Also ich habe den Film letztens gesehen. Er hat tatsächlich bis auf einige Szenen wenig mit dem Buch zu tun, aber er hatte sehr viele recht eindringliche Szenen. Allerdings kommt manche Grausamkeit als Standardvorgehen rüber obwohl das in der Realität eher die Ausnahme gewesen sein mag (keine Seite akzeptiert eine Kapitulation, da werden unbewaffnete sich ergebende Soldaten mit dem Flammenwerfer exekutiert). Habe mich mal eine Zeit lang wirklich eingehend mit dem 1.WK befasst weshalb der Film eine Mischung aus Kopfnicken und Kopfschütteln meinerseits darstellt. Als Antikriegsfilm für Schüler eignet er sich sicherlich gut.
 
Allerdings kommt manche Grausamkeit als Standardvorgehen rüber obwohl das in der Realität eher die Ausnahme gewesen sein mag (keine Seite akzeptiert eine Kapitulation, da werden unbewaffnete sich ergebende Soldaten mit dem Flammenwerfer exekutiert).

Der Flammenwerfer mag in dieser Hinsicht vielleicht Effekthascherei sein, aber das im 1. Weltkrieg an der Westfront Kapitulationen einfach nicht akzeptiert wurden und es aus Frustration der Soldatenn heraus zu Gefangenentötungen kam, scheint es durchaus öffters gegeben zu haben, durchaus auch auf beiden Seiten.

Vgl. Afflerbach, Holger: Die Kunst der Niederlage, Eine Geschichte der Kapitulation, München, 2013 S.190ff
 
Mal eine Frage zu den alten Verfilmungen:
gab es da auch eine Flammenwerfer Szene oder spielt mir da die Erinnerung einen Streich?
 
Der Flammenwerfer mag in dieser Hinsicht vielleicht Effekthascherei sein, aber das im 1. Weltkrieg an der Westfront Kapitulationen einfach nicht akzeptiert wurden und es aus Frustration der Soldatenn heraus zu Gefangenentötungen kam, scheint es durchaus öffters gegeben zu haben, durchaus auch auf beiden Seiten.

Vgl. Afflerbach, Holger: Die Kunst der Niederlage, Eine Geschichte der Kapitulation, München, 2013 S.190ff

Es kam immer wieder vor, dass in der Hitze des Kampfgeschehens keine Gefangene gemacht wurden oder Soldaten, die sich bereits ergeben hatten getötet wurden. Es gab Gerüchte und Parolen, dass Kosaken, Huns, Senegalesen, Kanadier usw., usw. keine Gefangenen machten, und manche Soldaten waren bereit, ebenfalls keine zu machen.

Es gab das sogenannte "ausputzen" eines Grabens, wo regelrecht spezialisierte "Ausputzer", Nettoyeurs hießen sie bei den Franzosen einen aufgerollten Graben "ausputzten", also die überlebenden Soldaten systematisch töteten. In Karl Kraus "Die letzten Tage der Menschheit werden immer wieder mal Kriegsverbrechen dieser Art erwähnt, im Anhang immer wieder mal auf zeitgenössische Zeitungsberichte verwiesen. Zahlreiche Kriegsberichte sind voll davon und aus von allen Seiten. Es kam vor, dass Gefangene getötet wurden, weil man sie nicht bewachen konnte. Paul Ettighofer berichtet einmal von "Senegalnern", die einem Verwundeten die Kehle durchschnitten und von einem Erlebnis mit Kosaken. Es gibt Berichte, dass farbige Soldaten nach der Gefangennahme massakriert wurden.
 
Nach den 7 Preisen in England hat der Film auch 4 Oscars in den USA bekommen. Es ist erstaunlich, dass die Menschen aus einstigen Kriegsgegnernationen diesen Antikriegsfilm aus rein deutscher Sicht so hoch bewerten, bei uns dagegen gibt es einige, die rummäkeln, ob der mangelnden Werktreue, die einst in der Realität nicht stattfindende Szenen, etc.

Ich haben den Film nun gesehen und muss zunächst feststellen: Dieser Film ist ein eigenes Werk, an das von Erich Maria Remarques nur angelehnt. Der Fokus liegt fast ganz auf den Soldaten Paul Bäumer, auf sein Erleben und seine Sicht der Dinge. Das zwischenzeitlich auch andere kurze! Geschenisse gezeigt werden, dient auch der Eholung des Zuschauers, denn das Dauerfeuer und das Töten kann kein Mensch lange aushalten.

Wer noch vor hat, den Film zu sehen, sollte den Spoiler nicht anklicken:

Spoiler

Schon die erste Szene des Films macht einen gefangen: Ein Soldat wird getötet, seine Sachen werden ihm ausgezogen, um zusammen mit anderen wieder zu verwenden. Die Kamera verfolgt nun stumm den weiteren Weg der Unformen: Wie sie in großen Bottichen Uniformen gewaschen und in einer großen Halle von Näherinnen wieder instandgesetzt werden.

Bei der Ersteinkleidung bekommt Paul so eine Uniform ausgehändigt, und als er den eingenähten Namenszug seines Vorgängers bemerkt, rennt er zu zurück und sagt: „Das gehört schon jemand!“ Der (Unter-)Offizier sagt. „Ach, das ist nur eine Verwechslung, passiert manchmal“ – entfernt ruhig den Schriftzug und wirft es auf den Boden neben ihm. Und da geht die Kamera auf die Bodennähe und man sieht da schon etliche Namesaufnäher liegen.

Er und seine Freunde melden sich 1917 voller Begeisterung freiwillig, aber schon der erste Einsatz an der Front treibt ihnen diese Begeisterung aus. Nachdem Paul das Artilleriefeuer überlebt hat, muss er die Erkennungsmarken der gefallenen Kameraden sammeln – eine Szene, die sich am Ende des Films wiederholt, als wieder ein jungen Rekrut, frisch an der Front, dazu angehalten wird.

Es gibt da nichts außer Tod und Zerstörung, sie alle funktionieren nur noch: Gehen zum Angriff über, wenn ihnen das befohlen wird, sie töten – und werden selbst getötet. Wer den Maschinengewehrfeuer überlebt und bis zu den feindlichen Linien durchkommt, muss in den feindlichen Schützengräben Mann gegen Mann kämpfen, was natürlich heißt: Entweder ich oder er. Und wenn die Franzosen angreifen, geschieht das gleiche. Es ist ein Gemetzel ohne Gnade. Was die Soldaten noch zusammenhält, ist die Kameradschaft untereinander, mit wenige Lichtblicken, wenn sie z.B. beim Bauern eine Gans stehlen und sich wieder einmal stattessen können.

In der Generalität werden die Berichte über zigtausende Tote nur zur Kenntnis genommen, denn bald wird ja ein neuer Jahrgang fällig werden, da könnten sie wieder hundert- und mehr tausend in den Tod schicken. Die Bemühungen um einen Waffenstillstand werden als unehrenhaft betrachtet, die Sozialdemokraten als Verräter am eigenen Volk bezeichnet. Dennoch gelingt es, man kommt überein, den Waffenstillstand am nächsten Tag um 11 Uhr stattfinden zu lassen.

Davon will aber der Kommandeur des Regiments, in dem Paul dient, nichts wissen, denn er ist Soldat und als solcher für den Krieg da. Er befiehlt einen letzten Sturmangriff auf die feindlichen Stellungen – wenige Minuten, bevor der Waffenstillstand in Kraft tritt. Sein Motiv: Sein Vater, der einst auch dieses Regiment befehligte, eilte von einem Sieg zum anderen, und er, der Sohn, der "zuspätgeborene" will auch was gewinnen – und wenn dies nur aus wenigen Hundertmetern Geländegewinn besteht.

In diesem Film gibt es keine Helden, sondern nur sinnloses Massensterben auf allen Seiten.

Was ich an Filmen wie diesen schätze: Nichts ist absehbar, man weiß nie, was als nächstes geschehen wird. Das Setting ist sehr gut, die Schützengräben, Ausrüstung und Bewaffnung entsprechen wohl der damaligen Wirklichkeit, ja selbst die Soldaten haben schlechte Zähne – eine Beobachtung, die man auf alten Fotos gesehen hatte. Und überall Schlamm und Blut und Rauch, alles in ein blaugraues Licht ohne Sonne getaucht. Und doch muten manche Szenen fast poetisch an, auch mitten im Gemetzel, wenn Paul auf die Erde fällt und die Soldaten nur schemenhaft an sich vorbeiziehend sieht. Maschinengewehre sind eine furchtbare Waffe, weil die Soldaten nichts haben, um sich davor zu schützen. Sie müssen auf ein Pfiff losrennen, und wer hinterher noch am Leben ist, hat das nur dem Zufall zu verdanken.

Die ernsten und ausdrucklosem Gesichter der von der Front zurückkehrenden ukrainischen Soldaten, die man gelegentlich in Videos sieht, sind die gleichen wie in diesem Film. Insofern hat sich seit 100 Jahren nichts geändert.

Der Film ist nichts für schwache Nerven – trotzdem empfehlenswert. Dies auch für höhere Schulklassen, weil die Jugend ruhig mal sehen soll, was Krieg mit Menschen macht.
 
Dies auch für höhere Schulklassen, weil die Jugend ruhig mal sehen soll, was Krieg mit Menschen macht.
Ich las gestern ein Interview mit einem General a.D., der sich in der Deutschen Kriegsgräberfürsorge als deren Präseident engagiert (Wolfgang Schneiderhan). Anlass des Interviews war der Ukrainelkrieg, weil da wohl öfter mal Leichen aus dem WKII(!) auftauchen.
Schneiderhan erzählt in dem Interview aber auch, wie er vor dem Krieg gemeinsam mit deutschen und russischen Jugendfußballmannschaften Projekte begleitet hat, und wenn sie dann auf Soldatenfriedhöfen waren, wie den Jugendlichen die Augen aufgingen, wenn sie bemerkten, dass die Toten in ihrem Alter oder kaum älter waren.
 
Nach den 7 Preisen in England hat der Film auch 4 Oscars in den USA bekommen. Es ist erstaunlich, dass die Menschen aus einstigen Kriegsgegnernationen diesen Antikriegsfilm aus rein deutscher Sicht so hoch bewerten, bei uns dagegen gibt es einige, die rummäkeln, ob der mangelnden Werktreue, die einst in der Realität nicht stattfindende Szenen, etc.


Ich denke Diskussionen über Werktreue sind grundsätzlich schon angebracht, immerhin hat der Film mit diesem Titel ja in Anspruch genommen die Adaption eines entsprechenden Werks zu sein.

Darüber ob einzelne Darstellungen in ähnlicher Weise in der Realität passieren konnten, wird man sich, zumal in einem Geschichtsforum, unterhalten dürfen, zumal wenn Fachliteratur vorhanden ist, die das streift? Es ist doch der eigentliche Sinn von Filmen mit einem entsprechenden Anspruch zum Nachdenken anzureden und zu genau solchen Diskussionen, die im Übrigen durchaus kin "rummäkeln" sind, zu kommen.

Von welcher rein deutschen Sicht ist eigentlich die Rede (höre ich im Bezug auf den Anspruch des Produzenten immer wider).
Remarques Buchvorlage und auch die vorherigen beiden Verfilmungen jedenfalls sind so gar keine rein deutsche Perspektive, sondern beschreiben die Realität des Stellungskrieges, die auch für die andere Seite charakteristisch war und die, mit anderen Uniformen ausgestattet auch ganz genau so auf der anderen Seite hätte spielen können.
Und vor allem deswegen denke ich, war Remrqus Werk und waren die älteren Verfilmungen auch über Deutschland hinaus wesentlich anschlussfähiger, als tatsächliche Verfilmungen aus einer vorwiegend deutschen Perspektive, zumal wenn diese sich am 2. nicht am 1. weltkrieg abarbeiteten.

Das Setting ist sehr gut, die Schützengräben, Ausrüstung und Bewaffnung entsprechen wohl der damaligen Wirklichkeit

Um ehrlich zu sein, große Schützengräbensysteme, sind da genau wie Angriffe in größeren Wellen zum Teil eher ein Problem hinsichtlich der historischen Autentizität, dergestalt, dass man in 1917 und 1918 realiter bereits zur tiefer gestaffelten Verteidigung und zu Stoßtrupptaktiken übergegangen war.
Das ist schon etwas, was die alten Filme nicht haben transportieren können, aber diesen Paradigmenwechsel in der Kriegsführung nicht entsprechend darzustellen, wird man einem Film durchaus mitgeben können.

Der Film ist nichts für schwache Nerven – trotzdem empfehlenswert. Dies auch für höhere Schulklassen, weil die Jugend ruhig mal sehen soll, was Krieg mit Menschen macht.
Mit Verlaub, ich würde meinen an gut gemachten Anti-Kriegsfilmen haben wir in diesem Land keinen Mangel und ich weiß auch nicht, ob das für die Jugend in dieser Form ansprechend ist, denn gerade wenn es um Jugendlich geht, spielt, sofern andere Vorstllungen vom Krieg vorhanden sind oftmal vor allem auch Technikbegeisterung etc. eine Rolle, nebst Herumreitrei auf diversen Mythen und Klischeees, die sich häufig wesentlich stärker auf den 2. Weltkrieg beziehen, als auf den 1. Weltkrieg.

Wenn es tatsächlich um pädagogische Zwecke geht, behandelt der Film schlicht den falschen Krieg um vorhandene Illusionen hinsichtlich des Krieges überhaupt anzusprechen. Was weiß denn die Jugend noch vom 1. Weltkrieg, außer dass das in der Schule mal ein paar Wochen lang extrem oberflächlich beehandelt wird?

Überlebende Kriegsteilnehmer, die davon im familiären Umfeld erzählen könnten, gibt es nicht mehr, wenn aus diesem Bereich noch jemand über den Krieg erzählt, dann über den 2. Weltkrieg (und auch das wird in 10-15 Jahren zu Ende sein, weil die Generation wegstirbt).
Wenn Krieg in Genrens wie Computerspielen und Filmen dargestellt wird, ist das auch in der Regel der 2. Weltkrieg, vollgestopft mit Tiger-Panzern etc. und nicht irgendein Schützengraben vor Verdun um 1916 herum (gibt Ausnahmen, aber die sind rar geesäht).
Und diese Vorstellungen sind es dann auch, die die Jugend ansprechen, davon widerlegt man mit einem Film, der einen Krieg 25 Jahre vorher behandelt nicht so viel.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und vor allem deswegen denke ich, war Remrqus Werk und waren die älteren Verfilmungen auch über Deutschland hinaus wesentlich anschlussfähiger, als tatsächliche Verfilmungen aus einer vorwiegend deutschen Perspektive, zumal wenn diese sich am 2. nicht am 1. weltkrieg abarbeiteten.
(…)
Wenn es tatsächlich um pädagogische Zwecke geht, behandelt der Film schlicht den falschen Krieg um vorhandene Illusionen hinsichtlich des Krieges überhaupt anzusprechen. Was weiß denn die Jugend noch vom 1. Weltkrieg, außer dass das in der Schule mal ein paar Wochen lang extrem oberflächlich beehandelt wird?

Überlebende Kriegsteilnehmer, die davon im familiären Umfeld erzählen könnten, gibt es nicht mehr, wenn aus diesem Bereich noch jemand über den Krieg erzählt, dann über den 2. Weltkrieg (und auch das wird in 10-15 Jahren zu Ende sein, weil die Generation wegstirbt).
Du vermischst, erstens, in deinem Kommentar dauernd 1. und 2. Weltkrieg, obwohl der letztere hier gar nicht zur Diskussion steht. Und zweitens ist gerade die Tatsache, dass in der Schule kaum der I. Weltkrieg behandelt wird und keine überlebende dieses Krieges mehr da sind, sehr wichtig, dessen Grausamkeit der Jugend vor die Augen zu führen – wenn nicht so, wie denn? Du darfst nicht vergessen: Dieser Krieg war in den Augen der Bevölkerung nicht ein vom Nazis initiierter, dennen man hinterher alles in die Schuhe schieben konnte, sondern ein gerechter.

Jugend erreicht man nicht durch Erzählungen, sondern durch Anschauung: Paul ist gerade mal 17 Jahre alt, fälscht die Einverständniserklärung der Eltern, um sich überhaupt als Freiwilliger melden zu können, so aufgeputscht sind er und seine Freunde durch Propaganda und die vage Aussicht, mit Eisernen Kreuz nach Hause zu kommen. Davon kann keine Rede sein – sie begreifen schnell: Überleben ist alles. Dennoch rennen sie an, wenn es befohlen wird – aus reinem Pflichtgefühl.

Du hast es wohl überlesen, wie im Ukraine-Faden immer wieder der dortige Stellungskrieg in Schützengräbern mit dem im I. Weltkrieg verglichen wurde: Erst Trommelfeuer der Artillerie, dann Angriff der Soldaten mit wenig mehr als einem Gewehr in der Hand. Es hat sich also nichts geändert: Die einen rennen an, die anderen mähen alles nieder, was sich bewegt. Dahinter steht der gleiche Kalkül wie im I. Weltkrieg: Wir haben mehr Waffen und mehr Soldaten, also werden wir gewinnen, es sei nur eine Frage der Zeit – Opferzahlen egal, nächstes Jahr steht ein neuer Jahrgang bereit.
 
Du vermischst, erstens, in deinem Kommentar dauernd 1. und 2. Weltkrieg, obwohl der letztere hier gar nicht zur Diskussion steht.

Ich vermische nicht den 1. und 2. Weltkrieg, sondern habe angemerkt, warum ich der Meinung bin, dass remarques Werk international adaptionsfähig und gerade keine spezifisch deutsche Perspektive ist, ferner dass ich der Meinung bin, dass "Im Westen nichts Neues" als pädagogisches Werk in der Schule kaum funktionieren wird, weil Buch und Verfilmungen die Jugendlichen, die sich falsche Vorstellungen vom Krieg machen, nicht da abholen, wo sie abgeholt werden müssten.

Und zweitens ist gerade die Tatsache, dass in der Schule kaum der I. Weltkrieg behandelt wird und keine überlebende dieses Krieges mehr da sind, sehr wichtig, dessen Grausamkeit der Jugend vor die Augen zu führen – wenn nicht so, wie denn?

Zu welchem Zweck? Dieser Krieg spielt im Bewusstsein der Jugend doch überhaupt keine Rolle. Hat er schon zu meiner Schulzeit nicht mehr (ich bin Jahrgang '92).
Das mag im Bewusstsein der ältren Semester, die vielleicht noch die Möglichkeit hatten Veteranen kennen zu lernen oder vielleicht noch einen Großvater oder Urgroßvater hatten, der in diesem Krieg mitgekämpft hat anders sein.
Für heutige Jugendliche ist der 1. Weltkrieg ungefähr so weit weg wie für ältere Semester die Revolution von 1848, das ist schlicht Schnee von Gestern.

Was genau soll dadurch die Grausamkeit dieses Krieges vor Augen zu führen erreicht werden?

Du darfst nicht vergessen: Dieser Krieg war in den Augen der Bevölkerung nicht ein vom Nazis initiierter, dennen man hinterher alles in die Schuhe schieben konnte, sondern ein gerechter.

Das geht doch aber am Problem vorbei. Wenn es Jugendliche gibt, die der Meinung sind, Krieg sei ein großes Abenteuer, liegt das nicht daran, dass irgendwer vor 100 Jahren mal der Meinung war, der 1. Weltkrieg sei ein gerechter Krieg gwesen.
Wenn Jugendliche solche Auffassungen haben (im übrigen bin ich nicht der Auffassung, die Jugend sei besonders kriegsgeil und müsse deswegen schleunigst umerzogen werden), liegt das in der Darstellung des Krieges in den Medien, seien es Filme oder Videospiele und der Umstand, dass da gerade auch bei jungen Männern vorhandene Technikbegeisterung angesprochen wird, gegebenenfalls weil es noch lebende Verwandte gibt oder gab, die versucht haben oder versuchen sich und der Familie den letzten Krieg in irgendeiner Weise schön zu reden.

Allein, wenn du dir den Sektor der Spieleindustrie, mit Titeln, wie z.B. "World of Tanks" anschaust, wird klar, was da angesprochen wird, nämlich in erster Linie Technik-Affinität im Bereich historischer Waffentechnik und dabei besteht dann etwas die Gefahr, dass die Angesprochenen über die Begeisterung dafür vergessen, zu was diese Technik eingesetzt wurde.
Da müsste man die entsprechenen Jugendlichen abholen, denn dafür begeistern sie sich und aus diesen Gründen ist auch der Erste Weltkreig, der keinen coolen Panzer, Flugzeuge, Wunderwaffen etc. bietet, sondern gemessen mit dem 2. Weltkrieg in dieser Hinsicht, mit Bajonetten, Doppelddeckern und Feldtelegraphen, eher provinziell rüber kommt, das ganz falsche Thema.

Jugend erreicht man nicht durch Erzählungen, sondern durch Anschauung:
Ja vielleicht sollte man sich dann mal damit befassen, was sich die Jugend so anschaut und wo sich die entsprechenden Interessenschwerpunke bilden.
Das ist einmal einfach nicht der Erste Weltkrieg und weil dem einmal nicht so ist, geht ein Versuch das darüber anzusprechen auch kompleett ins Leere.

Paul ist gerade mal 17 Jahre alt, fälscht die Einverständniserklärung der Eltern, um sich überhaupt als Freiwilliger melden zu können, so aufgeputscht sind er und seine Freunde durch Propaganda und die vage Aussicht, mit Eisernen Kreuz nach Hause zu kommen. Davon kann keine Rede sein – sie begreifen schnell: Überleben ist alles. Dennoch rennen sie an, wenn es befohlen wird – aus reinem Pflichtgefühl.

Ja, ich habs mir mittlerweile angesehen und kann dazu nur sagen, der Film hat meine schlimmsten Erwartungen übertroffen. Also da stimmt ja mit der Buchvorlage nun überhaupt nichts mehr überein.
An diversen Stellen hat das auch mit historischen Tatsachen nichts mehr zu tun:

Ein Regiment, dass 15 Minuten vor Waffenstillstand ohne zu murren zum Angriff antritt, um sich noch niedermähen zu lassen, weil ein etwas irrer Offizier das so verlangt?
Ich bitte dich, wer soll das denn ernst nehmen? Und mit solchen Klamotten nimmt sich der Film auch selbst die Ernsthaftigkeit
Insofern kann ich nicht nachvollziehen, wie man zu der Beurtilung kommt, dass es sich um einen gelungenen Antikriegsfilm handle. Für mich ist dass vor allen Dingen eine Aneinanderreihung totgerittener Klischees.

Aber selbst wenn es das nicht wäre: Es gibt bereits 2 recht gute Remarque-Verfilmungen und wenn ich das im Rahmen des Schulunterrichts zu entscheiden hätte, würde ich beide dem jetztigen Machwerk vorziehen.

Mal davon ab: Wenn ich den Auftrag hätte Jugendlichen die Grausamkeit des Krieges näher zu bringen und dafür einen Film auswählen müsste, würde ich keine der 3 Verfilmungen von "Im Westen nichts Neues" auswählen, sondern da wäre meine erste Wahl nach wie vor "Die Brücke" (1959), weil ich der Meinung bin, dass der Jugendliche wesentlich besser abholt, schon weil der mit dem 2. Weltkrieg eine wesentlich vertrautere Thematik anspricht.

Du hast es wohl überlesen, wie im Ukraine-Faden immer wieder der dortige Stellungskrieg in Schützengräbern mit dem im I. Weltkrieg verglichen wurde:

Du scheinst überlesen zu haben, dass ich in diesem Forum, im Bezug auf den Ukrainekrieg, im letzten Frühjar im Rahmen der damals noch zugelassenen tagespolitischen Diskussion explizit davor gewarnt hatte zwanghafte Parallelen zwischen diesem Krieg und dem 2. Weltkrieg zu ziehen und darauf hingewiesen hatte, dass ich in einiger Hinsicht eher welche zum 1. Weltkreig sehe.

Nichts desto weniger, es handelt sich nicht um den Ersten Weltkrieg, sondern die Verglichbarkeit liegt in der Gefahr etwaiger Eskalationsdynamiken ("offene Kriegsökonomie"/Gefahr der Einmischung weiterer Parteien, je nach Lage der Interessen der Großmächte) und in dem Umstand, dass dieser Krieg in Teilen der Logik eines Stellungskriges folgt.
Das enden die Parallelen dann allerdings auch.

Erst Trommelfeuer der Artillerie, dann Angriff der Soldaten mit wenig mehr als einem Gewehr in der Hand.

Ja, es entspricht so nur nicht den Tatsachen. Trommelfeuer der Artillerie entspricht zwar in Teilen der Einsatzlogik der russischen Massenartilleerie, aber nicht so unbedingt der ukrainischen Artilleriedoktrin, die mit der ihr mittlerweile zur Verfügung stehenden Präzsisionsartillerie völlig anders umgeht.
Angriff der Soldaten mit wenig mehr als dem Gewehr in der Hand, hat angesichts des Verschleißes von Panzern und gepanzerten Transportfahrzeugen ebenfalls relativ wenig mit der Realität zu tun.
Der Grabenkampf des Ersten Weltkriegs auch nichts mit den Realität von Luftaufklärung/Unterstützung, bewaffneten Drohnen etc.

Es hat sich also nichts geändert:
Es hat sich eine ganze Menge geändert.
Die Frage ist dann eben, ob man diese Veränderungen wahrnehmen möchte oder nicht.

Die einen rennen an, die anderen mähen alles nieder, was sich bewegt. Dahinter steht der gleiche Kalkül wie im I. Weltkrieg: Wir haben mehr Waffen und mehr Soldaten, also werden wir gewinnen, es sei nur eine Frage der Zeit – Opferzahlen egal, nächstes Jahr steht ein neuer Jahrgang bereit.

Es zeigt, dass du dich relativ wenig mit dem 1. Weltkrieg beschäftigt hast, denn mit dem blöden Anrennen en masse, war es bereits 1916/1917 vorbei, da hatte sich schon die Stoßtrupp-Praxis eingeschliffen.

Und das die Generalitäten beider Seiten durchaus auch sahen, dass das so nicht funktionierte, zeigt sich daran, dass beide Seiten zunehmend ihr Heil in technischen Lösungen suchten.
Auf der Seite der Entente bestand die Antwort in erster Linie auf Tanks, auf der deutschen Seite darin die Artillerietaktik zu verbessern und das Zusammenwirken von Infanterie und Artillerie zu optimieren.

Die Stelle zeigt aber schön, dass du die Darstellung im Film mit der Realität durcheinander wirfst, egal waren die Opferzahlen ihrer Offensiven nicht einmal den fragwürdigsten Geenerälen dieses Krieges, wie v.Falkenhayn, Nivelle, v. Hötzendorf, Haig, Brussliow, Cadorna oder Ludendorff.
Im Übrigen scheinen die Truppen auch nicht dieses Bild der eigenen Vorgesetzten gehabt zu haben, sonst hätte das zu dezidierten Befehlsverweigerungen führen müssen, was allerdings lediglich bei Nivelle und bei der Kerenskij-Offensive in Teilen der Fall war.

Du hast es wohl überlesen
Es wäre übrigens schön, wenn du jemandem, der nicht deiner Ansicht ist, nicht per se unterstellen würde nicht zur Kenntnis nehmen, was von anderer Seite dazu gesagt wird.
Es könnte einfach sein, dass sich dieser Jemand seine eigenen Gedanken macht und deswegen Gründe dafür hat solche Vergleiche für nicht besonders sinnvoll zu halten.
 
Zuletzt bearbeitet:
(...)
Ein Regiment, dass 15 Minuten vor Waffenstillstand ohne zu murren zum Angriff antritt, um sich noch niedermähen zu lassen, weil ein etwas irrer Offizier das so verlangt? Ich bitte dich, wer soll das denn ernst nehmen?
(...)
Im Übrigen scheinen die Truppen auch nicht dieses Bild der eigenen Vorgesetzten gehabt zu haben, sonst hätte das zu dezidierten Befehlsverweigerungen führen müssen, (...)

Das ist doch eine sehr "heutige" Sicht auf damalige Verhältnisse.
Bis zu Befehlsverweigerungen war es ein langer Weg.


Zudem finde ich deine Aussagen, was "die Jugend" heute so anschaut und was nicht äußerst pauschal.
Seltsam, dass dieser Film so erfolgreich ist, wenn er aus der jüngeren Generation keinen interessiert und auch keinen brauchbaren Inhalt hat.
Gerade weil es niemanden mehr gibt, den man zu diesem Krieg befragen kann, und gerade weil dieses Thema auch heute noch aktuell ist, lohnt es sich es zu thematisieren.
 
Das ist doch eine sehr "heutige" Sicht auf damalige Verhältnisse.

Ne, dass ist nicht die heutige Sicht. General Ludendorff (und der gehörte nun wirklich zu den etwas wahnwitzigeren Befehlshabern des Weltkriegs) höchst selbst hat die Stellung eines Gesuchs zum Waffenstillstand verlangt, mitunter weil er der Meinung war, dass die Kampfmoral des Westheeres am Ende sei und die Westfront jederzeit durchbrochen werden könnte.
Selbst dieser Hardliner rechnete nicht mehr damit, dass die Truppen den Befehl die Front zu halten noch lange mittragen würden, geschweigedenn, dass sie noch in der Lage seien aussichtsreiche Offensiven zu führen.
Und de facto hat dem auch keiner der höheeren Offiziere mehr widersprochen.

Wozu der Befehl in völlig desperater Lage gegen England auszulaufen bei den Matrosen in Kiel geführt hat, ist bekannt.
De facto war in Deutschland am 11. Noveember 1918, an dem der Film in seiner Darstellung endet seit über einer Woche Revolution.

Das war die faktische Lage im Oktober/November 1918 und ist mitnichten eine Rhetrospektive.


Die Darstellung, dass ein leicht abgedrehter General sich am Morgen des 11. November um 10:45 Uhr vor seine Truppen gestellt und Angriff beefohlen hätte und das brav befolgt worden wäre, ist auf mehreren Ebenen absolut irrwitzig.

1. Damit die Soldaten diesen Angriff in 15 min überhaupt noch hätten ausführen können, hätte sich das Hauptquartier des Regiments oder der Division (im Film ein komfortables Chateau) kaum 2-3 Km hinter der front befinden müssen, also praktischerweise in Reichweite der französischen Artillerie. Natürlich hätte man an einem so exponierten Ort sein Hauptquartier aufgeschlagen und das ganze Regiment auf dem Hof zusammen gerufen, auf dass eine einzige Salve der französischen Artilleerie die gesamte Einheit hätte ummähen können. Ist klar...................

2. Mit einem solchen Angriffsbefehl, obwohl die Heeresleitung ihr Votum zum Waffenstillstand abgegeben hatte hätte der Befehlshaber nämlichen Regiments oder nämlicher Division sich nicht nur den Anweisungen der zivilen Reichsleitung widersetzt, sondern auch denen seiner direkten militärischen Vorgesetzten.

3. Auf Grund der ohnehin revolutionären Stimmung hätte ein Befehlshaber, der Minuten vor Inkrafttreten des Waffenstillstands einen Angriff befohlen hätte, riskiert von der eigenen Truppe postwendend gelyncht zu werden und selbst wenn das nicht passiert wäre, hätte er mit einem Verfahren wegen Hochverrats, seiner Verutreilung zum Tode durch ein ordentliches Kriegsgericht und seiner Exekution rechnen müssen.

4. In der Realität wäre kein Mensch aus dem ganzen kriegsmüden Heer, wenn er wie im Film gewusst hätte, dass der Krieg in einer 1/4 Stunde aus ist, noch brav zur Schlachtbank gerannt. Im Film tut das die gesamte Einheit mehr oder weniger ohne Murren, in dem Wissen dass der Waffenstillstand bereits ausgehandelt und unterschrieben ist und es sich bei dem Befehl des selbstherrlichen etwas abgedrehten Generals offensichtlich um gefährliche Insubordination handelt, von der reale Gefahr ausgehen konnte, dass damit der Waffenstillstand, hinfällig würde.

Wenn ich da der Meinung bin, dass solche Darstellungen reiner Quatsch sind, die mit historischen Tatsachen nun wirklich nichts mehr zu tun haben, ist das keine rhetrospektive Sicht, sondern eine Einschätzung gemessen an der historischen Situation.

Unter anderen Umständen wäre es bis zur Befehlsverweigerung sicherlich ein weiter Weg gewesen, aber nicht unter diesen.

Zudem finde ich deine Aussagen, was "die Jugend" heute so anschaut und was nicht äußerst pauschal.

Ich kann mich nicht daran erinnern Aussagen dahingeheend gemacht zu haben, was sich die Jugend heute so nicht anschaut.
Ich habe eine Aussage dahingehend gemacht, dass Rezeption des 1. Weltkriegs in der jüngeren Generation bei wen wenigsten eine Rolle spielt und eine dahingehend, dass demgegenüber in der Popkultur die Rezeption des 2. Weltkriegs deutlich überweigt, zumal das auch in der öffentlichen Erinnerungskultur einen ganz anderen Stellenwert einnimmt.
Aber bitte, wenn du der Meinung bist, dass ich irre, frag doch mal eine Anzahl an Jugendlichen wer mit den Begriffen "Dreadnaught" und "Somme" etwas anfangen kann und wer mit dem "Tiger-Panzer" und "Stalingrad".
Da werden die Verhältnisse ziemlich eindeutig sein.

Seltsam, dass dieser Film so erfolgreich ist, wenn er aus der jüngeren Generation keinen interessiert und auch keinen brauchbaren Inhalt hat.
Wo habe ich behauptet, dass der Film niemanden interessiert?
Ich habe behauptet, dass er mit der Buchvorlage auf die er sich angeblich bezieht nichts zu tun hat und dass er für pädagogische Zwecke nichts taugt, weil er nicht die Themen anspricht, die man bei Jugendlichen mit fehlgeleiteter Kriegsbegeisterung ansprechen müsste und weil der Filn in Teilen so weit von der Realität ist, dass man ihn als Antikriegsfilm mMn nicht ernstnehmen kann.

Da gibt es eine ganze Reihe an Szenen im Hinblick auf die unverständliches kopfschütteln noch eine sehr wohlwollende Reaktion ist.

Beispielsweise die beiden Szenen, bei denen Bäumer und Kaczinski bei dem Bauern plündern gehen.

Also zunächst mal alleine der Umstand, dass sich dieser Bauernhof dort in einer Lage befindet, dass er von der schon länger festgefahrenen Front problemlos fußläufig zu erreichen ist (und damit natürlich auch in Artilleriereichweite), was den Bauern aber nicht weiter interessiert, der wirtschaftet dort einfach weiter vor sich hin.
Natürlich gehen die 2 unbewaffnet zum Plündern, einer steht schmiere, während der andere wie ein Strauchdieb in den Bauernhof einsteigt um Vieh zu entwenden, sich vom Bauern verjagen lässt und natürlich knallt der Bauer den Flüchtendden mit dem Karabiner hinterher.
Natürlich, was auch sonst.
Natürlich kommen Marodeure/Plünderer, auch wenn sie für die ganze Einheit plündern grundsätzlich zu zweit, alleine und unbewaffnet. Auf die Idee ein paar Kameraden und zwar im bewaffneten Zustand mitzunehmen, um sich einfach in Ruhe und ungeniert zu holen, was sie wollen, kommen sie natürlich nicht.
Und natürlich hat der Bauer nichts besseres zu tun, als auf sei zu schießen, weil er selbstverständlich keine Angst davor hat, dass die mit Verstärkung zurückkommen und ihm seinen Hof auseinandernehmen könnten.

Ich habe wirklich nichts gegen phantasievolle Ausführungen, aber das grenzt an Slapstick und ist nun definitiv nicht mehr ernst zu nehmen.

Genau so die Szene, wo sie die ganze Einheit auffinden, die geschlossen dem Gasangriff zum Opfer gefallen ist. Wenn sie das in dem Film damit erklärt hätten, dass die Neuling es nicht gschafft hätten die Gasmasken rechtzeitig aufzusetzen, das hätte man begreifen können (wobei selbst dann, wenn man sich die tatsächlichen Todesraten durch Giftgas im 1. Weltkrieg anschaut, das wenig glaubhaft ist), die erklärung allerdings, dass die ganze Einheit die geschlossen zu früh abgesetzt habe, ist ähnlich absurd.
Natürlich zieht die ganze Einheit in geschlossenen Räumlichkeiten, nach einem Gasangriff wie auf Komando gleichzeeitig die Gasmasken ab.
Natürlich kommt da niemand auf die Idee erstmal 5 Minuten zu warten, ob die Idee des Nachbarn das zu tun gerade so gut war, weil Selbsterhaltungstrieb grundsätzlich nicht vorhanden ist.

Das ganze ließe sich weiter exerzieren, ich möchte nicht weiter spoilern (wenngleich da mMn wirklich niemand etwas verpasst, wenn er sich die Film spart).

Gerade weil es niemanden mehr gibt, den man zu diesem Krieg befragen kann, und gerade weil dieses Thema auch heute noch aktuell ist, lohnt es sich es zu thematisieren.

Ja, es würde sich lohnen das Thema ordentlich aufzugreifen.
Dieser Film ist aber kein ordentlichs Aufgreifen, sondern eine Karrikatur der Thematik und wenn ich das ganz offen sagen darf, kann man froh sein, dass Remarque nicht mehr zur Kenntnis nehmen kann, welcher Unfug sich da anmaßt eine Adaption seines Werkes zu sein, denn sonst würde er weißglühed rotieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Regiment, dass 15 Minuten vor Waffenstillstand ohne zu murren zum Angriff antritt, um sich noch niedermähen zu lassen, weil ein etwas irrer Offizier das so verlangt?

Die Wiki schreibt dazu:

Der Militärhistoriker Sönke Neitzel hält den Film für „fehlerhaft, klischeebeladen und wenig authentisch“. Dass der General beispielsweise zwei Stunden vor der Kapitulation den Gegenangriff befehle, bezeichnet Neitzel als eine „Karikatur“ und unsinnige „Erzählung von der bösen Generalität und den armen Soldaten, die geopfert werden“. Bei einer Szene, in der bei den Franzosen Soldaten aus Nordafrika auftauchen, gebe der Film eine Diversität vor, die „historisch schlicht falsch“ sei, da es in der französischen Armee eine „klare Rassentrennung“ gegeben habe. Allgemein komme im Film praktisch nichts davon vor, „was die Forschung über das Kriegsende, die mangelnde Moral und den Rückzug ab dem 18. Juni herausgearbeitet“ habe. Für die im Film gezeigten Kampfszenen „hätte man sich sicherlich mehr militärischen Rat einholen müssen“. Neitzel weiter: „Es gab Flammenwerfer, es gab Infanterie, es gab Maschinengewehre und so weiter. Aber die Komposition, die sie in diesem Film daraus machen, finde ich ziemlich schwach.“[42]


Im Westen nichts Neues (2022) – Wikipedia

Jetzt ist natürlich die Frage, wie weit so ein Film historisch genau sein kann, darf oder soll. Da gibt es vielleicht Übertreibungen, Zuspitzungen, um bestimmte Aussagen zu unterstreichen. Wie weit der Ursprungsroman von Remarque historisch korrekt ist, vermag ich auch nicht zu beurteilen.
 
Als Enthusiast habe ich mich längst daran gewöhnt, mich nur noch über solche Falschdarstellungen aufzuregen, die entweder eine politische Stoßrichtung haben, oder aber so offensichtlich falsch sind, dass auch jemand ohne jedwede Detailkenntnis zur dargestellten Epoche darauf aufmerksam werden müsste.

Das Ende von 'Im Westen nichts Neues' gehört sicherlich in diese Kategorie. Es widerspricht nicht nur den Tatsachen, sondern führt die Handlung zuvor ad absurdum, indem es den Protagonisten von einem denkenden Wesen zum robotorhaften Vehikel einer Botschaft degradiert: preußischer Kadavergehorsam.

Ahistorische Diversität ist ein zweiter solcher Punkt. Bei Netflix und in der amerikanischen Filmindustrie allgemein scheint es nicht mehr ohne derartige Verfälschungen zuzugehen (siehe auch die zweite Staffel von 'Barbaren'). Die Verfechter eines anachronistischen Castings begreifen offenbar nicht, dass sie damit historischen Rassismus oder Sexismus negieren, dem Publikum Zustände vorgaukelnd, die es nicht gab.

Bei anderen Ungenauigkeiten freilich muss ich mittlerweile sagen: Ist halt leider so. Das Publikum erwartet eine bestimmte Bildersprache, und der kommen die Filmemacher nach.

Bis zum Ende hin finde ich den Film recht gut gemacht.
 
Jetzt ist natürlich die Frage, wie weit so ein Film historisch genau sein kann, darf oder soll. Da gibt es vielleicht Übertreibungen, Zuspitzungen, um bestimmte Aussagen zu unterstreichen. Wie weit der Ursprungsroman von Remarque historisch korrekt ist, vermag ich auch nicht zu beurteilen.
Der Autor Remarque war ja zunächst ein Soldat Kramer und hat auch aus eigenem Erleben geschrieben. Anders als die Filmemacher heute mit ihrem Remarque-Remake (das Wortspiel stammt ganz ausdrücklich nicht von mir!) musste Remarque immer damit rechnen, dass seine Zeitgenossen protestierten "Moment mal, so stimmt das aber nicht...!" Gerade bei Rechten kam sein Buch ja auch nicht gut an. Dass ihm aber Fehler bzgl. der Darstellungen von Kampfhandlungen nachgesagt wurden, davon wüsste ich nichts.
 
Der Autor Remarque war ja zunächst ein Soldat Kramer und hat auch aus eigenem Erleben geschrieben.

Das mit Kramer ist eine Legende:

Zudem streuten die Nationalsozialisten das Gerücht, er sei Jude, sein wirklicher Name sei „Kramer“ (das Ananym zu Remarques Geburtsnamen „Remark“) und er habe am Krieg gar nicht teilgenommen. Nachwirkung dieses Gerüchts ist die auch heute noch verbreitete irrtümliche Annahme, Remarques ursprünglicher Name sei „Kramer“.
Erich Maria Remarque – Wikipedia

Die Familie stammte aus Aachen und war dort französischen Ursprungs, deren Name dann zu Remark eingedeutscht wurde. Später nahm Remark den ursprünglichen Namen Remarque wieder an.


Anders als die Filmemacher heute mit ihrem Remarque-Remake (das Wortspiel stammt ganz ausdrücklich nicht von mir!) musste Remarque immer damit rechnen, dass seine Zeitgenossen protestierten "Moment mal, so stimmt das aber nicht...!" Gerade bei Rechten kam sein Buch ja auch nicht gut an. Dass ihm aber Fehler bzgl. der Darstellungen von Kampfhandlungen nachgesagt wurden, davon wüsste ich nichts.

Remark (also vor der Namensänderung) war nur relativ kurz an der Front, wurde dann verletzt, hatte aber natürlich Kameraden, die ihm von ihren Erlebnissen geschildert haben. Wie weit sein Buch die immerhin vier Jahre an der Front realistisch und komplett aus der Sicht eines Frontsoldaten abbildet, vermag ich - wie gesagt - nicht zu beurteilen. Natürlich gab es noch genügend Zeitzeugen, als das Buch erschien, die auf eventuelle Fehler aufmerksam hätten machen können.


Im Westen nichts Neues – Wikipedia

Hier noch ein Interview mit dem Militärhistoriker Neitzel zur historischen Korrektheit der neuen Verfilmung:

Historiker im Interview: Oscar-Film "Im Westen nichts Neues" wenig authentisch | MDR.DE
 
Zuletzt bearbeitet:
Nach den 7 Preisen in England hat der Film auch 4 Oscars in den USA bekommen. Es ist erstaunlich, dass die Menschen aus einstigen Kriegsgegnernationen diesen Antikriegsfilm aus rein deutscher Sicht so hoch bewerten, bei uns dagegen gibt es einige, die rummäkeln, ob der mangelnden Werktreue, die einst in der Realität nicht stattfindende Szenen, etc.
.

Bisher wurde "Im Westen nichts Neues" zweimal verfilmt. Die erste Verfilmung von Lewis Milestone von 1930 war eine amerikanische, die zweite von 1979 von Delbert Mann war eine britisch-amerikanische Produktion.

Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Angelurlaub in Irland. Das war 1989 oder 1990, und damals lief bei BBC Wolfgang Petersens Film Das Boot. Es wurde der ungekürzte Director´s Cut und zwar in Deutsch mit englischen Untertiteln gezeigt. Das hatte traumhafte Einschaltquoten, die Kritik war begeistert, und ich konnte in einem irischen Pub die Reaktionen der Zuschauer beobachten. Da waren Briten, wenige Amerikaner und Iren versammelt, und die fieberten mit der U-Boot-Besatzung mit.

Das funktionierte, weil es eine gute Geschichte ist, weil sie von Menschen handelt, deren Biographien authentisch sind, deren Reaktionen man nachvollziehen kann. Freund und Feind haben auch einen Gegner, die See-the Cruel Sea.

Wenn es eine gute, eine erzählenswerte Geschichte, mit authentischen Charakteren ist- wer fragt da noch nach der Nationalität? Wer fragt danach, ob es aus einer deutschen, französischen oder britischen Perspektive erzählt wird? In Stanley Kubricks Path of Glory geht es um eine französische Perspektive, in Bataillon der Verdammten um eine italienische. Es sind aber gute Geschichten, und der Zuschauer wird sich mit den Charakteren identifizieren können- ganz unabhängig ob er Brite oder Franzose, Amerikaner, Russe oder Deutscher ist.

Wenn es eine gute, erzählenswerte Geschichte mit authentischen Charakteren ist, wird das Publikum sich damit identifizieren (können) und zwar über nationale und sprachliche Grenzen hinweg.

Wenn man Autoren des Weltkriegs liest, wiederholt sich Manches, sagen Ernst Jünger und Remarque Ähnliches, was Wilfried Owen, Siegfried Sasoon, Georg Trakl und Ernest Hemingway geschrieben haben. Das ist keine deutsche, britische, französische Literatur oder Perspektive, das ist Weltliteratur, die der ganzen Menschheit gehört.

Eine gute Geschichte mit authentischen Charakteren wird auf der ganzen Welt Zuschauer finden, völlig unabhängig aus welcher Perspektive sie erzählt wird. Einer guten Geschichte werden Zuschauer überall zuhören oder zusehen wollen.

Ich habe bisher nur Ausschnitte von Im Westen nichts Neues gesehen. Diese fand ich allerdings schon überzeugend. Der Film bringt starke Bilder! Was ich in Punkto Authentizität vermisse ist vor allem Drahtverhau und bei dem französischen Tankangriff vor allem nachfolgende Infanterie-aber geschenkt! Starke Bilder, sicher ein Film, den ich mir ansehen werde, und das was ich gesehen habe, fand ich schon recht überzeugend.

Wie auch immer-was ich gesehen habe- da würde ich schon sagen ein Film, der seiner Vorbilder durchaus würdig ist, der-wie Francis Ford Coppola mal gefordert hat-Anleihen bei den Besten macht.

Der Film ist aber schon eine sehr freie Verfilmung nach Motiven von Remarque-Von der Originalversion des Romans von Remarque ist der Film ähnlich weit entfernt wie die Disneys Verfilmung von 1967 von Rudyard Kiplings Dschungelbüchern.
 
Jetzt ist natürlich die Frage, wie weit so ein Film historisch genau sein kann, darf oder soll.

Die Frage stellt sich für mich eigentlich nicht. Ich habe immer die Überzeeugung vertreten und tue das auch hier, dass das Abweichungen und Umgestaltungen von Vorlagen durch die Regie nicht zu beanstanden sind, weil künstlerische Freiheit.
Ich würde mir nicht herausnehmen zu behaupten, dass ein Film so und so nicht sein dürfe, nur weil das in meinen Augen nicht authentisch genug ist, dass steht mir überhaupt nicht zu, das ist Freiheit der Kunst.

Ich habe nur 2 Dinge beanstandet:

1. Wenn der Film so weit von der Buchvorlage abweicht, dass gerade noch die Namen von einigen dort auftauchenden Figuren mit dem Buch übereinstimmt, sonst aber wirklich absolut nichts mehr (auch die Hintergründe der Figuren zum Teil nicht), ist es wirklich nicht recht sich dafür den entsprechenden Titel zuzulegen, dass ist einfach Ettikettenschwindel.
Davon abgesehen, dass ich von dieser Art sich mit fremden Federn zu schmücken nicht viel halte, kann man im Film selbst ja machen, was man will und das muss auch in keiner Weise historisch authentisch sein. Warum sollte man nicht Handlungen in diesem Rahmen neu erfinden und ganz andere Geschichten erzählen können? Damit hätte ich so überhaupt kein Problem, wenn der Film nicht selbst den Anspruch Erheben würde eben eine Remarque-Verfilmung zu sein, was er nicht ist.

2. Wenn mir dann hier verkauft wird, dass der Film ein gelungenes Werk sei, dass sich dazu eigne "die Jugend" (und mit dieser Pauschalisierung hatte @Dion angefangen nicht ich) pädagogisch über die Schrecken des 1. Weltkriegs zu belehren.
Für diesen Zweck wäre einmal so viel Authentizität vorauszusetzen, dass der Film mit den tatsächlichen Begebenheiten noch in irgndeiner Form korrespondiert.
Das ist aber nicht der Fall.
Der Film ist über weite Strecken eher ein Action-Film, als dass er entsprechend dokumentarischen Charakter hätte, davon abgesehen werden so ziemlich alle im Film vorkommenden Figuren letztendlich als große Hornochsen mit extrem schlecht ausgebildeten Selbsterhaltungstrieb dargestellt, die außer Kadavergehorsam am Ende absolut nichts kennen und brav zur Schlachtbank antreten, während die einzige Triebfeder für die Handlungen des etwas durchgknallten Generals darin besteht, dass er einen pathologischen Hass auf die Sozialdemokratie hegt, keine Ahnung hat, was er im Frieden dann anstellen soll und ihm allgemein eine Laus über die Leber gelaufen zu sein scheint.
Wollte man das als pädagogisch wertvolle Darstellung nutzen um "der Jugend" den 1. Weltkrieg näher zu bringen, würde die Botschaft ungefähr darin bestehen, dass:

1.Die Generalitäten ohne Sinn und Verstand, einfach aus Selbstherrlichkeit heraus das Leben ihrer Soldaten verheizten, weil Generäle das nunmal so tun und genau dafür da sind.
2. Es sich bei den Soldaten um eine Reihe willenloser Zombies handelte, die völlig ohne eigenen Willen wie die blöden ohne jede Form von Protest in den eigenen Untergang rannten.

Will heißen man könnte die Lehre, die sich aus diesem Film ziehen ließ darauf bschränken, dass die Chefs halt nen bisschen irre und die Untergebenen halt nen bisschen dumm waren.
Dieses Erklärungsmuster kenne ich aus gewissen schlechten Darstellungen einer anderen Episode der Deutschen Geschichte und genau so wie es dort nichts taugt, taugt das auch nicht um sinnvoll etwas über den 1. Weltkrieg zu vermitteln.

Vor allen Dingen nimmt sich der Film an und für sich völlig umsonst die Ernsthaftigkeit. Wäre man bei der Buchvorlage geblieben, deren Verfilmung man da behauptete, bzw. wenigstens bei derem Zeeitraum (1915-1918) hätte man mit Darstellungen aus 1916 und dem Frühjahr 1918 historische Beispiele für am Ende blutig gescheiterte Offensiven gehabt, über deren militärischen Wert man streiten kann oder der den Soldaten jedenfalls in Teilen nicht eingeleuchtet haben wird.
Auch den Alltag des Grabenkrieges mit seinen kleinen Angriffen und Gegenangriffen, deren Bedeutung für das Gesamtgeschehen eher marginal war.
Hätte man alles problemfrei machen können. Warum tut man das nicht und erfindet stattdessen einen abgedrehten General, der eigentlich kein General ist, weil er überhaupt nicht nach militärischen Logiken handelt, sondern einfach nur ein Psychopath in Generalsmontur, der vollkommen von persönlichen Sentiments geleitet militärischen Unfug befielt?
Warum der himmelschreiende Unsinn das Ganze noch in ein zeitliches Umfeld zu verlegen, in dem es nicht passt und in dem das Folgeleisten der Soldaten nicht mehr ernst genommen werden kann, weil die historischen ereignisse eine Situation geschaffen hatten, in die das nun überhaupt nicht mehr passt und das voraussetzt, dass die gsanze Truppe so absolut keinen Willen oder Selbsterhaltungstrieb hat?
Ist doch reiner Bullshit. Wenn man das ganze abweichend vom Buch unbedingt in einer sinnlosen Offensive enen lassen musste, warum dann nicht in der Frühjahrsoffensive 1918?

Ansonsten habe ich nichts gegen dem Film, Unterhaltungswert hat der sicherlich. Aber man muss ihn sicherlich nicht zu etwas stilisieren, was er nicht ist und er ist eben weder eine Remarque-Verfilmung, noch ein irgendwie gelungener Antikriegsfilm, der die Realitäten des 1. Weltkriegs vernünftig festhält.
Und das obwohl er durchaus einige Szeenen hat, die Potential haben.
Aber das karikaturhafte Gesamtbild macht das leider ziemlich kaputt.
 
Zurück
Oben