Hatte Hannibal eine Chance?

Ein gravierender Nachteil, den Karthago durch sein Handelsimperium hatte, war die Anfälligkeit gegen Seuchen, die man recht häufig einschleppte. Etliche Male ist überliefert, dass eine punische Armee durch Krankheiten dezimiert wurde.
Das kam natürlich auch bei den Römern vor, aber längst nicht so oft wie in Karthago mit seinen ständigen Kontakten über das gesamte Mittelmeergebiet.
 
Seuchen waren in der Antike und auch in den folgenden Jahrhunderten bis in die Neuzeit hinein doch häufige Begleiterscheinungen des Kriegsdienstes. Ich weiß nicht, ob die Karthager wirklich so viel öfter von Seuchen betroffen waren als die Römer. Bereits bei den Belagerungen von Agrigentum und Lilybaeum im 1. Punischen Krieg machten ihnen Seuchen zu schaffen. Aber auch Rom selbst wurde im Laufe seiner Geschichte öfters mal von Seuchen heimgesucht, z. B. 293 v. Chr., 187 v. Chr., 182 v. Chr., 174 v. Chr., 165 v. Chr., 142 v. Chr. etc. An einer Seuche soll Camillus gestorben sein, an einer Seuche starb Lucius Valerius Flaccus, der Freund, Förderer und Amtsgenosse des älteren Cato, ebenso der Konsul Marcus Sempronius Tuditanus von 185 v. Chr. (Und dabei lasse ich jetzt noch die zahlreichen Seuchen und an Seuchen gestorbenen Konsuln der mythenumwölkten früheren Republik unerwähnt, wiewohl zumindest manche von ihnen auch einen historischen Kern haben mögen.)
 
Es ist aber ein Unterschied zwischen "es gab karthagische Händler", und dem Bild eines Karthagos das nur auf Handel basierte und dessen Bevölkerung alles zugunsten von Geld und Handel vernachlässigte ;) Genau das ist nämlich das worauf ich hinaus wollte, habe mich evt. falsch ausgedrückt. Handel gab es mitunter durch jede Macht in diesem Zeitraum, nur war Handel eben nicht in der Lage einen Staat zu tragern.

Der Handel mit edlen Metallen war eine wichtige Säule des karthagischen Geschäfts. Darüber hinaus wurde alles gehandelt, was man irgendwie und irgendwo absetzen konnte. Der lateinische Komödienverfasser Plautus lässt in seinem Stück "Poenulus" karthagische Händler auftreten, die unter anderem anbieten: Schuhbänder, Trillerpfeifen, Nüsse und - Panther.

Die Phönizier und nach ihnen die Karthager waren Pioniere des Handels, und brachten ihre Erzeugnisse auch in Gegenden, in denen selbst Glasperlen als Wertgegenstände galten. Die Karthager hielten an dieser Praxis lange fest und blieben Spezialisten für Geschäfte mit unterentwickelten Völkern und somit für den Tauschhandel. Das ausgedehnte System von Handelsstützpunkten diente dabei sowohl der logistischen Stützung karthagischer Handelsschiffe als auch der kommerziellen Erschließung des Hinterlandes. Mit den einheimischen Partnern wurden Handelsverträge geschlossen, beherrschte Märkte wurden rigoros gegenüber Konkurrenten verteidigt.

Die Schiffe der Karthager transportierten korinthische Töpfe ebenso wie etruskische Vasen, griechische Statuen, ägyptische Gläser oder zyprische Weine. An Metallen wurde Kupfer, Zinn, Gold und Silber verhandelt, Metalle, die unter anderem aus Bergwerken in Spanien, Ostanatolien oder Cornwall stammten.

Karthago hatte auch eine eigene Industrie. die allerdings vorwiegend billige Massengüter herstellte, Karthago exportierte gefärbte Tuche, Teppiche, Modeschmuck, Amulette, bemalte Straußeneier, Glas, Waffen, Töpferwaren, Parfums und anderes, aber keines dieser Produkte erfreute sich eines besonderen Rufs als hochwertiges Qualitätserzeugnis. Wer teure und gute Sachen wollte, wandte sich an die Griechen.

Allerdings war Karthago auch auf Importe angewiesen, d.h. auf Güter, die es dringend benötigte. Dabei griff es vor allem auf seine eigenen Kolonien zurück. So bezog es Weizen aus Sardinien, Wein und Öl aus Sizilien oder Fisch aus Westmarokko.
 
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Karthago hatte auch eine eigene Industrie. die allerdings vorwiegend billige Massengüter herstellte, Kartago exportierte gefärbte Tuche, Teppiche, Modeschmuck, Amulette, bemalte Straußeneier, Glas, Waffen, Eöpferwaren, Parfums und anderes, aber keines dieser Produkte erfreute sich eines besonderen Rufs als hochwertiges Qualitätserzeugnis. Wer teure und gute Sachen wollte, wandte sich an die Griechen.

Quelle hierfür dürfte die Athenische IHK sein, oder?
 
Quelle hierfür dürfte die Athenische IHK sein, oder?

Eher wohl die archäologischen Mosaikstückchen des Wirtschaftslebens. :winke:

Nochmal daher die Frage: mir ist außer den "karthagischen Splittern" im Rostovtzeff (Wirtschaft der hellenistischen Welt) nichts bekannt. Gibt es da Neueres?
 
Das bezweifle ich doch nun sehr. Befunde zur angeblich besseren Qualität griechischer Waren gegenüber karthagischen sind mir keine bekannt.

Das war auch nicht gemeint, sondern dass über das (sicherlich umfangreiche) karthagische Wirtschaftsleben archäologische Mosaiksteinchen vorliegen, neben ein paar vereinzelten Beschreibungen.
 
Das war auch nicht gemeint, sondern dass über das (sicherlich umfangreiche) karthagische Wirtschaftsleben archäologische Mosaiksteinchen vorliegen, neben ein paar vereinzelten Beschreibungen.

Die sprechen aber eine ganz andere Sprache als Dieters obige Behauptung, die Karthager seien nur Billigproduzenten und Ramschhändler gewesen.
Im Gegenteil, ihre Textilien und ihr Kunsthandwerk waren im ganzen Mittelmeerraum begehrt, auch ihre landwirtschaftlichen Exporte durchaus bedeutend.
Wichtigste Handelsware blieben aber natürlich die Metalle.
 
Eher wohl die archäologischen Mosaikstückchen des Wirtschaftslebens. :winke:

Das trifft zu. Über die Handelsgüter Karthagos kann man sich zudem in zahlreichen Publikationen informieren.

Nochmal daher die Frage: mir ist außer den "karthagischen Splittern" im Rostovtzeff (Wirtschaft der hellenistischen Welt) nichts bekannt. Gibt es da Neueres?

Speziell zur Wirtschaft in hellenistischer Zeit gibt es nichts anderes in deutscher Sprache. Ich habe hier noch ein etwas antikes Werk aus Altbeständen, das die Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1966 erneut aufgelegt hat, weil es trotz seiner Erstauflage 1927 in weiten Teilen noch Gültigkeit besitzt: William Tarn, Die Kultur der hellenistischen Welt.
Empfohlen wurde mr Burkhard Meißner: Hellenismus. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007, das ich allerdings bis dato nicht gelesen habe.
 
Im Gegenteil, ihre Textilien und ihr Kunsthandwerk waren im ganzen Mittelmeerraum begehrt, auch ihre landwirtschaftlichen Exporte durchaus .

Waren aus karthagischer Produktion waren begehrt, allerdings künstlerisch nicht von großem Wert. Wer künstlerisch bedeutende Produkte erwerben wollte, der musste nach Griechenland gehen, dessen antike Erzeugnisse heute noch die Museen füllen.

Die Punier, die nie einen eigenen Stil entwickelt haben, waren Meister darin, bunte, exotische und gefällig wirkende Massenware zu vertreiben. Hellenistische Neureiche im ptolemäischen Ägypten und im seleukidischen Syrien lohnten es ihnen. Sie nahmen Nippes für Kunst.
 
Das trifft zu. Über die Handelsgüter Karthagos kann man sich zudem in zahlreichen Publikationen informieren.

Zum Beispiel bei Werner Huß, der die Produktion hochwertiger Textilien und Lederwaren beschreibt, ebenso wie Produkte aus Elfenbein und Edelsteinen.
Man handelte mit Luxusgütern, und nicht etwa mit Billigware, deren Transport sich gar nicht gelohnt hätte.

Woher nimmst du also deine obige Behauptung?
 
Waren aus karthagischer Produktion waren begehrt, allerdings künstlerisch nicht von großem Wert. Wer künstlerisch bedeutende Produkte erwerben wollte, der musste nach Griechenland gehen, dessen antike Erzeugnisse heute noch die Museen füllen.

Die Punier, die nie einen eigenen Stil entwickelt haben, waren Meister darin, bunte, exotische und gefällig wirkende Massenware zu vertreiben. Hellenistische Neureiche im ptolemäischen Ägypten und im seleukidischen Syrien lohnten es ihnen. Sie nahmen Nippes für Kunst.

Vorurteilsbehafteter geht es nicht, oder?

Klar, Ptolemäer und Seleukiden sind neureiche Barbaren ohne jeden Kunstverstand. Experten für Kunst sitzen nur in Athen oder Rom.
 
Eine schwierige Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt.
Ich sehe einen Hauptgrund darin, dass Rom eine breitere Bevölkerungsbasis (auch als Rekrutierungspool) hatte. Karthago war auf seine Söldner angewiesen. Das klappte, solange es in der Lage war, seine Rekrutierungsreservoirs unter Kontrolle zu halten. .

Das ist im Hinblick auf meine vier Fragen ein ganz entscheidender Punkt. Die Bevölkerungsbasis Karthagos bzw. des punischen Volks war derart schmal, dass der karthagische Staat bei vielen Unternehmungen auf externe personelle Hilfe angewiesen war. Im Handel wirkte sich das nicht weiter aus, denn die Karthager schlossen Handelsverträge und ließen das Hinterland von ihren Handelspartnern ausbeuten. Auch kleinere militärische Auseinandersetzungen waren noch machbar. Größere Kriege waren allerdings existenzbedrohend, und zwar mehr, als das bei anderen Staaten wie Rom oder Ägypten der Fall war.
 
Es ist aber ein Unterschied zwischen "es gab karthagische Händler", und dem Bild eines Karthagos das nur auf Handel basierte und dessen Bevölkerung alles zugunsten von Geld und Handel vernachlässigte ;) Genau das ist nämlich das worauf ich hinaus wollte, habe mich evt. falsch ausgedrückt. Handel gab es mitunter durch jede Macht in diesem Zeitraum, nur war Handel eben nicht in der Lage einen Staat zu tragern.
Bei den Städten des phönizischen Mutterlandes klappte das aber anscheinend auch. Tyros, Sidon & Co. hatten allesamt kein großes Territorium.
 
Wie viele gesicherte Quellen hierzu gibt es denn? Über Tyros kenne ich nur die Bibelstelle zu Expeditionen nach Tarschisch.

Für mich sind allerdings die vorliegenden Quellen darüber DAS Karthago Handel trieb, immer noch kein schlüssiger Beweis dafür, dass Karthager sich ausschließlich wirtschaftlichen Interessen zugewandt hätten, wie es in späteren römischen Quellen dargestellt wurde. Es mag sein, dass ich durch mehrere Veranstaltungen von Prof. Vössing hier vorbelastet bin, aber der Fakt, dass Handel möglich war, besagt nicht, dass mit den damailgen Risiken mit denen Handelsbeziehungen/-verkehr damals generell verbunden war, in der Lage gewesen soll eine Stadt wie Karthago zu ernähren,w as hier aber auch scheinbar niemand annimmt. Karthago war in meinen Augen ebenso Handelsstaat wie die griechischen Städte, oder ebenso wenig. Vor allem wenn der Handel nur zwischen Mutterstadt und Kolonien durchgeführt wurde.
 
Nicht nur Huß erwähnt die ausgedehnte Landwirtschaft Karthagos.
Er schreibt den Aufschwung der Stadt vor dem 3.punischen Krieg vor allem den Erfolgen eben dieser Landwirtschaft zu.
 
Getreideversorgung Roms und Bedeutung von Sizilien

Das sehe ich etwas anders. Der Verlust der Kornkammer Sizilien, sowie die karthagische Flotte direkt vor der Nase auf Sardinien hätten meines Erachtens den Krieg entschieden. Zudem hätte die karthagische Armee im Siegesfall von Süditalien aus nordwärts marschieren können...
So hoch würde ich die Bedeutung Siziliens nicht ansetzen. Das sizilische Korn war wichtig, um die Getreidepreise niedrig zu halten bzw. in der späteren Republik für die Getreidespenden, aber ich glaube nicht, dass man zur Zeit des 2. Punischen Krieges schon komplett davon abhängig war.
Es dürfte sicher richtig sein, dass vor dem 2. Punischen Krieg, Rom wohl nicht existentiell von der Getreideversorgung aus Sizilien angewiesen war. Indem aber Hannibal mit seiner Armee in Italien selbst stand, sich aus dem Land (Roms & seiner Vorkriegsverbündeten…) versorgte und mit seinen Zügen immer wieder italische Städte bedrohte, schwächte Hannibal die landwirtschaftliche Basis Italiens ganz gewiss. Schon wenn er nur anrückte, dürfte eine Stadt sich auf den Verteidigungsfall vorbereitet haben und die Erfordernisse der Landwirtschaft litten(eingezogene Männer = fehlende Landarbeiter, auch bei einer nur kurzzeitig aktivierten Miliz). Allein das Hannibal theoretisch in der Lage war irgendwo in Italien aufzutauchen, dürfte die dortigen Gemeinden der Intention ausgesetzt haben, sich für den Ernstfall (Belagerung) zu rüsten und entsprechend Erntemengen vorzuhalten. Dass dies dem römischen Gesamtkonzept (Bestmögliche Nutzung aller Ressourcen) entgegenstand, dürfte klar sein. Rom hat wohl sicher da gegengesteuert… Hat nicht auch Hannibal bei seinen Zügen ähnlich wie dies üblicherweise römische Armeen zu tun pflegten, nach Kräften versucht die Ernten seiner Gegner zu zerstören? So wie etwa Caesar auch im Gallischen Krieg teils grünes Getreide auf dem Feld abschneiden ließ, nur um den Gegnern zu schaden, da unreifes Getreide zum Verzehr selbst ungeeignet ist…

Ich denke das sind Überlegungen, welche die Rolle der sizilianischen Ernten für die Versorgung Roms aufgewertet haben dürfte. Hatte nicht der Herrscher von Syrakus Hieron II. nach der römischen Niederlage von Cannae unter Anderem Rom eine gewaltige Getreidespende zukommen lassen?

Wie auch immer, ich sehe viele Anzeichen für eine starke Aufwertung der Rolle Siziliens und anderer „außeritalischer“ Produktionszentren für Lebensmittel für die Versorgung Roms im Verlaufe von Hannibals italischer Kampagne. Ob diese Lieferungen aber wirklich jene Bedeutung haben erreichen können, wie sie Stilicho skizziert, lässt sich wohl kaum nachweisen. Eine vernachlässigbare Größe dürfte die Frage während des Krieges aber kaum gehabt haben. Die Erörterung dieser Frage erinnert mich stark an die historische Diskussion zwischen dem Großen Generalstab und Hans Delbrück vor ziemlich genau 100 Jahren. Im Gegensatz zum deutschen Generalstab nannte Delbrück die Kriegsführung Hannibals nämlich eine Abnützungsstrategie…
 
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