Ist die Bibel verfälscht worden?

Ist das so? Schauen wir uns die kanonischen Evangelien doch mal an:
2/4 berichten die Geburtsgeschichte, nämlich Matthäus und Lukas.
Matthäus berichtet vom Kindermord von Bethlehem und der Flucht nach Ägypten, Lukas berichtet vom zwölfjährigen im Tempel
Markus und Johannes berichten nur vom Wirken Jesus ab seinem dreißigsten Lebensjahr, also seine letzten drei Lebensjahre. Dies ist auch der Schwerpunkt von Matthäus und Lukas. Aber auch hier, was das Privatleben angeht: Fehlanzeige.
Es wird berichtet, wo er aneckt, wo er mit den Pharisäern in Streit gerät, Predigten und Wunder. Und sonst? Sein Tod, der wiederum notwendig ist zum Bericht seines Hauptwunders, nämlich seiner Wiederauferstehung.
Sprich: Aus einem 33jährigen Leben haben wir über dreißig Jahre Funkstille. Anders ausgedrückt: Nicht einmal zehn Prozent der Lebenszeit werden durch die Evangelien abgedeckt.

Ich erwähnte an voriger Stelle bereits mein Curriculum in der katholischen Religionslehre. Und tatsächlich weist die Bibel, wie buschhons sehr richtig formulierte, markante biographische Aspekte auf.

Dennoch - um es etwas vereinfacht darzustellen - könnte ich selbst auch eine Biographie des Herrn Max Mustermanns aus Musterstadt schreiben. Und obgleich dieser Herr doch nicht existiert (sei er auch einer realen Person nachempfunden), kann ich von seiner Geburt, seiner Jugend, seinem Werdegang und seinem Tod berichten. Zweifelsohne eine Biographie, aber man möge bedenken: eine Fiktion.

Sehen wir uns die Weihnachtsgeschichte an: Es ist unerheblich, dass Jesus geboren wurde und es tut auch nichts zu seiner Verkündigung bei. Wichtig ist nur, dass er da ist und was er sagt. Da kann er in Judäa oder Galiläa geboren worden sein. Meinetwegen auch in Soest.
Für Lukas (oder die Autorengruppe hinter diesem Namen) war es aber wichtig insofern, dass er einen kerygmatischen Auftrag zu erfüllen hatte. Christus musste als der Messias dargestellt werden. Aber nicht nur das: Er war nicht erst Messias mit der Taufe im Jordan durch Johannes den Täufer, sondern seit seiner Geburt. Schon als Säugling huldigten ihm weise Männer (die heiligen drei Könige) (vgl. Matthäus). Und seine Reich Gottes-Botschaft (und vor allem die eschatologische Ermutigung) versteckt sich ganz offensichtlich in der Huldigung seitens der armen Hirten, die sozial verachtet waren (vgl. Lukas).
Auch spielt für Lukas der Ort eine ganz wesentliche Rolle: Christus ist der Sohn, der Erbe und Nachkomme Davids, deshalb musste er in Bethlehem geboren werden, auch wenn die Kreuzesinschrift "Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum" (also Jesus der Nazarener, König der Juden) war und das eindeutig auf Nazareth als Geburtsort hinweist.

Die Biographie wirkte nur unterstützend, um die Botschaft noch einmal und wieder deutlicher zu machen. Jesus Christus ist der Messias, der Davidssohn, der Erlöser und dies von Beginn an. Es hat nichts mit Biographie zu tun, wenn das Kind in einem ärmlichen Stall geboren wird und von Königen und Armen besucht wird, ebenso wenig, wenn das Kind Jesus den Alten und Gelehrten in der Synagoge predigt. Ebenso wenig, wenn Jesus über das Wasser wandelt, Wasser in Wein verwandelt und am Ende aufersteht. Allein die kerygmatische Verkündigung der Evangelien ist hier wichtig, nicht eine historische Biographie eines historischen Jesus.
 
Ich bin leider nur ein Laie und kann nur das sagen, was ich in meinem Curriculum beigebracht bekommen habe, aber - so scheint mir - greift auch das Neue Testament auf alttestamentliche Geschehnisse zurück, ohne dass es für beiderlei einen besonderen historischen Anspruch mit sich ziehen würde.
Das sehe ich anders. Das NT ist gespickt mit Verweisen auf Stellen des AT, mit denen "belegt" werden soll, dass Jesus der schon von den alten Propheten angekündigte Messias war. Das macht nur dann Sinn, wenn man die entsprechenden Stellen des AT, also insbesondere die zitierten Prophezeiungen, als historisch betrachtet. Der Beweiswert von etwas als fiktiv, bloß metaphorisch oder sonstwie Verstandenem ist schließlich gleich Null.
 
Und tatsächlich weist die Bibel, wie buschhons sehr richtig formulierte, markante biographische Aspekte auf.

Dennoch - um es etwas vereinfacht darzustellen - könnte ich selbst auch eine Biographie des Herrn Max Mustermanns aus Musterstadt schreiben. Und obgleich dieser Herr doch nicht existiert (sei er auch einer realen Person nachempfunden), kann ich von seiner Geburt, seiner Jugend, seinem Werdegang und seinem Tod berichten. Zweifelsohne eine Biographie, aber man möge bedenken: eine Fiktion.

Das sehe ich genauso. Selbst wenn man Merkmale der Textgattung "antike Biographie" in den Evangelien findet, sagt das überhaupt nichts über die Zuverlässigkeit der historischen Aussagen der Evangelien aus.

Sehen wir uns die Weihnachtsgeschichte an: Es ist unerheblich, dass Jesus geboren wurde und es tut auch nichts zu seiner Verkündigung bei. Wichtig ist nur, dass er da ist und was er sagt.
Das verstehe ich allein von der Logik her nicht. Für jemanden, dem es wichtig ist, dass Jesus "da ist und was er sagt", kann es nicht "unerheblich" sein, "dass Jesus geboren wurde". Das zweitere bedingt ja überhaupt erst das erstere. Oder wie hast Du das gemeint?

Da kann er in Judäa oder Galiläa geboren worden sein. Meinetwegen auch in Soest.
Für Lukas (oder die Autorengruppe hinter diesem Namen) war es aber wichtig insofern, dass er einen kerygmatischen Auftrag zu erfüllen hatte. Christus musste als der Messias dargestellt werden. Aber nicht nur das: Er war nicht erst Messias mit der Taufe im Jordan durch Johannes den Täufer, sondern seit seiner Geburt. Schon als Säugling huldigten ihm weise Männer (die heiligen drei Könige) (vgl. Matthäus). Und seine Reich Gottes-Botschaft (und vor allem die eschatologische Ermutigung) versteckt sich ganz offensichtlich in der Huldigung seitens der armen Hirten, die sozial verachtet waren (vgl. Lukas).
Auch spielt für Lukas der Ort eine ganz wesentliche Rolle: Christus ist der Sohn, der Erbe und Nachkomme Davids, deshalb musste er in Bethlehem geboren werden, auch wenn die Kreuzesinschrift "Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum" (also Jesus der Nazarener, König der Juden) war und das eindeutig auf Nazareth als Geburtsort hinweist.

Die Biographie wirkte nur unterstützend, um die Botschaft noch einmal und wieder deutlicher zu machen. Jesus Christus ist der Messias, der Davidssohn, der Erlöser und dies von Beginn an. Es hat nichts mit Biographie zu tun, wenn das Kind in einem ärmlichen Stall geboren wird und von Königen und Armen besucht wird, ebenso wenig, wenn das Kind Jesus den Alten und Gelehrten in der Synagoge predigt. Ebenso wenig, wenn Jesus über das Wasser wandelt, Wasser in Wein verwandelt und am Ende aufersteht. Allein die kerygmatische Verkündigung der Evangelien ist hier wichtig, nicht eine historische Biographie eines historischen Jesus.

Entschuldige die Polemik! - Das heißt im Klartext: Am Anfang des Christentums stand eine ungerichtete Kerygma-Wut/ Verkündigunswut irgendwelcher Leute. Man hatte zwar gewisse Vorstellungen, aber man wusste nicht so genau, was man eigentlich verkündigen sollte. Schließlich einigte man sich als Verkündigungsinhalt auf eine fiktive Jesus-Gestalt. Man entwarf eine fiktive Biographie dieser Gestalt und packte da möglichst viel "Verkündigung" rein. Es ging aber nicht um das Verkündigte - nämlich Jesus, der ja im Wesentlichen eh nur ausgedacht war -, sondern um den Akt der Verkündigung. Wir haben es beim frühen Christentum also mit einer Art Verkündigungs-Kult zu tun.
Hätte eine junge Religion mit diesem zwar reichlich innovativen, aber dennoch irgendwo willkürlichen Konzept Erfolg haben können? Ich bezweifle es und wiederhole mich:
Für mich persönlich ist die Überlegung, dass es einen historischen Jesus gab, der jene „Frohe Botschaft“ verkörpert hat, sodass alles Spätere – wie z. B. die Evangelien - darauf aufbauen konnte, sehr viel nachvollziehbarer.

Zum Schluss: Die Polemik war gewiss unfair. Ich hoffe wenigstens, dass sie zur Verdeutlichung meiner Aussage beitragen konnte.
 
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Entschuldige die Polemik! - Das heißt im Klartext: Am Anfang des Christentums stand eine ungerichtete Kerygma-Wut/ Verkündigunswut irgendwelcher Leute. Man hatte zwar gewisse Vorstellungen, aber man wusste nicht so genau, was man eigentlich verkündigen sollte. Schließlich einigte man sich als Verkündigungsinhalt auf eine fiktive Jesus-Gestalt. Man entwarf eine fiktive Biographie dieser Gestalt und packte da möglichst viel "Verkündigung" rein. Es ging aber nicht um das Verkündigte - nämlich Jesus, der ja im Wesentlichen eh nur ausgedacht war -, sondern um den Akt der Verkündigung. Wir haben es beim frühen Christentum also mit einer Art Verkündigungs-Kult zu tun.
Hätte eine junge Religion mit diesem zwar reichlich innovativen, aber dennoch irgendwo willkürlichen Konzept Erfolg haben können?
ja, hätte sie - aber nicht am Beginn der Spätantike, sondern erst bei Dostojewski in einem Roman :):):) (z.B. Werchowenskis Credo in den "Dämonen")

Aber trotzdem sind Fragestellungen dieser Art bereichernd und nachdenkenswürdig: könnte es dem Erfahrungshorizont gewiefter Autorenkollektive des 1. Jhs. (falls es solche gegeben habe) als angemessen gedacht werden, einen charismatischen Gottessohn/Messias zu erfinden und diese Erfindung zugleich einzig in breitflächig interpretierbaren Gleichnissen publik zu machen? Wenn man das bejaht, dann muss man diesem Autorenkollektiv absolut geniale psychologische und literarische Qualität attestieren!! ;):):)
 
@Decurion und buschhons:
Wenn ich schreibe, dass die Evangelien keine Biographien sind, dann hat das nichts mit der Frage, ob Jesus eine historische oder eine fiktive Figur ist, oder ob die Geschehnisse fiktional oder historisch sind, zu tun. Es ist die Frage, was die Evangelisten wollten und die wollten nun mal keine Biographie schreiben, sondern eine Frohe Botschaft. Lebenszeugnisse kommen eben so gut wie nicht vor.
Die Geburtsgeschichte hat z.B. die Funktion, Jesus in eine Tradition mit dem Davidischen Herrscherhaus zu stellen, bei Matthäus mittels des Stammbaums, bei Lukas mittels der Bemerkung, dass Josef von David abstammte. Dann kommt die wahrscheinlich unhistorische Flucht nach Ägypten aufgrund des unhistorischen Kindermords von Bethlehem bei Matthäus. Funktion: Jesus wurde von Anfang an verfolgt. Dann 27 - 29 Jahre Funkstille.
Bei Lukas folgt die Geschichte vom Zwölfjährigen im Tempel, der die Gelehrten mit seinem Wissen und seiner Inspiration beeindruckt. Funktion: Schon als Kind außergewöhnlich. Und dann haben wir 18 Jahre Funkstille. (Wie gesagt, bei Markus und Johannes sind es sogar 30 Jahre Funkstille).
Und was erfahren wir dann an biograhischen Details aus den drei Jahren seiner Wanderschaft? Nun, wir erfahren, dass er sich durch Galiläa und Judäa bewegt, dann ist er mal im heutigen Jordanien oder Libanon, hier und dort predigt er, rettet Menschen, vollbringt einige Wunder, streitet sich mit Pharisäern, eckt an, weil er mit Römern, Zöllnern und anderen Sündern keine Kontaktscheu zeigt... schmeißt Händler aus dem Tempel, wird schließlich innerhalb einer Woche in Jerusalem von einer begeisterten Menge empfangen, verhaftet und hingerichtet.
Aber was erfahren wir wirklich über sein Leben? Niente.
 
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Aber trotzdem sind Fragestellungen dieser Art bereichernd und nachdenkenswürdig: könnte es dem Erfahrungshorizont gewiefter Autorenkollektive des 1. Jhs. (falls es solche gegeben habe) als angemessen gedacht werden, einen charismatischen Gottessohn/Messias zu erfinden und diese Erfindung zugleich einzig in breitflächig interpretierbaren Gleichnissen publik zu machen? Wenn man das bejaht, dann muss man diesem Autorenkollektiv absolut geniale psychologische und literarische Qualität attestieren!! ;):):)

Sehr elegant formuliert:respekt:.

... und diese Erfindung zugleich einzig in breitflächig interpretierbaren Gleichnissen publik zu machen?
Liegt die Betonung hier auf dem "einzig"? Also wolltest Du sagen, dass es ganz natürlich war, das jene "gewieften Autorenkollektive des 1. Jhs. (falls es sie gab)" nicht nur Gleichnisse und Sprüche ersonnen haben, sondern auch biographische Eckdaten? Ist nur ne Verständnisfrage.
 
Das verstehe ich allein von der Logik her nicht. Für jemanden, dem es wichtig ist, dass Jesus "da ist und was er sagt", kann es nicht "unerheblich" sein, "dass Jesus geboren wurde". Das zweitere bedingt ja überhaupt erst das erstere. Oder wie hast Du das gemeint?

Halb. Für Markus und Johannes war es unerheblich, da sie den Schwerpunkt auf andere Aspekte legten; Lukas und Matthäus hoben aber gerade die Sohn Gottes-Theologie besonders hervor und zeigten auch, dass Jesus von Geburt an der Sohn Gottes, der Kyrios, der Messias, der Sohn Davids war.
Das hat einfach mit der redaktionellen Arbeit der Evangelisten zu tun, weshalb es auch nicht nur ein Evangelium im biblischen Kanon gibt, sondern vier, die unterschiedliche Akzente setzen (was mit Heiden- und Judenchristen als Adressaten zu tun hat), dabei aber eine zentrale kerygmatische Botschaft vertreiben, nur eben anders dargestellt, nämlich durch verschiedene Gemeindetraditionen und Adressatengruppen geprägt und natürlich von dem persönlichen Ermessen.

Entschuldige die Polemik! - Das heißt im Klartext: Am Anfang des Christentums stand eine ungerichtete Kerygma-Wut/ Verkündigunswut irgendwelcher Leute. Man hatte zwar gewisse Vorstellungen, aber man wusste nicht so genau, was man eigentlich verkündigen sollte. Schließlich einigte man sich als Verkündigungsinhalt auf eine fiktive Jesus-Gestalt. Man entwarf eine fiktive Biographie dieser Gestalt und packte da möglichst viel "Verkündigung" rein. Es ging aber nicht um das Verkündigte - nämlich Jesus, der ja im Wesentlichen eh nur ausgedacht war -, sondern um den Akt der Verkündigung. Wir haben es beim frühen Christentum also mit einer Art Verkündigungs-Kult zu tun.
Hätte eine junge Religion mit diesem zwar reichlich innovativen, aber dennoch irgendwo willkürlichen Konzept Erfolg haben können? Ich bezweifle es und wiederhole mich:

Die Polemik kann ich dir verzeihen ;)

Aber nein. Der historische Jesus (den es nach neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft tatsächlichg gab) predigte zu den Juden, auch wenn heute nicht mehr gänzlich rekonstruierbar ist, wo genau er dies tat. Er predigte wirklich von einem Reich Gottes, von einer neuen Weltanschauung und für das Himmelreich für die Armen, Verstoßenen, Kranken und sozial Verachteten.

Die Logienquelle (Q) enthielt um die 90 Jesus-Worte, die man eindeutig auch Jesus zuschreiben kann. Daraus lässt sich die Botschaft weiter erschließen. Die Evangelisten komnponierten diese Logoi zwar, blieben aber immer dem Kern der Aussage treu.

Was jetzt aber besonders ist: Sie umdichteten die Logoi und die Gemeindetradition mit Wundern, Exorzismen etc. und verdeutlichten damit nicht nur die Reich Gottes-Botschaft, sondern auch die zentrale Bedeutung Christi für diese Botschaft, da mit ihm das Reich Gottes begonnen habe.

Man wusste also in der Tat, was man wollte, vor allem was man verkündigen wollte und schmückte dies nur weiter aus, um den Effekt zu vergrößern und sich seiner Leserschaft anzupassen (die in jüdischer oder heidnischer Tradition gelebt hatten).
 
Dann 27 - 29 Jahre Funkstille.
Bei Lukas folgt die Geschichte vom Zwölfjährigen im Tempel, der die Gelehrten mit seinem Wissen und seiner Inspiration beeindruckt. Funktion: Schon als Kind außergewöhnlich. Und dann haben wir 18 Jahre Funkstille.

Es reichte doch, wenn man an ein oder zwei Beispielen verdeutlicht hat, dass Jesus als Kind auch schon der Messias gewesen ist.

Wenn du einen Autor zitierst, schreibst du ja auch nicht das ganze Buch ab, oder? Es genügt dir, wenn du an ein, zwei oder drei markanten Stellen die Ansichten des Autors widergibst. Und niemand käme auf die Idee zu sagen, dass du sehr unprofessionell gearbeitet hättest, weil die Intention des Autors nicht zum Tragen gekommen wäre, da es schließlich an Dichte der Zitate gefehlt hätte und du doch besser das ganze Buch abgeschrieben hättest.

Genauso haben die Evangelisten ihren Standpunkt vertreten, deutlich gemacht, dass für Christen Christus seit Geburt an Messias ist, vielleicht noch einmal beispielhaft aus seiner Jugend erzählt und dann auf die wirklich wichtigen Taten den Fokus gelegt.
 
Man wusste also in der Tat, was man wollte, vor allem was man verkündigen wollte und schmückte dies nur weiter aus, um den Effekt zu vergrößern und sich seiner Leserschaft anzupassen (die in jüdischer oder heidnischer Tradition gelebt hatten).

Das impliziert, dass es eine Art "Konzil" gab auf welchem ebendiese Ziele konstruiert wurden.
Diese Annahme ist dann in sich aber nicht mehr logisch wenn man gleichzeitig erkennt, dass die Evangelisten nicht nur zu unterschiedlichen Zeiten gelebt haben (geringfügig), sondern auch aus verschiedenen Kulturkreisen kamen. Wie hätten sie sich denn basierend auf ein paar "Logoi" auf eine Verkündigung einigen sollen. Es hätte mindestens ein richtungsweisende Kommentar zu den Logoi existieren müssen, der lediglich von den Evangelisten rezipiert wird.
 
@Decurion und buschhons:
Wenn ich schreibe, dass die Evangelien keine Biographien sind, dann hat das nichts mit der Frage, ob Jesus eine historische oder eine fiktive Figur ist, oder ob die Geschehnisse fiktional oder historisch sind, zu tun.
OK. Und wenn ich geschrieben habe, dass die Evangelien wenigstens ein Merkmal der antiken Biographie aufweisen, so ist auch das überhaupt nicht geeignet gewesen, um Rückschlüsse auf Fiktion oder Historizität des Berichteten zu ziehen. Denn antike Biographien können sowohl Historisches als auch Legendäres od. Fiktives über die Hauptperson enthalten.

Wenn Du aber mit den "27-29 Jahren Funkstille" bei Matthäus und Lukas argumentierst, dann dürften wir uns wenigstens darauf einigen können, dass Matth. u. Luk. biographische Eckdaten zu Jesus liefern (ob fiktive oder historische, lassen wir wieder außen vor).

Parallel zu solchen gattungs-technischen Fragen haben Decurion und ich halt noch Überlegungen zu Fiktion oder Historizität und verwandten Fragen angestellt.

Es ist die Frage, was die Evangelisten wollten und die wollten nun mal keine Biographie schreiben, sondern eine Frohe Botschaft. Lebenszeugnisse kommen eben so gut wie nicht vor.
Die Geburtsgeschichte hat z.B. die Funktion, Jesus in eine Tradition mit dem Davidischen Herrscherhaus zu stellen, bei Matthäus mittels des Stammbaums, bei Lukas mittels der Bemerkung, dass Josef von David abstammte. Dann kommt die wahrscheinlich unhistorische Flucht nach Ägypten aufgrund des unhistorischen Kindermords von Bethlehem bei Matthäus. Funktion: Jesus wurde von Anfang an verfolgt. Dann 27 - 29 Jahre Funkstille.
Bei Lukas folgt die Geschichte vom Zwölfjährigen im Tempel, der die Gelehrten mit seinem Wissen und seiner Inspiration beeindruckt. Funktion: Schon als Kind außergewöhnlich. Und dann haben wir 18 Jahre Funkstille. (Wie gesagt, bei Markus und Johannes sind es sogar 30 Jahre Funkstille).
Und was erfahren wir dann an biograhischen Details aus den drei Jahren seiner Wanderschaft? Nun, wir erfahren, dass er sich durch Galiläa und Judäa bewegt, dann ist er mal im heutigen Jordanien oder Libanon, hier und dort predigt er, rettet Menschen, vollbringt einige Wunder, streitet sich mit Pharisäern, eckt an, weil er mit Römern, Zöllnern und anderen Sündern keine Kontaktscheu zeigt... schmeißt Händler aus dem Tempel, wird schließlich innerhalb einer Woche in Jerusalem von einer begeisterten Menge empfangen, verhaftet und hingerichtet.
Aber was erfahren wir wirklich über sein Leben? Niente.
Das von mir fett markierte Fazit 'Deiner Reise durch das Leben Jesu' kann ich nicht ganz nachvollziehen. Du hast doch eine Menge „über sein Leben“ aus den Evangelien referiert. Ich könnte das Fazit nachvollziehen, wenn Du all jene Stationen im Leben Jesu von vornherein als unhistorisch bewertest. Aber in diese Richtung hast Du Dich ja nur an einem einzigen Punkt klar geäußert:
... des unhistorischen Kindermords von Bethlehem bei Matthäus ...
(By the way: Hättest Du vielleicht Lust, diesen Punkt im Faden „Herodes war doch kein Kindermörder“ vertiefend zu diskutieren?)

Jetzt hab ich Dich aber doch noch geschickt in unsere Diskussion um Fiktion oder Historizität verwickelt, wa?;)


Edit: Oder mal andersherum gefragt (denn vllt. verstehe ich nur nicht, was Du meinst):
Lebenszeugnisse kommen eben so gut wie nicht vor.
Aber was erfahren wir wirklich über sein Leben? Niente.
Was für "Lebenszeugnisse" würdest Du denn erwarten (wenn nicht die von Dir referierten)?
 
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Liegt die Betonung hier auf dem "einzig"? Also wolltest Du sagen, dass es ganz natürlich war, das jene "gewieften Autorenkollektive des 1. Jhs. (falls es sie gab)" nicht nur Gleichnisse und Sprüche ersonnen haben, sondern auch biographische Eckdaten? Ist nur ne Verständnisfrage.
nein, die Genialität würde in diesem Fall darin bestehen, sich absichtlich nur in Gleichnissen und geschickt unklar auszudrücken (also sachlich-faktisches und auch biografisches zu umgehen) und damit bewußt den Anscjein des geheimnisvoll-dunklen, gefälligst hermeneutisch zu deutenden Gotteswortes zu erwecken -- das wäre die Konsequenz der These, dass schlaue Leute das Heilige Buch bewußt so wie es ist konstruiert hätten.
 
Diese Annahme ist dann in sich aber nicht mehr logisch

Ganz recht.

Wie kommst du auf ein Konzil? Um es mal ganz banal zu sagen: Nur weil viele Leute Kekse mögen, haben sie auch kein Konzil abgehalten, oder? Und jeder einzelne kann trotzdem ein Buch darüber schreiben, wie toll er Kekse findet.
 
Naja du bist ja von einer gemeinsamen Intention und Botschaft ausgegangen, nicht von "toll finden". Ich behaupte nun, dass das nur sehr bedingt möglich ist wenn vorher kein geistiger Austausch stattgefunden hat und man sich auf einen "Minimalurtext" beziehen muss (hier gemeint, die von dir aufgeführten logoi).
Sonst müsste man eigentlich sagen, dass eine Anzahl X von Interpretationen der Logoi existierte und nur 4 von denen tradiert wurden, die zufälligerweise eine Sinneinheit ergaben. Aber das ist jetzt wilde Spekulation meinerseits, deshalb tue ich deine These nicht als "Unsinn" ab sondern als "Unwahrscheinlichkeit".
 
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Naja du bist ja von einer gemeinsamen Intention und Botschaft ausgegangen, nicht von "toll finden". Ich behaupte nun, dass das nur sehr bedingt möglich ist wenn vorher kein geistiger Austausch stattgefunden hat und man sich auf einen "Minimalurtext" beziehen muss (hier gemeint, die von dir aufgeführten logoi).
Sonst müsste man eigentlich sagen, dass eine Anzahl X von Interpretationen der Logoi existierte und nur 4 von denen tradiert wurden, die zufälligerweise eine Sinneinheit ergaben. Aber das ist jetzt wilde Spekulation, deshalb tue ich deine These nicht als "Unsinn" ab sondern als "Unwahrscheinlichkeit".

Eine Interpretation der Logoi hat ja in der Tat stattgefunden, daher wurden einige weggelassen und andere umkomnponiert, gerade wie es der Kontext erforderte. Deshalb widersprechen sich auch die Evangelien an einigen Stellen und weisen komplett verschiedene Strukturen auf.

Dass aber Jesus der Messias ist, ist die Grundvoraussetzung für jeden Evangelisten. Denn nur in dieser Intention hat der Evangelist ja sein Evangelium geschrieben. Hätte er nicht daran geglaubt, so hätte er auch keins schreiben müssen.

Matthäus und Lukas haben als Quelle Markus und ihre Gemeindetraditionen. Also haben sie teilweise "abgekupfert" (bzw. sich von Markus inspirieren lassen) und das ganze mit den Logoi und den Traditionen erweitert. Matthäus und Lukas kannten also das Markusevangelium.

Markus selbst nahm als Quelle für sein Evangelium die Gemeindetraditionen derer, die Jesus persönlich kannten und von seiner Botschaft erzählten bzw. ihrer Nachkommen, die Jesus ebenfalls als den Messias sahen.

Johannes weicht von den Synoptikern ab, da er sich wiederum nur auf die Gemeindetradition beruft.
 
Aber was erfahren wir wirklich über sein Leben? Niente.
Was für "Lebenszeugnisse" würdest Du denn erwarten (wenn nicht die von Dir referierten)?
Das frage ich mich auch. Wenn jemand jahrzehntelang ein ganz gewöhnliches, unspektakuläres Leben als Zimmermann führt, was soll man dann groß über diese Zeit schreiben? Ich verweise auch noch einmal darauf, dass auch andere antike Biographen nur äußerst lückenhafte Biographien ablieferten. Plutarch und Sueton hat buschhons schon genannt. Ich nehme mal Cornelius Nepos: Eine seiner umfangreichsten Biographien ist die von Hannibal (13 Kapitel): Im 1. Kapitel erfährt man, dass er der Sohn von Hamilkar war, im 2. folgt die bekannte Geschichte, wie der neunjährige Hannibal von seinem Vater auf Feindschaft zu den Römern eingeschworen wird, vom 3. bis 12. geht es um seine Feldzüge und Flucht, im 13. folgt sein Todeszeitpunkt und dass er auch den Wissenschaften zugewandt gewesen sei. Dass Hannibal eine Frau und einen Sohn hatte, wird nicht erwähnt, ebensowenig, was er als Teenager so machte. Was sollte man also bei Jesus über seine Zeit vor seinem öffentlichen Auftreten schreiben? Man konzentrierte sich eben auf das, was für die Leser von Interesse bzw. Relevanz war, statt krampfhaft zu versuchen, einen möglichst vollständigen Lebensabriss zu bieten und ihn notfalls mit uninteressanten Details zu füllen.
 
Das frage ich mich auch. Wenn jemand jahrzehntelang ein ganz gewöhnliches, unspektakuläres Leben als Zimmermann führt, was soll man dann groß über diese Zeit schreiben? Ich verweise auch noch einmal darauf, dass auch andere antike Biographen nur äußerst lückenhafte Biographien ablieferten. Plutarch und Sueton hat buschhons schon genannt. Ich nehme mal Cornelius Nepos: Eine seiner umfangreichsten Biographien ist die von Hannibal (13 Kapitel): Im 1. Kapitel erfährt man, dass er der Sohn von Hamilkar war, im 2. folgt die bekannte Geschichte, wie der neunjährige Hannibal von seinem Vater auf Feindschaft zu den Römern eingeschworen wird, vom 3. bis 12. geht es um seine Feldzüge und Flucht, im 13. folgt sein Todeszeitpunkt und dass er auch den Wissenschaften zugewandt gewesen sei. Dass Hannibal eine Frau und einen Sohn hatte, wird nicht erwähnt, ebensowenig, was er als Teenager so machte. Was sollte man also bei Jesus über seine Zeit vor seinem öffentlichen Auftreten schreiben? Man konzentrierte sich eben auf das, was für die Leser von Interesse bzw. Relevanz war, statt krampfhaft zu versuchen, einen möglichst vollständigen Lebensabriss zu bieten und ihn notfalls mit uninteressanten Details zu füllen.

Ich denke, besser kann man es wohl nicht formulieren.
 
Das sehe ich anders. Das NT ist gespickt mit Verweisen auf Stellen des AT, mit denen "belegt" werden soll, dass Jesus der schon von den alten Propheten angekündigte Messias war. Das macht nur dann Sinn, wenn man die entsprechenden Stellen des AT, also insbesondere die zitierten Prophezeiungen, als historisch betrachtet. Der Beweiswert von etwas als fiktiv, bloß metaphorisch oder sonstwie Verstandenem ist schließlich gleich Null.


Nicht zu vergessen das Einrücken von Jesus Christus in die Genealogie der Könige von Juda und Israel, die ganz dem Schema archaischer Geschichtsbetrachtungen entspricht.
 
Nicht zu vergessen das Einrücken von Jesus Christus in die Genealogie der Könige von Juda und Israel, die ganz dem Schema archaischer Geschichtsbetrachtungen entspricht.

Angesichts dessen das Salomon hunderte Frauen hatte und noch dazu vor 1000 Jahren gelebt hat, wäre es schon ein Wunder in der Levante nicht von Salomon abzustammen.
 
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