Du tust so, als habe jemand behauptet, der Protestantismus sei der einzige entscheidende Faktor gewesen
Ich tue nicht nur so, Dion behauptet das in einer Tour.
und man könne aus der Anzahl protestantischer Wahlberechtigter mit einer simplen Multiplikation das Wahlergebnis vorhersagen.
Ich habe nie behauptet, dass man damit ein Wahlergebnis hätte vorhersagen können.
Was ich behaupte ist, dass wenn man annimmt, dass die Konfession ein jedenfalls sehr starker Faktor bei der Wahlentscheidung gewesen ist, und dass Protestanten auf Grund der Konfession grundsätzlich deutlich anfälliger dafür gewesen wären NSDAP zu wählen, das statistisch bei einer überdurchschnittlichen Anzahl von Protestanten zu einer deutlich überdurchschnittlichen Tendenz von NSDAP-Stimmen kommen musste.
Das es so einfach nicht, das ist mir auch klar, aber letztendlich ist dieser versimpelte Modell die Antwort auf versimpelte Thesen.
Natürlich sind andere Faktoren, wie Stadt-Land-Gefälle, Regionalpartein mit Bindewirkung und so weiter realiter mit im Spiel und man wird sie berücksichtigen müssen.
Nur wenn man sie berücksichtigt, kann man eben keine Thesen à la "das liegt am Protestantismus" oder à la "die Konfession hatte entscheidenden Einfluss bei der Wahl" aufstellen.
Sondern dann könnte man allenfalls noch Dinge postulieren, wie "Die Konfession konnte Einfluss haben und in gewissem Maße Bindewirkungen entwickeln" oder "Protestanten zeigten sich für den Nationalsozialismus anfälliger als Katholiken, sofern sie nicht von den Arbeitermillieus und ihren Organisationen aufgefangen wurden.
Mit dieser Scheinargumentation setze ich mich nicht auseinander.
Musst du auch gar nicht. Diese Argumentation ist einfach die Antwort auf die Vorstellung, man könnte daraus, dass Protestanten überdurchschnittlich die NSDAP wählen schließen, dass dies am Protestantismus liegen würde und religiöse Gesichtspunkte hier die Wahlen entschieden hätten.
Da du solche Modelle nicht vertrittst, musst du dich davon auch nicht angesprochen fühlen.
Was das weitere angeht, jetzt müssen wir etwas differenzieren:
Mir ist natürlich klar, dass weder du und Nikias keine so extremen Postulate vertretet, wie Dion, im Hinblick auf die Vorstellung eines sehr starken Einflusses der Konfession, setzt ihr beide à priori etwas voraus, dass so wie ich das sehe nicht belegt ist und wofür ich gerne Belege sehen würde.
Fangen wir mit den Protestanten an:
- Welchen Beleg gibt es dafür, dass die Protestanten ihre Wahlentscheidungen nach konfessionellen Gesichtspunkten trafen? Vielleicht bedingte die Konfession eine negative Wahlentscheidung, dahingehend die Zentrumspartei als Wahloption auszuschließen, aber welche Partei ging mit einem dezidiert protestantsichen Programm auf Stimmenfang?
Eigentlich keine, außer in Ansätzen vielleicht die DNVP, deren eigentlicher Markenkern aber nicht der Protestantismus war, sondern der Umstand die Rechtsaußen-Partei zu sein und die in dem Moment abgewirtschaftet hatte, als sie das zwischen 1928 und 1930 verlor.
Ab 1932 war die DNVP eine völlig zu vernachlässigende Größe, die keine größeren Wählergruppen mehr band.
Selbst wenn für einige der 5-8% die 1932 noch DNVP wählten der Protestantismus dafür eine Rolle gespielt hätte, wäre das eine völlig zu vernachlässigende Größe, zumal die DNVP ja auch für andere Dinge, allen vorran für die Agrarlobby und Restaurationsphantasien stand, wahrscheinlich auch am Ehesten noch die Partei der Reichswehr war.
Andere Parteien, die irgendwas protestantsiches und die 1932 noch irgndeine nennenswerte Bedeutung hatten, gab es nicht mehr.
Katholiken:
- Zentrum und BVP erreichten Konstant um die 15%. Der Anteil der Katholiken in Deutschland betrug 32, irgendwas Prozent heißt, selbst wenn wir annehmen dass beide Parteien im Grunde kaum protestantische Wähler hatten hat weniger als jeder zweite Katholik die Zentrumspartei gewählt.
Wie viele Katholiken die Zentrumspartei gewählt haben, weil ihnen die katholischen Interessen wichtig waren oder sie den Wahlempfehlungen ihrer Geistlichen folgen und wie viele dass aus ganz anderen Gründen, wie Bayerischen Regionalinteressen oder dem Wunsch nach einer konservativen Politik, die sich im Rahmen der Republik bewegte, wissen wir nicht, da kann man nur mutmaßen.
Selbst wenn wir mal annehmen, dass alle Zentrumswähler durch ihre Konfession positiv an das Zentrum gebunden gewesen wären, hätte die Religion als wirkmächtiger Faktor für die positive Wahlentscheidung für eine bestimmte Partei für 15% eine bedeutende Rolle gespielt, wenn wir großzügig sind und den 1932 bei der DNVP verbliebenen Stammwählern attestiert, dass für sie das Luthertum vielleicht ein Faktor war um bei der DNVP zu verbleiben, wären es vielleicht 20% gewesen, aber auch das wird schon stark übertrieben sein, für viele Wähler wird das Gesamtpaket der Parteien oder anderen Interessen, wie z.B. bayerische Regionalinteressen bei der BVP einen Teil der Wahlmotivation ausgemacht haben.
Aber selbst wenn wir bei diesen deutlich überoptimistischen 20% mal bleiben wollen, hätte auch dann für die ganz überwiegende Mehrheit und im Übrigen auch für die Mehrheit der Katholiken die Konfession keine positive Wahltendenz intendiert, sondern allenfalls negativ den Ausschluss verschiedener Wahloptionen.
Der war für die leetztendliche Wahlentscheidung zwischen den verbliebenen Optionen aber nicht unbedingt entscheindend.
Was man Zentrum und BVP attestieren kann, ist dass sie wohl den stabilsten Anhang hatten, heißt dass sie eine sehr starke Bindewirkung im Hinblick auf ihre Kernklietel hatten.
Inwiefern dieser einzig aus der Konfssion herrührte ist wieder spekulativ, gerade bei der BVP wird auch bayrischer Regionalpatriotismus eine Rolle gespielt haben.
Selbst wenn wir die Religion hier aber als den entscheidenden Bindefaktor betrachten, bei den beiden Arbeiterparteien und auch bei der NSDAP waren offenbar wirkmächtigere pull-faktoren am Werk, denn sie mobilisierten ziemlich konstant einen größeren Anhang.
Die Wahlergebnisse von KPD, SPD und NSDAP seit 1928 bis 1932
KPD SPD NSDAP
1928 10,6% 29,8% 2,6% = 43%
1930 13,1% 24,5% 18,3% = 55,9%
1932 (1) 14,6% 21,6% 37,4% = 73,6%
1932 (2) 16,9% 20,4% 33,1% = 70,4%
Das sind die Wahlergebnisse der größeren Parteien die damit warben entweder einen laizistischen Kurs zu fahren und der Begünstigung einer Religion eine Absage zu erteilen (KPD und SPD) oder die alles Christliche von Grund auf verachteten und deren Ersatzreligion nationailistische Großmanssucht und Rassismus waren (NSDAP).
Kleinere Parteien die eher säkular/laizistsich eingestellt waren, wie die DDP habe ich jetzt mal außen vor gelassen.
Angesichts des Umstands, dass sich seit 1930 die Mehrheit der Bevölkerung konsequent für Parteien entschied die keine konfessionelle Interessenpolitik betrieben und seit 1932 über 70% der Wähler, wie kann man da zu dem Schluss kommen, dass die Konfession für die Wahlentscheidung ein besonders gewichtiger faktor gewesen wäre?
Ich kann ehrlich gesagt nicht folgen.
Das sich die Katholiken letztendlich möglicherweise durch ihre Konfession stärker gebunden fühlten, als die Protestanten nicht zu den Nazis zu gehen, ist möglich, sehe ich aber nicht als erwiesen an, schließlich haben uns die Wähler keine personalisierten Wahlscheine mit Begründung ihres Wahlenschlusses hinterlassen.
Eine positive Bindewirkung der Konfessionen war aber bei weitem kein besonders gewichtiger Faktor. Dadurch ließen sich vileicht 10-20% der Wähler (wenn es hoch kommt) auf Zentrum, BVP und DNVP festlegen, die weit überwiegende Mehrheit hat sich davon nicht angesprochen gefühlt und was die Masse betrifft, scheint etwas die Zugehörigkeit zur Arbeiterschicht ein wesentlich wirksameres Bindemittel gewesen zu sein, als die Konfession, ebenso die nationalistische und rassistische Weltdeutung.