Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Ich würde den Befund erstmal hinnehmen ...
Es gibt schriftliche Quellen und es gibt archäologische Quellen. Aber wo steht in den schriftlichen Quellen, das alle Aktionen der Römer aufgeschrieben und auch überliefert sind?
Genau, nirgends. Weswegen man ruhig ergebnisoffen untersuchen kann. Und eben beim Vergleich der Quellen feststellt, das die erstmal nicht das selbe beschreiben.
Und 200 km vom Rhein entfernt , ist nicht das tiefste innere Germaniens. Das ging damals so bis ~ an die Oder. Sind von Köln aus so 600 km.
 
Der Unterschied ist: Zur Kalkriese-Zeit gibt es schriftliche Literatur zu römischen Aktionen im Magna Germania, zur Harzhorn-Zeit halt nicht.
Na eigentlich schon, in der Historia Augusta und bei Herodian.
Der wahre Unterschied ist der: Die Quellen, vor allem die HA, wurden nicht ernst genommen, deswegen ging man beim Harzhorn-Schlachtfeld überrascht und unbelastet an das Schlachtfeld heran. Man untersuchte es also anfangs nicht sofort unter der Prämisse: "Könnte das ein Schlachtfeld aus dem Germanienfeldzug des Maximinus Thrax sein?", sondern stellte erst hinterher erstaunt fest: "Wow, was in der HA über den Germanienfeldzug des Maximinus Thrax steht, scheint ja tatsächlich zu stimmen." Kalkriese hingegen wurde anscheinend von Anfang an in Hinblick auf die Varusschlacht oder alternativ zumindest eine der Schlachten im Germanienkrieg des Germanicus untersucht.
 
Ich würde den Befund erstmal hinnehmen ...
Ganz meine Meinung.
Es ist trotzdem auffällig und schreit nach einer Erklärung, warum in beiden Fällen kaum eindeutig germanisches Fundmaterial auftaucht.

Und eben beim Vergleich der Quellen feststellt, das die erstmal nicht das selbe beschreiben.
Z. B.?

Und 200 km vom Rhein entfernt , ist nicht das tiefste innere Germaniens.
Ob 200, 300 oder 600 km - für römische Verbände, die sich untereinander kloppen wollte, macht es keinen Sinn, tagelang in die Germania Magna hineinzumarschieren.

Da glaube ich noch eher, dass die Römer von den Germanen mit bloßen Händen verdroschen wurden, nach gallischer Sitte. Das würde auch die vielen Sandalennägel erklären.
 
Eigentlich stellt sich die Frage nach germanischen Funden nicht wirklich. Was soll man denn dort in Kalkriese germanisches finden? Unabhängig davon, ob die Germanen römisch ausgestattet waren oder nicht. Wenn das der Fall wäre, könnte man die Funde nicht unterscheiden.

Und wenn nicht?
Die Hauptbewaffnung des germanischen Stammeskriegers zur Okkupationszeit waren:

a)
ein Schild und zwar aus Holz evt. auch geflochten. Auf jeden Fall organisches Material. Dasselbe gilt für die Kleidung. Die hatten nunmal keine Rüstung. Und solch organisches Material ist nach 2000 Jahren nicht mehr nachweisbar.

b)
die frame
Eine Speer, wohl eher als Stichwaffe genutzt. Dieser bestand zum größten Teil aus Holz (organisch) und einer wohl eher kürzeren metallischen Spitze. Die Hauptwaffe der germanischen Krieger. Eine solche Spitze eindeutig als germanisch zu identifizieren ist wahrscheinlich auch eher schwierig. Im Gegensatz zur Ausrüstung der Römer (viel Metall) war die Ausrüstung des germanischen Kriegers spärlich (und eher aus organischem Material). Das man da nix findet kann nicht verwundern.

Aber der Hauptgrund für das Fehlen eindeutig germanischer Funde in Kalkriese:

Die Germanen haben die Schlacht gewonnen. Dies geht eindeutig aus dem Befund hervor - Stichwort Plünderungen.

Die Germanen werden natürlich ihre eigenen Gefallenen geborgen haben und einer ordentlichen Bestattung zugeführt haben. Sie waren die Sieger. Das da großartig nichts germanisches zu finden ist, mag da auch nicht verwundern. Ist eher logisch. Auch Ausrüstungsgegenstände wie Schilde und frame der Gefallenen werden sie sicherlich mitgenommen haben.

Grundsätzlich kann ich viele Fragen an einen Fundplatz wie Kalkriese stellen:

- Ist die Anzahl der Artefakte nicht zuwenig für drei Legionen?
- wo sind irgendwelche Lager?
- warum findet sich kein Müll?
- warum findet sich keine Visitenkarte des Varus?:rofl:

Und warum gibt es nicht genügend Geld von wem auch immer, um schnellstens einige wohlmöglich hunderte Quadratkilometer zu untersuchen und auszugraben um all diese Fragen zu beantworten? Warum findet sich in Kalkriese nicht dies oder nicht das? Vieleicht sollte man sich einfach mit dem zufrieden geben, was gefunden wurde.
 
...- Ist die Anzahl der Artefakte nicht zuwenig für drei Legionen?

Nur wenn man annimmt, dass die kompletten Legionen Kalkriese passiert hätten.
Wenn dort der letzte Schlachttag mit den Resten der Legionen stattgefunden haben sollte, dann passt es schon.

... - warum findet sich keine Visitenkarte des Varus?

Wozu brauchen wir noch die Visitenkarte des Varus? Sein Schwert wurde doch letztes Jahr gefunden! :cool:
http://www.geschichtsforum.de/f55/sensationsfund-kalkriese-45414/
 
Nun, wenn man jetzt mal annimmt, es wäre das Ende der "Varusschlachten" , dann erklären sich die vielen Münzfunde nicht. Wie ein Geldbeutel aussieht, wußte damals sowohl ein Germane als auch ein Römer. Das das Zeug Metall vom feinsten ist/wertvoll auch.

Man muß also davon ausgehen, das bei der Plünderung durch den Sieger auch nach Münzen gesucht wurde, und das auch welche gefunden wurden. Also sind die später gefundenen nur der übrig gebliebene Rest.
Die Zahl der Münzen ist aber doch sehr hoch, damit müßten die Verlierer reichlich Geld dabei gehabt haben. Denn wer sammelt Beinschienen, Reitermasken, Bronzebruchstücke auf und läßt n Aureus liegen? Auch soll, wenn ich den Thread hier richtig in Erinnerung habe, nach den Quellen, Varus den Troß zurückgelassen haben. Maultiere usw gehören aber zum Troß ...
 
... Auch soll, wenn ich den Thread hier richtig in Erinnerung habe, nach den Quellen, Varus den Troß zurückgelassen haben. Maultiere usw gehören aber zum Troß ...

Soviel ich weiß, wurde ein Teil des Trosses zurückgelassen!

Nun, wenn man jetzt mal annimmt, es wäre das Ende der "Varusschlachten" , dann erklären sich die vielen Münzfunde nicht. ...

Wenn ein Teil des Trosses weiter zog, dann sind auch die Münzfunde erklärbar!
 
Wenn und wenn und wenn man annimmt, dann ..
Wenn ich jetzt provokativ annehme, reine Spekulation, ein Teil der meuternden Legionen hätte sich ne Legionskasse gegriffen und hätte versucht, sich damit im "inneren Germaniens" ein anderes Leben aufzubauen, wäre verfolgt und massakriert worden, ergibt sich aber ein ähnliches Bild, einschließlich der Bestattung durch andere, die eben das "Schlachtfeld" erst noch suchen mußten. So etwas wäre dann in den Schriften wohl nicht erwähnt worden...
Auch andere Szenarien sind ja denkbar.

Es gibt eben die Funde, und die gilt es , zu untersuchen. Und eben nicht anhand von ein paar Funden, denn es ist ja nur eine kleine untersuchte Fläche, irgendeine große Schlacht dort zu verorten.

Aber das ist wohl auch der Medienwelt geschuldet. Ein unbekannter "Tathergang" ist eben nicht soo Medienwirksam wie eine berühmte Schlacht und generiert keine Geldmittel ...
 
Die römischen Waffen und anderes Gerät haben sich nicht in Luft aufgelöst. Was die Sieger mitnahmen, wurde lebenslang benutzt und häufig mit ins Grab gegeben. Man muss also nach germanischen Gräbern im Umfeld suchen. Leider ist schon zu viel vor Jahrhunderten herausgepflügt und nicht ordentlich bestimmt worden. So auch ein Sandhügel mit fünfzig Skeletten von Kriegern samt Waffen und Pferden. Alter? Unbekannt! Gruß
 
Die römischen Waffen und anderes Gerät haben sich nicht in Luft aufgelöst. Was die Sieger mitnahmen, wurde lebenslang benutzt und häufig mit ins Grab gegeben. Man muss also nach germanischen Gräbern im Umfeld suchen.

Dem stimme ich zu. So wurde z. B. in einem Grabhügel bei Haaren auf der Paderborner Hochfäche ein Stück eines Gladius gefunden. Allerdings scheint dieses aus der Bronzezeit zu stammen:

"Etwa fünf Kilometer vom Ortskern bronzezeitliche Hügelgräber entdeckt worden. Die insgesamt 97 Hügel haben Durchmesser von 16 bis 20 Metern und sind bis zu zwei Meter hoch. 1904 wurde eine Schneisenausfahrt angelegt und dabei ein Grabhügel zertrennt. Unter verschieden dicken Erd- und Tonschichten wurden ein 18,5 cm langes Stück eines Kurzschwertes, eine 15,5 cm lange Rundaxt, eine Petschaftnadel mit einer Länge von 16,5 cm ergraben. Diese Exponate werden im Museum für Völkerkunde in Berlin gezeigt. Als weitere Fundstücke sind noch Schädelstücke, Geweihstücke, Urnenscherben und Feuersteine zu nennen, deren Verbleib nicht geklärt ist. Eine zu dem Gräberfeld zugehörige Wohnstätte wurde nicht gefunden. Aus der Römerzeit wurden bei Neuböddeken[10] vier Silberdenare gefunden, von denen einer die Aufschrift G. L. Caesares trägt."

Haaren (Bad Wünnenberg) ? Wikipedia
 
naja, etliches an römischem Gerät wurde wohl auch umgearbeitet, manches als Weihegabe geopfert und dann sind ja wohl an den Zügen des Arminius und des Marbod viele Leute beteiligt gewesen, die aber nun nicht alle an einem Ort wohnten.
Also Gräber mit z.T. römischen Beigaben sagen ja nur aus, das der Bestattete sowas besessen hat. Nicht, das er gegen Römer kämpfte und schon garnicht unter Arminius gegen Varus in Kalkriese. Selbst wenn man direkt am Oberesch ein Grab fände, mit Münzen aus dem passenden Münzhorizont und teilweise römischen Beigaben, zeigt das eben höchstens, das dieser Mensch vielleicht gegen die Römer zun der Zeit gekämpft hat. Es könnte aber auch jemand sein, der Römerfreund war und dies eben auch im Tode demonstrieren wollte..
 
Stimmt, aus den Funden kann man keine großen Rückschlüsse ziehen. Nur dass der Bestattete während der Bronzezeit in Kontakt mit mit Gladii ausgerüsteten Römern stand.
 
Ja, die Diskussion nimmt mal wieder diese absurden Züge an, die sie so frustrierend machen. Kein Argument kann lächerlich genug sein, um gegen Kalkriese als Ort der Varusschlacht angeführt zu werden. Ob das nun Überlegungen zu Münzverlusten sind, oder die Annahme von jemandem, der sonst jeden Stein im Wald für romanogen hält und die Geschichte der Region auf die römische Besatzungszeit reduziert, dass bronzezeitliche Knochen mit mindestens 800 Jahre jüngeren römischen Funden vergesellschaftet sind oder die lückenhaften Erinnerungen aus dem vor 40 Jahren abgeleisteten Wehrdienst...
Dafür fehlt mir echt das Verständnis. Ich halte mich lieber an die ratio: in Kalkriese hat sich ein aus römischer Sicht katastrophales Ereignis vollzogen, viele der Funde (Münzzusammensetzung, Gegenstempel, nachträgliche Bestattungen) deuten auf die varianische Statthalterschaft bzw. korrespondieren mit Tacitus' weshalb die Deutung von Kalkriese als ein Ort der Varusschlacht nach derzeitigem Wissensstand die vernünftigste Erklärung ist. Die einzig wirklich legitime Kritik an dieser Deutung kann nur sein, dass sie mitunter zu positivistisch ist.
 
Ich begreife es einfach nicht! Ich denke immer, wir diskutieren hier unter erwachsenen, geschichtsinteressierten Menschen.
 
El Q, in Kalkriese fand eine Schlacht statt. An dieser Schlacht waren Römer beteiligt. Der Beweis für die Anwesenheit varianischer Legionen fehlt. Ebenso fehlen nachvarianische Münzfunde, obwohl diese andernorts flächendeckend auftreten. Deshalb sind Zweifel angebracht. Die Standortfragen des varianischen Sommerlagers sowie von Aliso sind nach wie vor ungelöst. Zig tausende Seiten Papier sind vor allem im 19. Jahrhundert mit allen nur denkbaren Situationen beschrieben worden, ohne eine befriedigende Lösung. Trotz modernster wissenschaftlicher Methoden kommt man nicht weiter. Deshalb ist jeder Beitrag, und sei er auf den ersten Blick auch daneben, wünschenswert. Gruß
 
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