden, auch hier war vieles nur Gewohnheitsrecht.
 
Als ein Grund für das Scheitern der Republik wird oben genannt, daß es keine umfassende, codifizierte Verfassung gab und auch keine Verfassungsgerichtsbarkeit. Daher war "legal" beliebig. "Legal war, was durchsetzbar war".

Nehmen wir mal an, die Römer hätten eine ausführliche Verfassung gehabt und ein Verfassungsgericht. Nehmen wir weiter an, es hätte wie in der BRD einer 2/3 Mehrheit bedurft und in manchen Fällen gar einer Volksabstimmung, diese zu ändern. Und es hätte sogar ewige, unabänderliche Pragraphen gegeben, wie in unserer Verfassung, die sich nur durch eine Auflösung und Neugründung des Staates selbst ändern lassen. Was wäre dann geschehen?

Ein Caesar wäre mit seinen Legionen vor Rom erschienen und hätte sich mit Druck, Mord und Ersetzen nicht willfähriger Senatoren die absolute Mehrhheit in Senat verschafft, um die Verfassung zu ändern und seine "neue Republik" zu schaffen; ebenso hätte er seine Leute ins Verfassunggericht gesetzt. Selbst unabänderliche Paragraphen hätte er per verfassungsgebender Versammlung und mit breiter Unterstützung des Volkes nach entsprevhend populistischen Maßnahmen ändern können. Octavian hätte das Selbe getan, nur wesentlich subtiler.

Ich glaube also, daß das Fehlen einer codifizierten Verfassung und eines Verfassungsgerichts zwar die Entwicklung beschleunigte, aber nicht das Problem war. Wir haben es hier mit einer Revolution zu tun, und Revolutionen haben sich noch nie um Verfassungen und Institutionen geschert. Sie wurden einfach hinweggefegt. Nach der reinen Lehre geschieht das durch eine revolutionäre Schicht, die nach der Macht strebt, die das in der Masse mit den Herrschenden unzufriedene Volk instrumentalisiert.

Die frage stellt sich also:

1. Wer genau war die unzufriedene revolutionäre Schicht, warum war sie unzufrieden und was genau wollte sie? Man nennt es auch modern die Intelligentia, die den revolutionären Kader stellt.

2. Warum war das römische Volk (im wesentlichen das städtische Proletariat) so unzufrieden, daß es sich instrumentalisieren ließ?

Ohne diese zwei Voraussetzungen, war es in der Geschichte immer schwer mit Truppen zu putschen (die Truppen überhaupt zum Putsch zu bewegen) und sich vor allem lange zu halten; wenn auch nicht unmöglich. Es ist dann halt keine Revolution, sondern nur ein Putsch mit folgender Militärdiktatur. Das ist natürlich auch eine interessante Frage: War die römische Revolution überhaupt eine Revolution und was qualifiziert sie dazu?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Caesar wäre mit seinen Legionen vor Rom erschienen und hätte sich mit Druck, Mord und Ersetzen nicht willfähriger Senatoren die absolute Mehrhheit in Senat verschafft, um die Verfassung zu ändern und seine "neue Republik" zu schaffen; ebenso hätte er seine Leute ins Verfassunggericht gesetzt. Selbst unabänderliche Paragraphen hätte er per verfassungsgebender Versammlung und mit breiter Unterstützung des Volkes nach entsprevhend populistischen Maßnahmen ändern können. Octavian hätte das Selbe getan, nur wesentlich subtiler.

Ich glaube also, daß das Fehlen einer codifizierten Verfassung und eines Verfassungsgerichts zwar die Entwicklung beschleunigte, aber nicht das Problem war.
Man sollte einen wichtigen Punkt nicht außer Acht lassen: den Selbsterhaltungstrieb. Viele römische Politiker handelten nicht so, wie sie handelten, weil sie so verkommen oder machtgeil waren, sondern weil ihnen kaum etwas anderes übrigblieb, wenn sie nicht auf Gedeih und Verderb ihren Gegnern preisgegeben sein wollten. Dabei ging es nicht nur um die physische Existenz - obwohl auch diese gefährdet sein konnte -, sondern auch um die dignitas, also die Würde. Ein römischer Politiker wollte Karriere machen, Einfluss haben, Ruhm erwerben - und in Sicherheit leben. Keinesfalls wollte er verurteilt und verbannt werden - und auch nicht unbedingt irgendwann im Rahmen der häufig gewaltsam ausgetragenen politischen Auseinandersetzungen ermordet. Der Staat und die Verfassung boten ihm allerdings diese Sicherheit nicht, er musste sich entweder darauf verlassen, von seinen politischen Verbündeten beschützt zu werden, oder für seinen eigenen Schutz sorgen. Letzteres konnte er am besten, indem er Klienten sammelte, die er für seine Zwecke instrumentalisieren konnte, indem er Schlägertrupps aufstellte, die ihn beschützten und die er gegen seine Gegner einsetzen konnte (siehe die Auseinandersetzungen zwischen Clodius und Milo), indem er sich irgendwie Immunität verschaffte - und indem er sich eine echte Armee sicherte.

Die römische Republik konnte ihren Politikern also einfach keine Sicherheit bieten. Da es keine unabhängigen Gerichte gab, sondern sie unter politischem Einfluss standen, hing das Schicksal eines Politikers, der angeklagt wurde, auch davon ab, wer das Gericht dominierte. (Beispiel: Ein wesentlicher Teil des Prozesses gegen Verres war der Kampf um den Termin: Verres versuchte mit allen Mitteln, den Prozess auf nächstes Jahr zu verschieben, weil er dann ein ihm gewogeneres Gericht erhalten hätte.)

Nehmen wir den Fall Caesar: Ich glaube nicht, dass er immer schon davon träumte, Alleinherrscher zu werden. Hätte man ihm die Kandidatur für sein zweites Konsulat gestattet und ihm danach ein neues langes Promagistrat gewährt, hätte er sich damit wohl zufrieden gegeben. Aber stattdessen drohte ihm nach dem Ende seines Promagistrats und dem Verlust seiner Truppen eine Anklage. Caesar hatte also nur die Wahl, sich seinen Gegnern auf Gedeih und Verderb auszuliefern oder zu putschen.
Ein Gegenbeispiel ist Cicero: Er verzichtete darauf, sich eine eigene Machtbasis zu schaffen, sondern hoffte darauf, dass man ihn seiner Verdienste um den Staat wegen in Ruhe lassen würde, und zusätzlich versuchte er es mit Opportunismus, wobei er allerdings die Lage öfters mal falsch einschätzte. Das Ergebnis: Wenn sich kein Mächtiger für ihn einsetzte, war er seinen Gegnern hilflos ausgeliefert.

Rom fehlte es aber auch massiv an einer zivilisierten politischen Kultur: Gemacht wurde, was machbar war. Skrupel gab es kaum. Wähler wurden gekauft, Gegner wurden angeklagt, durch Schläger terrorisiert oder gar ermordet.
Heute ist das anders: In Deutschland und Österreich muss kein Minister fürchten, von einem Schlägertrupp eines oppositionellen Abgeordneten verprügelt zu werden, also besteht auch keine Notwendigkeit für ihn, zu seinem Schutz seine eigene Privatarmee aufzubauen. Anklagen wegen fragwürdiger Machenschaften gibt es kaum. Wichtige Politiker können sich in der Regel darauf verlassen, von ihrer Partei immer wieder irgendwelche Posten zu bekommen, bis sie sich in den reich dotierten Ruhestand verabschieden.

Noch ein Punkt war wichtig: Wer in der Politik Erfolg haben wollte, musste sich finanziell ordentlich verausgaben. Für Bestechungen, Stimmenkauf und prächtige Spiele flossen Unsummen, die auch wieder hereinkommen mussten. (Geld wurde aber nicht nur für Politik benötigt: Viele Römer lebten einfach über ihre Verhältnisse; zum Teil auch, um durch Reichtum zu imponieren.) Am einfachsten ging das, wenn ein Politiker Praetor wurde, weil er danach eine Provinz erhielt, durch deren Ausbeutung er sich wieder sanieren konnte. Aber wenn er nicht gewählt wurde oder ihm schon auf dem Weg zur Praetur der finanzielle Atem ausging (besonders kritisch war die Aedilität, die besonders aufwändige Spiele erforderte), dann hatte er ein massives Problem: Er war hochverschuldet, aber ohne realistischen Ausweg. Entweder musste er sich zum Spielball seiner einflussreichen Geldgeber machen lassen - oder er konnte versuchen, seine Schulden einfach verschwinden zu lassen. Letzteres konnte er erreichen, indem seine Gläubiger verschwanden, z. B. indem sie proskribiert wurden, oder indem er einen Umsturz herbeiführte und danach alle (oder zumindest seine) Schulden löschen ließ. Diese Verschuldung war ein wesentliches Motiv für die Catilinarier, und sie war maßgeblich für Crassus' großen Einfluss hinter den Kulissen. Auch Caesar hatte das Problem, dass manche seiner Anhänger von ihm eine Schuldentilgung erwarteten.

Wir haben es hier mit einer Revolution zu tun, und Revolutionen haben sich noch nie um Verfassungen und Institutionen geschert. Sie wurden einfach hinweggefegt. Nach der reinen Lehre geschieht das durch eine revolutionäre Schicht, die nach der Macht strebt, die das in der Masse mit den Herrschenden unzufriedene Volk instrumentalisiert.

1. Wer genau war die unzufriedene revolutionäre Schicht, warum war sie unzufrieden und was genau wollte sie? Man nennt es auch modern die Intelligentia, die den revolutionären Kader stellt.
Eine "revolutionäre Schicht" gab es eigentlich nicht. Die Umstürze gingen nicht von revolutionären Schichten aus, sondern von Politikern bzw. Politikergruppen, die so an die Macht gelangen oder auch nur sich schützen wollten. Einen revolutionären Kader mit einem bestimmten revolutionären Programm, das einen Umbau von Staat und Gesellschaft anstrebte, gab es normalerweise (zu den wenigen Ausnahmen gehörten wohl die Gracchen) nicht. Es ging in der Regel nur um die eigene Macht und die eigene Sicherheit. Angestrebte Reformen dienten nur dazu, die eigene Position zu sichern und die Unterstützer bei Laune zu halten.
Es gab genügend Menschen, die sich von den Politikern instrumentalisieren ließen. Dem Proletarier ging es nicht um eine Revolution, sondern um ein Einkommen und Unterhaltung, und wenn sich ein Politiker fand, der ihm das bot, unterstützte er ihn.
 
Eine "revolutionäre Schicht" gab es eigentlich nicht. Die Umstürze gingen nicht von revolutionären Schichten aus, sondern von Politikern bzw. Politikergruppen, die so an die Macht gelangen oder auch nur sich schützen wollten. Einen revolutionären Kader mit einem bestimmten revolutionären Programm, das einen Umbau von Staat und Gesellschaft anstrebte, gab es normalerweise (zu den wenigen Ausnahmen gehörten wohl die Gracchen) nicht. Es ging in der Regel nur um die eigene Macht und die eigene Sicherheit. Angestrebte Reformen dienten nur dazu, die eigene Position zu sichern und die Unterstützer bei Laune zu halten.
Es gab genügend Menschen, die sich von den Politikern instrumentalisieren ließen. Dem Proletarier ging es nicht um eine Revolution, sondern um ein Einkommen und Unterhaltung, und wenn sich ein Politiker fand, der ihm das bot, unterstützte er ihn.

Vollkommen einig über die Motivation der damals handelnden Nobilität.

Aber wenn das Alles wäre, dann sollten wir aufhören, von der römischen Revolution zu sprechen.

Ich sehe auch, daß die üblichen Elemente einer Revolution nicht sehr ausgeprägt sind. Aber es kam am Ende zu einer neuen Staatsform. Und dieser neue Staat eröffnete weiteren Schichten der Bevölkerung Zugang zur politischen Macht über die imperiale Laufbahn, die der Princeps neben die klassisch senatorische stellte.

Mindestens Octavian, sollte also im Sinne eines Kaders eine Vorstellung gehabt haben, was in dieser Republik falsch läuft, was geändert werden muss und wie man damit ein Weltreich regiert. Ob bereits Julius Caesar eine politische Soll-Vorstellung hatte, ist schwer zu beurteilen. War etwa die Aufnahme von Provinzadel in den erweiterten Senat nur Klientelpolitik oder geschah es aus Überzeugung, als ein Ansatz zu einer imperialeren Erweiterung der politischen Oberschicht?

Untypisch ist, daß Octavian von den Gruppen, für die sich später neue Möglichkeiten eröffneten nicht direkt unterstützt wurde. Unterstützt wurde er von der caesarianischen Fraktion; allesamt Politiker der Nobilität mit genau der Motivation, die du oben sehr treffend beschrieben hast. Und für seine adeligen Anhänger, wie auch für seine Gegner, sofern sie nicht notwendigerweise proskribiert worden waren, blieb der Weg zur Macht auch im Prinzipat offen; auch das etwas untypisch für eine Revolution. Dieser Zugang wurde nur für weitere geöffnet: Ritter, Oberschicht der Bundesgenossen und der Provinzen / Kolonien; theoretisch für jeden, der was leistete. Zwischen Nobilität und städtischem Proletariat gab es m.E. sehr wohl noch eine Schicht, die pro Caesar und pro Octavian war; und sei es nur, weil sie gegen die alte, starre und undurchlässige Nobilität waren.

So ganz will ich den Gedanken einer Revolution nicht von der Hand weisen, auch wenn es sich um eine sehr untypische Revolution handelte. Vielleicht wollte Octavian aber auch einfach nur an die Macht oder seinen Hintern retten und das römische Kaierreich war einfach nur ein dummer Zufall :cool:
 
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Aber wenn das Alles wäre, dann sollten wir aufhören, von der römischen Revolution zu sprechen.
Ich verwende den Ausdruck ohnehin nicht.

So ganz will ich den Gedanken einer Revolution nicht von der Hand weisen, auch wenn es sich um eine sehr untypische Revolution handelte. Vielleicht wollte Octavian aber auch einfach nur an die Macht oder seinen Hintern retten und das römische Kaierreich war einfach nur ein dummer Zufall
Genau so sehe ich es aber: Octavian war von Caesar adoptiert und als Haupterbe eingesetzt und somit in die politische Arena hineingestoßen worden. Nachdem Octavian sich (entgegen des Rats seines Stiefvaters und mancher Freunde) entschieden hatte, das Erbe anzunehmen, musste er sich irgendwie behaupten. Sein erstes Problem war Marcus Antonius, der das Erbe nicht herausrücken wollte. Somit musste sich Octavian eigene Macht verschaffen, und das tat er u. a., indem er aus Caesarianern ein eigenes Heer aufstellte und Verbündete suchte, wobei er nicht gerade wählerisch war.
Viele Jahre später hatte Octavian dann alle seine Gegner ausgeschaltet und stand vor der Entscheidung, seine dadurch gewonnene Alleinherrschaft aufzugeben (und das Risiko einzugehen, dass bei Wiederherstellung der Republik oder auch einer Reform der Republik irgendwann neue mächtige Rivalen auftauchen und alles wieder von vorne losgehen würde) oder sie beizubehalten und irgendwie auf eine halbwegs tragfähige und für die Römer einigermaßen akzeptable Grundlage zu stellen.

Mindestens Octavian, sollte also im Sinne eines Kaders eine Vorstellung gehabt haben, was in dieser Republik falsch läuft, was geändert werden muss und wie man damit ein Weltreich regiert.
Das eine schließt ja das andere nicht aus, im Gegenteil: Wenn man die eigene Macht dauerhaft absichern will, ist es natürlich günstig, sie auf eine tragfähige Grundlage zu stellen, und sich somit Gedanken zu machen, welche institutionellen, politischen und sozialen Reformen notwendig sind, um die eigene Position auf Dauer zu sichern.

Mindestens Octavian, sollte also im Sinne eines Kaders eine Vorstellung gehabt haben, was in dieser Republik falsch läuft, was geändert werden muss und wie man damit ein Weltreich regiert. Ob bereits Julius Caesar eine politische Soll-Vorstellung hatte, ist schwer zu beurteilen. War etwa die Aufnahme von Provinzadel in den erweiterten Senat nur Klientelpolitik oder geschah es aus Überzeugung, als ein Ansatz zu einer imperialeren Erweiterung der politischen Oberschicht?
Einen vorgefertigten Plan im Sinne eines Kaders hatten beide nicht. Beide experimentierten nach Erlangung der Alleinherrschaft erst einmal herum und probierten verschiedene Konstruktionen, mit denen sie ihre Macht sichern konnten. Auch Octavian hatte keinen vorgefertigten Plan. Zunächst machte er einfach das Naheliegendste, nämlich einfach Jahr für Jahr das Konsulat bekleiden, gab das dann aber wieder auf.

Untypisch ist, daß Octavian von den Gruppen, für die sich später neue Möglichkeiten eröffneten nicht direkt unterstützt wurde. Unterstützt wurde er von der caesarianischen Fraktion; allesamt Politiker der Nobilität mit genau der Motivation, die du oben sehr treffend beschrieben hast. Und für seine adeligen Anhänger, wie auch für seine Gegner, sofern sie nicht notwendigerweise proskribiert worden waren, blieb der Weg zur Macht auch im Prinzipat offen; auch das etwas untypisch für eine Revolution.
Was zeigt, dass es Octavian nicht um eine Umwälzung ging, sondern darum, seine Alleinherrschaft irgendwie mit der überkommenen Ordnung (und auch deren Trägern) auszusöhnen, statt einfach die alte Ordnung und ihre Träger zu beseitigen und durch Neuerungen zu ersetzen, wie es für eine Revolution typisch ist. Octavian gab sich Mühe, den Anschein einer Revolution zu vermeiden.
 
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