Burmeister sagt ja recht eindeutig (die ersten zehn Minuten kann man vorspulen, das ist nur Rumgelaber und Eigenwerbung der Podcastmacher), dass Kalkriese ein Ort der Varusschlacht sei, „oder, um wissenschaftlich redlich zu bleiben, ein möglicher Ort der Varusschlacht“. In Minute 31/32 führt Burmeister das noch mal aus, verweist auf Cassius Dio, der ja den Bericht eines viertägigen Marsches liefert, auf dem die Römer immer wieder angegriffen wurden. Deshalb eben ein Ort der Varusschlacht. In diesem Zusammenhang äußert er auch, dass Cassius Dio die beste Quelle sei, die wir zu Varusschlacht haben („das ist der beste Bericht eigentlich“). Ich möchte in diesem Punkt Burmeister dezidiert widersprechen: Es ist die ausführlichste, die ausgestaltetste Quelle, die wir zur Varusschlacht haben. Aber eben eine Quelle, die uns Probleme bereitet.
Zu den Münzen sagt Burmeister, dass bereits Mommsen 1885 auf Kalkriese als Ort der Varusschlacht hingewiesen habe, er bezeichnet aber die Argumentation als „ungenügend“ (1:15), „weil Münzen alleine können keinen Schlachtort ausweisen. Also hier gibt es sehr sehr viele Münzen....“ aber die konnten eben auf vielerlei Art dorthin gekommen sein. Was man zu Mommsens Zeit eben noch nicht hatte, waren Militaria.
Bei 1:36 ff. geht es dann um die Datierung. Da sagt Burmeister: „Wir stehen ja hier nun vor den Münzen und versuchen die Münzen als Kronzeugen heranzuziehen, da muss ich sagen, da komme ich gar nicht drauf, kann aber zumindest kurz erläutern, warum die Münzen bei der Identifikation als Ort der Varusschlacht eine so große Rolle gespielt haben - was sie inzwischen nicht mehr tun - ... in den Textquellen, da kriegen wir Jahreszahlen vorgegeben, da erfahren wir auch irgendwie Spätsommer 9 nach Christus, das lesen wir in den Textquellen.“ „In der Archäologie können wir in der Regel nicht so genau datieren.“ „Insofern haben wir erstmal keinen aus den archäologischen Funden herkommenden klären Anhaltspunkt für ne exakte Datierung des Fundplatzes. Nun kommen die Münzen ins Spiel.“ „Aber wenn ich mir die Münzen angucke, dann erkenne ich schnell das Problem.“ (Hier macht Burmeister dann einen Fehler, denn er geht auf die Gaius/Lucius-Denare und Aurei ein, die er auf 2 v. Chr. anstatt auf 2 n. Chr. als Enddatum datiert, da aber Lucius 2 und Gaius 4 n. Chr. starb, war 2 n. Chr. das Jahr, ab dem die Brüder nicht mehr als designierte Nachfolger Augusti propagiert werden konnten, man also die Prägung dieses Münztyps einstellte.) „Also, wie gesagt, wir kommen mit den Münzen nur bis zu zehn Jahre an die Varusschlacht heran. Aber wir haben noch ein numismatisches Signal, das ist ein bisschen jünger, nämlich sogenannte Gegenstempel, Kontermarken. Ausschließlich auf dem Buntmetall, dem Kleingeld.“
Burmeister weist dann darauf hin, dass die VAR-Gegenstempel die jüngsten numismatischen Belege sind.
„Wenn wir uns dann jetzt aber die Folgemünzen angucken, die nach der Varusschlacht geprägt wurden, im Jahr 10 nach, 12 nach, 14 nach, die finden wir hier gar nicht.“
„Jetzt kommt das große Aber.“ (1:43) „Wenn man dann nämlich noch mal guckt, sich die Münzen an den anderen Standorten, wo die Römer gewesen sind, an den anderen Standorten am Rhein, da wo Germanicus eigentlich gewesen sein müsste mit seinen acht Legionen, stellen wir fest, dass wir da genau das gleiche Geld haben. Das heißt, es sieht momentan so aus, dass die Soldaten des Germanicus das gleiche Geld im Portemonnaie hatten, wie die Soldaten des Varus. Ich kann anhand der Münzen nicht unterscheiden.“ Es fehle, so Burmeister, der methodische Hebel, um zwischen Varus und Germanicus zu unterscheiden.
Nun kennt Burmeister die archäologischen Funde und Befunde besser als ich und ich bin’s ich nur Feld-Wald-und-Wiesen-Historiker, mir fehlt im Gegensatz zu ihm das archäologische Handwerkszeug. Allerdings sind die Lager am Rhein alle über Germanicus hinaus belegt, ich kenne die Befundsituation freilich nicht, habe mich nie damit beschäftigt. Die Frage, die Burmeister sicher beantworten kann, die ich aber nicht beantworten kann ist: Gibt es einen klar identifizierbaren Germanicushorizont? Oder bezieht er sich im Grunde genommen auf die Zuweisung des Römerlagers Haltern zum historiographisch überlieferten Aliso? Denn in Haltern ist der Münzhorizont, wenn auch bei anderer Zusammensetzung der Gegenstempel, tatsächlich derselbe, wie in Kalkriese. Es gibt eine Reihe von Indizien dafür, dass Haltern Aliso ist und so wird es vom LWL ja mittlerweile auch präsentiert, aber bewiesen ist das nicht. An den Legionsstandorten am Rhein, die über 16 hinaus in Betrieb waren, dürfte der Horizont bis zum batavischen Aufstand wesentlich diffuser sein. Insofern verwundert mich die Aussage im Podcast schon.