Um mal einen anderen Gedanken in die Diskussion einzubringen: was geschah eigentlich mit den Kriegsversehrten, Invaliden?

Eine Schlacht im Altertum (bei so gut wie nicht vorhandenem Sanitätswesen) führt doch zu einer Reihe von Gefallenen/Erschlagenen - die Glücklicheren - UND einer wahrscheinlich nicht gerade kleinen Anzahl von Schwerverwundeten/Kriegsgeschädigten/Erwerbsunfähigen.

Was passiert mit denen? Man bringt sie irgendwo zum Sterben hin - wäre nicht so günstig für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Die Bauern versorgen die unter hohen Opfern mit, hungern mit ihnen; man überlässt die Dörfer den Alten, Invaliden, Frauen und Kindern?
Mit Hieb- und Stichverletzungen am Torso oder an den Gliedern kannst Du am Ochsenpflug nicht mehr arbeiten.
Es sind ja Verwandte, Familienmitglieder also überlässt Du sie nicht einfach dem Siechtum, oder?
Wir können bis ins Paläolithikum, bis zu den Neanderalerm zruückverfolgen, dass es sowohl einen Totenkult gegeben hat (z.B. hat man in Neandertalerbestattungen Blütenstaub gefunden, was darauf hinweist, dass die Toten auf ein Bett aus Blüten gebettet wurden) und wir können auch bis ins Mesolithikum zurückverfolgen, dass Knochenbrüche verheilt sind und offenbar die Leute, die sich- zumindest zeitweise - nicht produktiv am Gemeinschaftseinkommen beteiligen konnten, mit durchgeschleppt wurden. Das scheint also eine Konstante im Menschsein zu sein, dass man auch Gemeinschaftsmitglieder, die sich selber nicht versorgen konnten, versorgte (Ausnahmen gibt es natürlich auch, etwa die Kindstötungen in Sparta oder die "Euthanasie"-Programme im Dritten Reich).
Wir können also davon ausgehen, dass auch die Germanen sich um ihre Verletzten kümmerten. Der Nachweis ist für den fraglichen Zeitraum schwierig, weil wir aus diesem im Prinzip keine Körpergräber haben, sondern nur Leichenbrand. Aber wenn du das Kümmern um die Verletzten als Konstante im Menschsein betrachtest, dann musst du davon ausgehen, dass man sich um die Verletzten kümmerte.

Ist das nicht zu allgemein? So einheitlich war die "germanische" Gesellschaft doch gar nicht, wenn sich gar die Frage stellt, wie "germanisch" sie überhaupt war.
[...]
Mir wird etwas zu viel aus Funden in Norddeutschland auf eine "germanische" Kultur im allgemeinen geschlossen.
Ich halte es für verfehlt, einer überbordenden Germanophilie mit einem Beiseitewischen "der Germanen" zu reagieren. Gegen die Gleichmacherei alles, was irgendwie als germanisch eingeordnet wird, kann man sich natürlich stellen. Die achäologischen Kulturen sind sowieso viel durchmischter als das einfache Zuordnungen (La Téne, Jastorf) vermuten lassen. Nur wenn wir die Bezeichnungen La Téne und Jastorf aufgeben, dann fehlen uns einfach Benennungen. Schlechte, weil in der Komplexität unzureichende Bezeichnungen sind besser, als gar keine.
 
wenn sich gar die Frage stellt, wie "germanisch" sie überhaupt war.
aber diese Frage stellt sich doch primär gar nicht, d.h. es geht hier nicht darum, ob es besonders oder gar typisch "germanisch" war, einen Varus samt 3 Legionen in den Orkus zu speditieren - es geht allgemein um die Kultur und Lebensweise der Cherusker ihrer Nachbarn, und erstere waren maßgeblich an der Vernichtung der Varuslegionen beteiligt. Und im Zusammenhang damit wurde die Frage gestellt, wie man die dafür benötigten und dafür tauglichen Truppen zusammengestellt hatte.

Weil es dazu kein römisches und kein cheruskisches Kriegstagebuch gibt, müssen viele Detailfragen offen bleiben (die Diskussion über die Wirtschaftskraft der Cherusker und ihrer Verbündeten, um zu eruieren, ob und wie das Truppenaufgebot finanziert/versorgt war, muss mangels Quellen auch weitenteils im Bereich des spekulativen bleiben - wir haben da nur relativ vage Vergleiche aus späterer Zeit)

Aber dennoch steht zweierlei fest:
1. Cherusker & Verbündeten hatten es geschafft, drei Legionen platt zu machen
2. So etwas passierte in der gesamten römischen Kaiserzeit nicht alle Nase lang, sondern kam nur selten vor.
Daraus ist zumindest eines zu schließen: den rechtsrheinischen Nachbarn des römischen Imperiums gelang trotz aller Begehrlichkeiten*) nur selten, sich zusammenzuschließen und entsprechende Truppen aufzustellen. Gründe dafür sind multikausal: zu viel interner Zwist**), zu geringe Wirtschaft zur Unterhaltung großer Berufskriegerheere, die es mit der römischen Militärmacht aufnehmen können, gebietsweise zu dünne Bevölkerung, gebietsweise wohl auch mehr Interesse an Kooperation statt Konfrontation mit Rom.

Ich mutmaße, dass damit das wenige, was wir angesichts der spärlichen Quellenlage (zu den "germanischen" Angelegenheiten der Varuszeit) sicher wissen, zusammengefasst wäre.
_________
*) punktuelle Raubüberfall in römische Provinzen, gefolgt von Strafexpeditionen, kamen überall an den Grenzen vor
**) z.B. konnte Arminius Marbod nicht zum Verbündeten gewinnen; Marbod selber baute seine Macht als Heerkönig kriegerisch aus - kurzum "die Germanen" beharkten sich auch untereinander immer wieder.
 
Ist das nicht zu allgemein? So einheitlich war die "germanische" Gesellschaft doch gar nicht, wenn sich gar die Frage stellt, wie "germanisch" sie überhaupt war.
Zum Beispiel waren die Bewohner des Dünsbergs, seien es nun "Ubier" oder andere gewesen, wohl kaum arme Leute, auch um die Zeitenwende nicht. Gegenden wie die Wetterau haben zu allen Zeiten große landwirtschaftliche Überschüsse abgeworfen.

Mir wird etwas zu viel aus Funden in Norddeutschland auf eine "germanische" Kultur im allgemeinen geschlossen.

Wenn genug landwirtschaftliche Überschüsse erzielt worden wären, um zehlreiche Leute von der Nahrungserzeugung freistellen zu können, hätten sich mE städtische Zentren entwickelt, wie die oppida in Gallien. Die fehlen mWn aber im germanischen Siedlungsgebiet.

Natürlich ist eine exakte Abgrenzung nicht möglich, eine kontrollierte Grenze zwischen keltischem und germanischem Siedlungsgebiet gab es ja nicht. Aber grade der Unterschied, dass in einer Gegend Städte existierten, und in einer anderen nicht, halte ich für recht signifikant.

Dazu: Gallia est omnis divisa in partes tres, wie wir wissen. Ich hab im Netz nach Karten gesucht, wo es überall oppida gab. Wenn die, die ich gefunden habe, recht haben, gab es Belgica praktisch keine (und die Belger reklamieren laut Caesar eine germanische Abkunft, und werden als besonders kriegerisch beschrieben). Kann sein, dass die Verhältnisse hier denen in Germania Magna ähnlicher waren als im Rest Galliens. Anders herum gestaltete Beispiele sind sicher auch denkbar. Aber für das Gros Germaniens müssen wir mE von einer fast reinen Subistenzwirtschaft ausgehen, ohne große Umverteilung zugunsten von der Landwirtschaft freigestellten Bevölkerungsteilen.
 
Wenn genug landwirtschaftliche Überschüsse erzielt worden wären, um zehlreiche Leute von der Nahrungserzeugung freistellen zu können, hätten sich mE städtische Zentren entwickelt, wie die oppida in Gallien. Die fehlen mWn aber im germanischen Siedlungsgebiet.

Auch da würde ich vorsichtig wiedersprechen.
Hier in Hessen etwa findet sich auf jedem zweiten Hügel ein Ringwall, die meisten wenig bis gar nicht erforscht und zumindest bis in jüngste Zeit stumpf als "La Tene" charakterisiert. "aufgegeben um 50 v. Chr.".
Wobei man sich da schon fragt, wie man auf dieses Datum kommt.
Der Forschungsstand ist häufig "ergraben 1911", wenn überhaupt ergraben.

Inzwischen geht man davon aber etwas ab. Einiges wir neuerdings als allemannisch eingestuft (Heuneburg), anderes könnte um die Zeitenwende noch existiert haben (Heidetränk, Rimberg, Brülerberg) oder hat definitiv existiert (Dornburg, Dünsberg).
Bei der Amöneburg kann man von einer durchgängigen Besiedlung ausgehen, möglicherweise auch bei anderen Ortschaften (Limburg?).

Gab es also wirklich keine "germanischen" Städte?
 
Wie waren die Germanen des Arminius gesellschaftlich organisiert?
Wie waren die Germanen des Arminius gesellschaftlich organisiert?

Vielen Dank für diesen Link. Vor allem der Beitrag des Users Maelonn über die Organisation eines germanischen Stammes.
Okay, folgende Konstellation:

Sippe A + Sippe B + Sippe C = Dorfgemeinschaft 1
Wie aber war das organisiert? Pro Langhaus/Wohnstall eine Familie/Sippe. Heiratet ein Sohn aus Sippe A eine Frau aus Sippe B, so gründen sie einen neuen Hausstand/Hof und wohnen im Bereich der Sippe B.
Und umgekehrt eine Tochter aus Sippe A mit einem Ehemann aus Sippe B, dann kommt der Mann aus Sippe B in den Einflussbereich von A. Die Zweckverbindung und Verflechtung von Heirat und Verschwägerung.

Dorfgemeinschaft 1 + Dorfgemeinschaft 2 + Dorfgemeinschaft 3 = Stamm der Leine-Cherusker
Stamm der Leine-Cherusker + Stamm der Weser-Cherusker + Stamm der Innerste-Cherusker = Stammesverband d. Cherusker

Ich spekuliere mal, wenn man die Häufigkeit dieser nordischen Namen Heinrichsen, Jürgensen, Johannsen etc. betrachtet, dann wird ganz klar auf eine patriarchalische Verzweigungsstruktur ausgerichtet.
Sohn des Heinrich, Sohn des Johann, etc. etc. Die Frau nimmt den Nachnamen des Ehemannes an und geht aber in den Hausstand des Mannes. Widerspricht sich auch wieder.
Vielleicht sind wir den Germanen sehr nahe, wenn wir uns ganz alte Familienstrukturen in Nord-/Ostfriesland, Dithmarschen Wesermarsch etc. ansehen.

Ja, eine andere Kulturlandschaft (Grünland, weite Ebenen) als im Mittelgebirge. Aber ich denke mal, dass die Familienstrukturen sehr ähnlich waren.
Wie war das bei den Germanen?
Mann A heiratet Frau B und muss Sippe B Brautgeld in Form von x Rindern zahlen? Oder umgekehrt?
War es bei den Elbgermanen anders als bei den Wesergermanen und bei denen wieder anders als im Leinetal?

Okay, wir wissen es wieder nicht.
 
Hier mal eine saudumme Frage: wie machen Naturvölker das eigentlich?

Ein kleinrahmiges germanisches Rind hat ein kleines Euter und ist von einer 30- Liter Schwarzbunten meilenweit entfernt. Ein Kalb wird geboren und bekommt als Erstes die Biestmilch/Kolostralmilch. Ein Schwarzbuntes/Rotbuntes Kalb bekommt danach Milchpulver.

Ein germanischer Milchbauer muss sich entscheiden, das Kalb aufzuziehen und/oder die Kuh auch für die eigene Milcherzeugung zu melken. Wie machen Naturvölker das eigentlich?
Milch ein hochverderbliches Produkt, wie wird dann verfahren? Kühlung gibt es nicht. Wird daraus Sauermilch gemacht für die Weiterverarbeitung, denn Frischmilch im Hochsommer ....

Ist unter Euch zufällig ein nord-/ostfriesischer Milchbauer, der dazu etwas sagen kann?
 
Milch ein hochverderbliches Produkt, wie wird dann verfahren? Kühlung gibt es nicht.

Haltbare Milchprodukte; kennt praktisch jedes Volk, dass Vieh zur Milchproduktion hält (Käse, Jogurt, Quark, Kefir, Skyr usw). Fun Fact: Viele dieser Nahrungsmittel ermöglichen es auch laktoseintoleranten Menschen, Milchprodukte zu konsumieren.
 
Ein germanischer Milchbauer muss sich entscheiden, das Kalb aufzuziehen und/oder die Kuh auch für die eigene Milcherzeugung zu melken. Wie machen Naturvölker das eigentlich?
Der Begriff Naturvolk wird zwar immer mal wieder gebraucht, ich halte ihn aber für alle menschlichen Ethnien für unangebracht, da er eine Wertung impliziert und die Vorstellung, die Menschen würden im Einklang mit ihrer Umwelt leben. Aber selbst wenn man ihn akzeptiert: spätestens dann, wenn Menschen beginnen Ackerbau und Viehzucht zu betreiben, ist er absolut unangemessen.


Milch ein hochverderbliches Produkt, wie wird dann verfahren? Kühlung gibt es nicht. Wird daraus Sauermilch gemacht für die Weiterverarbeitung, denn Frischmilch im Hochsommer ....
Mein Vater ist auf dem Bauernhof aufgewachsen. Die haben oft zu Mittag Dickmilch gegessen, ein Rest wurde übrig gelassen und dann frische Milch zu dem Rest gegeben, dass die Hefen 24 Stunden Zeit zu arbeiten hatten. Ich habe so etwas aber bei meinen Großeltern und Onkels und Tanten nie gesehen.
Dass man das aber auch nur annäherungsweise auf die Antike übertragen könnte, da habe ich doch große Zweifel, schon wegen der verfügbaren Milchmengen.
 
Okay Ackerbau das war aber von vornherein klar. Gerste, Hafer, Dinkel, Emmer und Rispenhirse (Panicum miliaceum). Das ist nichts Neues.
Rinder symbolisierte so etwas wie Reichtum. Ein-/Mehrnutzungsrinder. Milch-/Fleischrassen --- der Urahn der heutigen Hochleistungsrassen, ohne jetzt den genauen Ursprung der Schwarzbunten/Rotbunten zu kennen.
Schwattbonte auf Plattdüütsch, irgendwo aus dem Friesischen, Holland, Domestikationszentrum nicht näher bekannt, taucht in der Geschichte wesentlich später auf.

Hier sind wir aber näher dran, vermute ich mal:
Harzer Rotvieh – Wikipedia Harzer Rotvieh – Wikipedia

Diese Rinderrasse entstammte den roten Rinderrassen Süd- und Mitteldeutschlands und geht wahrscheinlich auf das rote einfarbige germanisch-keltische Rind zurück. Daraus entwickelte sich unter den Bedingungen des Mittelgebirges Harz eine eigenständige Rinderrasse. Diese Rinderrasse war ein Dreinutzungsrind, d. h. zur Milchproduktion, Fleischproduktion und zur Zugleistung geeignet.

Dickmilch -> Sauermilchkäse -> Harzer Käse würde regional auch passen. Inwieweit damals die Möglichkeiten waren, who knows?

Extensive Weidehaltung in der Vegetationsperiode, Weidehaltung vielleicht noch bis in den Frühwinter hinein und dann irgendwann Stallhaltung mit Futterbau. Gras-/Maissilage gab es noch nicht. Heu? Luzerne/Alfalfa - bei den Römern schon bei den Germanen wohl noch nicht?

Warum nicht den Begriff Naturvolk benutzen? Ist für mich absolut schlüssig. Eben kein friesischer Landwirt mit 250ha, Milchvieh und Fischgrätenmelkanlage von Alfa Laval, Liegeboxenstall, Gras-Maissilage, Kraftfutter der Fa. Schaumann mit bras. Soja, Bullenbesamung mit TK-Bullensperma, Tierarzt, Zivilisationskrankheiten wie Milchfieber.

Eben etwas sehr sehr viel Ursprüngliches, welches wir nicht kennen.
 
Warum nicht den Begriff Naturvolk benutzen? Ist für mich absolut schlüssig. […]
Eben etwas sehr sehr viel Ursprüngliches, welches wir nicht kennen.
Ich sagte es bereits: Naturvolk impliziert die romantische Vorstellung, dass das betreffende Volk „im Einklang mit der Natur“ lebe. Das ist aber spätestens mit Ackerbau und Viehzucht nicht mehr gegeben.
Und der Mensch unterscheidet sich von anderen Tieren dadurch, dass er ein Allesfresser ist, der seine Umwelt bewusst umgestalten kann.
Eine Raubkatze oder ein Wolf kann die die Umwelt nicht umgestalten. Allenfalls indem das Tier unbewusst immer dieselben Routen läuft und so Trampelpfade (sogenannte Wildwechsel) hinterlässt. Raubtiere sind oft auf ein Beutetier spezialisiert, wenn die Menge der Beutetiere durch Überjagung zurückgeht, können auch Jungtiere der Jäger nicht mehr versorgt werden, weniger werden erwachsen. Das geschieht natürlich mit einer gewissen Zeitverzögerung. Wenn die Bestände der Predatoren einbrechen, können sich wieder die Beutetierpopulationen erholen, wenn diese sich erholt haben, erholen sich, wiederum zeitverzögert die Bestände der Jäger.
Jetzt tritt der Mensch auf den Plan. Beutetier X wird an den Rand der Existenz gedrängt? Macht nix, denn der Mensch ist ja Allesfresser. Heute Hirsch, morgen Weinbergschnecken, dazu Wurzelgemüse, Wildgetreide und Beeren. Das heißt, der Mensch ist im Grunde der einzige Predator, der seine Beute ausrotten kann, weil er von ihrem Überleben unabhängig ist. Außerdem kann der Mensch jagen, ohne selbst vor Ort zu sein (Fallen), der Mensch gestaltet seine Umgebung großflächig um, schon als Jäger und Sammler. Lichtungen ziehen Rotwild an, also legt der mesolithische Mensch Feuer, um Lichtungen zu schaffen. Dass Australien heute in weiten Teilen Steppe und Wüste ist, ist eine Folge der Einwanderung der Aborigines. Vor den Aborigines waren weite Teile Australiens bewaldet. Diese Wälder sind unwiederbringlich verschwunden.

Nun die Germanen: sie leben in festen Häusern, leben von gezüchteten Pflanzen und Tieren, gestalten ihre Landschaft mit Ackerbau und Viehzucht um, verfeuern aber auch jede Menge Holz, um in Rennöfen Metalle zu schmelzen. Sich einen eisenzeitlichen Germanen als Angehörigen eines „Naturvolks“ vorzustellen, ist daher etwas wirklichkeitsfremd.
 
Hi El Quijote, okay ich hatte den Begriff Naturvolk in meiner Vorstellung ganz anders definiert aber mit Deiner überzeugenden Argumentation muss ich natürlich mitgehen.

Aber denkst Du, die Germanen hätten planvolle Tierzucht betrieben? Kannten sie die Mendel-Genetik? Eher nicht. Vielleicht waren sie aber exzellente Beobachter und wählten die Individuen aus, die sich vermehren sollten und welche nicht.
Sie hatten nur das lokale Rindermaterial gehabt, welches unmittelbar zur Verfügung stand. Möglicherweise haben sie auch selektive Zuchtauswahl betrieben. Fleischvererber eingekreuzt in eine besonders fruchtbare Linie?
Ich weiß nicht so recht.
Damals gab es noch keine Herdbuchzüchtung, so dass Du Dir das TK-Bullensperma aus dem Katalog aussuchen kannst. Zuchtwert Fleischleistung, Anzahl Kalbungen mit Kalbeverlauf, Totgeburten % ...

Gab es damals schon Landrassen und Einkreuzungen mit Individuen, welche die gewünschten Eigenschaften hatten?
Welcher Cherusker würde mit seinen Kühen (sagen wir mal Harzer Rotvieh) nach Friesland ziehen, um dort einen "Natursprung" mit einem Superbullen (den Vorfahren des Schwarzbuntes Niederungsvieh) als Milchleistungsvererber ...
Kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Ich denke mal man hatte seine Bullen und ließ seine brünstigen Kühe decken und schaute einfach mal, was dabei herauskam.
Ein lebend geborenes Kalb war gut und wenn es durch den Winter kam umso besser.
Die heutige Abkalbeperiode liegt mW in den Wintermonaten, damit die entwöhnten Kälber dann rechtzeit auf die Weide können; die Lämmersaison zeitig im Frühjahr. Das germanische Leben war sicherlich sehr eng an den Jahreskalender gekoppelt.
 
Zunächst einmal solltest du bedenken, dass die Cherusker keine Europäischen Auerochsen zu Hausrindern umzüchteten, sondern dass sie am Ende einer Kette standen, die ca. 8.000 Jahre zuvor irgendwo in Iraq, der Türkei, Syrien oder dem Libanon begonnen hatte. Das levantinische Ur ist Wildform unserer Rinder, nicht das europäische.
Selbst wenn man nicht einen bestimmten Bullen seinen Kühen zuführt, so schlachtet man vielleicht schneller das wildere Exemplar, das ein höheres Verletzungsrisiko für den Halter darstellt und lässt das friedlichere Exemplar länger leben (und gibt diesem somit mehr Gelegenheit zu Reproduktion).
 
Das levantinische Ur, welches Du bereits erwähnt hast, habe ich übrigens nirgendwo gefunden.
Hast Du diesbezüglich vielleicht nähere Quellen?

Zur Aggressivität. Alle damaligen Rinder trugen Hörner, d.h. sie wurden wohl nicht weggeätzt oder weggebrannt.
Heute weiß man, dass die Hörner bei Rindern eine bedeutende Rolle bei der Wärmeregulation spielen.
Aggressiv können auch heutige Mutterkühe sein, wenn sie Nachwuchs haben. Im Alpenraum hat es zwischen wehrhaften Mutterkühen und Wanderern, die den süßen Kälbern zu nahe kamen, schon mehrere Unfälle gegeben. Teilweise auch mit tödlichem Ausgang.

Die Germanen hatten sicherlich sehr geübten Umgang mit ihren Rindern und konnten die Situationen sicherlich sehr viel besser einschätzen als der heutige landwirtschaftsferne Zivilisationsmensch. So zumindest meine Interpretation.
 
Nach Unfall auf Weissenstein - Mutterkühe sind weder aggressiv noch gefährlich – wenn man sich richtig verhält
Vorsicht Mutterkuh: eine Anleitung
- Immer mindestens 20 Meter Abstand zur Herde halten.
- Junge Kälber nie berühren.
- Sich ruhig verhalten. Schnelle Bewegungen können Rinder schlecht einschätzen, was zu Reflexen wie Flucht oder Angriff führen kann.
- Hunde stets an der Leine führen. Die Kühe assozieren Hunde mit Wölfen und unterscheiden nicht, ob der Hund spielen oder kämpfen will.
- Intensiven Blickkontakt mit den Tieren meiden, damit sie sich nicht provoziert fühlen.
- Die Weiden nur durch vorgesehene Eingänge betreten. Die Herde gewöhnt sich an Wanderer auf den offiziellen Wegen.
- Nicht über die Zäune klettern. Die Herde weiss, dass der Zaun sie vor Eindringlingen schützt.
- Kühe, die auf dem Wanderweg ruhen, aus einer sicheren Distanz umrunden. Die Kühe sind beunruhigt, wenn man mitten durch die Weide geht.

Ist aber off topic :))

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