Hexen?

Die einzelnen Wellen oder Vorkommnisse von Hexenprozessen weisen je nach Zeit und Region große Unterschiede auf, so dass man dies auf jeden Fall nicht als allgemeingültig ansehen kann.

Der Fokus bei den Beschuldigten in Hexenprozessen mag bisweilen tatsächlich auf Hebammen und heilkundigen Frauen gelegen haben, es gibt aber auch genug Beispiele, bei denen diese Aspekte überhaupt keine Rolle spielten. Das gilt im Prinzip auch für die Aussage, dass die Opfer von Hexenprozessen überwiegend Frauen waren. Dies dürfte zwar in der Mehrzahl der Verfahren zugetroffen haben, aber auch hier gibt es Gegenbeispiele, so dass man auch diese Aussage nicht verallgemeinern darf (ich erwähne an dieser Stelle mal die Hexenprozesse, die Hermann Löher beschrieben hat).

Viele Grüße

Bernd


Der Verweis auf die Prozesse an denen Hermann Löhr beteiligt war, ist gut. Die meisten Opfer der Verfolgungen in der Kleinstadt Rheinbach stammten aus der Mitte der Gesellschaft. Mehrheitlich handelte es sich um Frauen, darunter viele Witwen wie Christina Böffgen, die unter der Folter verstarb.
 
... und wo es sich gewiss lohnte, sich den Nachlass anzueignen! :grübel:

und ob es sich lohnte, sowohl für den Ankläger, wie für den Denunzianten und am Ende auch für den Scharfrichter, der einem Delinquenten das Sterben erleichtern konnte. Im Fall der verfolgungen von Rheinbach wollte der Henker die angeschuldigte Christina Böffgen nicht weiter foltern, da er befürchtete, sie würde sterben. Bei den Superverfolgungen in den Bistümern Bamberg und Würzburg im 17. Jahrhundert wurden schließlich auch Angehörige der Eliten und Männer hingerichtet, darunter ein Schöffe. Bei einer der letzten Verfolgungswellen im Salzburger Land in den 1680/90er Jahren waren die Mehrzahl der Beschuldigten Männer.
 
Interessant wäre auch der gruppendynamische Ansatz.

In China z. B. hat Mao mal erklärt, dass 5 % der Chinesen Konterrevolutionäre seien. Daraufhin wurde jedes Dorf aufgefordert, seine 5 % Konterrevolutionäre auszuliefern, mit dem dezenten Hinweis, dass jeder, der Konterrevolutionäre deckt (indem er zum Beispiel anzweifelt, dass es tatsächlich so viele in seinem Dorf gibt), sich selbst als Konterrevolutionär entlarvt und daher auszuliefern sei.

Dies führte tatsächlich dazu, dass jedes Dorf 5 % seiner Mitglieder als Konterrevolutionäre auslieferte.

Interessant wäre es, einmal genau zu analysieren, wie sich diese Personengruppe zusammensetzte. Ich vermute, dass hier alleinstehende, unbeliebte oder irgendwie "merkwürdige" Personen stark vertreten waren, und wenn die Erbschaftsgesetze dementsprechend waren, auch reiche.
 
Dass Frauen, die heilende Kräuter und "geheimnisvolle" Substanzen mischten, zur Zeit des Hexenwahns mehr als andere der Hexerei verdächtigt wurden, ist eine vielfach bezeugte Tatsache.

Aus dem Lexikon zur Geschichte der Hexenverfolgung von Gudrun Gersmann, Katrin Moeller und Jürgen-Michael Schmidt, Beitrag Frauen- und geschlechtergeschichtliche Perspektiven der Hexenforschung von Claudia Opitz-Belakhal:

Hebammen als Opfer der Hexenverfolgung?
Innerhalb der älteren wie auch der feministischen Forschung haben die Hebammen besonders viel Aufmerksamkeit erfahren, die – laut Hexenhammer – besonders verdächtig waren, sich selbst, aber auch die von ihnen ins Leben geholten Neugeborenen dem Teufel zu weihen oder gar um magischer Praktiken willen zu töten. Daraus wurde (vorschnell) der Schluss gezogen, die Hexenverfolgung sei gezielt gegen weibliche Heilkunst gerichtet gewesen; Am Ende des Mittelalters seien männliche Ärzte angetreten, um ihre weibliche Konkurrenz – insbesondere Hebammen und andere heilkundige Frauen – aus dem Feld zu schlagen. Teilweise wurde darin auch der Versuch staatlicher und kirchlicher Obrigkeiten gesehen, Verhütungswissen auszurotten und dadurch die Bevölkerungszahl gezielt zu steigern. Fachhistoriker haben diese Thesen zurückgewiesen, da sie deutliche methodische Mängel aufweisen und praktisch außerhalb jeglicher Quellenevidenz angesiedelt sind (Labouvie 1991, Harley 1990, Rummel 2001). Im Gegenteil, so betonen sie, die Hebammen seien ausgesprochen selten als Verursacherinnen von Behexungen angesehen worden, sie seien vielmehr wegen der Bedeutung, die sie für die Geburtshilfe im Dorf hatten, gegen Hexereibeschuldigungen in Schutz genommen worden, obgleich sie ohne jeden Zweifel im Rahmen ihrer Tätigkeit durchaus auch magische (Heil-)Praktiken ausübten. Dank ihren magischen Kenntnissen wurden „weise“ Frauen und Hebammen weit häufiger von Hexenjägern zu Rat gezogen worden, um „wirkliche“ Hexen aufzuspüren, als dass sie selbst vor Hexengerichten angeklagt worden wären.
 
Aus dem Lexikon zur Geschichte der Hexenverfolgung von Gudrun Gersmann, Katrin Moeller und Jürgen-Michael Schmidt, Beitrag Frauen- und geschlechtergeschichtliche Perspektiven der Hexenforschung von Claudia Opitz-Belakhal:




Die Thesen, dass Rothaarige bevorzugt opfer des Hexenwahns gewesen seien und es eine Verschwörung der Obrigkeiten und der Kirche gegeben habe, um uraltes Geheimwissen zu vernichten, ist inzwischen vielfach Allgemeingut von Urban Legends und Trivialvorstellungen geworden. Allerdings war die Esoterik und Feministinnen- Szene durchaus nicht die Erste, die sich mit der Hexenforschung identifizierte, bzw die versuchte, Hexen zu vereinnahmen.

Eines der abstrusesten wie interessanten Phänomene der hexenforschung war wohl die Hexenkartei des Reichsführers SS Heinrich Himmler.
Dabei verwoben sich esoterisch, neo- paganistische Vorstellungen. Himmler wollte in den Hexen sozusagen "Blutzeugen der völkischen Bewegung" sehen, die uraltes, germanisches Geheimwissen gehütet hätten und von der Kirche und einerjüdischen Verschwörung vernichtet worden wären. Himmler glaubte, selbst von einer Hexe, einer gewissen Margaretha Himbler abzustammen. 1935 wurde die Organisation Ahnenerbe e. V. gegründet. Forschungsprojekte erstreckten sich bis nach Indien und Mexiko.
 
[Zitat:]Hebammen als Opfer der Hexenverfolgung?
Innerhalb der älteren wie auch der feministischen Forschung haben die Hebammen besonders viel Aufmerksamkeit erfahren...
Im schon erwähnten Themenportal (historicum.net: Hexenforschung) bzw. Lexikon (historicum.net: Lexikon) befasst sich der Aufsatz von Jütte (historicum.net: Abtreibung und Empfängnisverhütung) speziell mit der Hebammen-These, die vor allem von Gunnar Heinsohn & Otto Steiger [1] mit großem publizistischen Erfolg lanciert wurde. [2] Führende Feministinnen wie Claudia Honegger haben das nachgerade übel genommen, zum Boykott des Buches aufgerufen usw. [3] Ein in mehrfacher Hinsicht "vermintes" Gelände also, leicht daran zu erkennen, dass die Diskussionen öfters ins Persönliche gelappt sind.

Letzteres gilt auch für die Invention von Wolfgang Behringer [4]. Dem verdanken wir den Hinweis [5], dass die Weise-Frauen-Hypothese z.B. auch von Jakob Grimm uind Jules Michelet vertreten wurde, wobei die Verfolgung dieser Frauen von dem einen bei der geistlichen, von dem anderen bei der weltlichen Macht verortet wurde.

Die Thesen, dass Rothaarige bevorzugt opfer des Hexenwahns gewesen seien ...
Mit an den Haaren herbeigezogenen Aspekten haben sich farbinteressierte Foren-Fuzzies hier befasst: (Alter und Haarfarbe der deutschen Durchschnittshexe - Geschichtsforum.de - Forum für Geschichte), wenn auch nicht abschließend. Das empirische Material hierzu ist wenig tragfähig.


[1] Die Vernichtung der weisen Frauen (Frankfurt 1985); meine Ausgabe ist die 6., erweiterte von 1989.
[2] Siehe Mercys Hinweis in http://www.geschichtsforum.de/f13/a...erh-tung-der-fr-hen-neuzeit-17466/#post272001 und den Thread http://www.geschichtsforum.de/f83/g...-erkl-rung-f-r-kreuz-ge-usw-15346/#post329744
[3] Heinsohn/Staiger S. 370 ff.
[4] ebd., S. 385 ff.
[5] Hexen: Glaube, Vermarktung, Verfolgung. Sonderausgabe München 2008, S. 9
 
Es gab und gibt in gewisser, sehr bedeutsamer Weise, Hexen, bzw. Zauberkundige, jedenfalls insofern, als sich Individuen oder Gruppen diese Eigenschaft zugeschrieben haben und zuschreiben oder insofern ihnen die Eigenschaft von dritter Seite zugeschrieben wurde und wird. Ob sie im physikalischem Sinn etwas bewirken konnten oder können, was wir nicht mit den Naturgesetzen erklären können, ist dabei zunächst zweitrangig. Denn die Überzeugung vieler, so etwas könne es geben, reicht für die Konsequenzen aus der Zuschreibung völlig aus.

Schon in römischer Zeit sind Todesstrafen gegen vermeindliche Schadenszauberer üblich. Das geht weiter im europäischen Mittelalter, bis dann Anfang des 15. Jhd. nach längerer geistiger Vorbereitung mit einem Mal ein vom konkreten (eingebildeten) Schadenszauber oft unabhängiger Hexereitatbestand entsteht, der über die Teufelsbuhlschaft Hexerei als Ketzerei definiert. Es werden große Verschwörungen von regelrechten Hexensekten zum Sturz der Ordnung fantasiert und daher mehr oder weniger große Verfolgungen seitens des Staates gestartet, je nach Region unterschiedlich. Dabei sind Männer zu 15 bis 50 % unter den Verfolgten.

Daneben steht immer auch, und in der gesamten Zahl der Opfer wohl bedeutsamer, die Verfolgung auf Druck der allgemeinen Bevölkerung, sozusagen als extremer Nachbarschaftsstreit, wegen vermuteter Schadenszauber. In einer unaufgeklärten, stark magisch verhafteten Umwelt mit oft prekärer und anfälliger Wirtschaftssituation ist das auch kein Wunder. Hier sind oft zunächst Außenseiter besonders gefährdet. Wenn die Kuh stirbt, hat bestimmt die Soundso ihre magische Hand im Spiel.

Interessant ist, daß magische Sichtweisen heute noch in weiten Teilen Afrikas vorherrschen. Auch Haiti hat einen Gutteil seiner Probleme durch den Voodooglauben. Gab da vor einiger Zeit eine Sendung auf arte zu. Ich meine auch, in einem meiner Bücher dazu gelesen zu haben, daß seit 1945 weitaus mehr Menschen in Afrika wegen Hexereivorwurf ermordet worden sein sollen, als in der gesamten Zeit der verstärkten Verfolgung in Europa von 1400 bis 1650, also über 25000-35000.

Also, Hexen gibt es zwar nicht, aber es gibt sie eben doch.
 
Man kann sagen das es Hexen gab, weil der Name auch irgendwo seinen ursprung hat, oder nicht?
Das ist es wieder und auch wie man sich die Hexen vorgestellt hatte.
Jeder findet doch an Hexen etwas, was war ist oder was, was eher nicht so vorstellbar ist, oder?
 
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