Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Du stellst im Prinzip en passant und ohne konkrete Argumentation anhand einer Schädelkalotte unbekannten Alters in einem unbekannten Terrain, die du während eines unbekannten Zeitraums immer mal wieder gesehen hast, die wissenschaftliche Reputation der Anthropologin Großkopf von der Uni Göttingen und der Archäozoolgen Uerpmann von der Uni Tübingen in Frage. Sorry, da muss schon mehr kommen. Es sind eben nicht die Kalkrieser Archäologen gewesen, welche das Knochenmaterial ausgewertet haben sondern dieses ist aus den Händen gegeben worden.

Was Tierknochen aus mittelalterlichen Fundzusammenhängen angeht: Auch da ist natürlich immer die Bodenbeschaffenheit für die Erhaltung prägend. Gerade bei Küchenabfällen kommt dann aber noch hinzu, dass a) Siedlungen normalerweise nicht unbedingt dort angelegt sind, wo es besonders feucht (und damit der Boden übersäuert ist) und speziell für Knochen, dass sie, wenn sie mit Hitze in Kontakt kommen calcinieren. Sprich, sie ändern ihre molekulare Struktur. Calcinierte Knochen sind dauerhafter als nicht calcinierte (ungebrannte) Knochen.
Ich habe die Geschichte zur Auflockerung als reines Erlebnis eingestellt, weil ich mir, im Gegensatz zu den Tierknochen, die Kalotte gemerkt hatte und immer wieder über ihr erneutes Erscheinen verwundert war. Die Reste der Tierknochen weisen auf eine Vorbehandlung durch Kochen und nicht durch Braten hin. Dabei wird die Kalzinierungstemperatur längst nicht erreicht. Leider habe ich zur Zeit kein corpus delicti mehr zur Verfügung. Ich will hier auch keinesfalls die Reputation irgendwelcher Koryphäen anzweifeln, aber ich war jahrelang selbst im diagnostisch-analytischen Bereich wissenschaftlich tätig und weiß, wie die Ergebnisse zu bewerten sind.
 
Selbstverständlich gab es einen zweiten Besuch des Schlachtfeldes, wo eine Zerstörung des Tumulus und des alten Drusus-Altars festgestellt wurde. Und selbstverständlich wird das erwähnt. Während eine Wiedererrichtung des Tumulus nicht ratsam schien, baute man den Drusus-Altar wieder auf. Man hatte also Zeit. Und in dieser Zeit konnte man auch Erdgruben anlegen und die nun nur noch spärlich sichtbaren wenigen Gebeine hinein legen. Ganz im Gegensatz zum ersten Besuch, wo "überall bleichendes Gebein" auf eine Unmenge an Knochen hinweist, die man nie in Erdgruben untergebracht hätte. Über die Schoppe-Variante, dass Silius das getan haben könnte, haben wir ja schon diskutiert.

Selbstverständlich ist hier garnichts:
Das der Drususaltar zerstört worden ist kann der Germanicus sicherlich festgestellt haben, durch Auflösung der Belagerung des Kastells an der Lippe. Danach ist er aber zurück an den Rhein. Von einem erneuten Besuch des Schlachtfeldes kann also absolut keine Rede sein. Dieses muß schließlich deutlich weiter östlich gelegen sein. Die Information über die Zerstörung des tumulus kann aus ganz anderen Quellen, wie z.B. durch germanische Spione erfolgt sein. Ein erneutes Aufsuchen des Schlachtfeldes durch Germanicus geben die Quellen bzw. Tacitus überhaupt nicht her.
 
Selbstverständlich ist hier garnichts:
Das der Drususaltar zerstört worden ist kann der Germanicus sicherlich festgestellt haben, durch Auflösung der Belagerung des Kastells an der Lippe. Danach ist er aber zurück an den Rhein. Von einem erneuten Besuch des Schlachtfeldes kann also absolut keine Rede sein. Dieses muß schließlich deutlich weiter östlich gelegen sein. Die Information über die Zerstörung des tumulus kann aus ganz anderen Quellen, wie z.B. durch germanische Spione erfolgt sein. Ein erneutes Aufsuchen des Schlachtfeldes durch Germanicus geben die Quellen bzw. Tacitus überhaupt nicht her.

Wir haben absolut keine Hinweise auf die Lage des Altars im Verhältnis zum Schlachtfeld. Ein "alter Altar des Drusus" kann überall, wahrscheinlich an irgendeiner Straße, gelegen haben. Unter dieser Bezeichnung dürfte es sich auch nicht um das bekannte Tropeion handeln. Auch eine Reihenfolge der Handlungen am Altar bzw. Schlachtfeld ist nicht erkennbar. Aber so viel dürfte klar sein: man führt sein Heer nicht zu einem alten Altar, nur um den instand zu setzen. Aber wenn man nun mal in dessen Nähe ist, bietet sich das an. Und da Legionäre beschäftigt werden müssen, hatte ich ja schon die Idee, dass man in dieser Zeit nochmals Aufräumungsarbeiten (Gruben) auf dem Schlachtfeld ausgeführt haben könnte, vorausgesetzt, es liegt gleich nebenan.
 
Im Begleitheft zur Germanicus Sonderausstellung in Kalkriese findet sich ein sehr interessanter Beitrag von Stefan Burmeister mit dem Titel:
" Die Örtlichkeit der Varusschlacht - Eine anhaltende Kontroverse."

Nun ist natürlich diese "anhaltende Kontroverse" das wirklich interessante. Die Publikation stammt aus dem Jahr 2015 und ist daher recht aktuell. Burmeister geht zunächst auf den Münzhorizont ein. Da gibt es für uns natürlich nicht wirklich neues. Es gibt die Schlußmünzen (Gaius-Lucius Denar) es gibt die CVAL und VAR Gegenstempel und es gibt das Fehlen der lugdunum II asse. Und verbunden damit natürlich die Frage ob die Legionäre des Germanicus nicht auch das Geld des Varus dabeigehabt haben. Auch die Halternfrage wird erörtert, kann aber auch nicht wirklich Aufschluss geben.
Erkenntniss hinsichtlich der Münzen:
Keine Differenzierung hinsichtlich Varus oder Germanicus möglich.
Anmerkung meinerseits: Der Kölner Fund wird nicht erwähnt!

Zur Örtlichkeit der Schlacht:
Hier geht es natürlich auch um den Zusammenhang Kalkriese/Caecina. Es wird erwähnt, daß sich die Topographie von Tacitus geschildert durchaus mit Kalkriese in Verbindung bringen lässt. Aber nur mit Wohlwollen - denn diese Topographie lässt sich wohl auch auf zig andere Orte in Germanien zuordnen.Burmeister geht natürlich auch auf die hier schon oft zitierte Tacitus Textstelle hinsichtlich der Trennung des Heeres bezügl. des Rückmarsches an der Ems ein. Er erwähnt, daß eine überwiegende Mehrheit der Historiker davon ausgeht, dass eine solche Trennung erst an der Ems stattfand. Danach käme Kalkriese als Ort der Caecina Schlacht natürlich nicht in Frage. Allerdings gibt es auch Historiker, die von einer früheren Trennung,also vor der Ems ausgehen. Hier wird auch erwähnt, dass die Römer tw. ohne Punkt und Komma und daher fortlaufend geschrieben haben. Es fehlen in den Quellen also sinnstrukturierende Satzzeichen.

Burmeister mutmaßt, daß bei einer Trennung an der Ems die pontis longis Schlacht irgendwo zwischen Gronau, Coesfeld und Borken stattgefunden hat. Dies hätte aber einen großen Aktionsradius der Arminius Truppen zurfolge gehabt, den man erklären müßte.Hätten sich die Truppen vorher schon getrennt, dann müßte man das Varusschlachtfeld eher im Raum Herford /Detmold suchen.

Hinsichtlich der Knochengruben in Kalkriese taucht die Frage nach dem tumulus auf. Der ist aber zerstört und außerdem muß man natürlich von einem kilometerlangen Kampfareal ausgehen. Burmeister wirft eher die Frage auf, warum die Knochen, bzw. die Toten nicht verbrannt worden sind. Dies war das typische Bestttungsritual der Römer. Die Brandbestattung entsprach deren Sitte.

In der gleichen Veröffentlichung schreibt allerdings Achim Rost (für mich auch ziemlich glaubhaft), daß es durchaus Ausnahmen von dieser Regel gab - insbesondere in Kriegszeiten, wo es insbesondere darauf ankam die Toten mit Erde zu bedecken.

Im Endeffekt kommt Burmeister zum Schluß zu der Erkenntniss, daß es aufgrund der archäologischen Funde nicht möglich ist, trennscharf zwischen den Ereignissen 9 n.Chr. und 15 n.Chr. zu unterscheiden. Er bemerkt aber auch, daß die Fundlage in Kalkriese auf einen ausgestatteten Tross und damit eher auf Varus hinweisen. Ich selber möchte dieser Erkenntniss noch die Tatsache der Knochengruben hinzufügen - denn diese geben keinerlei Hinweis auf die Caecina Schlacht, sie weisen vielmehr auf Varus, bzw. Germanicus hin.
Dasselbe gilt im Übrigen für die Wallanlage.
Aber ich will hier nicht schon wieder zigmal diskutierte Dinge aufgreifen, sondern vielmehr auf die Ausführungen von Burmeister hinweisen, da diese sehr aktuell sind.

(vergl. Stefan Burmeister, Die Örtlichkeit der Varusschlacht - in: Archäologie in Deutschland, Sonderheft 08/2015)
 
Burmeister wirft eher die Frage auf, warum die Knochen, bzw. die Toten nicht verbrannt worden sind. Dies war das typische Bestattungsritual der Römer. Die Brandbestattung entsprach deren Sitte.

Allerdings auch der Germanen. Und normalerweise verbrannte man frisch Verstorbene, nicht sechs Jahre alte Skelette. Und wenn wir Cicero in seiner rechtsphilosophischen Schrift de legibus, II, 22 - 23 folgen, dann war das auch in Ordnung:
Et quod nunc communiter in omnibus sepultis venit usu <ut> humati dicantur, id erat proprium tum in iis quos humus iniecta contexerat, eumque morem ius pontificale confirmat. Nam prius quam in os iniecta gleba est, locus ille ubi crematum est corpus nihil habet religionis; iniecta gleba tum et ille humatus est et sepulcrum vocatur, ac tum denique multa religiosa iura conplectitur. Itaque in eo qui in nave necatus, deinde in mare proiectus esset, decrevit P. Mucius familiam puram, quod os supra terram non extaret...
Nebenbei gab es in Rom eine bekannte Familie, welche die Körperbestattung der Brandbestattung bevorzugte. Das war natürlich die Ausnahme von der Regel, zeigt aber, neben Cicero, dass das grundsätzlich kein Problem war.
 
Guten Morgen ELQ,

Stéphane Martin von der Universität Nimwegen macht folgende Aussage:

"Fundplätze in diesem Gebiet (Germania Superior) scheinen uns Germanicus leichter fassen zu lassen, obwohl er nie dort war. Eine Frage des Nachschubs? Lässt sich dieser Horizont besser in Fundorten mit längeren Laufzeiten und Kontinuitäten fassen?"

https://phantomgermanicus.wordpress.com/2015/07/03/post-haltern-germanicus/

Das Germanicus nie dort war stimmt nicht, da irrt er sich. Tacitus sagt ja, dass Germanicus die obergermanischen Legionen besucht hat.

Wenn du meine Münzverteilung bezüglich Germanicus dir nochmal ansiehst, fällt dir auf, dass die Spur von Süden her sich verfolgen lässt. Zwar hatte die 14. Legion kurz gezuckt, aber gemeutert hatte diese nicht.

Erinnere dich wo der Kenotaph seines Vaters Drusus stand - in Mainz. Mit welchen Truppen würdest du im Jahre 15 losziehen ? Mit Meuterern, oder mit jenen die nicht gemeutert haben ? Wen würdest du mehr vertrauen ? Die Meuterer hatte er mit Bedacht Caecina überlassen.

Grüße
 
Der neue Varuskurier ist erschienen und bereit zum Download:

Varusforschung in Kalkriese: Die Örtlichkeit der Varusschlacht (UNIVERSITÄT OSNABRÜCK)

(Allerdings frage ich mich, was die Publikation mittlerweile noch mit den Ausgrabungen des Schlachtfeldes in Kalkriese zu tun hat. :confused: Irgendwie werden die Themen mehr und mehr allgemeiner.)

Im nächsten Varus-Kurier wird sicher wieder etwas über Ausgrabungen in Kalkriese stehen, ab Mai soll dort ein neuer Suchschnitt aufgemacht werden.
 
Guten Abend,

der germanische Sporn aus Kalkriese gehörte einst einem Elbgermanen. Ein sehr gutes Vergleichsstück gibt es aus einem Kriegergrab von Sládkovičovo (Slowakei). Der Ort ist nur 60 km vom einstigen Carnuntum entfernt - jener Ort, von wo aus Tiberius seine Vorbereitungen gegen Marbod traf. Nehmen wir die Augenfibel (A45) aus Kalkriese (Harnecker 2008, 14 Taf. 14,205), welche ebenfalls elbgermanisch ist, und die Gegenstempel (TIB und CA) dazu, dann verdichten sich immer mehr die Anzeichen für Tiberius in Kalkriese. Da es Marbod war, welcher den Kopf des Varus an die Römer aushändigte, ist es nicht auszuschließen, dass jener auch Hilfstruppen nach der Katastrophe im Jahre 9 n. Chr. den Römern anbot. Das zeigen neue Funde am Rhein und in Raetien.

Germanischer Reitersporn

Im Übrigen gibt es aus einem Grab in Kempten ein Lugdunum II As (12/14 n. Chr.), welches zusammen mit einer Augenfibel A45 geborgen worden ist (Kempten: Mackensen 1978, 217 Taf. 19,1 Grab 64).

Lugdunum II Asse fehlen jedoch in Kalkriese.
 

Anhänge

  • Sporn.jpeg
    Sporn.jpeg
    139,6 KB · Aufrufe: 391
  • 2016-04-27.jpeg
    2016-04-27.jpeg
    63,4 KB · Aufrufe: 390
  • Sládkovi?ovo.jpg
    Sládkovi?ovo.jpg
    214,5 KB · Aufrufe: 391
Zuletzt bearbeitet:
Da es Marbod war, welcher den Kopf des Varus an die Römer aushändigte, ist es nicht auszuschließen, dass jener auch Hilfstruppen nach der Katastrophe im Jahre 9 n. Chr. den Römern anbot.
Nach Tacitus, ann 2,46 wäre es auszuschließen.

Denn als Marbod 17 n. Chr. sich vor Arminius nach Böhmen zurückziehen musste, schickte er "Gesandte zu Tiberius, um Beistand zu erbitten. Man antwortete ihm, er habe kein Recht, römische Hilfe gegen die Cherusker anzurufen, da er ja die Römer, als sie gegen denselben Feind kämpften, in keiner Weise unterstützt habe."

"... in Marcomanos concessit misitque legatos ad Tiberium oraturos auxilia. responsum est non lure eum adversus Cheruscos arma Romana invocare, qui pugnantis in eundem hostem Romanos nulla ope iuvisset."


Aber vielleicht müssen wir Tacitus wieder einmal so lange umschreiben, bis das Gegenteil herauskommt... :pfeif:


Das zeigen neue Funde am Rhein und in Raetien.

Germanischer Reitersporn
Und hier die Veröffentlichung, aus der die Abbildung herauskopiert wurde. Da werden die Funde am Rhein und in Raetien etwas anders interpretiert:

Die Augenfibeln Almgren 45-46 in Raetien und den Nordwestprovinzen. Eine Sachform als Spiegel historischer Vorgänge? | Bernd Steidl - Academia.edu
 
Guten Abend,

der germanische Sporn aus Kalkriese gehörte einst einem Elbgermanen.
Bildunterschrift: "Dieser Germanischer Reitersporn im Museum Kalkriese ist das einzige wirklich germanische Fundstück, da die meisten Germanen unter Arminius wahrscheinlich mit den Römern verbündete Hilfstruppen waren, die ebenfalls römische Ausrüstung trugen. "

Das wäre im Jahre 9 kaum anzunehmen. Nimmt man im Gegenteil einmal an, dass es sich bei diesem statistischen Ausrutscher vielleicht einfach nur um ein irgendwann verlorenes Stück handelt, so ist diese Jahreszahl noch unwahrscheinlicher.
 
Die dieser Argumentation inhärente Logik gibt weniger über die archäologische Fundsituation an sich preis als über das Wunschdenken ihres Verfassers.
 
Jo, zwei wissenschaftliche Fehler bzw. unhaltbare Behauptungen in einem Satz sind schon heftig.

Bildunterschrift:

(1), da die meisten Germanen unter Arminius wahrscheinlich mit den Römern verbündete Hilfstruppen waren,
(2) die ebenfalls römische Ausrüstung trugen. "
 
Zuletzt bearbeitet:
Jo, zwei wissenschaftliche Fehler bzw. unhaltbare Behauptungen in einem Satz sind schon heftig.
Komischerweise lautet im Link die Beschreibung etwas anders:
"Im Museum kann man eine große Menge an Ausrüstungsgegenständen der Römer betrachten. Da es sich bei den aufständischen Germanen zumindest teilweise um Hilfstruppen der Römer handelte, besaßen diese auch römische Waffen und Ausstattung.
Das einzige wirklich germanische Fundstück ist dieser Reitersporn (rechts)."
 
Die dieser Argumentation inhärente Logik gibt weniger über die archäologische Fundsituation an sich preis als über das Wunschdenken ihres Verfassers.
Ist das bei einem Fundverhältnis von eins zu mehreren tausend verwunderlich? Ein verhältnismäßig ähnlicher Sporn wurde übrigens auf einer Auktion (HermannHistorica)verhökert:
"Dornsporn,
römisch/germanisch, 2. bis 3. Jhdt. Bronze. Kegelförmiger Dorn mit doppelter Zierlinie auf kurzem Schaft mit geschweifter Vernietplatte und erhaltenen Befestigungsnieten. Gereinigter Bodenfund mit schöner Patina. Größe 4 cm."
Man beachte die Datierung!
 
Ist das bei einem Fundverhältnis von eins zu mehreren tausend verwunderlich? Ein verhältnismäßig ähnlicher Sporn wurde übrigens auf einer Auktion (HermannHistorica)verhökert:
"Dornsporn,
römisch/germanisch, 2. bis 3. Jhdt. Bronze. Kegelförmiger Dorn mit doppelter Zierlinie auf kurzem Schaft mit geschweifter Vernietplatte und erhaltenen Befestigungsnieten. Gereinigter Bodenfund mit schöner Patina. Größe 4 cm."
Man beachte die Datierung!

Was genau bedeutet "verhältnismäßig ähnlich" konkret?

Wenn man will, könnte man auch römische Münzen des Augustus und der Spätantike als "verhältnismäßig ähnlich" bezeichnen, wenn sich auf der Vorderseite ein Kaiserkopf samt Inschrift findet.

Bezüglich Datierung: Willst du Kalkriese zu einem spätantiken Ereignis machen?
 
Was genau bedeutet "verhältnismäßig ähnlich" konkret?

Wenn man will, könnte man auch römische Münzen des Augustus und der Spätantike als "verhältnismäßig ähnlich" bezeichnen, wenn sich auf der Vorderseite ein Kaiserkopf samt Inschrift findet.

Bezüglich Datierung: Willst du Kalkriese zu einem spätantiken Ereignis machen?
Schau ihn dir doch mal an: Hermann Historica - Internationales Auktionshaus für Antiken, Alte Waffen, Orden und Ehrenzeichen, Historische Sammlungsstücke
Nur ein etwas gröberer Guss. Könnte abgerissen worden sein, wenn sein Träger tief im Schlamm eingesunken war und den Fuß mit Gewalt heraus zog. Den gröberen Guss hätte ich aber eben zweihundert Jahre früher als später vermutet.
 
http://www.hermann-historica-archiv.de/auktion/hhm48.pl?f=NR&c=29808&t=temartic_1_D&db=kat48_1.txt

Mach ich, nachdem es jetzt einen link gibt. Danke dafür.
Nur ein etwas gröberer Guss.

Könnte der etwas gröbere Guss der Grund dafür sein, dass es später datiert wird als das andere Fundstück?
Den gröberen Guss hätte ich aber eben zweihundert Jahre früher als später vermutet.

Warum?
 
Aber vielleicht müssen wir Tacitus wieder einmal so lange umschreiben, bis das Gegenteil herauskommt...

Archäologisch gibt es gute Gegenargumente:

B. Steidl weiter:

"Das Spektrum der germanischen Metallfunde der Provinz findet seine besten Entsprechungen in Grabfunden der Stufe B1 in Böhmen und der Südwestslowakei. Nur als eines von vielen Beispielen sei die Brandbestattung eines gut gerüsteten Reiterkriegers aus Sládkovičovo in der Slowakei angeführt (Abb. 8). Hier lassen sich nicht nur gute Vergleiche zu den Trinkhornbestandteilen, sondern auch zur Schildfessel und den Pilzknöpfen finden."

Und genau in "Böhmen" finden wir auch jene Lugdunum I Asse mit dem VAR-Gegenstempel (Militky Monumenta Numismatica Band 2; 2013) - nicht jedoch Lugdunum II Asse.

Fassen wir zusammen:

* elbgermanische Augenfibeln A45/46 in Kalkriese, Haltern und Waldgirmes
* TIB-Rundgegenstempel auf Lugdunum I As in Kalkriese und Haltern - nicht jedoch in Waldgirmes (Dendro-Datum Leiter 9/10 n. Chr.)
* elbgermanischer Reitersporn in Kalkriese
* elbgermanische Augenfibeln an Militärplätzen in Raetien, Oberrhein und Niederrhein
* keine Lugdunum II Asse in Böhmen und zwischen Weser und Niederrhein

Es drängt sich mir mehr und mehr die Frage auf, welches Material stand Tacitus gegenüber Cassius Dio zur Verfügung ?

Cassius Dio berichtet ausdrücklich von Abordnungen einzelner Soldaten oder kleineren Kontingenten in einheimischen Siedlungen. Für Thüringen kann ich das im Fundgut der Siedlungen und Gräber nachweisen:

Siedlungen
* Seebach/Mühlhausen (Schuhnägel, Militaria)
* Schwabhausen (Münzen, Schuhnägel, Fibeln vom Typ Alesia, Aucissa)
* Göttern (Schuhnägel)

@ Opteryx

Aber am interessantesten bezüglich der Augenfibeln und Reitersporen sind die Bestattungsplätze:

Th. Grasselt (2009 - Ballstädt):

"Mit zwei bronzenen Aucissafibeln im prospektierten Fundmaterial haben wir sicher provinzialrömische Erzeugnisse vor uns. Mit ihnen gelangten Trachtteile in die germanischen Brandgräber von Ballstädt, die in großen Stückzahlen in römischen Lagern, in Haltern z.B. aus Eisen gefertigt, und auch in Kalkriese gefunden wurden und als römische Militärfibeln gelten."

Das Ende des Bestattungsplatzes wird am Beginn der 20er Jahre des 1. Jh. n. Chr. mit einer frühen Augenfibel festgesetzt.

"Zu den typologisch jüngsten Fibeln im prospektierten Material von Ballstädt zählt auch eine frühe Augenfibel mit "echten Augen." Sie bilden als geschlossene Kreise den Bügelkopf. Längs des Bügels und schräg über den Augen verläuft eine doppelte Tremolierstichreihe. Die Fibel ist aus Messing. Form und Material unterstreichen eine böhmische Verbindung der Ballstädter Krieger in das Zentrum des Markomannenreiches Marbods."

Weitere Sporen fanden sich im Gräberfeld von Bornitz/SA - in einem römischen Bronzeeimer zusammen mit einer frühen Augenfibel.

weitere Fundplätze mit "Stuhlsporen" (nach Dusek) der frühen Kaiserzeit sind:

* Höngeda/TH
* Gorsleben/TH (Nähe Hachelbich!)
* Schlotheim/TH
* Wulfen/SA
* Klein-Leppin/BRB (Elbe)


Grüße
 
Zurück
Oben