Hatte Hannibal eine Chance?

Rom hätte sicher auch am Ende des 2. Punischen Krieges Karthago zerstören können, wollte das offenbar aber nicht.

Nein, so einfach erobrte man in der Antike keine schwer befestigte Stadt wie Karthago. Wie für Hannibal galt auch für Scipio: Mit einer Belagerung hätte er alles bisher erreichte aufs Spiel gesetzt, und das mit sehr begrenzten Aussichten auf Erfolg.
 
Nein, so einfach erobrte man in der Antike keine schwer befestigte Stadt wie Karthago.

Richtig, das zeigt ja gerade auch der 3. Punische Krieg sehr schön. Obwohl Karthago vor Beginn schön brav alle Bedingungen Roms erfüllt - darunter auch die Abgabe der Waffen - dauert die Belagerung dennoch 3 Jahre.
 
Es war schließlich nicht so, dass sie generell eine Schlacht gegen die Karthager mieden, nur gegen Hannibal.

Ich will Deinen Ausführungen prinzipiell gar nicht widerpsrechen, hierzu aber eine Anmerkung: Die Römer hatten aus gutem Grund gelernt, Hannibal im offenen Feld zu fürchten. Dies lag sicher auch an der Person Hannibals, aber daneben nicht zu letzt an der Armee, die speziell was die Reiterei anging erstklassig war; langjährig gediente, erfahrene, aufeinander eingespielte Sölnder/Soldaten in der Masse ersetzt nichts. Die anderen Truppen Karthagos (bspw die Ersatztruppen unter Hasdrubal) hatten sicher nicht diese Qualität, egal wer das Kommando führte.
 
Na ich weiß nicht. Ehe Hasdrubal nach Italien zog, hatte er schon jahrelang in Spanien Krieg geführt, also dürfte es seinen Truppen auch nicht gerade an Kampferfahrung gemangelt haben - ganz abgesehen davon, dass die spanischen Stämme ohnehin von Haus aus sehr kriegerisch waren, ebenso die Numidier. Umgekehrt aber bestand Hannibals Armee auch nicht unverändert aus den Truppen, mit denen er über die Alpen gekommen war, sondern er ergänzte sie mit den Galliern der Poebene, italischen Verbündeten und Verstärkungen aus Karthago.
 
Mich wundert immer noch, warum die übrigen Aktivitäten (wie bereits oben erwähnt) der Karthager weitgehend ignoriert werden. Die Fixierung auf die Person Hannibals wird der Sache nicht gerecht.
Bereits 217 kam es zu einer Seeschlacht vor der Etrurischen Küste. Auch in der Folge verloren die Karthager mehrere Seegefechte.
216/15-212 versuchten die Karthager mit einer bedeutenden Armee, Sizilien zurück zu erobern, scheiterten im wesentlichen an einer Seuche, an der auch Himilko starb.
Die Rückeroberung Sardiniens durch Hasdrubal den Kahlen scheiterte ebenfalls 215.

Da ist doch Hannibals Kampagne nur ein Teil des Krieges, auch wenn er verständlicherweise die Römer am meisten beschäftigte, die anderen Kriegsschauzplätze nur knapp erwähnt werden.

Dennoch geben Aussagen über den Kriegsverlauf nur mit Blick auf die Gesamtlage Sinn.

Nachtrag:
Die deutsche Wiki-Seite behauptet doch allen Ernstes, die Karthager hätten nach der Niederlage bei Lilybäum (218) keinen Versuch mehr unternommen, Sizilien anzugreifen.
Reichlich daneben....
 
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Mich wundert immer noch, warum die übrigen Aktivitäten (wie bereits oben erwähnt) der Karthager weitgehend ignoriert werden. Die Fixierung auf die Person Hannibals wird der Sache nicht gerecht.

Das ist ein gutes Argument. Weil die Römer Hannibal in Italien erfolgreich eindämmten, konnten sie auf anderen Schauplätzen den Krieg entscheiden.
Der Schwerpunkt der Diskussion liegt wohl auf Italien, weil hier Rom entscheidend geschwächt werden konnte. Ein Erfolg in Italien hätte woanders auch Auswirkungen. Wäre es Hannibal gelungen Marcellus und seine Truppe in Nola zu vernichten, dann wäre es womöglich einem weniger guten römischen General mit einer weniger guten Truppe im Jahre 212 nicht gelungen Syrakus einzunehmen.

In Italien würde durch Erfolge Karthagos (mit Einnahme romtreuer Städte)auch die römische "Manpower" geschwächt. Außerhalb Italiens wären Erfolge Karthagos auch nützlich, haben aber geringere Wirkung.
 
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Der Schwerpunkt der Diskussion liegt wohl auf Italien, weil hier Rom entscheidend geschwächt werden konnte. Ein Erfolg in Italien hätte woanders auch Auswirkungen. Wäre es Hannibal gelungen Marcellus und seine Truppe in Nola zu vernichten, dann wäre es womöglich einem weniger guten römischen General mit einer weniger guten Truppe im Jahre 212 nicht gelungen Syrakus einzunehmen.

In Italien würde durch Erfolge Karthagos (mit Einnahme romtreuer Städte)auch die römische "Manpower" geschwächt. Außerhalb Italiens wären Erfolge Karthagos auch nützlich, haben aber geringere Wirkung.

Das sehe ich etwas anders. Der Verlust der Kornkammer Sizilien, sowie die karthagische Flotte direkt vor der Nase auf Sardinien hätten meines Erachtens den Krieg entschieden. Zudem hätte die karthagische Armee im Siegesfall von Süditalien aus nordwärts marschieren können.

Marcellus konnte Syracus erst besetzen, als ein Großteil der karthagischen Invasionsarmee inklusive der Anführer durch eine Seuche dahin gerafft wurde. Vermutlich war diese Seuche entscheidender, als sämtliche Scharmützel, die sich Hannibal und die Römer nach Cannae lieferten.
 
So hoch würde ich die Bedeutung Siziliens nicht ansetzen. Das sizilische Korn war wichtig, um die Getreidepreise niedrig zu halten bzw. in der späteren Republik für die Getreidespenden, aber ich glaube nicht, dass man zur Zeit des 2. Punischen Krieges schon komplett davon abhängig war. Im 1. Punischen Krieg kam man schließlich auch ohne sizilisches Getreide aus, und die italische Landwirtschaft befand sich erst am Beginn ihres Niedergangs. Sie warf immerhin anscheinend sogar noch genug ab, damit Hannibal sein Heer aus dem Land versorgen konnte. Und auch später, als die italische Landwirtschaft schon ruiniert war, gaben die Römer nicht sofort klein bei, wenn ihnen Sizilien abhanden gekommen war (in den beiden sizilischen Sklavenkriegen und durch Sextus Pompeius).
 
Aus all dem ergibt sich für mich kein Gesamtbild, warum die Karthager diese existentielle Auseinandersetzun schließlich verloren.

1. Waren die Römer den Karthagern waffentechnisch überlegen?

2. Waren die römischen Soldaten den karthagischen Söldnern im Hinblick auf den Siegeswillen überlegen?

3. Bot das große Hinterland den Römern eine bessere Stütze, als ds rings von numidischen Feinden umgebene Karthago?

4. War eine (meist) friedliche Handelsmacht wie Karthago nicht von vornherein den kampferprobten Römern unterlegen, die ihre militärische Kraft beim Zusammenführen Italiens lange erprobt hatten?
 
Zum letzten Punkt (wäre auch eines eigenen Threads würdig), gibt es irgendwo eine antike Quelle die explizit aussagt, dass Karthago eine Handelsmacht dahingehend war, dass ein Großteil seines Einkommens durch Handel zustande kam? Mir scheint das für den betrachteten Zeitraum nicht wirklich möglich, und die karthagischen Expansionen lassen sich auch eher mitd er Erschließlung von landwirtschaftlichen Nutzflächen erklären.

Mir scheint diese Vorstellung von Karthago als "semitische Handelsmacht" (auch wenn Dieter das nicht so ausgedrückt hat, aber man liest solche Konnotationen immer noch), die aufgrund von Geldgier ihre Kriegsführung in die Hand von Söldnern legt (wobei die Gründe hier an anderer Stelle zu suchen sind), eher aus der Neuzeitlichen Geschichtsschreibung zu entstammen.
 
Mir scheint diese Vorstellung von Karthago als "semitische Handelsmacht" (auch wenn Dieter das nicht so ausgedrückt hat, aber man liest solche Konnotationen immer noch), die aufgrund von Geldgier ihre Kriegsführung in die Hand von Söldnern legt (wobei die Gründe hier an anderer Stelle zu suchen sind), eher aus der Neuzeitlichen Geschichtsschreibung zu entstammen.

Karthago unterhielt eine große Zahl von Handelsfaktoreien und Handelsstützpunkten im gesamten Mittelmeer. Es war im Gegensatz zu Ägypten oder Assyrien eine seefahrende Handelsnation.

Phönizisch ist im übrigen eine nordwesrsemitische Sprache, was allerdings mit irgendwelchen Präferenzen nichts zu tun hat. Auch Wüstenbewohner wie die Araber sprechen semitische Sprachen.
 
Ja das ist mir bekannt und archäologisch bewiesen. Allerdings waren die Handelsbeziehungen, so ausgeprägt sie auch gewesen sein mögen, m.E. nie in der Lage den kompletten Staat, zu "unterhalten". Diese Einschätzungen rühren vllt, auch von den missgedeuteten ersten römischen Verträgen her, die sich nicht, wie oftmals angenommen, auf, oder ausschließlich auf die Handelsschiffahrt bezogen.
 
Natürlich beschränkte sich Karthagos Wirtschaft nicht nur auf den Handel. Eine wichtige Rolle spielte auch die Landwirtschaft im weiteren Umland der Stadt.
 
Ja das ist mir bekannt und archäologisch bewiesen. Allerdings waren die Handelsbeziehungen, so ausgeprägt sie auch gewesen sein mögen, m.E. nie in der Lage den kompletten Staat, zu "unterhalten". Diese Einschätzungen rühren vllt, auch von den missgedeuteten ersten römischen Verträgen her, die sich nicht, wie oftmals angenommen, auf, oder ausschließlich auf die Handelsschiffahrt bezogen.


Der karthagische Staat lebte von den Aktivitäten seiner Einwohner. Und die trieben vor allem Handel, beuteten Bergwerke aus und vertrieben - in geringerem Maße - auch eigene Produkte, vor allem in Form von Massenware.

Warum sollte ein Staat davon nicht existieren können? Ein gutes Beispiel für einen florierenden Handelsstaat bietet das minoische Kreta: Ein Staat, der mit seiner großen Flotte vor allem vom Handel lebte und ein Wirtschaftszentrum im östlichen Mittelmeer war, ebenso wie später Karthago im westlichen Mittelmeerraum.
 
Natürlich beschränkte sich Karthagos Wirtschaft nicht nur auf den Handel. Eine wichtige Rolle spielte auch die Landwirtschaft im weiteren Umland der Stadt.

Die karthagische Literatur zur Landwirtschaft scheint ja damals eine Art Standardliteratur dargestellt zu haben, die selbst von den Römern genutzt wurde.
 
Aus all dem ergibt sich für mich kein Gesamtbild, warum die Karthager diese existentielle Auseinandersetzun schließlich verloren.

1. Waren die Römer den Karthagern waffentechnisch überlegen?

2. Waren die römischen Soldaten den karthagischen Söldnern im Hinblick auf den Siegeswillen überlegen?

3. Bot das große Hinterland den Römern eine bessere Stütze, als ds rings von numidischen Feinden umgebene Karthago?

4. War eine (meist) friedliche Handelsmacht wie Karthago nicht von vornherein den kampferprobten Römern unterlegen, die ihre militärische Kraft beim Zusammenführen Italiens lange erprobt hatten?
Eine schwierige Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt.
Ich sehe einen Hauptgrund darin, dass Rom eine breitere Bevölkerungsbasis (auch als Rekrutierungspool) hatte. Karthago war auf seine Söldner angewiesen. Das klappte, solange es in der Lage war, seine Rekrutierungsreservoirs unter Kontrolle zu halten. Genau das gelang im 2. Punischen Krieg aber zunehmend nicht mehr: Den Römern gelang es nach und nach, die spanischen Stämme und einen Großteil der Numidier zum Seitenwechsel zu bewegen, teils durch Gewalt, oft aber auch, indem sie ihnen einfach das bessere Angebot machten. Dadurch konnten sie den Karthagern als Nebeneffekt auch die spanischen Silberminen wegnehmen und sich in Afrika eine Grundlage für eine Invasion schaffen. Die Römer selbst aber konnten sich, trotz des Seitenwechsels zahlreicher vor allem süditalischer Städte, auf die römischen Kolonien in Italien stützen, und auch die Völkerschaften Mittelitaliens blieben großteils loyal. Das alles führte dazu, dass Karthago gegen Kriegsende hin zunehmend auf sich allein gestellt war: Seine Rekrutierungsreservoirs hatte es großteils verloren, und die abgefallenen Numidier machten sogar das landwirtschaftliche Hinterland Karthagos unsicher. Der einzige Ausweg aus dieser Situation wäre vermutlich ein entscheidender Sieg über die römische Invasionsarmee gewesen, der vielleicht manche abgefallene Stämme dazu gebracht hätte, doch wieder auf die karthagische Karte zu setzen.

Die karthagische Literatur zur Landwirtschaft scheint ja damals eine Art Standardliteratur dargestellt zu haben, die selbst von den Römern genutzt wurde.
Stimmt. Das berühmte Standardwerk von Mago wurde sogar auf Anordnung des Senats ins Lateinische übersetzt.

Mir scheint diese Vorstellung von Karthago als "semitische Handelsmacht" (auch wenn Dieter das nicht so ausgedrückt hat, aber man liest solche Konnotationen immer noch), die aufgrund von Geldgier ihre Kriegsführung in die Hand von Söldnern legt (wobei die Gründe hier an anderer Stelle zu suchen sind), eher aus der Neuzeitlichen Geschichtsschreibung zu entstammen.
Auch in der antiken Literatur traten die Karthager als Händler auf. Ich verweise vor allem auf Plautus' berühmten "Poenulus", in dem es um einen punischen Großkaufmann mit engen Handelskontakten nach Griechenland geht.
 
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4. War eine (meist) friedliche Handelsmacht wie Karthago nicht von vornherein den kampferprobten Römern unterlegen, die ihre militärische Kraft beim Zusammenführen Italiens lange erprobt hatten?

Nach Walter Ameling war Karthago keine reine, meist friedliche Handelsmacht, sondern eine genauso kriegerische Macht, wie viele andere Städte in der Antike auch.
 
Es ist aber ein Unterschied zwischen "es gab karthagische Händler", und dem Bild eines Karthagos das nur auf Handel basierte und dessen Bevölkerung alles zugunsten von Geld und Handel vernachlässigte ;) Genau das ist nämlich das worauf ich hinaus wollte, habe mich evt. falsch ausgedrückt. Handel gab es mitunter durch jede Macht in diesem Zeitraum, nur war Handel eben nicht in der Lage einen Staat zu tragern.
 
4. War eine (meist) friedliche Handelsmacht wie Karthago nicht von vornherein den kampferprobten Römern unterlegen, die ihre militärische Kraft beim Zusammenführen Italiens lange erprobt hatten?
Da möchte ich mich tela anschließen. Karthago war auch häufig in irgendwelche Kriege auf Sizilien oder in seinen Vasallengebieten verwickelt.

Allerdings besteht trotzdem ein Unterschied zu Rom, nämlich insofern, als Karthago seine Kriege großteils mit angeworbenen Truppen führte. Erfahrung sammelte es also in erster Linie auf strategisch/taktischer Ebene, indem also seine Feldherrn viel trainieren konnten. Allerdings entstammten seine Söldner großteils kriegerischen Völkerschaften, die somit ebenso wie die Römer über eine reiche Kampferprobung verfügten. Denkbar wäre allerdings, dass es mitunter bei der Feinabstimmung zwischen Mannschaften und Feldherrn gehapert haben könnte: Die römischen Feldherrn waren den Umgang mit römischen Soldaten gewohnt und die römischen Soldaten den Dienst unter römischen Feldherrn. Die karthagischen Feldherrn hingegen mussten mitunter mit ihnen fremden Truppen mit fremden Kriegstraditionen zurechtkommen und diese mit Feldherrn, deren Führungsstil ihnen womöglich fremd war.
 
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Allerdings besteht trotzdem ein Unterschied zu Rom, nämlich insofern, als Karthago seine Kriege großteils mit angeworbenen Truppen führte.

Gut trainierte Söldner sind Bauernsoldaten sicherlich überlegen, aber Rom hatte einfach das größere Potential an Menschen und Material, was sich ja gerade im 2. Punischen Krieg zeigte. Trotz all der riesen Verluste, die Rom am Anfang erleiden musste, war man dennoch in der Lage an mehreren Fronten über einen langen Zeitraum Krieg zu führen, während es für Karthago doch überliefert ist (meine ich wenigstens), dass es zu Diskussionen gekommen sein soll, wo man Verstärkungen einsetzen soll, welcher Kriegsschauplatz der wichtigste ist - das Potential war also offenbar beschränkt.
 
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