Wer soll das gewesen sein? Die Legionen in Germanien und Pannonien machten bei seinem Regierungsantritt zwar Schwierigkeiten, riefen aber niemand anderen zum Kaiser aus. Sie wollten lediglich verschiedene Forderungen durchsetzen.
Wenn ich deine Frage beantworten könnte, dann hätte ich nicht selbst dies als Frage formuliert. Wie man auch deinen Ausführungen sehr schön entnehmen kann, waren sich auch die Kaiser des Prinzipats der Gefahr eines Militärputsches bewusst und richteten ihr Handeln mit darauf aus. Mich wundert es eher, daß es erst nach Jahrzehnten erstmals richtig knallte mit dem Vierkaiserjahr und das Prinzipat doch 200 Jahre eher glimpflich davonkam bei dieser fragilen Situation. Andere meinen, das Glas war halb voll und nicht halb leer.
Inwiefern wurde er ferngehalten? In den beiden ersten Jahrhunderten machten die Senatoren noch problemlos zivil und auch militärisch Karriere. Die typische Senatorenkarriere umfasste verschiedene Stationen, gekrönt mit dem (Suffekt-)Konsulat und einer prestigeträchtigen Statthalterschaft. Erst im 3. Jhdt. geriet der Senatsadel zunehmend ins Hintertreffen.
Du nennst selbst das Zauberwort: Prestige. Bestes Beispiel dafür der Papiertiger Suffekt-Konsulat, obwohl dies vielleicht zeitweise notwendig war zur "verfassungsgemäßen" Ernennung einer genügenden anzahl von hohen Beamten. Auch hatte der Adel immer noch Zugriff auf die fetten senatorischen Prokonsulate. Die eigentliche politische Macht auch in den wichtigen kaiserlichen Provinzen war aber der kaiserlichen Klientel mit zunehmend Rittern und dem engsten Familien- und Freundeskreis vorbehalten. Beklagen römische Autoren nicht schon früh, daß der Adel sich nur noch seinen privaten Geschäften und dem Luxus hingibt, wozu fraglos auch die Ausbeutung senatorischer Provinzen zählte? Lag es an der zunehmenden Erkenntnis, daß der cursus honorum nun wirklich nur noch ein Pfad der Ehre ohne wirkliche Macht war?
Beispiele? Auch während der Kaiserzeit blieben die meisten Legionen in wenigen Regionen (Britannien, Rhein- und Donaugrenze, Ostfront) konzentriert.
Dass Legionen aus politischen Gründen verschoben oder gar aufgelöst wurden, war doch eher die Ausnahme, z. B. die Legio III Augusta nach dem Aufstand des Capellianus gegen Gordianus I. und II., wodurch Africa praktisch wehrlos wurde.
Wenn ich mir die Standorte der Legionen an Rhein und Donau anschaue, so nenne ich das im Gegenteil eine Dezentralisierung im Sinne einer Vereinzelung von Legionen. Das mag für die neue Defensivstrategie zielführend gewesen sein, obwohl das spätantike System hier m.E. noch effektiver war. Aber was waren die vollständigen Gründe für die aus meiner Sicht langfristig verhängnisvollen Defensivstrategie?
war es nur:
- die gute Guerillataktik der Germanen in einem dafür sehr gut geeigneten Gelände mit entsprechnder Siedlungsstruktur?
- die vielleicht negative Kosten- / Nutzenrechnung aus wirtschaftlicher Sicht? Ein schneller Return on Investment wie in Gallien war wohl nicht zu erwarten.
- und nicht zu vergessen die vielen inneren Probleme bis hin zu sinkender Wirtschaftskraft. Aber in den ersten Jahhunderten sollte doch die Leistungsfähigkeit noch vorhanden gewesen sein, wie auch Trajan zeigt. Obwohl, der hatte in Dakien noch den üblichen schnellen RoI.
Oder war es auch die Notwendigkeit, für eine offensivere Strategie nicht einzelne Legionen mit besser beherrschbaren Legaten zu stationieren, sondern größere Verbände einzusetzen. 3 Legionen und mehr mit einem in Folge hoffentlich erfolgreichen aber dadurch auch zunehmend vermögenderen und angeseheneren Triumphators mit wachsender Klientel in Legion und Staat. So zieht man kleine Caesars groß. Die Defensivstrategie war da doch aus Sicht eines machtbewussten Kaiser viel praktischer.
Die Alternative zur Defensivstrategie und dem großen Wurf, der unter Augustus gescheitert ist, wäre m.E. eine schrittweise Eroberung Germaniens mit begleitender Kolonisierung gewesen: den Süden bis zum Main, dann von Köln entlang der Lippe bis zur Weser, Flottenstützpunkte an den Mündungen der großen Flüsse, dann weiter bis zur Elbe, dann Böhmen, dann bis zur Oder. Das eigentliche Germania Magna reichte bis an eine Linie Weichsel/Taurus, wobei da schon die Daker inklusive sind.
Solch eine Strategie hätte dauerhaft größere Legionsverbände erfordert. Diese waren aber nur beherrschbar mit dem Kaiser als Feldherrn vor Ort oder einem absoluten Vertrauensmann vorzugsweise designiertem Nachfolger, da sonst das bekannte Problem drohte.
Eine wilde Spekulation, ich weiss. Ich wollte auch nur verdeutlichen, daß Legitimation und Loyalität und die permanente Drohung eines aus der Republik bestens bekannten Militärputsches das aktuelle Handeln und Entscheidungen der Principes sehr wohl hätte beeinflussen konnte.