"haud procul" und seine Bedeutung bei Tacitus

Hallo Timotheus

Mein Tenor war, dass es ein aktives Flussbett zur Römerzeit gab welches im Bereich der Lippemündung nach Norden abzweigte, sich mit Issel und Ijssel vereinigte, und das die Römer (sprich Strabon und Tacitus) als Fortsetzung der Lippe ansahen.

Es mag ja sein, dass bei Strabo etwas steht, dass sich so interpretieren lässt, aber wo bitte ist die Tacitus-Stelle, aus der dies zwingend! hervorgeht?

Und wo wir schon bei Quellenangaben sind, maelo: Kommen von dir noch die Stellen in Bezug auf Anreppen als Startpunkt von Asprenas und Varus, von Aufstand der Sugamber?

Kannst du Quellenstellen nennen oder hast du nur deine Wunschvorstellungen, die dafür sprechen? :motz:
 
Die Brukterer, die im Jahr 15 das vorrangige Angriffsziel der Römer waren, wurden durch den Angriff auf die Marser vorgewarnt und hätten sich sicherlich nicht durch das gleiche Vorgehen überrumpeln lassen. Auf eine erneute Rheinüberquerung mit dem Ziel einer Bekämpfung der Brukterer, hätten diese wahrscheinlich mit einem Rückzug geantwortet durch den die Römer nichts erreicht hätten.

Dadurch dass die Römer jedoch von der Ems aus die Brukterer bis zum Rhein einkesselten, war diesen eine Rückzugsmöglichkeit verschlossen. Daher lässt sich eindeutig die Strategie des Germanicus aus den Beschreibungen des Tacitus herleiten, zumal es unlogisch wäre wenn Germanicus seinen Feldzug gegen die Germanen erst von der Ems aus in östliche Gebiete begonnen hätte und dem Gebiet zwischen Ems und damaligen Lippelauf keine Beachtung geschenkt hätte. Um sicher in dem Gebiet jenseits der Ems operieren zu können musste Germanicus zuerst das Gebiet zwischen Rhein und Ems von den feindlichen Germanen bereinigen. Dieses Vorgehen gebietet die militärische Logik und ist nicht blöd. Um die Cherusker zu bekämpfen musste Germanicus zuerst die rheinnäheren Brukterer besiegen.

Caecina verwehrte den Brukterern eine Fluchtmöglichkeit nach Süden indem er die Lippe heraufzog. Mit vereinigten Kräften stieß dann Germanicus großflächig von der Ems aus in Richtung Rhein um die Brukterer zwischen diesen beiden Flüssen und den Stellungen der Römer aufzureiben. Um dieses Vorgehen abzuschließen musste er folglich wieder in die Nähe des Rheines gelangen, damit die vorgegebene Taktik der großflächigen Vernichtung der Brukterer gewährleistet wurde. Die einzige Möglichkeit für die Brukterer aus dieser Umklammerung zu entkommen, bestand für diesen Stamm darin, sich in das nördlich gelegene versumpfte Gebiet der heutigen Niederlande hinein zu flüchten. Hier waren die äußersten Grenzen der Brukterer, die Germanicus erreichte und von denen bei Tacitus die Rede ist.

Gruß Maelo

Nette Theorie. Nur die Quellen passen leider nicht dazu. Was schreibt Tacitus? Schauen wir mal: Die Brukterer, die ihr eigenes Land verheerten, schlug L. Stertinius mit einer leichten Abteilung auf Weisung des Germanicus in die Flucht, und während des Mordens und Plünderns fand er den Adler der 19. Legion wieder, der mit Varus verlorenen gegangen war. (Tac. Ann. I, 60,2-3)

Die Brukterer brauchten also nicht mit unendlichem Aufwand von 8 Legionen mit einem Angriff von 2 Seiten und einem Feldzug, der von der Ems bis an den Rhein zurückging, besiegt werden. Es reichte eine leichte Abteilung schon aus, um mit diesem Stamm fertig zu werden!

Also vollkommen egal, ob es jetzt noch einen Lippearm parallel zum Rhein gab, den die Römer als Lippe ansahen oder nicht, die Vorstellung von einem großräumigen Angriff des Germanicus auf die Brukterer, ist aus den Quellen nicht zu entnehmen.

Dumm gelaufen, maelo! :p
 
Und wo wir schon bei Quellenangaben sind, maelo: Kommen von dir noch die Stellen in Bezug auf Anreppen als Startpunkt von Asprenas und Varus, von Aufstand der Sugamber?

Dies würde mich auch sehr interessieren? Warum Anreppen als Startpunkt? Nach neuesten Erkentnissen hat dieses Lager zur Statthalterschaft des Varus garnicht mehr bestanden.:grübel:
 
Eben. Dem widerspricht auch nicht die Tatsache, dass die Lager auch über die Lippe erreichbar waren, und es ist kein Beleg für einen geänderten Verlauf.

Haben wir die ganze Zeit aneinander vorbeigeredet? Ich habe nie behauptet, dass die Lippe ihren Lauf geändert hat. Im Gegenteil: Ich argumentiere gegen diese These.

Zu Deinem Hinweis auf die Ruhr: Wie @El Quijote schon angemerkt hat, gibt es entlang der Ruhr keine Spuren römischer Lager, die in großem Umfang mit Nachschub hätten versorgt werden müssen. Mag sein, dass es sie gab und dass ihre Spuren durch die überdurchschnittliche Bautätigkeit in der Region zerstört wurden. Daran glaube ich aber nicht. Alles deutet darauf hin, dass die Römer die Lippe als "Einfalltor" nach Germanien ausgewählt haben und dass sie das heutige Ruhrgebiet von den Lippelagern aus unter Kontrolle gehalten haben. Die beiden Flüsse liegen ja nicht wirklich weit von einander entfernt.

Die Frage der Bleilieferungen (oder allgemeiner: von Warenlieferungen aus Germanien ins römische Gebiet hinein) sollte man in der Diskussion erstmal außenvor lassen. Als die Lager an Rhein und Lippe angelegt wurden, erfolgte das erstmal ausschließlich aus militärisch-strategischen Erwägungen heraus. Die Römer hätten sicher kein Lager an einer militärisch ungünstigen oder auch nur weniger günstigen Stelle angelegt, um mögliche spätere Handelsbeziehungen zu erleichtern. Außerdem: Wo die Legionslager waren, war in dem Moment (fast) gleichgültig, in dem die Römer das Land weitgehend unter Kontrolle hatten. Von dem Moment an hätten sie auch Schiffe zum Beispiel mit Blei-Fracht bedenkenlos die Ruhr hinunterschicken können, auch wenn Vertera ein ganzes Stück von der Ruhrmündung entfernt lag.

Ich bleibe dabei: Vetera ist ganz bewusst bei Xanten angelegt worden, weil sich quasi direkt gegenüber auf der anderen Rheinseite die Lippemündung befand. Für die Okkupation Germaniens war dieser Standort zu wichtig, als dass die Römer dort "Umwege" in Kauf genommen hätten. Da hätten sie eher später, nach erfolgter Eroberung, ihre Legionslager aufgegeben und an anderer Stelle neu errichtet. Ein Beispiel dafür: Oberaden.

Noch eine Anmerkung: Wie Du geschrieben hast, wurden sicher auch in Gallien die Wasserwege für den Nachschubtransport genutzt. Dort hatten sie nur weit geringere Bedeutung, weil sich die Legionslager zu einem großen Teil aus ihrem jeweiligen Umland versorgen konnten. Die Lippelager hingegen konnten das nicht. Dort mussten sämtliche Versorgungsgüter aus Gallien herangeschafft werden. Die Lippe war der EINZIGE Transportweg, über den das einigermaßen schnell und sicher möglich war. Auch deshalb hätten die Römer hier - meiner Meinung nach - keine Kompromisse gemacht.

MfG
 
Die Brukterer, die ihr eigenes Land verheerten, schlug L. Stertinius mit einer leichten Abteilung auf Weisung des Germanicus in die Flucht, und während des Mordens und Plünderns fand er den Adler der 19. Legion wieder, der mit Varus verlorenen gegangen war. (Tac. Ann. I, 60,2-3)

Die Brukterer brauchten also nicht mit unendlichem Aufwand von 8 Legionen mit einem Angriff von 2 Seiten und einem Feldzug, der von der Ems bis an den Rhein zurückging, besiegt werden. Es reichte eine leichte Abteilung schon aus, um mit diesem Stamm fertig zu werden!

Quellenkritisch betrachtet sollte man solche Formulierungen nicht allzu wörtlich nehmen. Eine leichte Reiterabteilung hat ganz sicher nicht den ganzen Stamm der Brukterer in die Flucht geschlagen, geschweige denn vernichtet. Derartige schnelle Vorstöße waren notwendig, um Feinde zu überraschen oder ausweichenden Feinden nachzueilen. Das gesamte Heer war viel zu träge.

Großräumige Zangenangriffe, so wie sie maelo hier beschrieben hat, gehörten sehr wohl zur römischen Strategie.
Wenn aber die Brukterer tatsächlich in die Niederlande ausgewichen wären, wären sie dort von den romtreuen Batavern erwartet worden. Warum ist von den Batavern bei Tacitus zu diesem Zeitpunkt keine Rede?
 
Die Quelle sollte nur verdeutlichen, dass es für den von maelo angenommenen Angriff keinen Beleg in den Quellen gibt - wie es auch sonst mit Belegen für seine Theorien sehr schlecht aussieht (Teilnahme der Sugamber am Aufstand, Weg des Varus und Asprenas u.v.m.).

Dass derartige Manöver zur Strategie Roms gehören, wurde ja nicht bestritten. Für die Markomannen hatte man ja derartiges geplant.
 
@Maelo:
Es kann nicht Gegenstand dieser Diskussion sein, einen Grundkurs bzgl. Geologie und Geomorphologie der Region Niederrhein abzuhalten.
Wenn Du mir diesbezüglich nicht glauben willst, wende Dich bitte an die geowissenschaftliche Fakultät einer Universität - z.B. wäre Utrecht zu empfehlen, wenn Dir das nicht zu weit ist.

Hier sprichst du den sogenannten Drususkanal (Drususkanäle) an...

Eigentlich nicht direkt, denn es bestehen inzwischen - hier verweise ich nochmals auf die Forschungsarbeiten der geowissenschaftlichen Fakultät der Universität Utrecht in den letzten Jahren - erhebliche Zweifel daran, daß die Verbindung von IJssel und Rhein (IJssel zwischen Westervoort und Doesburg) der Drususkanal ist bzw. die Drusukanäle sind (auch wenn der Bereich bis heute Drususgracht heißt).
Es fehlen nämlich die archäologischen Spuren - sprich: Reste römischer Kanäle - in diesem Bereich wie auch an der Hollandse Vecht, der anderen Lokalisierungsmöglichkeit für die Fossa Drusiana.
Anm.: Derartige Spuren gibt es aus römischer Zeit übrigens bspw. im Bereich des Oude Rijn (Schiffsreste, Siedlungsreste, Überbleibsel von Kanälen).

Allerdings gehe ich davon aus, dass der wesentliche Teil eines Überflutungswassers durch dieses von mir angesprochene Flussbett erfolgte. Erst von dem Zeitpunkt an, wo der benannte Deich erbaut wurde, um dieses Flussbett abzuriegeln, gab es massivere Überflutungen wenige Kilometer Rheinabwärts.

Dann zeige mir eine geologische Untersuchung, welche dies (z.B. anhand der Sedimente) nachgewiesen hat und - ganz wichtig - nach wie vor aktuelle Gültigkeit besitzt.

Ich bezweifele dass die Römer eine geologische Untersuchung auf Grundlage der fluvialen Sedimente der Lippe im Bereich dieses Flussstranges gemacht haben, bevor sie diesen Lauf der Lippe zugeschlagen haben. Sie haben einfach nur das Rheindelta mit unterschiedlichen Flussläufen vor Augen gehabt, und diesen Strang mit der Lippe gleichgesetzt, weil er in eine andere Richtung als der Rhein führte.

Niemand hat hier geschrieben, daß die Römer Flußsedimente untersucht hätten o. dgl.; und das ist im geographischen Kontext auch irrelevant. Wenn es um geologische Untersuchungen geht, dann sind damit weitaus jüngere geowissenschaftliche Untersuchungen gemeint, deren Aussagen aktuelle Gültigkeit besitzen.
Noch einmal: Es geht darum, daß Sedimentationen aus der Zeit der Zeitenwende, welche von der Lippe stammen bzw. mit ihren Sedimentationen korrelieren, im System der Issel/IJssel nicht zu finden sind.
Wenn Du welche findest, gib mir bitte Bescheid... :fs:

Dieser Deich ist vorbehaltlich einer detaillierten Untersuchung eines der frühesten Zeugnisse eines Bauwerkes zur Eindämmung des Hochwassers.

Dem habe ich nirgendwo widersprochen :fs:

Mit ihm wurde im Gegensatz zu nachfolgenden Eindeichungsversuchen nicht ein großräumiges Gebiet vom Überflutungswasser abgeschnitten, sondern mit ihm wurde „nur“ ein Flusslauf abgesperrt der seine Wassermassen über Issel und Ijssel abführte.

Sagt wer auf Basis welcher Beweise und/oder Faktenlage? :fs:

Ich habe innerhalb dieses Themas einige Indizien genannt, welche das von mir vorgestellte Szenario stützen. (der ehemalige Flusslauf, der Deich, Wolfstrang- Lupus- Lupia, keine Benennung der Ijssel von den Römern, die Aussage des Strabo) Wenn hier nach deiner Meinung nicht genügend Beweise für eine andere römische Sichtweise vorliegen sollten, so ist es dir überlassen diese als nicht akzeptabel zu werten.

Es geht überhaupt nicht darum, was für mich oder irgendwen akzeptabel oder inakzeptabel ist, sondern darum, daß jedes dieser genannten Indizien vor dem Hintergrund verschiedener Wissenschaftsbereiche (Geschichte, Archäologie, Linguistik, Geographie) zumindest etwas fragwürdig ist bzw. auf wackligen Beinen steht.
1. Aus welcher Zeit stammt das Bett des ehemaligen Flußlaufes (sofern es tatsächlich durchgängig ein solches ist, denn zumindest die von Dir dabei referenzierte Flürener Heide weist sog. Deflationswannen auf [deren Merkmal ist gerade, daß sie keinen nacheiszeitlichen Abfluß haben, was man an Heideweihern wie dem Schwarzen Wasser noch heute erkennen kann]), und wann wurde es zuletzt nachweislich von einem Fließgewässer genutzt (und da wäre noch immer nachzuweisen, von welchem Gewässer)?
2. Welche Dimension(en) hatte der Deich nachweislich - und wenn er so etwa wie Staudamm war: warum fehlen beiderseits Restwasser von Flußläufen (wo doch selbst der Wolfstrang noch vorhanden ist)?
3. Dumm nur, daß im Lateinischen das weibliche Pendant zu lupus nicht lupia, sondern lupa ist; und Wolf(s)- (adj. zum Wolf gehörend) würde übrigens mit lupinus, lupina oder lupinum gebildet (und nicht mit lupiae oder lupiam).
4. Zwar bin ich mir dabei nicht endgültig sicher, aber stammt nicht der Name Isala für den Fluß IJssel bereits aus römischer Zeit? Doch wie bereits angedeutet, ist sowieso umstritten, wie alt die IJssel überhaupt ist, so daß sich hierbei zudem die Frage stellt, ob sie die Römer bereits um die Zeitenwende überhaupt benennen konnten (sofern Isala aus jüngeren Zeiten stammt). Und wenn wir als verbleibende Alternative davon ausgehen, daß die heutige IJssel tatsächlich tatsächlich mit Fossa Drusiana quasi identisch ist, so wäre auch danach erklärbar, warum die Römer der IJssel keinen eigenen Namen gaben (sofern Isala aus jüngeren Zeiten stammt).
5. Zu den Aussagen des Strabo(n) siehe die Anmerkungen unten...



Wichtige Anmerkung dazu, welche aus o.g. Punkten folgt: Die Aussage
Flußsysteme am Niederrhein schrieb:
...
... ein Teil des Hochwassers strömte durch die Flürener Heide durch das Bett des heutigen Wolfstrangs... Die Topographie des Gebietes von Flüren über Diersfordt, Mehrhoog, Haldern bis nach Isselburg lässt eindeutig ein ehemaliges Flussbett erkennen...
...
- vgl. dazu Flusssysteme am Niederrhein - trifft ergo schon einmal nicht zu, da es sich (wie von mir unter 1. bemerkt) bei der Flürener Heide um ein Gebiet handelt, auf welchem sich nach dem Pleistozän sog. Deflationswannen bildeten, in denen sich später Heideweiher entwickelten (gerade bei Diersfordt ist das Schwarze Wasser ein seit der Eiszeit bis heute existentes Beispiel). Es gab also keinen nacheiszeitlichen Wasserabfluß - vgl. dazu die zwar teilweise recht populärwissenschaftliche, aber anschauliche Beschreibung auf Die Eiszeit ist schuld...

Ergo: Wie haltbar ist die Grundannahme?



Deine ersten Antworten auf meine Beiträge kamen für mein Empfinden sehr Pauschal und waren auf eine grundsätzliche Ablehnung meiner Ansichten eingestellt.

Ich kann Dir versichern, daß auch meine jetzigen Antworten im Ton deutlicher Ablehnung Deiner Aussagen verfaßt sind.

Erst bei deinem letzten Beitrag erkenne ich den Versuch eines ernsthaften Meinungsaustausches.

Meinetwegen; es ist für mich an der Stelle nicht wichtig, ob und inwieweit Du mir Ernsthaftigkeit zugestehst oder nicht.
Und noch etwas: Wenn wir hier ernsthaft diskutieren wollen, dann geht es auch nicht um Meinungsaustausch o. dgl., sondern darum, was bis dato belegbar und nachweisbar ist. "Was sein könnte, wenn etwas gelten würde unter der Annahme, daß..." u. dgl. können wir uns hier sparen...



Mein Tenor war, dass es ein aktives Flussbett zur Römerzeit gab welches im Bereich der Lippemündung nach Norden abzweigte, sich mit Issel und Ijssel vereinigte, und das die Römer (sprich Strabon und Tacitus) als Fortsetzung der Lippe ansahen.
Es mag ja sein, dass bei Strabo etwas steht, dass sich so interpretieren lässt, aber wo bitte ist die Tacitus-Stelle, aus der dies zwingend! hervorgeht?

Wie Strabo(n) diesbezüglich zu lesen ist, läßt sich bei Klaus-Peter Johne nachlesen - vgl. dazu den Link in Beitrag #143

Deshalb ist die Beschreibung der Lippe von Strabon und Tacitus anders zu werten.

Natürlich ist sie anders zu werten; nämlich dahingehend, daß für Strabo(n) Germanien von Süden nach Norden hin gleichmäßig vom Hochgebirge zum Tiefland abfiel und der Gradient aller Flüsse diesem Gefälle folgte. Sprich: für Strabo(n) verliefen alle Flüsse Germaniens von Süd nach Nord.
Oder anders herum: Strabo(n) schilderte die Gegebenheiten, wie er sie sich vorstellte und nicht, wie sie geographisch tatasächlich sind bzw. waren.

Anm.: Wie Johne - vgl. Link in Beitrag #143 - ausführt, gibt es mehrere Beschreibungen, anhand derer die geographischen Beschreibungen eines Strabo(n) zumindest mit einem Fragezeichen versehen werden müssen; dies gilt bspw. gerade auch für den Main, der bei ihm nicht einmal der Erwähnung wert ist, obwohl seine Bedeutung für die Römer zu Zeiten von Augustus und Tiberius doch hinter jener der Lippe kaum geringer war.
 
Die Quelle sollte nur verdeutlichen, dass es für den von maelo angenommenen Angriff keinen Beleg in den Quellen gibt - wie es auch sonst mit Belegen für seine Theorien sehr schlecht aussieht (Teilnahme der Sugamber am Aufstand, Weg des Varus und Asprenas u.v.m.).

Dass derartige Manöver zur Strategie Roms gehören, wurde ja nicht bestritten. Für die Markomannen hatte man ja derartiges geplant.

Erlaube mir ein bisschen Wortklauberei: Ich bezweifele die Theorie, dass römisches Militär zu großräumigen "Zangenangriffen" fähig war - in dem Sinne, dass verschiedene Truppenteile gleichzeitig gegen das gleiche Ziel vorgehen. Das hätte zu viel Koordination erfordert. Diese "Gleichzeitigkeit" war mit damaligen Kommunikationsmitteln nicht oder nur in viel kleinerem Maßstab zu erreichen. Was tatsächlich stattfand oder im Falle der Markomannen geplant war, waren Aufmärsche aus verschiedenen Richtungen. Das würde man heute aber eher mit "Eröffnung einer zweiten Front" übersetzen. Wie gesagt, Wortklauberei. Im Kern stimme ich Dir zu.

Übrigens ist es durchaus denkbar, dass die Sugambrer am Aufstand teilgenommen haben. Wolters hat in seinem Buch "Die Schlacht im Teutoburger Wald" den Verdacht geäußert, dass es sich bei den Marsern um den Reststamm der Sugambrer gehandelt haben könnte. In dem Fall gilt dann natürlich: Wäre Varus von Vetera, Haltern und Anreppen aus zur Hogen Veluwe marschiert, um die Sugambrer zu bekämpfen, dann wäre er ziemlich auf dem Holzweg gewesen. Könnte es etwa sein, dass Tacitus DAS gemeint hat, als er von den "langen Brücken" schrieb? :scheinheilig:

MfG
 
4. Zwar bin ich mir dabei nicht endgültig sicher, aber stammt nicht der Name Isala für den Fluß IJssel bereits aus römischer Zeit?

Wohl eher nicht:
De IJssel is jonger dan gedacht - Die IJssel ist jünger als gedacht
[...]
Het onderzoek toont aan dat de IJssel pas in de vroege Middeleeuwen is ontstaan, tussen 600 en 950 na Chr. Daarvoor was het huidige IJsseldal een moerassig gebied waarin een klein riviertje stroomde dat werd gevoed door lokale beken, die water afvoerden van de hoger gelegen zandgronden. Een verbinding met de Rijn was er toen nog niet. - Die Untersuchung hat ergeben, dass die Ijssel erst im frühen Mittelalter entstanden ist, zwischen 600 und 950 n. Chr. Davor war das heutige Ijsseltal ein sumpfiges Gebiet worin ein kleines Flüsschen strömte, welchem durch örtliche Bäche Wasser von den höheren Sandgründen zugeführt wurde. Eine Verbindung mit dem Rhein gab es noch nicht.

Wageningen UR - Alterra - Nieuws & Agenda
 

Deswegen hatte ich ja auch auf meine diesbezügliche Unsicherheit und die Debatte über das Alter der IJssel verwiesen, welche seit den letzten Jahren in den Niederlanden geführt wird.
Hier kann man übrigens die Arbeit von Bart Makaske, Gilbert Maas und Dirk van Smeerdijk nachlesen: The age and origin of the Gelderse IJssel
Damit wäre dann die naheliegende Erklärung dann wohl jene, daß die Römer gar keine IJssel vorfinden konnten, der sie einen Namen hätten geben können...
:pfeif:
 
Übrigens ist es durchaus denkbar, dass die Sugambrer am Aufstand teilgenommen haben. Wolters hat in seinem Buch "Die Schlacht im Teutoburger Wald" den Verdacht geäußert, dass es sich bei den Marsern um den Reststamm der Sugambrer gehandelt haben könnte.

Kann gut sein. Aber maelo will uns ja erzählen, dass sich hinter den Sugambrern nordwestlich von Arnheim siedelnd der weitentfernt im Aufstand befindliche Stamm verbirgt. Quellen dafür kann er nur leider nicht angeben. Schade!

Zu Nicole:
Klar muss man eine solche Quellenstelle nicht wörtlich nehmen, aber man könnte von ihr aus die militärische Stärke der Brukterer als nicht sonderlich hoch interpretieren. Und ob es statthaft ist diese Stelle komplett zu ignorieren, wie es maelo tut und anstelle dessen einen Angriff mit 8 Legionen aus 2 Richtungen auf diesen Stamm zu postulieren (ohne, dass es dafür auch nur einen Hinweis in den Quellen gibt!), sei dahin gestellt.

Vor allem könnte man auch sagen, hätte Germanicus einen derart aufwändigen Feldzug gegen die Brukterer geführt und siegreich abgeschlossen, dann hätte Tacitus das nicht unerwähnt gelassen. Immerhin findet er Germanicus ja ziemlich toll (salopp ausgedrückt :red:).
 
@tela
Da stimme ich dir zu. Ein Zangenangriff gegen die Brukterer wäre übertrieben und wird überdies auch nirgends erwähnt.

Die Strategie des Germancus zielte zuweilen darauf ab, durch zwei gleichzeitige Aktionen eine gegenseitige Unterstützung der verbündeten germanischen Stämme zu verhindern. Ging man gegen die Chatten vor, so hatte Caecina die Cherusker mit 40 Kohorten in Schach zu halten. Folgte eine Offensive an der Lippe, so schickte man gleichzeitig Silius mit einer leichten Abteilung gegen die Chatten im Süden.

Aber: Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass der Feldzug des Jahres 15 in die Niederlande führte. Ich kann das den Quellen nicht entnehmen.

Laut Tacitus kam Germanicus von der Ems und ließ das Land zwischen Ems und Lippe verwüsten. Dieses Gebiet ist m.E. dort zu finden, wo beide Flüsse an ihren Oberläufen nahezu parallel verlaufen. Dort befand er sich "nicht weit enfernt" der Stätte, wo einst die Varuslegionen vernichtet wurden.
 
Kann gut sein. Aber maelo will uns ja erzählen, dass sich hinter den Sugambrern nordwestlich von Arnheim siedelnd der weitentfernt im Aufstand befindliche Stamm verbirgt. Quellen dafür kann er nur leider nicht angeben. Schade!

Das meinte ich mit dem Holzweg. Vielleicht sind die Varuslegionen deshalb verschwunden. Die irren heute noch durch Holland und suchen die Sugambrer. :still:


Ein Zangenangriff gegen die Brukterer wäre übertrieben und wird überdies auch nirgends erwähnt.
...
Laut Tacitus kam Germanicus von der Ems und ließ das Land zwischen Ems und Lippe verwüsten. Dieses Gebiet ist m.E. dort zu finden, wo beide Flüsse an ihren Oberläufen nahezu parallel verlaufen. Dort befand er sich "nicht weit enfernt" der Stätte, wo einst die Varuslegionen vernichtet wurden.
Dass ein Zangenangriff mit acht Legionen gegen das Brukterergebiet übertrieben gewesen wäre, denke ich auch. Ein solcher Angriff gegen den winzigen Bereich zwischen den Oberläufen der Flüsse wäre dann aber geradezu absurd gewesen, denn das Gebiet war sehr viel kleiner als das Brukterergebiet. Vermutlich gehörte die Region sogar zum Wohngebiet der Brukterer. Gegen wen soll sich der Angriff dort gerichtet haben?

MfG
 
Dass ein Zangenangriff mit acht Legionen gegen das Brukterergebiet übertrieben gewesen wäre, denke ich auch. Ein solcher Angriff gegen den winzigen Bereich zwischen den Oberläufen der Flüsse wäre dann aber geradezu absurd gewesen, denn das Gebiet war sehr viel kleiner als das Brukterergebiet. Vermutlich gehörte die Region sogar zum Wohngebiet der Brukterer. Gegen wen soll sich der Angriff dort gerichtet haben?
MfG


Die Brukterer konnten sich der römischen Übermacht nicht stellen und sind nach Osten ausgewichen. Beim Nachrücken verwüstete das Germanicusheer das Land zwischen den beiden Flüssen Ems und Lippe. Es war das Siedlungsgebiet der östlichsten Brukterer.
 
Die Brukterer konnten sich der römischen Übermacht nicht stellen und sind nach Osten ausgewichen. Beim Nachrücken verwüstete das Germanicusheer das Land zwischen den beiden Flüssen Ems und Lippe. Es war das Siedlungsgebiet der östlichsten Brukterer.

Also doch ein Zangenangriff gegen die Brukterer - beziehungsweise nur gegen die östlichsten Brukterer? So wie Deine Aussage jetzt da steht, stimme ich ihr sogar zu, aber sie beantwortet die entscheiden Fragen nicht: Wieso sollte für diese Aufgabe ein derartiges Truppenaufgebot nötig gewesen sein und wie hat Germanicus es fertiggebracht, ein solches Kingsize-Heer in der kleinen Region unterzubringen? Die Legionäre hätten dort praktisch Schulter an Schulter gestanden.

MfG
 
Also doch ein Zangenangriff gegen die Brukterer - beziehungsweise nur gegen die östlichsten Brukterer? So wie Deine Aussage jetzt da steht, stimme ich ihr sogar zu, aber sie beantwortet die entscheiden Fragen nicht: Wieso sollte für diese Aufgabe ein derartiges Truppenaufgebot nötig gewesen sein und wie hat Germanicus es fertiggebracht, ein solches Kingsize-Heer in der kleinen Region unterzubringen? Die Legionäre hätten dort praktisch Schulter an Schulter gestanden.

MfG

Nun, ein deratiges Truppenaufgebot war nötig, weil Germanicus damit rechnen musste, auf diesem Feldzug auf eine größere Koalition von Germanenstämmen zu treffen. Vor Drei- oder Vierlegionenheeren hatten die Germanen unter Arminius den Respekt verloren. Sie waren angreifbar.

Germanicus drang zunächst ins Gebiet der Brukterer ein, die allerdings im Angesicht der Übermacht auswichen, nicht ohne vorher ihre Wohnsitze selbst zu zerstören. Um dennoch einige von ihnen zu greifen, wurde eine leichte Abteilung unter Stertinius vorausgeschickt, der einigen Schaden anrichtete und den Adler der Legio XIX fand.
Das Germanicusheer wälzte sich unterdessen von der Ems kommend Richtung Lippe und verwüstete dieses Land. Grob ist die Zugrichtung Südosten. Und nun kommt die Meldung, dass das Varusschlachtfeld nicht fern ist.
(Im Zuge dieses Feldzugs wurde auch das Lager Aliso an der Lippe wieder besetzt. Es steht nicht explizit dort, geht aber aus einer späteren Stelle hervor.)

Es heißt übrigens nicht, dass sich sämtliche acht Legionen zwischen Ems und Lippe getummelt haben. Derart große römische Heere marschierten in mehreren Heeressäulen. Vielleicht kann Tiberius Gabinius mehr dazu sagen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Das Germanicusheer wälzte sich unterdessen von der Ems kommend Richtung Lippe und verwüstete dieses Land. Grob ist die Zugrichtung Südosten. Und nun kommt die Meldung, dass das Varusschlachtfeld nicht fern ist.
Nicht ganz. Man zieht in die entlegensten Teile des Bruktererlandes und verwüstet alles Gebiet zwischen Ems und Lippe.

Welches Gebiet das ist, lässt sich weiterhin aus der Quelle nicht entnehmen. Wo sich Germanicus befand, als das Varusschlachtfeld nicht weit weg war, wissen wir nicht. Und wir wissen auch nicht, welche Entfernung unter diesen Umständen 'nicht weit' darstellt.

Es ist und bleibt eine Gleichung mit zu vielen Unbekannten, um damit einen Ort (bei den großen 4 Regionen, in denen die Schlacht lokalisiert wird) definitiv zu beweisen oder abzulehnen.
 
Es heißt übrigens nicht, dass sich sämtliche acht Legionen zwischen Ems und Lippe getummelt haben. Derart große römische Heere marschierten in mehreren Heeressäulen.
Eben das ist der springende Punkt. Im Gebiet zwischen den Oberläufen dieser beiden Flüsse hat es nicht genug einigermaßen gut begehbare "Wege" gegeben, um auch nur einen größeren Teil dieses Heeres aufzunehmen. Die Marschsäulen wären unmöglich lang geworden. Das bedeutet, dass sich der Großteil der Truppen andereswo befunden haben muss. Daraus wiederum folgt, dass sich keine Angabe darüber machen lässt, wo Germanicus selbst sich befunden hat, als er in der Nähe des Varus-Schlachtfelds war. Dieser Ort muss sich also keineswegs "haud procul" zum Gebiet zwischen den Oberläufen von Lippe und Ems befunden haben.

In dem Zusammenhang drängt es sich auf, daran zu denken, dass laut Tacitus "leichte Heeresabteilungen" gegen die Brukterer geschickt worden sind. Römisches Militär war in dem in Rede stehenden Zeitabschnitt nämlich nicht mehr ausgeprägt differenziert. Kernstück der Legionen war die schwere Infantrie, die für flexiblen Formationskampf ausgelegt war. Dass nun "leichte" Einheiten im Brukterergebiet operierten, deutet auf eine andere, aufgelöstere Kampfführung hin. Hier muss man vom Einsatz von Hilfstruppen und Reiterei, vermutlich verstärkt durch ausgewählte Legionseinheiten, ausgehen. In dem Fall sind die Kämpfe gegen die Brukterer aber eher "Entlastungsangriffe" gewesen, mit denen die Brukterer gebunden werden sollten. Das würde bedeuten, dass der Hauptvorstoß des Germanicus-Heeres anderen Zielen galt als den Brukterern. Auch muss man davon ausgehen, dass Germanicus als Heerführer sicher nicht mit den leichten Hilfstruppen unterwegs war, sondern dass er sich im Zentrum der schweren Kerneinheiten der Legionen befand. Also gerade NICHT zwischen Lippe und Ems.

Nun, ein deratiges Truppenaufgebot war nötig, weil Germanicus damit rechnen musste, auf diesem Feldzug auf eine größere Koalition von Germanenstämmen zu treffen. Vor Drei- oder Vierlegionenheeren hatten die Germanen unter Arminius den Respekt verloren. Sie waren angreifbar.
Ein Drei-Legionen-Heer hatten sie genau einmal in ihrer Geschichte besiegt, ein Vier-Legionen-Heer noch nie. Und leicht gefallen ist ihnen der Sieg sicher nicht. Dass die Germanen (wenn man Tacitus glauben darf) kurz davor waren, das ganze Gebiet zu räumen und sich hinter die Elbe zurückzuziehen, deutet auch nicht auf mangelnden Respekt hin.

MfG
 
Eben das ist der springende Punkt. Im Gebiet zwischen den Oberläufen dieser beiden Flüsse hat es nicht genug einigermaßen gut begehbare "Wege" gegeben, um auch nur einen größeren Teil dieses Heeres aufzunehmen. Die Marschsäulen wären unmöglich lang geworden. Das bedeutet, dass sich der Großteil der Truppen andereswo befunden haben muss. Daraus wiederum folgt, dass sich keine Angabe darüber machen lässt, wo Germanicus selbst sich befunden hat, als er in der Nähe des Varus-Schlachtfelds war. Dieser Ort muss sich also keineswegs "haud procul" zum Gebiet zwischen den Oberläufen von Lippe und Ems befunden haben.

Diese Möglichkeit finde ich wirklich interessant. Könnte die Sache in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen.

Allerdings sehe ich das so, daß sich die betreffende Textstelle nicht auf den Aufenthaltsort des Germanicus bezieht, sondern auf das entsprechende Gebiet zwischen Ems und Lippe:

...und das ganze Gebiet zwischen Ems und Lippe, nicht weit entfernt vom Teutoburger Wald...:confused:

Also ich lese das eher so, daß sich der Teutoburger Wald unweit vom Gebiet zwischen Ems und Lippe befindet. Unabhängig, ob Germanicus sich dort befand oder auch nicht.

Allerdings: Man muß natürlich nicht von den Oberläufen der Flüsse ausgehen...
Womit sich wieder einmal die Frage nach den äußeren Grenzen der Brukterer stellt.
 
Ich kann dem nicht zustimmen. Tacitus schreibt deutlich: "Ductum inde agmen ad ultiomos Bructerorum, quantumque Amisiam et Lupiam amnes inter."

Er führte sein Heer dorthin. Sicher, der Satz könnte sich hier sowohl auf Germanicus, als auch auf Stertinius beziehen. Dann aber folgt der Passus "unweit der unbegrabenen Reste" und nun erwachte in dem Caesar, also unzweifelhaft in Germanicus, das Verlangen das Schlachtfeld zu besuchen. Damit wird das zunächst offene ductum klar auf Germanicus, der sein Heer zwischen die beiden Flüsse geführt hatte, eingeengt.
 
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