Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Edit: erhellend könnte Maarten D. Weerd: Archäologische Beobachtungen anhand der Fundmünzen aus Kalkriese und aus den tiberischen Lagern Vechten und Velsen sein. Aber auf meinem Tel habe ich kein VPN eingerichtet.
Hut ab, wie Du dich dahinter klemmst.
Bin neugierig.

Ich muss trotzdem nochmal fragen: Ich dachte, das Hauptargument für Kalkriese = Varus seien die Münzen.

Wenn dieses Argument wegfällt bzw. nun auch einen Germanicus-Schluss zulässt, was bleibt dann noch?
 
Hut ab, wie Du dich dahinter klemmst.
Bin neugierig.

Ich muss trotzdem nochmal fragen: Ich dachte, das Hauptargument für Kalkriese = Varus seien die Münzen.

Wenn dieses Argument wegfällt bzw. nun auch einen Germanicus-Schluss zulässt, was bleibt dann noch?
- die Knochengruben
- die Tatsache, dass Kalkriese eine offensichtliche Niederlage war
- das Verhältnis Kalkrieses zur Ems
- die Tatsache, dass in Kalkriese Tross mit Luxusgütern vorhanden war (Tiberius‘ Verbot von Luxus auf dem Feldzug, Caecinas Vorbehalte gegen Frauen).
 
Laut Weerd kommen in Vechten und Velsen die Asse und Sesterzen der Altarserie II (Pägedatum 10 - 14) vor.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich finde diese Punkte alleine nicht so überzeugend, dass Kalkriese=Varus und nicht =Germanicus.

-Die Knochengruben passen noch am ehesten zu Varus, insbesondere, da die Knochen der Witterung ausgesetzt waren. Aber auch im Rahmen anderer Gefechte kann es nachträgliche Bestattungen gegeben haben.

-Die Tatsache einer Niederlage: Auch andere Gefechte waren Rückzugsgefechte, z.B. Pontes Longi. Des Weiteren wirds ne Menge Nebengefechte gegeben haben, die die Quellen gar nicht erwähnen.

-Das Verhältnis Kalkriese zur Ems: Das trifft auch auf andere Gefechte zu.

-Tross mit Luxusgegenständen; Caecinas Ablehnung von Frauen: Indizien in Richtung Varus, keine Beweise, wie ich finde.

So richtig unhauen tun mich die Argumente nicht.
Das überzeugendste Argument war für mich immer das Münz-Spektrum.

Die sollen in Kalkriese mal schneller buddeln, damit vielleicht doch noch ein Emblem einer Legion gefunden wird.
 
-Das Verhältnis Kalkriese zur Ems: Das trifft auch auf andere Gefechte zu.
Auch schwere Niederlagen? Überleg mal was wir aus Kalkriese alles an Funden haben, da kann manches Standlager nicht gegen anstinken. Was hier an einem Tag verloren ging, haben wir an manchen Standorten über Jahre nicht angesammelt.

-Tross mit Luxusgegenständen; Caecinas Ablehnung von Frauen: Indizien in Richtung Varus, keine Beweise, wie ich finde.
Ich sage das was ich immer sage: Wäre ich ein Richter in einem Strafprozess müsste ich den Beklagten aufgrund der Unschuldsvermutung freisprechen, auch wenn mich die Indizien von seiner Schuld überzeugen. Ein definitiver Beweis steht aus.

So richtig unhauen tun mich die Argumente nicht.
Das überzeugendste Argument war für mich immer das Münz-Spektrum.
Und das hat sich nicht geändert. Siehe Köln, Velsen und Vechten.
 
Auch schwere Niederlagen? Überleg mal was wir aus Kalkriese alles an Funden haben, da kann manches Standlager nicht gegen anstinken. Was hier an einem Tag verloren ging, haben wir an manchen Standorten über Jahre nicht angesammelt.
Und das spricht für ein größeres Ereignis, also kein kleines en passant Gefecht.
Sicher ist auch schon die Frage der Vergleichbarkeit mit anderen Schlachtfeldfunden (Schlachtfeldarchäologie) gestellt und diskutiert worden.
 
Genau das habe ich gerade eben geschrieben. :)

Ja, allerdings hatte ich die Annahme, dass die Römer ihre Barschaft links des Rheins behielten, nicht gemacht. Ich hatte den Beitrag geschrieben, abgeschickt und erst dann Deinen Beitrag, den Du zwischenzeitlich geschrieben hast, gesehen.

Aber ich habe das schon vor Jahren so ausgedrückt: Das Haltern Kalkriese Dilemma und siehe auch diesen Thread zu dem Problem der Münzhorizonte Kalkriese und Haltern.
 
(Hier macht Burmeister dann einen Fehler, denn er geht auf die Gaius/Lucius-Denare und Aurei ein, die er auf 2 v. Chr. anstatt auf 2 n. Chr. als Enddatum datiert, da aber Lucius 2 und Gaius 4 n. Chr. starb, war 2 n. Chr. das Jahr, ab dem die Brüder nicht mehr als designierte Nachfolger Augusti propagiert werden konnten, man also die Prägung dieses Münztyps einstellte.)
Dies muss ich zurückziehen. Ich habe das Enddatum der Gaius/Lucius-Denare und -Aurei immer für 2. n. Chr. gehalten, eben weil Lucius 2 n. Chr. starb. Aber Werz sagt tatsächlich auch, dass der Prägezeitraum mit den Jahren 2 und 1 v. Chr. anzusetzen ist und nicht darüber hinaus. Also ist die Schlussmünze von Kalkriese nicht 7, sondern 11 Jahre vor der Varusschlacht geprägt worden.
 
Werz (OZeAN 2 (2020)) weist darauf hin, dass neben der Lyoner Altarserie II bestimmten Tiberius’ Kaisertum zuzuordnenden Gegenstempeln (CAESAR, IMPAVC, TIBAVC und TIBIM) auch die Münzmeisterprägungen dem Germanicus-Horizont zuzuweisen sind.

Die Prägungen der Lyoner Altarserie 2.2 und die nach dem Tode des Augustus herangeschafften Münzmeister- prägungen gehören in die Zeit der Germanicusfeldzüge. Allerdings sind diese Prägungen bislang nicht im rechtsrheinischen Gebiet nachgewiesen.
Die Erklärung dafür, nämlich dass Tiberius befahl, ins Kriegsgebiet nur noch das Notwendigste mitzuführen, zweifelt Werz an:

Es ist allerdings fraglich, ob concessa aut necessaria auf die Münzen zu beziehen ist. Warum diese Geld- stücke nicht im rechtsrheinschen Gebiet anzu- treffen sind, muss offen bleiben.​
 
@Quijote: Steht da, warum dieser Nur-das-Nötigste-Mitnehm-Befehl hinsichtlich Geld unplausibel sein soll?

Trugen Legionäre eigentlich im Gefecht Münzen am Körper oder war Geld grundsätzlich im Tross zu hinterlegen?

Wieviel Gewicht wog ein Münzbeutel am Körper so im Schnitt?
 
Münzen waren Grammbeträge, man könnte sie also relativ leicht am Körper mitführen und es wurde ja auch um Feld gespielt. Wir wissen aber auch, dass die römischen Legionäre ihr Geld als deposita in einer Art „Legionssparkasse“ zurücklegten. Diese wurden vom Signifern verwaltet (und man durchaus mutmaßen, dass es den Soldaten im Gefecht um das Wohlergehen des Feldzeichenträgers gelegen war, wenn sie wieder an ihre Ersparnisse kommen wollten). Dass solche Ersparnisse in den Winterlagern zurückgelassen wurden, darauf könnte eine Quellenstelle hinweisen, die Asprenas vorwirft, er habe sich die Hinterlassenschaften der mit Varus Gefallenen angeeignet: patrimonia hereditatemque occisi exercitus, ... ab eo aditam
 
Also das rechtsrheinisch nicht eine einzige Germanicus-Münze gefunden wurde, ist schon... erwähnenswert.

Die Truppenkassen verblieben wohl am Rhein.
Aber die Münzen am Mann werden dann wohl mitgenommen worden sein, da diese kaum etwas wogen.

Die Münzen kommen doch in den Boden, weil die dazugehörigen Legionäre sterben oder sie im Notfall verbuddeln, richtig?

Finden sich vielleicht deswegen keine Germanicus Münzen, weil man in keinem Gefecht wirklich eigene Gefallene mit deren Münzen ungeplündert zurücklassen musste?

Ich weiß nicht, ob man die Gefallenen bestattet hat, aber man wird doch zumindest deren Ausrüstung mitgenommen haben, falls die Gefechtsbedingungen es erlauben.

Der Überfall auf die Marser, Idistaviso, Angrivarierwall, die Belagerung von Aliso, das waren alles Schlachten, die für die Römer solide ausgingen und wo man vielleicht die eigenen Gefallenen inklusive deren Münzen plündern konnte.

Einzig bei Pontes Longi wird man wohl einiges zurückgelassen haben.

Wäre das eine Erklärung, warum man rechtsrheinisch keine Germanicus Münzen findet?
 
Ich habe gerade gegoogelt:
Unter Augustus wog ein Sesterz 27,3g.
Der Tagessold eines Legionärs betrug 1 Sesterz.

Davon konnte man sich z.B. 0,5 Liter Wein kaufen.

Wenn jeder Legionär im Schnitt 15 Sesterzen mit ins Kriegsgebiet nahm,
wären das ~ 400Gramm.
Hm. Für nen heutigen Wanderer wäre das viel Gewicht, aber für nen durchtrainierten Hochleistungssport-Legionär mit 30kg Ausrüstung?

Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.
 
Die Frage für mich ist: Was macht ein Legionär des Germanicus während eines Feldzuges in der Germania Magna mit seinen Sesterzen? Für das Essen und Trinken dürfte die Legion gesorgt haben. Die Einkaufsmöglichkeiten waren bestenfalls äußerst beschränkt. Einsatz für Glücksspiele kann ich mir noch vorstellen - aber ob das von der Legionsführung so erwünscht war, isb auch in Anbetracht des zusätzlichen Gewichtes während des Transports.
 
Welche Erklärungsmöglichkeiten gibt es denn, dass rechtsrheinisch kein Germanicus Geld da ist?

Mir fallen folgende Möglichkeiten ein:

1. Man hat noch kein Germanicus Schlachtfeld entdeckt. Dort liegen die Münzen bis heute unentdeckt im Boden

2. Germanicus hatte keine nachvarianischen Münzen

3. Germanicus führte keine Münzen mit sich

4. Meine obrige, die Römer plünderten ihre Gefallenen-Theorie

5. Die Germanen namen die Münzen den Gefallenen ab


Fallen Euch noch weitere Erklärungen ein? Am plausibelsten finde ich persönlich aktuell Theorie 1 oder 3
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Frage für mich ist: Was macht ein Legionär des Germanicus während eines Feldzuges in der Germania Magna mit seinen Sesterzen? Für das Essen und Trinken dürfte die Legion gesorgt haben. Die Einkaufsmöglichkeiten waren bestenfalls äußerst beschränkt. Einsatz für Glücksspiele kann ich mir noch vorstellen - aber ob das von der Legionsführung so erwünscht war, isb auch in Anbetracht des zusätzlichen Gewichtes während des Transports.
Das dachte ich mir auch. Bis auf Würfeln konnten die rechtsrheinisch nix damit machen. Das war ein Kampfeinsatz.
Ich persönlich als Legionär hätte mein Geld bei der "Bank" am Rhein gelassen, bis auf ein Minimum vielleicht.

Vielleicht nichtmal das.

Ich wüsste jetzt auch nicht, dass Wehrmachtssdaten in Russland, Westfrontsoldaten im WWI oder anerikanische Soldaten im Iraq während ihrer Einsätze in irgendeiner Weise Geld dabei gehabt hätten.
 
Die Einkaufsmöglichkeiten waren bestenfalls äußerst beschränkt.

"Man unterscheidet gewöhnlich zwei Arten des röm. Heertrosses, einen regulären und einen irregulären. Der reguläre Troß unterstand dem Praefectus castrorum (legionis) und war in Züge mit je einem vexillum gegliedert. Die wichtigsten Troßangehörigen waren Tragtierführer (muliones oder sagmarii oder burdonarii), Fahrer (agasones) oder muliones) und Pferdepfleger ('Stallburschen', agasones oder calones). Zum irregulären Troß gehörten zunächst die lixae. Iustinus (38,10) zählt zu ihnen auch Köche, Bäcker und Schauspieler. Ob die Händler aller Art zu den lixae gerechnet wurden, ist unbekannt. Sie verkauften allerlei an die Truppe und kauften von der Truppe v. a. Beute. Die Angehörigen des irregulären Trosses folgten der Truppe bei Kriegsmärschen, durften aber nicht im Militärlager wohnen, sondern mußten ihre Zelte außerhalb des Lagers aufschlagen, gewöhnlich wohl hinter der dem Feind abgewandten Lagerseite (Caes. Gall. 6,37,2). Daß diese Zivilisten für die militärische Führung oft lästig wurden, ist seit dem 2. Jh. v. Chr. mehrfach bezeugt."

Reallexikon der Germanischen Altertumskunde

Ich vermute, dass die Zusammensetzung des irregulären Trosses recht unterschiedlich war. Bei Varus kann ich mir Köche, Bäcker und Schauspieler im Tross ganz gut vorstellen, bei Tiberius/Germanicus weniger. Da werden sich in den lixae eher Sklavenhändler befunden haben, die auf Kriegsgefangene aus waren.

Die Funde bei Kalkriese passen da wohl eher zu Varus als zu Tiberius/Germanicus; ich hatte das oben in diesem Thread schon mal erwähnt:


Ein silbernes Löffelchen, der verzierte Griff eines Serviertellers, ein fein gelochtes, nun leider stark verbeultes Weinsieb, die Scherbe einer bunt verzierten Glasschale – keinen dieser Funde würde man auf einem Schlachtfeld erwarten ...

Schleppte man derlei Gepäck auch mit sich herum, wenn man wissend in eine Schlacht zog? Sofas, Handwerksgeräte, Spielsteine, Kessel und Bratroste? ...

Angesichts der vielen Funde, die vermuten lassen, dass auf dem Oberesch Teile des Trosses in Kampfhandlungen verwickelt wurden, könnte die Entdeckung einer Haarnadel und mehrerer Fibeln, die üblicherweise zur Frauentracht gehören, eben dieses Szenario bestätigen. Ein bemerkenswertes Stück ist eine sogenannte Langton-Down-Fibel. Sie war in Augustus’ Zeiten modern und gehörte insbesondere in Gallien und den Rheinlanden zur Frauentracht. Ein weiteres aussagekräftiges Indiz kommt von den Anthropologen. In einer der Knochengruben fand sich inmitten all der männlichen Skelettteile ein weiblicher Beckenknochen ...


https://www.researchgate.net/profil...Forschung-Funde.pdf?origin=publication_detail
 
@Sepiola

Der Vergleich hinkt. In der Varusschlacht hat niemand damit gerechnet, in Kampfhandlungen verwickelt zu werden.
Da waren eben Sofas, Statuen, Händler und Ehefrauen dabei.

Germanicus waren eindeutige Kampfaufträge. Da hatte man mit Sicherheit o.g. Dinge nicht dabei.

Die Frage ist: Hatte Germanicus Münzen dabei? Falls ja, waren diese nachvarianisch?
Falls ja, warum wurden sie nicht entdeckt?
Warum sind bei Aliso nur Varus-Münzen?
 
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