jschmidt
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Aus dem Thema http://www.geschichtsforum.de/f16/meinung-zur-schreckensherrschaft-24266/ möchte ich eine bestimmte Fragestellung herauslösen und hier bearbeiten. [@Moderatoren: Die Frage kann auch an einen bestehenden Strang angehängt werden, z. B. an http://www.geschichtsforum.de/f16/frankreich-wird-erstmals-republik-machen-die-anderen-19464/ - das überlasse ich Euch.]
Mein Aufhänger ist folgende These:
I.
Ich erlaube mir diese These umzuformulieren:
II.
Diesen eher vordergründigen Einwand stelle ich jedoch beiseite, um eine allgemeinere Antithese zu formulieren:
1. Man könnte argumentieren: Die Emigration so vieler - insbesondere adliger - Menschen war bedauerlich, aber sozusagen eine 'innere Angelegenheit' Frankreichs. Allein die Tatsache, daß die Emigranten "die allgemeine Sympathie der hohen Geistlichkeit und des Adels in Europa für sich" hatten, führte nicht zur Intervention von außen.
2. Jedoch ließ sich die Sache der Emigranten nicht ablösen von der Ursache, nämlich von den in Frankreich zur politischen Macht gelangten revolutionären Grundsätzen. Die Emigration hatte "mehr zu bedeuten als eine gewöhnliche Flucht und Entfernung von dem vaterländischen Boden", nämlich sie "hatte mit den bestehenden Zuständen vor Allem eine sociale Analogie [1]. Den meisten Anklang fand sie bei den deutschen Reichsfürsten, die ja selbst durch das Vorgehen der constituirenden Versammlung verletzt worden waren [2], bei der katholischen Hierarchie des gesamten Abendlandes. [...] Der päpstliche Nuntius und der spanische Gesandte klagten, daß man an ihren Höfen weniger auf ihre Berichte aus Paris achte, als auf die Insinuationen der Emigrirten."
3. "Die Antipathie gegen das Wesen der revolutionären Ideen, welche die Emigration anregte, war stärker als die Rücksicht auf die in Frankreich zur Consolidation aufstrebende Staatsgewalt, welche die Gesandten empfehlen mochten. Die Politik suchte den Frieden [3], die universalen Gegensätze stellten den Krieg in Aussicht." [Hervorh. js.]
Walter Bußmann paraphrasiert (Handbuch der Europäischen Geschichte, Bd. 5, S. 17 f.):
Frage also: Wie chancenreich war aus heutiger Sicht jene "ideologische Koexistenz" zwischen den alten Regimen in Europa und dem Stachel in ihrem Fleisch, nämlich dem revolutionären Frankreich?
[1] Das lese ich so: Die Emigranten kamen, ob erwünscht oder nicht, immerhin zu ihresgleichen, und sie führten ihresgleichen vor Augen, was geschehen konnte, wenn die Revolution übergriff.
[2] Anspielung auf die Schmälerung der Rechte des Reiches im Elsaß usw. (vgl. Demel: Reich, Reformen und sozialer Wandel 1763-1806, S. 296 ff.)
[3] Gemeint ist der diplomatische Apparat.
Mein Aufhänger ist folgende These:
Die Koalition gegen das revolutionäre Frankreich - zunächst Österreich und Preußen, dazu dann noch Piemont-Sardinien - formierte sich natürlich nicht wegen der Revolution an sich, sondern infolge der Flucht von Louis XVI. und der dadurch entstandenen Frage um die Absetzung des Königs bzw. die Abschaffung der Monarchie.
I.
Ich erlaube mir diese These umzuformulieren:
- Wäre der König nicht geflohen, hätten Absetzung und Abschaffung nicht zur Diskussion gestanden; infolgedessen wäre es auch nicht zur Formierung einer Koalition gekommen.
II.
Diesen eher vordergründigen Einwand stelle ich jedoch beiseite, um eine allgemeinere Antithese zu formulieren:
- Gegen das revolutionäre Frankreich - ein Land, in welchem die Staatsgewalt vom Volke ausgeht, das die ständische Gesellschaft abschafft, Menschenrechte formuliert usw. - hätte sich auf jeden Fall, also unabhängig von der Flucht usw., eine Koalition formiert.
1. Man könnte argumentieren: Die Emigration so vieler - insbesondere adliger - Menschen war bedauerlich, aber sozusagen eine 'innere Angelegenheit' Frankreichs. Allein die Tatsache, daß die Emigranten "die allgemeine Sympathie der hohen Geistlichkeit und des Adels in Europa für sich" hatten, führte nicht zur Intervention von außen.
2. Jedoch ließ sich die Sache der Emigranten nicht ablösen von der Ursache, nämlich von den in Frankreich zur politischen Macht gelangten revolutionären Grundsätzen. Die Emigration hatte "mehr zu bedeuten als eine gewöhnliche Flucht und Entfernung von dem vaterländischen Boden", nämlich sie "hatte mit den bestehenden Zuständen vor Allem eine sociale Analogie [1]. Den meisten Anklang fand sie bei den deutschen Reichsfürsten, die ja selbst durch das Vorgehen der constituirenden Versammlung verletzt worden waren [2], bei der katholischen Hierarchie des gesamten Abendlandes. [...] Der päpstliche Nuntius und der spanische Gesandte klagten, daß man an ihren Höfen weniger auf ihre Berichte aus Paris achte, als auf die Insinuationen der Emigrirten."
3. "Die Antipathie gegen das Wesen der revolutionären Ideen, welche die Emigration anregte, war stärker als die Rücksicht auf die in Frankreich zur Consolidation aufstrebende Staatsgewalt, welche die Gesandten empfehlen mochten. Die Politik suchte den Frieden [3], die universalen Gegensätze stellten den Krieg in Aussicht." [Hervorh. js.]
Walter Bußmann paraphrasiert (Handbuch der Europäischen Geschichte, Bd. 5, S. 17 f.):
"Deutlicher wurde er [Ranke], indem er alle persönlichen Momente wegließ und die These aufstellte, daß die kriegerische Auseinandersetzung der Revolution mit den Mächten des alten Europa erfolgen mußte, weil hier zwei Prinzipien sich gegenüberstanden, die nicht friedlich nebeneinander leben konnten. So groß Rankes Bedürfnis nach Harmonie in der 'Entwicklung' der Geschichte auch war, so schloß er in diesem Falle eine 'ideologische Koexistenz' kategorisch aus."
Flucht, Absetzung und Hinrichtung des Königs waren insoweit nicht mehr als der Anlaß zum Handeln.
Frage also: Wie chancenreich war aus heutiger Sicht jene "ideologische Koexistenz" zwischen den alten Regimen in Europa und dem Stachel in ihrem Fleisch, nämlich dem revolutionären Frankreich?
[1] Das lese ich so: Die Emigranten kamen, ob erwünscht oder nicht, immerhin zu ihresgleichen, und sie führten ihresgleichen vor Augen, was geschehen konnte, wenn die Revolution übergriff.
[2] Anspielung auf die Schmälerung der Rechte des Reiches im Elsaß usw. (vgl. Demel: Reich, Reformen und sozialer Wandel 1763-1806, S. 296 ff.)
[3] Gemeint ist der diplomatische Apparat.