Ich habe es dann doch geschafft, mir den Film anzusehen.
Ich bin ehrlich gesagt ein bisschen gespalten. Das Problem bei vielen, wenn nicht den meisten Remakes der letzten Jahre ist, dass sie mit ihren Spezialeffekten den Zuschauer schon beeindrucken, umso mehr, wenn man eher selten ins Kino geht.
So manche Remakes von Zeichentrickklassikern sind durchaus beeindruckend, beim Dschungelbuch oder König der Löwen glaubt man fast, sich eine Tierdoku anzusehen, das wirkt ungeheuer realitätsnah, aber spätestens, wenn die Viecher zu singen anfangen, wird es gespenstisch. Was mit anthropomorphen Zeichentrick-Charakteren funktioniert, funktioniert nicht mit real aussehenden Computer-Animationen, Tiere haben keine Mimik.
Bei manchen Remakes spielt eine gewisse Nostalgie eine Rolle, man sieht bei den Remakes das Alte in neuen Farben, neuen Effekten, ein Wow-Effekt jagt den nächsten, und das ist durchaus auch manchmal gut gemacht, das beeindruckt durchaus- aber die weitaus größere Zahl der Remakes lassen bei mir zumindest, wenn sich die Wirkung der Spezialeffekte gelegt hat, zumindest bei mir die Sehnsucht nach dem Original übermächtig werden.
Im Westen nichts Neues muss sich natürlich an seinen Vorgängern messen lassen. Da ist der Klassiker von 1931 von Lewis Milestone und da ist die sehr solide Neuverfilmung von 1979 mit Ernest Borgnine und Richard Thomas. Dieses Remake des Klassikers ist die bisher werkgetreueste Verfilmung des Remarque-Romans. Das ist eine solide Arbeit mit durchaus überzeugenden Darstellern, eine sehenswerte Verfilmung, aber sie erreicht nicht die epische Dichte der Interpretation von Lewis Milestone.
Meine Kritik zur Neuverfilmung von 2022 fällt bei weitem nicht so vernichtend aus wie Shinigamis. Ich finde die Darsteller recht überzeugend. Der badisch-schwäbische Akzent von Daniel Brühl wirkt etwas aufgesetzt, aber schlecht finde ich Brühl nicht.
Insgesamt fand ich die Effekte des Films schon beeindruckend. Das wirkt in vielen Einstellungen schon sehr realitätsnah. Aber ist es deswegen realistisch?
Die Filmmusik fand ich hervorragend, und in seiner Art ist der Film handwerklich gut gemacht. Das kann man anerkennen, und als Besucher bin ich mit dem Eindruck nach Hause gegangen, dass es das Eintrittsgeld wert war, dass ich mich gut unterhalten und die "Schlachtplatte" genossen habe. Insgesamt durchaus ein sehenswerter Film.
Es haben Filme wie König der Löwen oder Forrest Gump Oscars gewonnen, werden rauf und runter gezeigt. Ein durchaus sehenswerter Film-ja! Als ein epochales filmisches Meisterwerk würde ich den Streifen allerdings nicht bezeichnen, dafür hat er denn doch Schwächen im Drehbuch. Der Handlungsstrang um Erzberger und die Friedensverhandlungen fügt dem Film unnötige Überlängen zu. Außerdem nimmt man es mit historischen Fakten nicht sonderlich genau- dieser Handlungsstrang ist eigentlich völlig unnötig für das Schicksal der Hauptfiguren. Fast scheint es, als sei dieser Handlungsstrang eingefügt worden, um einen positiven "demokratischen" Charakter einzufügen, der zur Identifikation einlädt.
Die Kampfszenen, die perspektive der Schützengräben wirken sehr realitätsnah. Besonders realistisch ist das aber nicht. Sicher, in den letzten Kriegsmonaten gab es wieder Bewegung, es gab nicht überall vorbereitete Stellungen. Aber man müsste mehr Drahtverhau sehen- gut geschenkt.
Dieser französische Tankangriff mit den St. Germain Tanks das war spektakulär, aber wo ist die Infanterie? Gerade in der französischen Armee waren Tanks der Infanterie unterstellt. Niedermachen von Gefangenen, das kam vor- aber mit dem Flammenwerfer? Wirklich? und das wohlgemerkt in den letzten Kriegstagen.
Im August, September 1918 war die militärische Niederlage Deutschlands absehbar. Ludendorff erlitt einen Nervenzusammenbruch und forderte Waffenstillstandsgespräche. Es ist in vielen Quellen die Rede von einem Nachlassen der Disziplin, in vielen Berichten ist die Rede davon von schwindender Moral, von Besorgnis wegen der Zuverlässigkeit der Truppen.
Es gab Truppenteile, die auch nach dem Debakel bei Amiens nach dem Motto und jetzt erst recht nach wie vor erbittert kämpften, es gab Soldaten, die sich bei sich abzeichnender Niederlage radikalisierten. Das war aber die Minderheit. Die überwiegende Mehrheit zeigte wenig Bereitschaft, sich noch weiter sinnlos verheizen zu lassen, und das war durchaus auch bei den Militärs angekommen, selbst bei Hardlinern wie Ludendorff, der sich im April noch empörte, weil sich ganze Divisionen in Magazinen festgefressen und gesoffen hätten.
Also, dass Deutschland nach dem Scheitern der Frühjahrsoffensive und dem Zusammenbruch der Front bei Amiens allenfalls noch hinhaltenden Widerstand leisten konnte, dass schleunigst Schluss gemacht werden musste, das haben Militärs selbst die stursten erkannt.
Leute wie Ludendorff, der im ungünstigsten Moment "Wir sind verloren!" gerufen hatte gaben später den Zivilisten die Verantwortung für die Niederlage. Es war aber die OHL die ausdrücklich Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen gefordert hatte.
In Frankreich legten Militärstreiks und Meutereien 1917 fast die Armee lahm. Stellenweise kam es zur spontanen Wahl von Soldatenräten. In Russland hatte man beobachten können, was passiert, wenn man zu lange Krieg führt, Front und Heimatfront zu viel zumutet. Das Bewusstsein war durchaus in der Armeeführung da: es ist Ende.
In Remarques Roman fällt Paul Bäumer an einem Tag der so ruhig ist, dass der Heeresbericht meldet: "Im Westen nichts Neues" In einer der früheren Versionen ist es ein VogelDer völlig sinnlose Angriff von kriegsgeilen Militärs wirkt doch recht unwahrscheinlich, und mir ist der Narrativ von den kriegsgeilen Militärs, die an überkommenen Ehrbegriffen festhaltend, den Krieg vom Schloss aus führen, ehrlich gesagt etwas zu holzschnittartig, etwas zu simplifizierend.
So mancher Zuschauer geht wohl tatsächlich mit dem Gefühl nach Hause, authentisch und hautnah das Fronterlebnis 1914/18 mitgemacht zu haben. So war der Krieg.
Was aber kann "die Jugend" lernen?
Ich würde mal sagen, wer um Geschichte verstehen zu wollen, ins Kino gehen muss- bei dem ist eh Hopfen und Malz verloren. Das ist wie mit zu vielen schlechten Mittelalter-Dokus-die Bilder im Kopf gehen nicht mehr weg. Die Halb-Wahrheit wird zur (absoluten) Wahrheit, das Faktoid wird Fakt und die Binse zur historischen Wahrheit. Dass im Krieg und im Kino die besten Plätze hinten sind, wird die Jugend wohl auch schon wissen.
In Remarques Roman lernt die Jugend, dass der Kasernenhof-Drill in der HKL nichts wert ist, dass die Realität sich radikal von den Erwartungen unterscheidet. Dass der Krieg etwas Niederträchtiges, Ekelhaftes ist, dass im Nahkampf der Spaten besser effektiver ist, als das Bajonett, das leicht in den Rippen festklemmt und Faschinenmesser mit Sägen geächtete Waffen sind. Warum aber Krieg ist, können die Soldaten nicht erklären.
In einem Gespräch geht es darum. Ein Land beleidigt das andere, worauf Hein Tjaden kontert wie kann ein Berg in Frankreich einen in Deutschland beleidigen.
Eine tiefere Analyse findet nicht statt, der Krieg ist wie eine Naturgewalt, die hereinbricht. Man gibt Generalen oder Kapitalisten die Schuld, und schließlich erheitert die Vorstellung, künftige Kriege von Staatsmännern mit Keulen im Stadion austragen zu lassen und dafür Eintritt zu nehmen.
Unterm Strich ist "Im Westen nichts Neues" durchaus ein sehenswerter Film. Er ist keines von den Remakes, wo man sich denkt-das hätte man sich auch sparen können.
Es ist, meiner Meinung nach, ein in seiner Art gut gemachter Film, ein Weltkrieg-Epos, das den Vergleich mit Filmen wie 1917 aushalten kann. Die Effekte, die Schnitte, die Schützengräben, das wirkt schon überwältigend-ich gebe zu, dass mich das durchaus beeindruckt hat. Starke Bilder! Ohne Frage, auch eine starke Filmmusik!
Das kann aber, wenn der Eindruck des, ich nenne es mal Action-Kinos einmal verflogen ist- aber auch nicht die Überlängen vergessen machen die historischen Ungenauigkeiten und Fehler, die doch recht zahlreichen Klischees und starken Vereinfachungen.
Es war den Kino-Besuch wert, ja unbedingt! Wenn Forrest Gump und König der Löwen Oscars abräumen, dann sei es auch einem deutschen Film gegönnt.