Gründe für die Schlacht im Teutoburgerwald

Hallo Britannicus,

Vielleicht noch ein Wort zu den Funden aus Kalkriese.

Das Prägedatum der zahllosen Münzen weist darauf hin, dass keine vor dem Jahr 9 n. Chr. in Umlauf war war. Außerdem hat man auch einige Exemplare gefunden, die mit der Aufschrift "Varus" versehen waren.

Ich weiß zwar, dass du dieses Verfahren zur Datierung historischer Ereignisse schon in einem anderen Thread infrage gestellt hast, in der Wissenschaft ist es aber ein probates Mittel, um das Alter von Gräbern, Schlachtfeldern, etc. zu ermitteln.

Wir können uns das ja an einem etwas profanen Beispiel verdeutlichen:
Nehmen wir mal an du findest in deinem Garten eine Leiche mit einem Geldbeutel, der DM-Münzen enthält, die alle vor 1970 geprägt wurden. Dann kannst du mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der gute Herr hier schon seit längerem liegt, wenn er nicht gerade ein Numismatiker war, der seine Sammlung zm nächsten Flohmarkt bringen wollte...
Da ich jetzt einfach mal behaupte, dass das Sammeln von Münzen in Varus' Heer nicht allzu weit verbreitet gewesen sein dürfte, stellen die Münzfunde eine sehr wichtige Quelle zur Datierung des Schlachtfeldes dar.

Was den Ausgang der Schlacht angeht, geben uns die Funde auch einige Hinweise.
So fanden sich bis jetzt (falls sich das in jüngster Zeit geändert hat, bitte ich um Korrektur) ausschließlich römische Objekte, wie z.B. die oben genannten Münzen aber auch Reste von Waffen und Ausrüstung. Man kann also davon ausgehen, dass die Germanen ihre Waffen und Rüstungen (falls sie welche trugen) alle wieder mitgenommen haben. Dieses Verhalten ist typisch für den Sieger. Bei den römischen Funden handelt es sich hauptsächlich um Fragmente oder Kleinteile, die beim Plündern des Schlachtfeldes entweder übersehen (z.B. die berühmte Reitermaske) oder von Rüstungen und Helmen abgerissen wurden, als man die Leichen fledderte (z.B. Teile eines Schienenpanzers, ein Helmbuschhalter, Verzierungen von Schwertscheiden, etc.).

Viele Grüß
Cato
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo, Gemeinde!

Zur Frage, ob es eine Varusschlacht überhaupt gab, schließe ich mich den Vorrednern an. Alle schriftlichen Quellen (mit Ausnahme von Florus) schildern die Vorgänge in groben Zügen identisch. Und sie reißen sie so knapp an, dass man davon ausgehen kann, dass sich die Autoren auf gemeinsame Quellen stützen und etwas schildern, was allgemein bekannt war. Es gibt keinen begründeten Zweifel daran, dass die Varus-Legionen von germanischen Stämmen besiegt worden sind.

Meiner Meinung nach, war das (auch) bei Kalkriese. Dem wird allerdings immer wieder das Fehlen germanischer Funde entgegengehalten.

So fanden sich bis jetzt (falls sich das in jüngster Zeit geändert hat, bitte ich um Korrektur) ausschließlich römische Objekte, wie z.B. die oben genannten Münzen aber auch Reste von Waffen und Ausrüstung.
Es gibt einen Reitersporn, der nach Meinung der Archäologen germanisch ist. Aber der beweist natürlich nichts, denn der kann ja auch von einem Angehörigen der römischen Hilfstruppen stammen, der nicht abtrünnig geworden ist - oder sogar von einem römischen Reiter, der eine Vorliebe für germanische Ausrüstung hatte. Ansonsten hast Du völlig Recht: Es gibt praktisch nur römische Spuren. Ganz wenige davon sind als Spuren direkten Kampfgeschehens anzusehen (verschüttetes Maultier), die meisten als Hinweise auf anschließende gewaltsame Plünderung der Leichen. Und die in großer Zahl. Wenn ich mich recht erinnere, sind es allein im Bereich Oberesch 5000 Kleinteile, die auf brutales Abreißen von Rüstungs- und sonstigen Ausrüstungsteilen hindeuten. Wenn also eine Vielzahl von römischen Leichen geplündert werden konnte, dann müssen "die Anderen" gewonnen haben. Und ich teile Deine Einschätzung, dass die Sieger ihre Gefallenen und deren Ausrüstung nicht liegen gelassen haben.

Das Prägedatum der zahllosen Münzen weist darauf hin, dass keine vor dem Jahr 9 n. Chr. in Umlauf war war. Außerdem hat man auch einige Exemplare gefunden, die mit der Aufschrift "Varus" versehen waren.
Das ist so nicht richtig. Sämtliche bislang gefundenen Münzen sind vor dem Jahr 9 in Umlauf gewesen. Die "Schlussmünzen" mit dem Varus-Gegenstempel belegen, dass der Kampf bei Kalkriese keinesfalls vor dem Jahr 7 stattgefunden haben kann, denn jemand, der - wie in Deinem Beispiel mit den Markstücken - im Jahr 1960 verscharrt wurde, kann unmöglich Münzen im Geldbeutel haben, die erst 1970 geprägt worden sind.

Hier versuche ich mal, wieder den Bogen zum Thema zu finden: Der von mir schon mal zitierte Autor Dreyer wertet die von Varus gegengestempelten Münzen als einen Beleg dafür, dass Varus seine "harte" Provinzialisierungspolitik (die den Aufstand auslöste) im Auftrag von Augustus verfolgt hat. Dreyer schreibt, nur selten hätten andere Menschen als der "Kaiser" selbst Münzen stempeln und damit die Loyalität der Soldaten auf sich übertragen dürfen. Dies sei ein Zeichen besonderen Vertrauens. Hierüber weiß ich praktisch nichts. Hat jemand dazu erhellende Informationen?

MfG
 
Zu den Münzen sind zwei Dinge zu sagen, schließlich sind auch hier im Forum schon erbitterte Diskussionen um ihre Interpretation geführt worden:
Laut einigen Numismatikern und Archäologen, welche die Interpretation des Fundortes Kalkriese als Teil der Varusschlacht ablehnen oder zumindest als zu schnell kritisieren, ergäbe das Münzbild 15 n. Chr. keine wesentlichen Unterschiede zu dem von 9 n. Chr. Desweiteren ist die Lesart des Stempels als VAR nicht von allen akzeptiert (wiewohl ich diese Lesart selber für die wahrscheinlichste halte). Varus steht auf der Countermarke nicht. Aber auch dies sollte lieber nicht im Thread "Gründe für die Schlacht im Teutoburger Wald" diskutiert werden.
 
Das ist so nicht richtig. Sämtliche bislang gefundenen Münzen sind vor dem Jahr 9 in Umlauf gewesen. Die "Schlussmünzen" mit dem Varus-Gegenstempel belegen, dass der Kampf bei Kalkriese keinesfalls vor dem Jahr 7 stattgefunden haben kann, denn jemand, der - wie in Deinem Beispiel mit den Markstücken - im Jahr 1960 verscharrt wurde, kann unmöglich Münzen im Geldbeutel haben, die erst 1970 geprägt worden sind.
MfG

Da hast du natürlich Recht, da habe ich mich verschrieben :autsch:, sonst würde die ganze Aussage keinen Sinn machen. Fakt ist, wir haben keine Münzen, die nach 9 n. Chr. geprägt wurden. So rum stimmt's dann ;)
 
Hier versuche ich mal, wieder den Bogen zum Thema zu finden: Der von mir schon mal zitierte Autor Dreyer wertet die von Varus gegengestempelten Münzen als einen Beleg dafür, dass Varus seine "harte" Provinzialisierungspolitik (die den Aufstand auslöste) im Auftrag von Augustus verfolgt hat. Dreyer schreibt, nur selten hätten andere Menschen als der "Kaiser" selbst Münzen stempeln und damit die Loyalität der Soldaten auf sich übertragen dürfen. Dies sei ein Zeichen besonderen Vertrauens. Hierüber weiß ich praktisch nichts. Hat jemand dazu erhellende Informationen?

MfG
Naja, Gegenstempel sind nicht so selten, und nach Ansicht einiger Archäologen (jüngst äußerte sich dementsprechend etwa Th. Fischer, Köln) eher ein Ausdruck des jeweiligen Anspruches des Stempelnden bzw. der Verbundenheit mit den Soldaten, die diese Münzen empfangen.
 
Naja, Gegenstempel sind nicht so selten, und nach Ansicht einiger Archäologen (jüngst äußerte sich dementsprechend etwa Th. Fischer, Köln) eher ein Ausdruck des jeweiligen Anspruches des Stempelnden bzw. der Verbundenheit mit den Soldaten, die diese Münzen empfangen.

Galt das für die frühe Kaiserzeit auch noch? Dort war man doch hauptsächlich darum bemüht, ein Gefühl der Verbundenheit zwischen Soldaten und Princeps herzustellen und weniger zwischen Soldaten und Feldherrn bzw. Statthalter.
 
Zunächst einmal:
In der Numismatik ist nach wie vor umstritten, welche Funktion Gegenstempel überhaupt hatten.
"Geldgeschenke" an Soldaten ist nur eine von mehreren Theorien.
Warum treten jedoch Namenskürzel als auch Symbole als Gegenstempel auf? Manchmal sogar auf ein und derselben Münze.
Warum wurden nur Kupfermünzen gestempelt? Hat Varus nur Kleingeld verschenkt? (Der Sold eines augusteischen Legionärs betrug etwa 1 Denar pro Tag, also 16 Asses.)
Das ist hier aber nicht das Thema.

Nach Dreyers Theorie hat sich Varus am Vorabend seines Untergangs mit seinen drei Legionen auch deshalb im Raum zwischen Weser und Elbe aufgehalten, um dagegen vorzubeugen, dass die mit Marobod verbandelten elbgermanischen Stämme in dem gerade befriedeten Gebiet für Unruhe sorgen.
Dass sich Varus mit seinen drei Legionen zwischen Weser und Elbe aufgehalten hat, war mir bisher nur von Herrn Friebe aus Halberstadt bekannt, dessen Thesen nicht ernst zu nehmen sind.
Vielleicht meintest Du Rhein und Weser.
Ansonsten klingt die Theorie Dreyers interessant. Drei Legionen (plus zwei weitere des Asprenas) ins rechtsrheinische Germanien zu führen deutet auf Pionierarbeiten, aber auch auf militärische Sicherung des neuen Gebietes hin. Möglich, dass man in den Markomannen eine Gefahr sah.
 
Dass sich Varus mit seinen drei Legionen zwischen Weser und Elbe aufgehalten hat, war mir bisher nur von Herrn Friebe aus Halberstadt bekannt, dessen Thesen nicht ernst zu nehmen sind.
Vielleicht meintest Du Rhein und Weser.
Für mich persönlich hängt nichts davon ab, ob er westlich oder östlich der Weser war. Will man der Argumentation Dreyers folgen, die ich in meinem Beitrag grob zusammengefasst habe, so ist ein Operationsgebiet östlich der Weser aber wahrscheinlicher als eines westlich davon:

1. Den literarischen Quellen zufolge haben die Varus-Legionen sich im Gebiet der Cherusker aufgehalten. Es spricht einiges dafür, dass dieser Stamm zwischen Elbe, Weser und Harz siedelte.

2. Dreyer geht davon aus, dass Germanien seit 16 Jahren militärisch unterworfen war und Varus den Auftrag hatte, den zivilen Teil der Provinzialisierung/Romanisierung voranzutreiben. In dem Fall hätte keine Notwendigkeit bestanden, alle drei in Niedergermanien stationierten Legionen in einem als "sicher" geltenden Gebiet - zumal bei einem privilegierten Stamm wie den Cheruskern - operieren zu lassen. Militärischen Sinn hätten die Legionen unter den genannten Voraussetzungen nur gehabt, wenn ihre Anwesenheit eine Absicherung gegen weiter im Osten sitzende potenzielle Feinde gewesen wäre. Und weiter östlich gab es nur die mit Marobod alliierten elbgermanischen Stämme.

Ansonsten klingt die Theorie Dreyers interessant. Drei Legionen (plus zwei weitere des Asprenas) ins rechtsrheinische Germanien zu führen deutet auf Pionierarbeiten, aber auch auf militärische Sicherung des neuen Gebietes hin. Möglich, dass man in den Markomannen eine Gefahr sah.
Möglich? Drei, vier Jahre zuvor hat Rom ein bis dahin beispielloses Truppenaufgebot zusammengezogen, um das Marobod-Reich zu zerschlagen. Dass Rom die Markomannen als Bedrohung angesehen hat, kann man nach Quellenlage als gegeben annehmen.

Dreyers Argumentation hierzu: Der Markomannenfeldzug hatte bereits begonnen, als in Pannonien der Aufstand losbrach und die Legionen deshalb abgezogen werden mussten. Marobod wusste, dass die Römer ihm "ans Leder" wollten - und Rom musste deshalb damit rechnen, dass die Markomannen die Unruhen in Pannonien ausnutzen würden, um die römische Position zu schwächen (dies ist übrigens eine Interpretation, die ich höchst plausibel finde). Eine solche Schwächung der römischen Position hätte durch direktes Eingreifen in Pannonien bestanden, aber auch durch die Eröffnung einer "zweiten Front" in Germanien. Marobod hatte hier den militärischen Vorteil der "inneren Linie": Sein "Reich" grenzte sowohl an Pannonien als auch an das (nach Dreyer) römisch unterworfene Germanien.

Folgt man also dieser Argumentation, hätte der Statthalter in Germanien Vorkehrungen treffen müssen, um Übergriffe der mit den Markomannen verbündeten Stämme vorbeugend zu unterbinden. Das hätte er mit ausreichend Truppen tun müssen (also mit allen drei Legionen) und das hätte er in Grenznähe tun müssen (also nahe der Elbe).

Anmerkung: Als Varus mit seinen Truppen in das Operationsgebiet aufgebrochen ist, war der Pannonienaufstand jedenfalls noch im Gange. Die Niederwerfung des Aufstands und der Untergang der Varus-Legionen erfolgten fast zeitgleich.

MfG
 
Hallo Maelonn,

das mit der Bedrohung durch die Markomannen ist durchaus nachvollziehbar.
Schon Dieter Timpe hat 1970 darauf hingewiesen, dass durch die dem Marbod zugehörigen Elbgermanen Anlass gewesen sein könnten, fünf Legionen ins Landesinnere (also zu den Cheruskern) zu führen. Vielleicht hatten eben diese diesen "Schutz" von den Römern angefordert.
Der Abmarsch der Varuslegionen erfolgte nach der Meldung eines Aufstandes "weit entfernt wohnender Stämme". Je nach Sichtweise könnten damit auch östliche Stämme im Elberaum gemeint sein.

Gruß
Nicole
 
@Maelonn:

Ich finde deine (Dreyer's) These ebenso interessant wie fragwürdig:

1.
Konnte Marbod angesichts der offensichtlich hoch überlegenen, römischen Streitmacht nicht froh sein, davongekommen zu sein? Offensichtlich stand sein "Reich" unmittelbar vor dem Untergang.

2.
Laut Quellen kam es zu einem Friedensabkommen.
Die Römer waren jedoch danach zahlenmäßig ziemlich geschwächt, da eine große Zahl zum Aufstand auf den Balkan abkommandiert wurden.
Drängt sich die Frage auf, warum Marbod daraufhin nicht in die Offensive gegangen ist? Fühlte er sich wirklich an das Abkommen gebunden? Offensichtlich war doch der Zeitpunkt für einen Angriff geradezu ideal! Oder war Marbod nur froh, der Vernichtung entgangen zu sein?

Ja, Fragen über Fragen...
 
@Maelonn:

Ich finde deine (Dreyer's) These ebenso interessant wie fragwürdig:

1.
Konnte Marbod angesichts der offensichtlich hoch überlegenen, römischen Streitmacht nicht froh sein, davongekommen zu sein? Offensichtlich stand sein "Reich" unmittelbar vor dem Untergang.
Eben. Das muss er gewusst haben. Ganz sicher war er froh. Aber hat er die Römer deshalb geliebt? Oder konnten die Römer davon ausgehen, dass er sie lieben würde, nachdem sie gerade - zufällig (!) erfolglos - versucht hatten, ihn zu plätten? Dreyer weist eigentlich nur darauf hin, dass die Römer zumindest damit rechnen mussten, dass Marobod ihre zuvor erwiesene "Unfreundlichkeit" erwidern würde. Ob er das wirklich wollte, ist unerheblich. Darauf gefasst sein, mussten sie.

Laut Quellen kam es zu einem Friedensabkommen.
Das gab es - wenn auch nicht in dieser formellen Form - auch vorher schon. Marobod hat sich immer bemüht, Rom nicht zu provozieren. Trotzdem hat Augustus zwölf Legionen gegen ihn ausgeschickt. Konnte Marobod sich darauf verlassen, dass Rom nach einem Sieg in Pannonien nicht trotzdem einen "Ausflug" nach Norden machen würde? Verträge sind auch immer mal wieder gebrochen worden. Oder umgedreht: Hatte Augustus eine Garantie, dass Marobod sich an den Vertrag halten würde - trotz der zuvor erwiesenen Feindseligkeit? Du weißt doch: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Die Römer waren jedoch danach zahlenmäßig ziemlich geschwächt, da eine große Zahl zum Aufstand auf den Balkan abkommandiert wurden.
Drängt sich die Frage auf, warum Marbod daraufhin nicht in die Offensive gegangen ist? Fühlte er sich wirklich an das Abkommen gebunden? Offensichtlich war doch der Zeitpunkt für einen Angriff geradezu ideal!
Du sagst es: Ideal! Wetten, dass auch Augustus das wusste? Und dass er Vorkehrungen dagegen getroffen hat?

Da liegt auch die Antwort auf Deine Frage, warum die Markomannen sich nicht wirklich eingemischt haben: Sie mussten gar nicht! Die Überlegung, die Marobod angestellt hat, liegt doch auf der Hand:

- Greife ich an, erleide ich Verluste und setze mich der Gefahr einer Niederlage aus (Rom hatte ja keineswegs alle seine Truppen nach Pannonien geschickt).

- Warte ich ab und schaue einfach tatenlos zu, kann Rom nicht seine ganze Macht einsetzen, um den Aufstand niederzuschlagen, denn die Legionen müssen ja gleichzeitig mich bewachen. Aus den Kämpfen wird Rom geschwächt hervorgehen, ich selbst dagegen ungeschwächt.

Die Situation für Marobod war "komfortabel", sein Verhalten folgerichtig. Er wollte keinen offenen Krieg mit Rom, denn den hätte er vermutlich verloren. Indem er während des Pannonienaufstands nichts tat, konnte er sicherstellen, dass er entweder in den Augen der Römer zu einem zuverlässigen Nachbarn wurde oder in einem folgenden Krieg größere Chancen hatte. Alle Vorteile lagen auf seiner Seite. Lies mal Clausewitz. Der stuft die "bewaffnete Wacht" (das ist genau das, was die Markomannen getan haben) als unterste und mit den geringsten Risiken verbundene Eskalationsstufe des Krieges ein.

Wir gleiten jetzt in den Bereich wilder Spekulation ab, aber wenn ich an der Stelle des Marobod gewesen wäre, hätte ich in der Situation alles Erdenkliche getan, um ohne direkte eigene Beteiligung die Probleme der Römer so groß wie nur irgend möglich zu machen. Könnte es sein, dass "Agenten" des Marobod im Lande der Cherusker unterwegs waren und dort an den Lagerfeuern Bemerkungen gemacht haben wie "Was? Die verlangen Steuern von euch und legen euren Leuten Ketten an??? Also WIR würden uns das nicht bieten lassen!" Wäre das möglich?

Tja, Fragen über Fragen... :D

MfG
 
Varus war zwar kein berühmter Feldherr wie Drusus oder Tiberius, unter seiner Statthalterschaft sind jedoch immerhin die nach dem Tod Herodes des Großen 4 v.Chr. in Galiläa und Judäa ausgebrochenen Aufstände niedergeworfen worden. Als militärisch inkompetent konnte er wohl nicht gelten.

Das ist auch nicht seine einzige Erfahrung im militärischen Bereich. Er hat auch während des Alpenfeldzuges in der Armee des Tiberius als Kommandant der XIX. Legion erfolgreich im Bereich des Bodensees operiert haben. Zu Varus ist die aktuelle Sonderausstellung IMPERIUM im Kontext mit dem 2000-Jahre-Jubiläum eine gute Idee.

...Ich frage deshalb, weil mich unter anderem das Schicksal des mitziehenden Trosses interessiert, dem Tausende von Sklaven, Handwerkern, Frauen und Kindern angehörten. Was ist mit denen geschehen? Ich vermute, dass auch diese abgeschlachtet wurden. Mir ist bekannt, dass die Germanen sogar jedes Pferd vernichtet haben. Wenn dem so ist, wäre die Bezeichnung "Barbaren" doch zutreffend ?

Die Vermutung der „Abschlachterei“ würde ich nicht unterschreiben. In der Regel sind die Germanen wohl nicht Blutdürstiger gewesen als Andere, einschließlich der Römer! Massentötungen, denen Feinde mit ihren Tieren zum Opfer fielen waren dann Teil eines Gelübtes, die den Göttern geweiht wurden. Bei einem solchen „Bann“ wurde ohne Unterschied getötet und auch die Beute zerstört. Gerade letzteres ist etwa in den Opfermooren der jütischen Halbinsel archäologisch nachvollziehbar. Auch Tacitus erwähnt, wie im Krieg zwischen Chatten und Hermunduren die unterlegene Partei geopfert wurde. Beispiele für einen solchen „Bann“ gibt es auch in anderen Kulturen. Etwa berichtet die Bibel über die Landnahme der Israeliten nach Moses von ähnlichen Exzessen!

Wenn die Varusschlacht in Kalkriese richtig verortet ist, sprechen gleich mehrere Punkte gegen eine Massentötung: Die ausgiebigen Plünderungen und Leichenfledderei sind ein überdeutliches Indiz gegen einen Bann! Zweitens wird in der historischen Überlieferung auch von Römern berichtet, die in germanische Gefangenschaft geraten waren und erst später ins Reich zurückkehren konnten. Als Germanicus später die Wallstatt besuchte, schildert Tacitus auch von den Reaktionen von Überlebenden, etwa wie sie berichten wo Offiziere den Göttern geopfert worden seien. (Anmerkung: Einzelopfer sind kein Indiz für die Vollstreckung eines Banns!). Wie sollten während der Schlacht entkommene Römer das miterlebt haben können? Es spricht eher dafür, dass sich diese Leute während dieser Vorgänge in germanischer Gefangenschaft befanden.

Viele Jahre nach der Varusschlacht gelang es einer römischen Truppe, überlebende Legionäre aus der Gefangenschaft zu befreien.

Ich halte die Annahme für sehr wahrscheinlich, dass die zivilen Mitglieder des römischen Trosses während der Schlacht sicherlich zu den Opfern der Kämpfe gehörten, nach dem Sieg aber als besonders geeignete Kandidaten für die Versklavung angesehen wurden. Hier war die Gefahr geringer, dass ein ehemaliger Legionär wieder zur Waffe greifen würde… Außerdem befanden sich im Tross handwerklich brauchbare Menschen in großer Zahl, die gewohnt waren für Andere zu arbeiten.
Übrigens hatten gerade gentile Gesellschaften der Antike immer einen hohen Bedarf an Menschen, was sich auch darin dokumentiert, dass ins Reich einfallende Germanen nicht nur plünderten, sondern auch in nennenswerter Zahl Gefangene mit sich führten, wenn sie ich ihre Heimat zurückzogen.

Wir gleiten jetzt in den Bereich wilder Spekulation ab, aber wenn ich an der Stelle des Marobod gewesen wäre, hätte ich in der Situation alles Erdenkliche getan, um ohne direkte eigene Beteiligung die Probleme der Römer so groß wie nur irgend möglich zu machen.

Es hat ganz sicher Wechselwirkungen zwischen dem Konflikt Roms mit Arminius einerseits und dem Verhältnis Roms zum MAchtbereich Marbods gegeben. Wie weit sie gingen ist natürlich relativ spekulativ. Besonders erhellend ist m.E. die Episode nach dem Sieg des Arminius über Varus. Er sandte dem Marbod den abgeschlagenen Kopf des überwundenen Römers, was als Aufforderung für ihn zu interpretieren ist, sich am Kampf mit Rom zu beteiligen. Marbod aber handelte nicht wie wohl erwartet, sondern reichte den Kopf des Feldherren an die Römer weiter. Ich verstehe dies als Zeichen guten Willens das Verhältnis zu Rom zu entspannen. Unmittelbar danach haben dann auch die heftigen Kämpfe zwischen Arminius und Marbod begonnen, welche Rom die erhoffte Entschärfung der Lage brachte und beide Germanenführer letztlich Reif für den Ruin machten.

@eigentliches Thema:
Ich denke es gibt inzwischen auch archäologische Beweise genug für die historische Überlieferung, dass Germanien als Provinz vor der Varusschlacht dabei war ins Römische Reich voll eingegliedert zu werden. Eine Situation mit welcher nicht zuletzt der in Diensten Roms stehende Arminius offensichtlich unzufrieden war. Im folgenden Aufstand verstand er es geschickt die Besatzungsarmee des Varus in einen erfolgreichen Hinterhalt zu locken und zu vernichten. Nachdem seine Koalition verschiedener Stämme erfolgreich auch die anschließenden Rachefeldzüge des Germanicus überstand, wurde das römische Projekt der Eroberung Germaniens als römische Provinz letztlich aufgegeben. Dabei ist zweitrangig ob der Entschluß des Kaisers Tiberius den Germanicus "zurückzupfeifen" nur taktischer Natur war und die Eroberung nur verschieben sollte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben