Krise und Ende der DDR

Natürlich kann ein Staat nicht pleite gehen.
Natürlich kann er das - hat doch auch im Laufe der Geschichte einige Staatsbankrotte gegeben.

keine Regierung versucht ernsthaft "gegen das Volk" zu regieren, im Gegenteil wird auch in Diktaturen versucht "für das Volk" zu regieren.
Nun ja, "gegen das Volk regieren" als Selbstzweck macht natürlich keine Regierung.
Aber es gibt genügend Regimes, denen ihr Volk letztlich ziemlich egal ist und die sich bei ihrem Regierungshandeln nur peripher darum kümmern, ob das den Einwohnern nützt oder schadet.
Das gilt insbesondere für Länder, in denen sich die Regierung im wesentlichen nicht durch die Wertschöpfung im Lande finanziert (sondern z. B. durch Entwicklungshilfe oder Rohstofferträge). Da besteht "regieren" im wesentlichen darin, daß sich die Mitglieder der regierenden Schicht einen möglichst guten Platz an der Futterkrippe sichern. Das Volk ist da nur störend und nebensächlich.
 
Natürlich kann er das - hat doch auch im Laufe der Geschichte einige Staatsbankrotte gegeben.

Eine "Pleite" wie wir sie aus dem zivilrechtlichen Bereich kennen, kann ein Staat in der Tat nicht hinlegen
Was sich schon an den Folgen lt. wiki ablesen lässt.
Folgen für den Staat [Bearbeiten]
Mit dem Staatsbankrott entledigt sich der Staat seiner finanziellen Verbindlichkeiten gegenüber seinen verschiedenen Gläubigern. Dies führt naturgemäß zu einer Entlastung des Staatshaushalts um die Höhe der Zinsen und Tilgungen.
Auf der anderen Seite ist mit dem Staatsbankrott immer auch ein Image- und Vertrauensverlust verbunden. Hierdurch ist der Staat zeitweise nicht mehr in der Lage, Kreditaufnahmen am Kapitalmarkt vorzunehmen.
Wenn das die Folgen einer Insolvenz im Geschäftsleben wären, ....

Das ist eher ein Vergleich oder ein Moratorium.
 
@El Quijote, @Repo, @R.A. und @Silesia:
Ich will und kann jetzt nicht auf alles, was ihr inzwischen geschrieben habt, eingehen, weil es erstens schon viel zu viel ist und zweitens würde ich mich dabei nur verzetteln – so wie ihr jetzt gerade.

Deshalb dazu nur soviel:

Ich hab ja nun damals alles live miterlebt und hab mich auch politisch engagiert, somit weiß ich alles aus eigener Erinnerung.
Es ist natürlich richtig, daß der gesamte Prozeß irgendwie rasend schnell ablief – manchmal kam man mit dem Umdenken kaum mit, das weiß ich noch. Ein solches Beispiel war auch die Maueröffnung.
Aber in dem Moment, wo die sich Menschen wirklich entscheiden konnten, wie es im Groben weiter gehen sollte, haben sie es sehr eindrucksvoll getan.
Und wenn jemand sagt, es wäre alles nur so gekommen, weil Bundeskanzler Kohl die Leute im Osten beeinflusst hat, dann kann ich nur sagen:
Klar, er hat die politische Situation auch für seine Politik ausgenutzt und hat dabei mehr versprochen, als er halten konnte. Aber auch hier gilt:
In der Frage der politischen Einheit Deutschlands waren sich selbst CDU und SPD einig. Es gab hier nur Unterschiede beim Weg und natürlich ist die CDU wesentlich unkritischer an die Sache herangegangen, als die SPD. Aber daß irgend jemand mundtot gemacht wurde, habe ich wirklich nicht erlebt. Wenn jedoch andererseits ein Lafontaine ankam und einen Umtauschkurs von 1:5 forderte, wie 1990 geschehen, dann hatte sich das für ihn natürlich auch erledigt. Rechne doch mal einen Lohn von durchschnittlich 800-900 M 1:5 um. So einer wird logischerweise nicht gewählt.
Euphorie gab es natürlich, aber es wurde gerade damals auch über alles, was politisch passierte, sehr eingehend diskutiert – viel mehr als heute. Daß man dabei den alten Machthabern nicht mehr zuhörte, ist natürlich klar, denn die wollte man ja weg haben – und darüber war man sich in der Masse einig:
Die Kommunisten mussten von der Macht getrennt werden, eine konvertible Währung musste her, am besten die D-Mark und wenn man das hat, dann kommt auch irgendwann die Einheit.
Strittig war also nicht das Ziel, sondern nur der Weg. Da gab es dann sehr unterschiedliche Meinungen, so z. B. wie schnell die Einheit nun kommen würde und nicht wenige meinten, es würde so ca. 5 Jahre dauern. Die CDU hat es dann innerhalb eines Jahres geschafft.
Insofern kann ich nichts Unwahres in #14 feststellen und bleibe bei meiner Aussage.
Die Teilung Deutschlands konnte keinen Bestand haben, weil das Volk sie nicht wollte.
Dagegen konnte niemand etwas tun.
:)
 
Nur zur Klarstellung: Mein Beitrag sollte Deinen nicht widerlegen, sondern ergänzen.
Das hatte ich auch nicht so verstanden, :winke:
sondern ich wollte den ökonomischen Hintergrund für genau diese Entwicklung skizzieren, die so offensichtlich war und die Du angesprochen hast. Insofern habe ich das auch gleich ergänzt.

@Barbarossa:
Die Diskussion oben würde ich ebenfalls als Ergänzung zu Deinen Ausführungen verstehen. Der Fokus war nur ein anderer: Wenn die wirtschaftliche (insbesondere die betriebliche) Lage der DDR 1989 desolat war, interessiert das wieso und warum, angesichts der Zielstellungen des Staates. Diese negative Entwicklung lief über Jahrzehnte und trifft 1989 mit der politischen Entladung zusammen. Dass sie diese dann mit befördert hat, kann man sicher sagen, ohne nun unbedingt gewichten zu müssen oder Anteile betonen zu wollen.
 
Entschuldigt, falls das zu offtopic ist, aber hat für die Menschen '89 der Aufstand von '53 eine konkrete Rolle gespielt?
 
@Scarlett: Entschuldigt, falls das zu offtopic ist, aber hat für die Menschen '89 der Aufstand von '53 eine konkrete Rolle gespielt?

Besonders in der intellektuellen Oppositionsszene, die einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" forderte, zu Anfang ja. Die normalen Bürger interessierte das weniger, nach dem Mauerfall eigentlich gar nicht mehr.
 
...Wenn die wirtschaftliche (insbesondere die betriebliche) Lage der DDR 1989 desolat war, interessiert das wieso und warum, angesichts der Zielstellungen des Staates. Diese negative Entwicklung lief über Jahrzehnte und trifft 1989 mit der politischen Entladung zusammen. Dass sie diese dann mit befördert hat, kann man sicher sagen, ohne nun unbedingt gewichten zu müssen oder Anteile betonen zu wollen.
Wir hatten hier in einem anderen Pfad aber auch schon mal herausgearbeitet, daß die DDR durchaus noch mehrere Jahre hätte weiter existieren können, wenn sich die politische Weltlage nicht grundlegend geändert hätte.
Der Pfad: http://www.geschichtsforum.de/f46/wie-nah-war-die-ddr-1989-am-staatsbankrott-13508/
und vor allem daraus der Link:
http://www.memo.uni-bremen.de/docs/m2706b.pdf
und noch eine Analyse:
DDR-Lexikon: Analyse der konomischen Lage der DDR mit Schlufolgerungen
 
Zuletzt bearbeitet:
Barbarossa schrieb:
Wir hatten hier in einem anderen Pfad aber auch schon mal herausgearbeitet, daß die DDR durchaus noch mehrere Jahre hätte weiter existieren können, wenn sich die politische Weltlage nicht grundlegend geändert hätte.

Sehr richtig,

sofern die ökonomoischen Folgen weiter von der Bevölkerung getragen werden. Das ist bei einem Staat eben eine Frage der Schmerzgrenze.
 
Entschuldigt, falls das zu offtopic ist, aber hat für die Menschen '89 der Aufstand von '53 eine konkrete Rolle gespielt?
Nicht direkt.
Die Älteren (z. B. auch meine Eltern) hatten aber durchaus Angst, daß sich die Ereignisse von ´53 wiederholen könnten.
Insofern würde ich einschätzen, daß die Niederschlagung des Aufstandes von ´53 so zur Einschüchterung der Menschen beitrug, daß sie dann erst wieder 1989/90 gegen die SED aufbegehrten - mit dem Vertrauen auf Gorbatschow und seiner Perestoika im Rücken. Selbst der Mauerbau von 1961 wurde ja dann widerstandslos hingenommen. Bis dahin flüchteten jedoch noch etwa 3 Millionen Menschen in den Westen. Das war zwischen 1953-1961 die einzige Form des Widerstandes die den Menschen noch blieb.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wir hatten hier in einem anderen Pfad aber auch schon mal herausgearbeitet, daß die DDR durchaus noch mehrere Jahre hätte weiter existieren können, wenn sich die politische Weltlage nicht grundlegend geändert hätte.
Der Pfad: http://www.geschichtsforum.de/f46/wie-nah-war-die-ddr-1989-am-staatsbankrott-13508/
und vor allem daraus der Link:
http://www.memo.uni-bremen.de/docs/m2706b.pdf
und noch eine Analyse:
DDR-Lexikon: Analyse der konomischen Lage der DDR mit Schlufolgerungen

Wie habt Ihr denn das alles erlebt? Keine Angst im Nacken, was ist mit den 400.000 Rotarmisten im Land? Was machen die?

Ich habe mich unmittelbar vor dem Gorbatschow-Besuch mit einem über Ungarn Geflohenen unterhalten. Er war sich sicher, dass nach Gorbis Abreise die Sache gewaltsam "geregelt" werden würde.

Im November erzählte mir einer aus Leipzig, mit dem ich länger schon eine Brieffreundschaft hatte, (inzwischen leider eingeschlafen) dass jetzt alles viel demokratischer würde, Mansur wohl Staatspräsident würde, aber eine Wiedervereinigung von den Sowjets nicht akzeptiert werden könne.
Sah ich irgenwie auch so, aber die stille Hoffnung hatte ich natürlich.

Schon vor der Benutzung des Wortes ist man zurückgeschreckt.
 
Man hört immer wieder, dass Gorbi noch Ostpreußen als Zugabe draufpacken wollte - Kohl und Genscher es aber nicht einmal geschenkt wollten. Was ist eigentlich da dran???
 
Wie habt Ihr denn das alles erlebt? Keine Angst im Nacken, was ist mit den 400.000 Rotarmisten im Land? Was machen die?

Ich habe mich unmittelbar vor dem Gorbatschow-Besuch mit einem über Ungarn Geflohenen unterhalten. Er war sich sicher, dass nach Gorbis Abreise die Sache gewaltsam "geregelt" werden würde...
Ulkigerweise hatte ich und meine Bekannten und Verwandten weniger Angst vor den Russen, als vor den "eigenen" "bewaffneten Organen". Gorbatschow machte uns ja noch Hoffnung auf Veränderungen, doch Honecker zerschlug sie. Als die "Friedliche Revolution" begann, war ich dabei sogar noch realistischer, als manche Kollegen von mir, als ich meinte, ich würde Honecker zutrauen, daß er auch diesmal schießen läßt. Einige Kollegen meinten jedoch, daß es über einen Einsatz von Gummiknüppeln nicht hinaus gehen würde. Wie sich in Dokus dann später herausstellte, wurde aber ein Waffeneinsatz von Seiten der Stasi durchaus einkalkuliert.

Im November erzählte mir einer aus Leipzig, mit dem ich länger schon eine Brieffreundschaft hatte, (inzwischen leider eingeschlafen) dass jetzt alles viel demokratischer würde, Mansur wohl Staatspräsident würde, aber eine Wiedervereinigung von den Sowjets nicht akzeptiert werden könne.
Sah ich irgenwie auch so, aber die stille Hoffnung hatte ich natürlich.

Schon vor der Benutzung des Wortes ist man zurückgeschreckt.
Mansur? Kenne ich nicht? Wer war das?

Aber in diesem Punkt gebe ich dir natürlich recht. Gorbatschow sperrte sich lange gegen eine Wiedervereinigung, aber Kohl regelte das mit einem Besuch bei ihm.
 
Man hört immer wieder, dass Gorbi noch Ostpreußen als Zugabe draufpacken wollte - Kohl und Genscher es aber nicht einmal geschenkt wollten. Was ist eigentlich da dran???
Also davon habe ich bis jetzt wirklich noch nichts gehört. :confused:
Im Gegenteil - Kohl mußte ja im Gegenzug zur Einheit die Oder/Neiße-Grenze endgültig anerkennen.

Edit:
So! Und nun fängt gleich wieder Fußball an!
:D
 
Zuletzt bearbeitet:
Mansur? Kenne ich nicht? Wer war das?

Aber in diesem Punkt gebe ich dir natürlich recht. Gorbatschow sperrte sich lange gegen eine Wiedervereinigung, aber Kohl regelte das mit einem Besuch bei ihm.

Er meinte wahrscheinlich Kurt Masur. Aber das Kurt Masur als Staatspresident im Gespräch war habe ich nie gehört.

Gorbatschew selbst wird sich vieleicht gar nicht gesträubt haben, aber es gab ja wohl genug Leute in der SU die dort gerne mehr herausgeschlagen hätten.
Noch heute wirft man ihm in Russland vor, die DDR zu billig verscherbelt zu haben.
 
Masur? Kenne ich nicht? Wer war das?

.

Der Gewandhauskapellmeister.
Aus wiki:
Am 9. Oktober 1989, dem Tag der Leipziger Montagsdemonstrationen, gehörte Masur zu den sechs prominenten Leipzigern (neben den Sekretären der SED-Bezirksleitung Kurt Meyer, Jochen Pommert und Roland Wötzel, dem Kabarettisten Bernd-Lutz Lange und dem Theologen und Stasi-Mitarbeiter Peter Zimmermann), die den Aufruf "Keine Gewalt!" verfassten. Dieser Aufruf wurde während der Demonstration mehrfach über die Lautsprecher des Leipziger Stadtfunks verbreitet und trug so maßgeblich zu deren friedlichen Ablauf bei. Am 27. Dezember 1989 wurde Masur als Erster nach der politischen Wende in der DDR zum Ehrenbürger der Stadt Leipzig ernannt.

Die Gerüchteküche kochte fürchterlich.

balticbirdy
Man hört immer wieder, dass Gorbi noch Ostpreußen als Zugabe draufpacken wollte - Kohl und Genscher es aber nicht einmal geschenkt wollten. Was ist eigentlich da dran???

Das war, wenn ich mich richtig erinnere, später, als klar wurde, dass das eine Exklave werden würde.
Von geschenkt war natürlich keine Rede, Milliarden sollte es kosten. Aber Polen hätte das ja nie hingenommen. Warum sich also ein unlösbares Problem mit dem östlichen Nachbarn aufladen?

Abgesehen davon war der Blick auf die kosten der Wiedervereinigung "klarer" geworden.
 
Wenn das die Folgen einer Insolvenz im Geschäftsleben wären, ....
Wenn Du "normalen" Bankrott baust (also ohne betrügerische Verschleppung o. ä.) sind die Folgen auch im Geschäftsleben nicht viel gravierender.
Daß die Gläubiger sich noch einen Teil ihrer Forderungen mit der Liquidierung der Reste bedienen können, ist für den Bankrotteur eigentlich weniger wichtig.
Es bleibt - wie beim Staat - daß neue Schuldenaufnahmen auf längere Zeit schwierig bis unmöglich werden.
 
Nun ja, ein anderes Thema, von dem Geld sollten Offizierswohnungen gebaut werden. Sind sie aber nicht, sondern die Kohle wurde abgezweigt. Ich weiss auch, wer sie heute hat, aber ich zeige keine Leute bei der Steuerfahndung an. Nur soviel, Österreich spielt da eine Rolle.
 
Ulkigerweise hatte ich und meine Bekannten und Verwandten weniger Angst vor den Russen, als vor den "eigenen" "bewaffneten Organen". Gorbatschow machte uns ja noch Hoffnung auf Veränderungen, doch Honecker zerschlug sie. Als die "Friedliche Revolution" begann, war ich dabei sogar noch realistischer, als manche Kollegen von mir, als ich meinte, ich würde Honecker zutrauen, daß er auch diesmal schießen läßt. Einige Kollegen meinten jedoch, daß es über einen Einsatz von Gummiknüppeln nicht hinaus gehen würde. Wie sich in Dokus dann später herausstellte, wurde aber ein Waffeneinsatz von Seiten der Stasi durchaus einkalkuliert...
Zur Zeit werden ja viele Dokus im Fernsehen gebracht - weil das ja nun alles genau 20 Jahre her ist und da höre ich gelegentlich noch sehr interessante Zusatzinfos zur Wendezeit.
Eine dieser für mich neuen Infos ist, daß der damalige "Minister für Nationale Verteidigung" Armeegeneral Heinz Kessler (1986 - 18. November 1989 in dieser Funktion) am 10. November (also einen Tag nach der Maueröffnung) bei einem Befehlshaber der NVA angefragt haben soll, ob dieser bereit wäre mit zwei Regimentern nach Berlin zumarschieren. Er dachte also wohl tatsächlich noch daran, alles wieder rückgängig zu machen.
:nono:

Ich war ja an diesem Wochenende in Westberlin und bin auch am 11. November wieder nach Hause gefahren, weil ich am Montag wieder arbeiten mußte. Aber ich muß ehrlich sagen, nach dieser Doku habe ich überlegt, was ich wohl gemacht hätte, wenn es tatsächlich am 10. 11. ´89 noch zur Gewalt von staatlicher Seite gekommen wäre und ich denke, wenn ich während meines Besuches davon gehört hätte, dann wäre ich wohl nicht mehr zurück gegangen...
 
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