Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

arus-Horizont: Spätsommer 9 n. Chr.
Kölner Brand-Horizont: Winter 14/15 n. Chr
Germanicus-Horizont: 14-16 n. Chr.

Im Kölner Brandhorizont ist bereits ein Achtel (oder war es ein Siebtel?) der Münzen nachvarianisch. Nun sind die 56 Münzen des Kölner Brandhorizonts keine statistisch wirklich aussagefähige Menge. In Kalkriese hat man über 2.200 Münzen, von denen keine (identifizierte) nachvarianisch ist. Es wäre dagegen verwunderlich, wenn in Germanicus' Heer, dass ja auch in Köln stationiert war, keine einzige Münze nachvarianisch gewesen wäre. Wenn nun bei den 56 Münzen des Kölner Brandhorizonts ein Achtel nachvarianisch war, müssen wir bei den 2.200 Münzen in Kalkriese, wenn dieses denn germanicuszeitlich zu datieren ist, zwar nicht auch eine solch hohe Menge an anchvarianischen Münzen erwarten, aber dass es keine einzige (null, 0) sein soll, wäre schon ein sehr seltsamer Zufall.

Wenn Germanicus vorher in Köln stationiert war, was man annehmen muss, dann ist es schon einstarkes Indiz dafür dass in Kalkriese eher nicht Germanicus 16 n. Chr. war. Sprich damit wäre 9 nicht mehr wahrscheinlich. Außer man könnte zeigen dass die mobilen Truppen mehr alte als neue Münzen besaßen. Jedenfalls hieß es irgendwo dass der Brandhorizont alleine als Beweis nichts taugt und dass man daher auf bessere Referenzen in Form der metallurgischen Analysen in Bochum setzt. Ich schätze/hoffe, da die Untersuchungen ja jetzt abgeschlossen sind und jetzt die Ergebnisse ausgewertet werden, dass ein Ergebnis vielleicht schon Ende diesen Jahres vorliegt. Das läuft ja auch schon seit 5 Jahren.

Hier meine Transkripte aus dem Podchaser-Podcast vom März (wie gesagt, ich kann meine Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass Burmeister nichts zum Kölner Brandhorizontz gesagt hat, ich kann es aber auch nicht erinnern). Ich habe die Stelle, die dem am nächsten kommt hervorgehoben:
 
„Jetzt kommt das große Aber.“ (1:43) „Wenn man dann nämlich noch mal guckt, sich die Münzen an den anderen Standorten, wo die Römer gewesen sind, an den anderen Standorten am Rhein, da wo Germanicus eigentlich gewesen sein müsste mit seinen acht Legionen, stellen wir fest, dass wir da genau das gleiche Geld haben. Das heißt, es sieht momentan so aus, dass die Soldaten des Germanicus das gleiche Geld im Portemonnaie hatten, wie die Soldaten des Varus. Ich kann anhand der Münzen nicht unterscheiden.“ Es fehle, so Burmeister, der methodische Hebel, um zwischen Varus und Germanicus zu unterscheiden.”

Daraus geht ja schon hervor dass er die Münzen nicht für ausreichend hält.
 
„Jetzt kommt das große Aber.“ (1:43) „Wenn man dann nämlich noch mal guckt, sich die Münzen an den anderen Standorten, wo die Römer gewesen sind, an den anderen Standorten am Rhein, da wo Germanicus eigentlich gewesen sein müsste mit seinen acht Legionen, stellen wir fest, dass wir da genau das gleiche Geld haben. Das heißt, es sieht momentan so aus, dass die Soldaten des Germanicus das gleiche Geld im Portemonnaie hatten, wie die Soldaten des Varus. Ich kann anhand der Münzen nicht unterscheiden.“ Es fehle, so Burmeister, der methodische Hebel, um zwischen Varus und Germanicus zu unterscheiden.”

Daraus geht ja schon hervor dass er die Münzen nicht für ausreichend hält.
Das ist richtig. Er sagt, dass der Münzhorizont zwischen Varus und Germanicus nicht zu unterscheiden sei und nennt dabei explizit die Legionsstandorte am Rhein, zu denen Köln gehörte.

Der Kölner Brandhorizont spiegelt aber eben etwas anderes. Doe haben wir nämlich eben nicht "genau das gleiche Geld". Da hat man 56 Münzen geborgen, von denen sieben oder acht nachvarianisch sind. Der Brand ist auf den Winter 14/15 datiert. Also vor den großen Feldzügen Germanicus' in den Jahren 15 und 16, nach der Beilegung der Meuterei der Legionen und dem Feldzug gegen die Marser Ende 14.
Nebenbei ist es in der Archäologie recht schwierig - und das sagt Burmeister auch in dem Blogbeitrag - genau zu datieren („In der Archäologie können wir in der Regel nicht so genau datieren.“).

Natürlich gibt es in der Konsequenz ein neues Problem: Wenn man unterstellt, dass - wie im Brandhorizont von Köln nachvarianische Münzen gefunden wurden - an allen nachvarianisch genutzen Orten nachvarianische Münzen zu finden sein müssen, dann fehlen diese auch an Orten, von denen wir positiv wissen, dass Germanicus dort war oder Legionen stationiert hatte. Bzw., dann wären zig Orte, bzw. die Fundhorizonte dort, die germanicuszeitlich datiert sind, womöglich falsch datiert. Dann beißt sich die Katze aber wieder in den Schwanz mit dem Brandereignis von Köln, welches scherbendatiert ist. Denn wenn jeweiligen Horizonte falsch als germanicuszeitlich datiert wären, gälte das natürlich auch für den Brandhorizont, aber eben auch z.B. für die gesamte Terra Sigillata-Seriation.
 
Natürlich gibt es in der Konsequenz ein neues Problem: Wenn man unterstellt, dass - wie im Brandhorizont von Köln nachvarianische Münzen gefunden wurden - an allen nachvarianisch genutzen Orten nachvarianische Münzen zu finden sein müssen, dann fehlen diese auch an Orten, von denen wir positiv wissen, dass Germanicus dort war oder Legionen stationiert hatte. Bzw., dann wären zig Orte, bzw. die Fundhorizonte dort, die germanicuszeitlich datiert sind, womöglich falsch datiert. Dann beißt sich die Katze aber wieder in den Schwanz mit dem Brandereignis von Köln, welches scherbendatiert ist. Denn wenn jeweiligen Horizonte falsch als germanicuszeitlich datiert wären, gälte das natürlich auch für den Brandhorizont, aber eben auch z.B. für die gesamte Terra Sigillata-Seriation.

Und für wie wahrscheinlich hältst du das dass es falsch datiert sein könnte? Beziehungsweise wie weit kann man das denn falsch datieren? Die einzige Methode die ich kenne die Jahrgenaue (sogar manchmal Jahreszeitgenaue) Datierungen erlaubt ist die Dendrochronologie.
 
Und für wie wahrscheinlich hältst du das dass es falsch datiert sein könnte?
Für extrem unwahrscheinlich. Aber in der Wissenschaft ist es ja hin und wieder mal so, dass nach vielen Jahren ein methodischer Fehler aufgedeckt wird und dann kann es ggf. sein, dass ziemliche viele Daten einer neuen Interpretation bedürfen. Dennoch, dass die Seriation falsch ist, ist wirklich extrem unwahrscheinlich.
 
Natürlich gibt es in der Konsequenz ein neues Problem: Wenn man unterstellt, dass - wie im Brandhorizont von Köln nachvarianische Münzen gefunden wurden - an allen nachvarianisch genutzen Orten nachvarianische Münzen zu finden sein müssen, dann fehlen diese auch an Orten, von denen wir positiv wissen, dass Germanicus dort war oder Legionen stationiert hatte. Bzw., dann wären zig Orte, bzw. die Fundhorizonte dort, die germanicuszeitlich datiert sind, womöglich falsch datiert. Dann beißt sich die Katze aber wieder in den Schwanz mit dem Brandereignis von Köln, welches scherbendatiert ist. Denn wenn jeweiligen Horizonte falsch als germanicuszeitlich datiert wären, gälte das natürlich auch für den Brandhorizont, aber eben auch z.B. für die gesamte Terra Sigillata-Seriation.


Welche Fundhorizonte sind denn dem Germanicus-Horizont zuzuordnen? Die linksrheinischen Legionsstandorte sind doch auch nach 15/16 n. Chr. noch in Benutzung gewesen.
 
Welche Fundhorizonte sind denn dem Germanicus-Horizont zuzuordnen? Die linksrheinischen Legionsstandorte sind doch auch nach 15/16 n. Chr. noch in Benutzung gewesen.

Das ist genau die Irritation, die auch mich umtreibt:

„Jetzt kommt das große Aber.“ (1:43) „Wenn man dann nämlich noch mal guckt, sich die Münzen an den anderen Standorten, wo die Römer gewesen sind, an den anderen Standorten am Rhein, da wo Germanicus eigentlich gewesen sein müsste mit seinen acht Legionen, stellen wir fest, dass wir da genau das gleiche Geld haben. Das heißt, es sieht momentan so aus, dass die Soldaten des Germanicus das gleiche Geld im Portemonnaie hatten, wie die Soldaten des Varus. Ich kann anhand der Münzen nicht unterscheiden.“ Es fehle, so Burmeister, der methodische Hebel, um zwischen Varus und Germanicus zu unterscheiden.
Nun kennt Burmeister die archäologischen Funde und Befunde besser als ich und ich bin’s ich nur Feld-Wald-und-Wiesen-Historiker, mir fehlt im Gegensatz zu ihm das archäologische Handwerkszeug. Allerdings sind die Lager am Rhein alle über Germanicus hinaus belegt, ich kenne die Befundsituation freilich nicht, habe mich nie damit beschäftigt. Die Frage, die Burmeister sicher beantworten kann, die ich aber nicht beantworten kann ist: Gibt es einen klar identifizierbaren Germanicushorizont? Oder bezieht er sich im Grunde genommen auf die Zuweisung des Römerlagers Haltern zum historiographisch überlieferten Aliso? […] An den Legionsstandorten am Rhein, die über 16 hinaus in Betrieb waren, dürfte der Horizont bis zum batavischen Aufstand wesentlich diffuser sein. Insofern verwundert mich die Aussage im Podcast schon.
 
El Quijote schrieb:
(...)Brandereignis von Köln, welches scherbendatiert ist.(...)
El Quijote schrieb:
(...)Terra Sigillata-Seriation(...)
Bitte entschuldige meine Unwissenheit. Kannst Du bitte ein paar erklärende Worte zur erwähnten Scherbendatierung des Kölner Brandhorizontes bzw. der "Terra Sigillata-Seriation" schreiben. Beziehst Du Dich da auf die/eine Rehydroxylationsdatierung? Bei dieser ist doch immer noch eine Unsicherheit von +/- einigen Jahren gegegeben?
Bislang dachte ich, das Kölner Ereignis sei hauptsächlich münzdatiert. Wobei die Münzen ja auch nur aussagen würden, wann dieser Brand frühestens stattgefunden haben kann?
Nur nebenbei, wenn Germanicus' Truppen 15 n.Chr. das Varusschlachtfeld beräumten/besuchten, was sicherlich ein paar Tage in Anspruch nahm, könnte/sollte nicht dabei auch die ein oder andere nachvarianische Münze verloren worden sein? Kann der Fund einer kurz nach Varus geprägten Münze also überhaupt ein k.-o.-Kriterium für eine mögliche Verortung der Varusschlacht sein?
 
Bitte entschuldige meine Unwissenheit. Kannst Du bitte ein paar erklärende Worte zur erwähnten Scherbendatierung des Kölner Brandhorizontes bzw. der "Terra Sigillata-Seriation" schreiben. Beziehst Du Dich da auf die/eine Rehydroxylationsdatierung?
Nein, Seriation nennt man in der Archäologie typenbasierte Datierung, durch den Vergleich von vielen tausend Stücken, die man mit anderen Daten (Dendrochronologie, Münzdatierung etc.) kallibriert. Keramik gilt den Archäologen dabei als Leitfossil, weil leicht zu Bruch gehend und dann schwer zu reparieren. Metalle z.B. lassen sich reparieren oder wiederverwenden. Das ist bei Keramik nur bedingt der Fall.
Seriation ist eine nichtnaturwissenschaftliche Datierungsmethode. Der Schwede Oscar Montelius hat diese Methode um 1900 entwickelt.

Bislang dachte ich, das Kölner Ereignis sei hauptsächlich münzdatiert.
Nein.

Wobei die Münzen ja auch nur aussagen würden, wann dieser Brand frühestens stattgefunden haben kann?
Richtig, das ist der sogenannte terminus post quem. Je weniger Stücke du hast, desto unsicherer ist er, je mehr Stücke du hast, desto sicherer ist er (Statistik eben).
Nehmen wir Münzen, weil auf Münzen oft das Prägedatum zu lesen ist.
Du findest ein Portmonnaie mit einer 50-Pfennig-Münze als einzigem Inhalt. Die Jahreszahl ist nicht lesbar, aber du hast die Aufschrift Bank deutscher Länder. Dir ist klar, das Portmonnaie muss nach 1948 verloren gegangen sein. Du kannst den tpq auf den Zeitraum 1948 - 1950 festlegen. Zwar stand auf den Münzen ab 1950 regulär Bundesrepublik Deutschland, aber auf vereinzelten Fehlprägungen findest du auch noch 1950 die ältere Umschrift. Leider - aus Fragen der Datierung des Portmonnaies - ist es so, dass diese Münzen bis 2002 im Gebrauch waren, d.h. du kannst aufgrund dieser einzelnen Münze kaum sagen, wann im Zeitraum 1948 bis 2002 das Portemonnaie verloren ging. Hast du aber ein Portemonnaie mit 100 Münzen, dann wird es statistisch unwahrscheinlich, dass ausgerechnet die neueren Münzen fehlen und nur ältere Münzen darin sind. Natürlich kann der Zufall dazu führen, dass das Portemonnaie 2002 verloren ging und trotzdem die 100 Münzen nur aus den Jahren 1948 - 52 stammen. Aber das ist eben nicht wahrscheinlich. (Und in der Praxis könntest du ja auch untersuchen, wie alt das Portemonnie ist.) Du würdest also bei einem Fund mit 100 Münzen datiert auf die Jahre 1948 - 1952 zunächst einmal annehmen, dass dieses Portmonnaie nah an 1952 verloren gegangen ist.
Bei der Keramik-Seriation läuft das im Prinzip genauso.

Nur nebenbei, wenn Germanicus' Truppen 15 n.Chr. das Varusschlachtfeld beräumten/besuchten, was sicherlich ein paar Tage in Anspruch nahm, könnte/sollte nicht dabei auch die ein oder andere nachvarianische Münze verloren worden sein?
Theoretisch ja, ist in den vielen tausend Beiträgen dieses Threads auch schon mehrfach angesprochen worden, die Frage ist halt nur, wie wahrscheinlich so einzelne Münzverluste sind. Normalerweise führen wir unser Geld ja so mit uns, dass es uns nicht verloren geht.

Kann der Fund einer kurz nach Varus geprägten Münze also überhaupt ein k.-o.-Kriterium für eine mögliche Verortung der Varusschlacht sein?
Nein. Aber wie gesagt, es wäre nicht so wahrscheinlich. Aber natürlich kann auch ein Soldat des Germanicus bei der Nachverfolgung des Varusschlachtfelds eine Münze verloren oder auch absichtlich niedergelegt haben.
 
Danke für die ausführliche Antwort, auch wenn mir das Meiste schon klar war. Dass ich nicht alle 289 Seiten des Themas gelesen habe, möge man mir bitte verzeihen. Ganz sicher bin ich bezüglich Keramik nicht auf dem neuesten Stand, schon gar nicht rheinische Terra Sigillata betreffend.
Daher erschliesst sich mir immer noch nicht, wie die Keramik-Seriation im Fall Köln eine genauere(!) Datierung als die Münzen ermöglichen können soll? Den tpq von Keramik jahrgenau(!) bestimmen zu können, sprengt irgendwie meine Vorstellungskraft. Und warum wiegt er schwerer als der der Münzen?
Vorab Danke für die Geduld.
 
Danke für die ausführliche Antwort, auch wenn mir das Meiste schon klar war. Dass ich nicht alle 289 Seiten des Themas gelesen habe, möge man mir bitte verzeihen. Ganz sicher bin ich bezüglich Keramik nicht auf dem neuesten Stand, schon gar nicht rheinische Terra Sigillata betreffend.
Daher erschliesst sich mir immer noch nicht, wie die Keramik-Seriation im Fall Köln eine genauere(!) Datierung als die Münzen ermöglichen können soll? Den tpq von Keramik jahrgenau(!) bestimmen zu können, sprengt irgendwie meine Vorstellungskraft. Und warum wiegt er schwerer als der der Münzen?
Vorab Danke für die Geduld.

Weil du bei Münzen Umlaufzeiten von Jahrzehnten bis sogar Jahrhunderten veranschlagen musst (ich habe im Studium an einem Seminar teilgenommen, in dem mir polnische Münzschatzfunde ausgewertet haben, die Horte, die wir auswerteten, stammten aus dem 8. bis 10. Jhdt., dennoch fanden sich in ein paar Horten vereinzelte römische Münzen aus dem 2. bis 4. Jhdt.). Bei Keramik schaust du, welche Stück da sind und welche fehlen.
Jetzt stell dir vor, demjenigen, der im 10. Jhdt. den Hort zusammengestellt hat, kommt aus welchen Gründen auch immer in den Sinn, sich eine Münze herauszugreifen und er erwischt ausgerechnet die aus dem 4. Jahrhundert. Er verunfallt und kommt zu Tode.
1000 Jahre finden Archäologen seine durch glückliche Umstände erhaltenen Überreste und die Münze aus dem 4. Jhdt. Wenn sie die Münze als einziges Datierungsmittel haben, verschätzen sie sich um etwa 600 Jahre.
Das ist natürlich ein hypothetisches Extrembeispiel, was vor allem dazu dient, die Problematik der Münzdatierung zu skizzieren.
Die älteste in K‘Riese gefundene Münze ist ca. 200 Jahre vor den Schlussmünzen dort geprägt worden.
Bei Keramik hast du die „Laufzeiten“ eben viel kürzer, sie muss häufiger ersetzt werden, wechselt nicht andauernd ihre Besitzer, tw. ist sie sogar ein Wegwerfgegenstand (Terra sigillata natürlich nicht). Welche Stücke sind da, welche Stücke fehlen? Danach wird dann datiert.
 
Weil du bei Münzen Umlaufzeiten von Jahrzehnten bis sogar Jahrhunderten veranschlagen musst (ich habe im Studium an einem Seminar teilgenommen, in dem mir polnische Münzschatzfunde ausgewertet haben, die Horte, die wir auswerteten, stammten aus dem 8. bis 10. Jhdt., dennoch fanden sich in ein paar Horten vereinzelte römische Münzen aus dem 2. bis 4. Jhdt.). Bei Keramik schaust du, welche Stück da sind und welche fehlen.
Jetzt stell dir vor, demjenigen, der im 10. Jhdt. den Hort zusammengestellt hat, kommt aus welchen Gründen auch immer in den Sinn, sich eine Münze herauszugreifen und er erwischt ausgerechnet die aus dem 4. Jahrhundert. Er verunfallt und kommt zu Tode.
1000 Jahre finden Archäologen seine durch glückliche Umstände erhaltenen Überreste und die Münze aus dem 4. Jhdt. Wenn sie die Münze als einziges Datierungsmittel haben, verschätzen sie sich um etwa 600 Jahre.
Das ist natürlich ein hypothetisches Extrembeispiel, was vor allem dazu dient, die Problematik der Münzdatierung zu skizzieren.
Die älteste in K‘Riese gefundene Münze ist ca. 200 Jahre vor den Schlussmünzen dort geprägt worden.
Bei Keramik hast du die „Laufzeiten“ eben viel kürzer, sie muss häufiger ersetzt werden, wechselt nicht andauernd ihre Besitzer, tw. ist sie sogar ein Wegwerfgegenstand (Terra sigillata natürlich nicht). Welche Stücke sind da, welche Stücke fehlen? Danach wird dann datiert.

Die Frage die ich mir jetzt natürlich stelle ist wie genau die Scherbendatierung tatsächlich ist. Kann man damit Jahrgenau datieren? Also zumindest einen Zeitraum jahrgenau ausschließen?
 
Die Frage die ich mir jetzt natürlich stelle ist wie genau die Scherbendatierung tatsächlich ist. Kann man damit Jahrgenau datieren? Also zumindest einen Zeitraum jahrgenau ausschließen?
Sagen wir mal so: der Brandthorizont in Köln ist ja nicht isoliert. Das Gelände wurde in den Jahren nach den Brandt zunächst brachliegen gelassen. Daher unterscheidet sich der archäologsiche Befund von dem Brandgelände von den archäologsichen Befunden der Umgebung.
Jeder von uns, der noch Uromas Chinaware im Schrank stehen hat, weiß, dass auch Keramik nicht drei Mal im Jahr in Scherben zerfällt.
 
Sagen wir mal so: der Brandthorizont in Köln ist ja nicht isoliert. Das Gelände wurde in den Jahren nach den Brandt zunächst brachliegen gelassen. Daher unterscheidet sich der archäologsiche Befund von dem Brandgelände von den archäologsichen Befunden der Umgebung.
Jeder von uns, der noch Uromas Chinaware im Schrank stehen hat, weiß, dass auch Keramik nicht drei Mal im Jahr in Scherben zerfällt.

Ja, gut. Aber wie genau ist es nun konkret?
 
Ja, gut. Aber wie genau ist es nun konkret?

Ich schließe mich der Frage von @vindus an: wie erfolgt das im vorliegenden Fall, also bzgl der Kalkriese-Funde?

Wie gesagt, Burmeister ist ja der Auffassung, dass sich Germanicushorizont und der Varushorizont nicht unterscheiden. Es gab ja das Dissertationsprojekt vom Bergbaumuseum Bochum, dass die Metallgegenstände metallurgisch nach ihrer Herkunft untersuchen sollte, in der Hoffnung dadurch herauszufinden,wo die Legionen stationiert waren und sie somit identifizieren zu können. Ich habe davon schon lange nichts mehr gehört.
Für Kalkriese sind aber nun mal die Münzen nach bisheriger Befundlage das einzige Datiermittel, solange man nichts anderes findet. Eine C14-Analyse würde nichts bringen, weil zu unscharf. Damit kann man nicht genau genug datieren.

Nun widersprechen aber die Kölner Althistoriker Johannes Heinrichs und Werner Eck der Auffassung, dass der Germanicushorizont und der Varusshorizont sich nicht unterschieden und verweisen eben auf jene Münzen aus dem Brand von 14/15.

Für die Datierung des Kölner Brands ist Keramik herangezogen worden. In dem Brandareal fehlt Keramik, die in Nachbararealen gebraucht wurde. Da ist dann dort einfach eine Materiallücke, die in beanchbarten Arealen nicht anzutreffen ist.

Ähnliches hat Susanne Wilbers-Rost für Kalkriese mit Hilfe von nielloverziertem Silberschmuck versucht. Nielloverzierter Silberschmuck fehlt unter den Funden in Kalkriese, ist aber in tiberischer Zeit vorhanden (seit wann geanu, weiß ich nicht). per se finde ich diese Beobachtung interessant, ohne einschätzen können, wie valide sie ist. Wo Wilbers-Rost zu weit geht ist eine Mutmaßung, dass nach den Materialverlusten der Varusschlacht der Bedarf an neuen Ausrüstungsbestandteilen so hoch war, das die nach der Varusschlacht aufkommende Nielloverzierung quasi auch ein Resultat der Varusschlacht gewesen sei. ich halte das für zu kurz gesprungen, weil mit den verlorenen Ausrüstungen ja auch die menschen, die sie benutzen verloren gingen. Die mussten ja nicht neu ausgerüstet werden. Und die anderen Legionen bestanden schon.
 
Wie gesagt, Burmeister ist ja der Auffassung, dass sich Germanicushorizont und der Varushorizont nicht unterscheiden. Es gab ja das Dissertationsprojekt vom Bergbaumuseum Bochum, dass die Metallgegenstände metallurgisch nach ihrer Herkunft untersuchen sollte, in der Hoffnung dadurch herauszufinden,wo die Legionen stationiert waren und sie somit identifizieren zu können. Ich habe davon schon lange nichts mehr gehört.
Für Kalkriese sind aber nun mal die Münzen nach bisheriger Befundlage das einzige Datiermittel, solange man nichts anderes findet. Eine C14-Analyse würde nichts bringen, weil zu unscharf. Damit kann man nicht genau genug datieren.

Nun widersprechen aber die Kölner Althistoriker Johannes Heinrichs und Werner Eck der Auffassung, dass der Germanicushorizont und der Varusshorizont sich nicht unterschieden und verweisen eben auf jene Münzen aus dem Brand von 14/15.

Für die Datierung des Kölner Brands ist Keramik herangezogen worden. In dem Brandareal fehlt Keramik, die in Nachbararealen gebraucht wurde. Da ist dann dort einfach eine Materiallücke, die in beanchbarten Arealen nicht anzutreffen ist.

Ähnliches hat Susanne Wilbers-Rost für Kalkriese mit Hilfe von nielloverziertem Silberschmuck versucht. Nielloverzierter Silberschmuck fehlt unter den Funden in Kalkriese, ist aber in tiberischer Zeit vorhanden (seit wann geanu, weiß ich nicht). per se finde ich diese Beobachtung interessant, ohne einschätzen können, wie valide sie ist. Wo Wilbers-Rost zu weit geht ist eine Mutmaßung, dass nach den Materialverlusten der Varusschlacht der Bedarf an neuen Ausrüstungsbestandteilen so hoch war, das die nach der Varusschlacht aufkommende Nielloverzierung quasi auch ein Resultat der Varusschlacht gewesen sei. ich halte das für zu kurz gesprungen, weil mit den verlorenen Ausrüstungen ja auch die menschen, die sie benutzen verloren gingen. Die mussten ja nicht neu ausgerüstet werden. Und die anderen Legionen bestanden schon.

Dann wäre der Nielloverzierte Schmuck quasi eine Untermauerung der Münzdatierung. Nur bleibt die Frage eben wie scharf sich das mit der Keramikdatierung zeitlich abgrenzen lässt
 
Nur bleibt die Frage eben wie scharf sich das mit der Keramikdatierung zeitlich abgrenzen lässt
Der Brandhorizont in Köln ist unabhängig von Kalkriese oder irgendwelchen Varusschlachtdebatten datiert worden. Insofern, wenn sich die Archäologen auf eine Datierung des Brandes für den Winter 14/15 festlegen, dann scheint das schon sehr scharf zu sein.
 
Der Brandhorizont in Köln ist unabhängig von Kalkriese oder irgendwelchen Varusschlachtdebatten datiert worden. Insofern, wenn sich die Archäologen auf eine Datierung des Brandes für den Winter 14/15 festlegen, dann scheint das schon sehr scharf zu sein.

Dann ist das mit Kalkriese insgesamt betrachtet doch sehr (ich sage mal ~ 85/90 %) stark Varuslastig. Es passt auch von der Geographie her besser zu Varus als zu Germanicus.
 
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