Kurze Frage zur Pike

In Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 4 wird dazu ausgeführt:
Die Landsknechte schrieb:
...
... Jedenfalls ist die Waffe, die die Schaar trägt, der lange Spieß; dann erfolgt das Kommando zur Bildung einer Schnecke (faisons le limaçon à la mode d'Allemagne), dann das Kommando zum Spießfällen (chacun sa pique)...
Unter der »Schnecke« ist jedenfalls eine geordnete Bewegung zu verstehen, in der man aus einer Marsch-Kolonne in eine Angriffs-Kolonne überging und umgekehrt. Das macht sich keineswegs von selbst, sondern muß eingeübt werden, was auf verschiedene Weise geschehen kann. Mit einem späteren Manöver der Schützen, das ebenfalls »Schnecke« (limaçon, caracole) genannt wird, hat es nichts zu tun.
...
Vgl. Delbrück, Hans/Geschichte der Kriegskunst/4. Teil. Die Neuzeit/1. Buch. Das Kriegswesen der Renaissance/1. Kapitel. Die Bildung einer europäischen Infanterie/Die Landsknechte - Zeno.org
Vermehrung der Schützen. Verfeinerung der Infanterietaktik schrieb:
...
Das nächste Hilfsmittel ist die Unterstützung der Schützen untereinander. Schon 1477 schrieb Albrecht Achill in seiner Anweisung für den Feldzug gegen Hans von Sagan den Büchsenschützen vor, daß die Haufen abwechselnd schießen sollten, damit immer ein Teil schußbereit sei, dasselbe meldete im Jahre 1507 als Gewohnheit der Deutschen ein venetianischer Gesandter nach Hause und als im Jahre 1516 der Kardinal Ximenez in Spanien eine Miliz einrichtete, wurde vorgeschrieben, daß Sonntags eine Übung »in der Ordonnanz und in Caracole« stattfinden solle, d.h. eine Feuerordnung, bei der immer der Schütze, der gefeuert hat, hinter die anderen tritt, um wieder zu laden, und so im Kreise fort.
In der Schlacht bei Marignano 1515 unterhielten die Schützen des Königs von Jovius mit großem Erfolg ein solches »Schneckenfeuer« aus der Deckung gegen die Schweizer. 1532 wurde von den Spaniern auf der Parade bei Wien, 1551 bei einer Parade vor dem Herzog von Nevers, Gouverneur der Champagne, nach der Erzählung eines Augenzeugen, Rabutin, mehrmals bei Schnecke (le limaçon) ausgeführt.
Aber selbst ein derartig geordnetes Feuer genügte doch nicht, damit Schützen es im freien Felde gegen feindliche Reiter oder auch nur Fußknechte mit blanker Waffe hätten aufnehmen können. Die Ordnung des Feuers in der Caracole war im Ernstfall doch nur schwer aufrecht zu erhalten, und wir hören als Volksmeinung, die Schützen meinten, wenn es nur knalle, so werde das den Feind schon abschrecken, und die hinteren Glieder, statt abzuwarten, daß sie nach vorn kommen und richtig zielen konnten, feuerten in die Luft.
... Generell müssen die Schützen noch eine Anlehnung an eine der anderen Waffen haben. Entweder die Reiter gingen vor und wehrten den Feind ab, oder die Schützen drückten sich unter die Spießer der Gewalthaufen, indem sie sie umsäumten, entweder von Anfang an oder indem die kleinen Haufen, die die Schnecke bilden sollten, als »Flügel« oder »Ärmel« an die Gewalthaufen an gehängt wurden und sich, falls sie mit ihrem Feuer den Feind nicht abwehren konnten, zu den Spießen flüchteten.
...
Vgl. Delbrück, Hans/Geschichte der Kriegskunst/4. Teil. Die Neuzeit/2. Buch. Das Zeitalter der Religionskriege/2. Kapitel. Vermehrung der Schützen. Verfeinerung der Infanterietaktik - Zeno.org

Vgl. dazu ebenfalls noch History of the Art of War - Google Buchsuche

Wie von Hans Delbrück bereits geschrieben, muß dabei also zwischen Manövern der Pikeniere, der Schützen zu Fuß und der Kavallerie unterschieden werden, auch wenn der Begriff Schnecke, snail, limaçon oder caracole mitunter bei ihnen allen verwendet wird.
 
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@ timotheus
Tut mir leid, soviel wusste ich schon zuvor. Aber ich frage mich, ob eben das, was Dellbrück im ersten von Dir zitierten Abschnitt meint, mit dem deckungsgleich ist, was auf dem großen Gemälde von Altdorfer zu erkennen ist.
Dellbrück bleibt meines Erachtens bewusst vage, da er scheinbar auch nicht 100 % weiß, was damit gemeint ist.

Was sieht man auf dem Bild von Altdorfer? Bricht der hintere Teil des Haufens ab, um dem gegenüberliegenden Haufen in die Flanke zu fallen?

Dellbrück spricht "nur" bei der "Schnecke" von einem Übergang aus einer Marsch- in eine Angriffskolonne. Das ist sehr vage. Von einem bestimmten Vorteil im Gefecht selbst redet er nicht. Und auch in seinen Darstellungen im Kapitel 5 des 1. Buches "Einzelne Schlachten" erwähnt Dellbrück nicht den Einsatz der "Schnecke" der Pikeniere im Rahmen einer Schlacht als etwas ausschlaggebendes.

Überdies informiert Altdorfers Gemälde auch nicht wie das sicherlich begreifliche Problem, dass durch das Anrennen die Formation logischerweise gelockert wurde, durch die "Schnecke" hätte gelöst werden können.

Obendrein scheint eine Bewegung, wie auf dem Gemälde Altdorfers zu erkennen, nur auf ausgesprochen ebenen Gelände machbar.
 
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Tut mir leid, soviel wusste ich schon zuvor...

Das tut mir dann meinerseits ebenso leid, daß ich Deine Frage offenbar mißverstanden hatte :friends:



Was sieht man auf dem Bild von Altdorfer? Bricht der hintere Teil des Haufens ab, um dem gegenüberliegenden Haufen in die Flanke zu fallen?

Dellbrück spricht "nur" bei der "Schnecke" von einem Übergang aus einer Marsch- in eine Angriffskolonne. Das ist sehr vage...

Vielleicht ist es ja in Einklang zu bringen, wenn man Marschkolonne auch i.S.v. Aufmarsch zur Schlacht versteht; zumindest wäre dies kein grundsätzlicher Widerspruch zu:
Zum Thema "anlaufen" mit der Pike möchte ich auf Altdorfers Alexanderschlacht hinweisen.

Dort sieht man im Hintergrund wie Landsknechte sich spiralformig as dem rückwärtigen Teil des Gewalthaufens lösen und gegen den Feind anrennen. Diese Taktik nannte man die "Schnecke"...

Allerdings muß ich zugeben, daß ich bei dieser Angelegenheit jetzt sehr weiträumig spekuliere - einmal abgesehen davon, daß ich auch Deine Frage damit nicht beantworten konnte.
 
Hallo,

das ist jetzt etwas spekulativ, da ich die Erklärung vor wirklich sehr langer Zeit hörte.

Ich meine mich zu erinnern, dass die Schnecke daraus bestand, dass sich die dem Feinde abgewandten Pikeniere vom Gewalthaufen lösten und um die Formation herum den Gegner in die Flanke oder Rückseite fielen.

Bei den extrem tiefen Formationen war das schon möglich. Bei festgefahrenen Gefechtssituationen konnte man so den Gegner aus dem Gleichgewicht werfen und auch die inaktiven Kämpfer der hinteren Reihen beteiligen.
 
Genau das hatten Brissotin und ich im Chat auch vermutet. Und so sieht es für mich auch auf dem Gemälde aus.
 
Genau das hatten Brissotin und ich im Chat auch vermutet. Und so sieht es für mich auch auf dem Gemälde aus.
Genau, der Haken dabei ist, dass der Gegner so eine Bewegung ja auch gesehen hätte. Die Gevierthaufen standen auch zumeist nicht allein, sondern gedeckt von Schützenlinien usw. im Felde. Da mir diese Vorgehensweise noch nicht (in Schlachten) vorgekommen ist und sich auffälligerweise auch Dellbrück nicht so präzise dazu äußert, was bei Bdaians Annahme ja garnicht so schwer wäre, das zu erklären, würde ich am ehesten vermuten, dass das ein taktisches Manöver war, das man exerzierte und theoretisch durchdachte.

Für gegnerische Reiter muss diese "Schnecke", wenn sie wirklich wie auf Altdorfers Gemälde dargestellt ist, ablief und der Haufen auf dem Flügel stand, der die "Schnecke" praktizierte, ein willkommenes Angriffsziel gewesen sein. Mir wirkt diese "Figur" sehr angreifbar.
 
Ich habe mir den Thread durchgelesen, und um mal zu der Ausgangsthematik zurückzukehren: Ich verstehe immer noch nicht weshalb die Pikeniere in ihre Reiterabwehrstellung mit der rechten Hand zum Degen/Rapier greifen. Wäre es nicht sinnvoller sich mit vollem Gewicht und beiden Armen auf die Pike zu stützen, die ja in einem 30% Winkel in den Boden ragt und vom Bein ausbalanciert wird. Sollte die Pike zerbersten oder fallen gelassen werden hat man kann der Pikenier immernoch seine Handwaffe ziehen, was nicht besonders zeitaufwendig ist. EInen heranpreschenden Reiter mit einer nur vom linken Arm und rechten Fuß fixierten Lanze abzuwehren, zeitgleich den Degen zu ziehen und sich dem nächsten Feind zuzuwenden klingt für mich eher nach Hollywood.
 
Ich habe mir den Thread durchgelesen, und um mal zu der Ausgangsthematik zurückzukehren: Ich verstehe immer noch nicht weshalb die Pikeniere in ihre Reiterabwehrstellung mit der rechten Hand zum Degen/Rapier greifen. Wäre es nicht sinnvoller sich mit vollem Gewicht und beiden Armen auf die Pike zu stützen, die ja in einem 30% Winkel in den Boden ragt und vom Bein ausbalanciert wird. Sollte die Pike zerbersten oder fallen gelassen werden hat man kann der Pikenier immernoch seine Handwaffe ziehen, was nicht besonders zeitaufwendig ist.
Hm, vielleicht neigt ein Pikenier, der nur eine Hand an der Pike hat, wenn diese gebrochen ist, eher dazu, sie fallen zu lassen.
Also ich denke, dass es im Grunde zwei Erklärungen geben kann:
1. Eine rationale. Man meinte wirklich, dass der Pikenier mit der Haltung eher geneigt war, sogleich mit gezogenem Rapier wieder bewaffnet da zu stehen.
Da die Pferde im Ernstfall so oder so in die Piken liefen, egal wie sehr man sie festhielt, war es vielleicht auch beabsichtigt, dass man durch den Griff verleitet war, die Pike möglichst rasch loszulassen.
2. Eine ästhetische. Man fand die Haltung einfach schön. Der Eindruck, dass sowas den Erschaffern von Exerzierreglements wichtig war, kommt mir auch immer bei bestimmten ermüdenden Haltungen, die eigentlich unnütz zu sein scheinen oder durch andere Haltungen das gleiche Ziel erreichen würden, aber dennoch im Reglement so stehen.
 
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Um auf die Eingangsfrage dieser Diskussion, die sich wiederzubeleben lohnt, zurückzukommen, feindliche Kavallerie griff in der Zeit, als Pikeniere die Schlachtfelder Europas bevölkerten, eben nicht in vollem Galopp an.
Man näherte sich einer feindlichen Formation eher gemächlich und griff dann mit Pistole und Karabiner in einem komplizierten Verfahren des Vor- und Gegenmarsches an. Offensivere Taktiken wurden erst im Dreißigjährigen Krieg, und da insbesondere durch die Armeen Gustav Adolfs, üblich. Und auch da war das ganze noch eher schwerfällig. Durch Prinz Rupert im Englischen Bürgerkrieg wurde die schonungslose Attacke im "Choque" zur üblichen Praxis, und die richtete sich in erster Linie gegen die feindliche Kavallerie. Die musste erst geworfen werden, erst dann drehten die Kavalleristen gegen die feindliche Infanterie ein und griffen sie in der Flanke oder im Rücken an, selten frontal, und fast immer unterstützt durch eigene Musketiere.
 
Um auf die Eingangsfrage dieser Diskussion, die sich wiederzubeleben lohnt, zurückzukommen, feindliche Kavallerie griff in der Zeit, als Pikeniere die Schlachtfelder Europas bevölkerten, eben nicht in vollem Galopp an.
Man näherte sich einer feindlichen Formation eher gemächlich und griff dann mit Pistole und Karabiner in einem komplizierten Verfahren des Vor- und Gegenmarsches an.

In "vollem Galopp" (nach heutigem Verständis) haben die Panzerreiter des Mittelalters nie angegriffen. Das war eher eine gemächliche Annäherung im Trab oder sehr langsamen Galopp.

Die Entwickling hin zur Benutzung von Feuerwaffen durch die Reiterei ist allerdings eine Folge des erfolgreichen Pikeneinsatzes durch die Infantrie, seit die Schweizer das vorgemacht hatten. Die Fähigkeit, Formationen zu Fuß zu sprengen und über den Haufen zu reiten, erklärt die Überlegenheit des Panzerreiters im Früh- und Hochmittelalter. Die Unfähigkeit, das mit geschlossenen Infantrieformationen wie den Schweizern zu machen, erklärt ihren Niedergang am Ende des Hochmittelalters.

Dazu waren, nebenbei gesagt, Piken nicht mals eine notwendige Bedingung, erfochten die Schweizer ihre ersten Erfolge doch ohne solch überlangen Speere. Die Verlängerung der ursprünglich 2-3 m langen Spieße war eher die Folge der ersten Auseinandersetzungen solcher Infantrieformationen untereinander: Hier, bei gleichem Einsatz auf beiden Seiten, entschied die reine Länge der Waffe tatsächlich darüber, wer zuerst zustoßen konnte.

Auch ist es fraglich, inwiefern die komplizierten Bewegungen und Manöver, die in damaligen Lehrbüchern der Taktik empfohlen werden, tatsächlich feldtauglich waren. Ob das mit dem Caracolieren wirklich in der Schlacht so gefunzt, wie das im Lehrbuch stand bzw auf dem Exerzierplatz trainiert wurde, wage ich zu bezweifeln. Aber es war ein verdammt gute Übung.
;)

Offensivere Taktiken wurden erst im Dreißigjährigen Krieg, und da insbesondere durch die Armeen Gustav Adolfs, üblich. Und auch da war das ganze noch eher schwerfällig. Durch Prinz Rupert im Englischen Bürgerkrieg wurde die schonungslose Attacke im "Choque" zur üblichen Praxis, und die richtete sich in erster Linie gegen die feindliche Kavallerie. Die musste erst geworfen werden, erst dann drehten die Kavalleristen gegen die feindliche Infanterie ein und griffen sie in der Flanke oder im Rücken an, selten frontal, und fast immer unterstützt durch eigene Musketiere.

Für diese Entwicklung zum erneuten unbedingten Offensivverhalten der Kavallerie sind zwei Dinge zu bedenken.

Einmal hatte sich das Wesen der Reiterei grundlegend gewandelt, so wie sich das der Infantrie mit dem Auftreten der Schweizer gewandelt hatte. Auch die Kämpfer zu Pferd bildeten nun disziplinierte, geschlossene Truppenkörper, wie es die früh- und hochmittelalterlichen Panzerreiter niemals vermocht hatten. Mit solchen Truppen (Berufssoldaten eines lange aktiven Söldner- oder eines stehenden Heeres) waren erstmals wirklich Attacken in enger Formation und im vollen Galopp möglich, da solche Manöver eintrainiert, exerziert werden konnten.

Auf der anderen Seite war ein langsames Verschwinden der Pike vom Schlachtfeld Voraussetzung für solch halsbrecherische Angriffe. Die erhöhte Disziplin machte zwar auch erfolgversprechende Angriffe auf Rücken und Flanke gegnerischer Pikeniere möglich, doch vor allem der Trend, die Infantrie mehr und mehr mit Schusswaffen auszurüsten und völlig auf Panzerung zu verzichten machte frontale Kavallerieangriffe möglich bzw sinnvoll.

Die Einführung des Bajonetts ist mE hierbei mehr oder minder bedeutungslos. Es war der erfolgreiche Versuch, dem nun zur wichtigsten bzw einzigen Infantrie-Waffengattung werdenden Schützen bzw Musketier eine Nahkampfwaffe gegen andere, nicht anders ausgestatte Schützen bzw Musketiere in die Hand zu geben. Ein Ersatz für die alten Pikenierformationen war es gegen Kavallerie nicht.

Das Hauptproblem, vor dem die Kavallerie von nun an bis zu ihrem Ende stand, war das effektive Feuer der Infantrie vor dem Zusammenprall. V.a. dieses konnte den Erfolg einer berittenen Attacke verhindern, bis solche Angriffe im MG-Feuer des Stellungskrieges ihr blutiges und endgültiges Ende fanden.

Quelle: Die Grundideen sind alle bei Delbrück nachzulesen.
 
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Wie Kelly de Vries in seinem Buch "Infantry warfare in the early fourteen century" nachgewiesen hat, waren die Siege gepanzerter Kavallerie über Infanterieformationen schon im beginnenden 14. Jahrhundert eher die Ausnahme, denn die Regel.
Man kann sogar noch weiter zurückgehen: 1262 besiegte eine im wesentlichen aus Infanterie bestehende Formation der Stadt Straßburg eine Armee bestehend aus den Rittern des Straßburger Bischofs (Schlacht von Hausbergen).
 
Man kann aus einzelnen Schlachten aber keinen Trend ableiten. 1382 besiegte z.B. ein wesentlich aus Rittern bestehendes französisches Heer die flämischen Gegner, im wesentlichen Milizen zu Fuß (Roosebeke). Ähnliche Milizen hatten 1302 wiederum ein Ritterheer besiegt (Courtrai).

@ Reinecke: stimme Dir weitgehend zu, nur denke ich schon, daß die Einführung der Pike bei den Schweizern maßgeblich nach Arbedo stattfand, aufgrund der schlechten Erfahrungen gegen die italienische Reiterei. Morgarten und Sempach waren untypisch, das eine ein Hinterhalt, bei Sempach kämpften die Habsburger abgesessen.

Agressive Kavallerietaktiken kamen mit Heinrich IV. von Frankreich wieder eher in Gebrauch, danach nutzte sie auch Gustav Adolf. Bis Ende des 17. Jhd. wurde aber häufig noch langsam angegriffen und mit der Schußwaffe gekämpft, teilweise sogar noch das unwirksame Caracollieren gelehrt (aber nicht angewandt). Den Höhepunkt der Attacke würde ich mal nach Preußen ab 1743 verlegen. Die im Galopp und in Karriere zurückgelegte Strecke wurde danach immer länger, der "Choc" somit immer größer. Interessanterweise schreibt aber z.B. C. von Decker in "Taktik der Kavallerie", daß Schnelligkeit und Schockangriff zwar sehr wirksam sind, oft aber auch ganz langsam (z.B. wegen Morast) angreifende Kavallerie den Feind werfen konnte, sofern sie nur entschlossen war und Formation hielt.
 
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@ Luziv
Das lässt mich momentan wieder an die bescheidene Doku vom WE auf ZDF denken.
Dort wurde auch wieder ganz simpel der angebliche Untergang des Rittertums mit den militärischen Rückschlägen also Niederlagen erklärt.
Ich sehe es eher so wie Du, bzw. so wie ich es bei Dir herauslese. Solange wie Kavallerieangriffe eine große Rolle spielen konnten, also bis ins 19.Jh., vermochte auch immernoch der Ansturm starker Kavallerie auch Infanterie unter bestimmten Bedingungen zu bezwingen. Es hing eben davon ab, wie routiniert, gut ausgerüstet und geübt, wie die Moral, Disziplin und letztlich nicht selten auch die Nervenstärke der beiden Seiten war. Die Entwicklung war für mich einfach die, dass die Adligen, v.a. Niederadligen, sich aus verschiedenen Gründen Infanterie wie Kavallerie öffneten und dann in beiden Waffengattungen in der FNZ zu finden waren. Die Frage wäre für mich, ob es personell überhaupt möglich gewesen wäre, auch z.B. die Stellen der Kavallerie der verschiedenen Staaten im 17.Jh. ausschließlich mit ritterlichen Kämpfern (also Niederadligen) zu besetzen. Dass diese Reiter sich der modernen Waffen- und Rüstungstechnologie anpassen mussten, scheint mir auch weniger der springende Punkt. Der Praxistest hatte ja auch schon zuvor zu den jeweiligen geeigneten Rüstungen für die Lebensbereiche der Ritter geführt (man denke an die hochspezialisierten Turnierrüstungen des 16.Jh.).
 
Interessanterweise schreibt aber z.B. C. von Decker in "Taktik der Kavallerie", daß Schnelligkeit und Schockangriff zwar sehr wirksam sind, oft aber auch ganz langsam (z.B. wegen Morast) angreifende Kavallerie den Feind werfen konnte, sofern sie nur entschlossen war und Formation hielt.

Wundert mich nicht; spätestens mit der Etablierung der Lineartaktik wurden Handgemenge mWn zur Seltenheit. Ob Infantrie- oder Kavallerieangriff, meist entschied sich vor dem Zusammenprall, dass eine Seite weichen würde, und tat das dann auch. Die Gefahr des langsamen Angriffs der Kavallerie bestand eher in der verlängerten Phase, die sie das gegnerische Feuer aushalten musste. Widerstand sie dem und erreichte sie den Feind war der gut beraten, die Beine in die Hand zu nehmen...
;) :winke:
 
Man kann aus einzelnen Schlachten aber keinen Trend ableiten. 1382 besiegte z.B. ein wesentlich aus Rittern bestehendes französisches Heer die flämischen Gegner, im wesentlichen Milizen zu Fuß (Roosebeke). Ähnliche Milizen hatten 1302 wiederum ein Ritterheer besiegt (Courtrai).

@ Reinecke: stimme Dir weitgehend zu, nur denke ich schon, daß die Einführung der Pike bei den Schweizern maßgeblich nach Arbedo stattfand, aufgrund der schlechten Erfahrungen gegen die italienische Reiterei. Morgarten und Sempach waren untypisch, das eine ein Hinterhalt, bei Sempach kämpften die Habsburger abgesessen.

Agressive Kavallerietaktiken kamen mit Heinrich IV. von Frankreich wieder eher in Gebrauch, danach nutzte sie auch Gustav Adolf. Bis Ende des 17. Jhd. wurde aber häufig noch langsam angegriffen und mit der Schußwaffe gekämpft, teilweise sogar noch das unwirksame Caracollieren gelehrt (abeicht angewandt). Den Höhepunkt der Attacke würde ich mal nach Preußen ab 1743 verlegen. Die im Galopp und in Karriere zurückgelegte Strecke wurde danach immer länger, der "Choc" somit immer größer. Interessanterweise schreibt aber z.B. C. von Decker in "Taktik der Kavallerie", daß Schnelligkeit und Schockangriff zwar sehr wirksam sind, oft aber auch ganz langsam (z.B. wegen Morast) angreifende Kavallerie den Feind werfen konnte, sofern sie nur entschlossen war und Formation hielt.


Kavvallerieattacken in gestrecktem Galopp sehen zwar ungemein malerisch aus, doch in der Realität fanden sie meist im Trab statt. Dass eine Eskadron in Linie idealerweise Steigbügel an Steigbügel reitend in geschlossener Formation auf den Feind traf setzte intensivstes Training und Koordinationsvermögen vorraus, wobei es von Seydlitz nach jahrelangem Exerzieren gelang eine Einheit galoppierend 250 m weit in geschlossener Formation zu halten ehe diese sich auflöste.
 
Wundert mich nicht; spätestens mit der Etablierung der Lineartaktik wurden Handgemenge mWn zur Seltenheit. Ob Infantrie- oder Kavallerieangriff, meist entschied sich vor dem Zusammenprall, dass eine Seite weichen würde, und tat das dann auch. Die Gefahr des langsamen Angriffs der Kavallerie bestand eher in der verlängerten Phase, die sie das gegnerische Feuer aushalten musste. Widerstand sie dem und erreichte sie den Feind war der gut beraten, die Beine in die Hand zu nehmen...
;) :winke:
Zur Seltenheit? Also wir können davon ausgehen, dass erst ab Einführung des MGs (in etwa) das Handgemenge in den Hintergund rückte. Im Zeitalter der Musketen war der Nahkampf Grundpfeiler der Kriegsführung.

Ich habe mir den Thread durchgelesen, und um mal zu der Ausgangsthematik zurückzukehren: Ich verstehe immer noch nicht weshalb die Pikeniere in ihre Reiterabwehrstellung mit der rechten Hand zum Degen/Rapier greifen. Wäre es nicht sinnvoller sich mit vollem Gewicht und beiden Armen auf die Pike zu stützen, die ja in einem 30% Winkel in den Boden ragt und vom Bein ausbalanciert wird. Sollte die Pike zerbersten oder fallen gelassen werden hat man kann der Pikenier immernoch seine Handwaffe ziehen, was nicht besonders zeitaufwendig ist. EInen heranpreschenden Reiter mit einer nur vom linken Arm und rechten Fuß fixierten Lanze abzuwehren, zeitgleich den Degen zu ziehen und sich dem nächsten Feind zuzuwenden klingt für mich eher nach Hollywood.
Ich denke die Zeitersparnis ist wichtig im allgemeinen Handgemenge. Mann und Tier können ja auf den Infanteristen und einen Kameraden fallen, sodass ein Manövrieren mit einer 5m Pike nicht möglich ist. Zugleich ist es logisch, trotz Abwehr mit dem Schwert, die Pike aufrecht zu halten, schließlich kann man sie einem Vordermann nicht auf den Kopf fallen lassen. Auch wird dadurch einer Blöße in der Formation vorgebeugt.
Im Übrigen: Ist das Wörtchen "Degen" überhaupt zeitgenössisch?
"Degen" bezeichnet zumindest im Mittelalter einen Dolch und das was ich da sehe ist ein Schwert, sowie es im 30-jährigen Krieg nunmal getragen wurde.
 
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Reinecke hat Recht mit der Anmerkung, dass das Handgemenge im Zeitalter der Lineartaktik die Ausnahem bildete. In der Napoleonischen zeit untersuchten frnazösiche Armeeärzte die Verwundungen ihrer Soldaten statistisch und kamen zu dem überraschenden Ergebnis, dass Wunden durch Musketenkugeln oder Artilleriegeschosse (bzw. deren Splitter) die durch Bajonette oder Säbel erheblich überwogen.
Das kann dann ähnlich für die friderizianische Epoche gelten, wo im Rahmen der Lineartaktik noch viel statischer vorgegangen wurde.
Kavallierieangriffe gegen abwehrbereite Infaneriekarrees gelangen selten, ein Beispiel war der Spanische Feldzug, ein einziges britisches Infanteriekarree konnte von französischer Kavallerie aufgebrochen werden. In einem anderen Thread wurde schon mal auf den entsprechenden Titel (von John Keegan) verwiesen.
 
Reinecke hat Recht mit der Anmerkung, dass das Handgemenge im Zeitalter der Lineartaktik die Ausnahem bildete. In der Napoleonischen zeit untersuchten frnazösiche Armeeärzte die Verwundungen ihrer Soldaten statistisch und kamen zu dem überraschenden Ergebnis, dass Wunden durch Musketenkugeln oder Artilleriegeschosse (bzw. deren Splitter) die durch Bajonette oder Säbel erheblich überwogen.
Das kann dann ähnlich für die friderizianische Epoche gelten, wo im Rahmen der Lineartaktik noch viel statischer vorgegangen wurde.
Kavallierieangriffe gegen abwehrbereite Infaneriekarrees gelangen selten, ein Beispiel war der Spanische Feldzug, ein einziges britisches Infanteriekarree konnte von französischer Kavallerie aufgebrochen werden. In einem anderen Thread wurde schon mal auf den entsprechenden Titel (von John Keegan) verwiesen.

Richtig. Friedrich der Große hatte zwar dazu geschrieben, dass die Infanterie nicht viel Zeit mit dem herumgeballere verlieren solle sondern direkt auf den Gegner mit dem gefällten Bajonett zu marschieren habe, der erwartete Erfolg ist dann jedoch die Flucht des Gegners und nicht der tatsächliche Bajonettkampf.

Richtige Nahkämpfe waren selten und wurden gerade deshalb in den Schlachtberichten hervorgehoben, so dass man deshalb glauben könnte, dass diese häufiger geschahen als es tatsächlich der Fall war.

Und dass dieser Prozess schon bald nach der Verbreitung der Feuerwaffe stattfand, kann man aus verschiedenen Quellen entnehmen. Es gibt doch ein Kapitel des Simplizissimus, wo dieser sich darüber äussert dass es unfair wäre Pikeniere zu töten da diese doch völlig harmlose Zeitgenossen sind, die niemanden etwas zu leide täten.
 
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