Machtergreifung 1933

Kübra

Neues Mitglied
Hallo liebe Leser,

bei meiner letzten Frage habe ich viele sinnvolle Antworten erhalten, nochmals ein großer Dank an alle, die zur Beantwortung meiner Fragen beigetragen haben. :yes:

Ich weiß nicht so richtig, ob die Frage hier zum Forum passt, weil es didaktische Fragen sind. Ich frag einfach mal:

Zu dem Thema Machergreifung 1933 muss ich fünf Fragen der didaktischen Analayse nach Klafki beantworten. Hier die 5 Fragen:

1. Welchen größeren bzw. allgemeinen Sinn- und Sachzusammenhang erschließt dieser Inhalt?Welches Urphänomen oder Grundprinzip, welches Gesetz, Problem welche Methode oder Haltung lässt sich in der Auseinandersetzung mit ihm "examplarisch" erfassen?

2. Welche Bedeutung hat der betreffende Inhalt bereits im geistigen Leben der Kinder/Jugendlichen einer Klasse, welche sollte er (aus pädagogischer Sicht) haben?

3. Worin liegt die Bedeutung des Themas für die Zukunft der Kinder/Jugendliche?

4. Welches ist die Struktur des Inhaltes?

5. Welches sind die besonderen Fälle, Situationen, in oder an denen die Struktur des jeweiligen Inhalts den Kindern/Jugendlichen dieser Bildungsstufe interessant, begreiflich, anschaulich werden kann?

Zu Frage 2 und 3 habe ich mir einiges aufgeschrieben, ich weiß aber nicht ob es richtig ist, zu den anderen Fragen, wusste ich überhaupt nicht, was damit gefragt ist?Habe nicht mal die Frage verstanden z. B. Struktur des Inhalts? etcc.

Vielleicht könnte Ihr mir mal Stichpunkte sagen und mich ein bißchen aufklären.

Vielen Dank vorab!
 
Machtergreifung 1933

1. Welchen größeren bzw. allgemeinen Sinn- und Sachzusammenhang erschließt dieser Inhalt?Welches Urphänomen oder Grundprinzip, welches Gesetz, Problem welche Methode oder Haltung lässt sich in der Auseinandersetzung mit ihm "examplarisch" erfassen?

2. Welche Bedeutung hat der betreffende Inhalt bereits im geistigen Leben der Kinder/Jugendlichen einer Klasse, welche sollte er (aus pädagogischer Sicht) haben?

3. Worin liegt die Bedeutung des Themas für die Zukunft der Kinder/Jugendliche?

4. Welches ist die Struktur des Inhaltes?

5. Welches sind die besonderen Fälle, Situationen, in oder an denen die Struktur des jeweiligen Inhalts den Kindern/Jugendlichen dieser Bildungsstufe interessant, begreiflich, anschaulich werden kann?
1. Es können die Beweggründe der beteiligten Personen ("Mitschuldigen") verstanden, die tieferen Ursachen herausgearbeitet werden.
Propagandistische Bemühungen falsche Inhalte zu vermitteln aus egal welchem Spektrum würden abgeblockt werden, die Allgemeinbildung gefördert, das Verständnis der Beweggründe der politischen Agitanten gebildet werden.
Bezüge zu gegenwärtigen Umstürzen und politischen Verhältnissen können besser verstanden werden.

2. und 3.
Zeig doch bitte einmal, was du geschrieben hast

4. Sollte offensichtlich sein.
Wie ist das Thema aufgebaut, was sind zu vermittelnde Inhalte, Umfeld zu dem Thema (z.B. politisches System, Erklärung des politischen Amtes und der Rechte, die Hitler erhalten hatte, etc.) und so weiter.
In Punkt 4 wird das Thema formal abgehandelt.

5. Ich denke man kann hier gerne Mussolini nennen, ansonsten bilde dich im Web einfach über politische Umsturzversuche/Umstürze.
 
Vielen Dank Dominion!

Deine Antworten waren mir sehr hilfreich.

Frage 2 und 3 habe ich zusammenbeantwortet. Ich weiß auch nicht, ob es richtig ist.

Die Schüler erfahren durch das Thema "Machtergreifung 1933", dass unsere Geschichte nicht nur von Demokratie geprägt wurde.

Die Schüler können sich durch neonazistische Propaganda nicht beeinflussen lassen und können sich kritisch dazu äußern.

Also ich habe nicht gerade fiel geschrieben, aber wenigstens etwas.

Du warst der einzige der mir geantwortet hat. Einen großen Dank!!!!!
 
Ja, die Dokumentation ist wirklich beeindruckend. Dies vor allem, weil sie weiterreichender ist als die, die ich gestern Abend auf ARD gesehen habe, und in der teilweise identisches Material verwendet worden ist: 100 Tage ab „Machtergreifung“ aus der Sicht verschiedener Tagebuchschreiber. Bei den einen kennt die Begeisterung für die Nazis keine Grenzen, den anderen wird schon früh klar, wohin der Zug fuhr. Selbst als die Behandlung der Juden einige abstieß, überwog die Begeisterung: Die meisten Menschen dachten wirklich, es entstehe etwas Großartiges.

Leider werden solche Dokumentationen nicht von Leuten gesehen, die es bedürften, um ihr Geschichtsbild zu korrigieren, sondern eher von jenen, die das alles eh schon wissen.
 
Zitat aus dem Artikel: „Es war keine Machtergreifung, es war eine Machtübergabe der konservativen Eliten an die Nazis.“

Ich würde sogar weitergehen und sagen, das katholische Zentrum hat zusammen mit der Bayerischen Volkspartei am 24. März 1933 Deutschland verraten, um für sich selbst bzw. die katholische Kirche ein paar Vergünstigungen zu bekommen. Der Zentrums-Vorsitzende Ludwig Kaas gab anschließend die Parteiführung ab und entschwand nach Rom, wo er, diesmal an der Seite des Vatikans!, die Verhandlungen über das Konkordat mit dem Reich führte und erfolgreich abschloss. Das Konkordat kann man als Belohnung für die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz ansehen.

Obwohl der Prälat Kaas es besser wissen musste (Mt 6,24), war er doch ein Diener zweier Herren: Deutschland und Vatikan; allerdings hat er letzten Endes doch sein wahres Gesicht gezeigt und Vatikan zu seinem alleinigen Herren erkoren.
 
Zitat aus dem Artikel: „Es war keine Machtergreifung, es war eine Machtübergabe der konservativen Eliten an die Nazis.“

Ich würde sogar weitergehen und sagen, das katholische Zentrum hat zusammen mit der Bayerischen Volkspartei am 24. März 1933 Deutschland verraten, um für sich selbst bzw. die katholische Kirche ein paar Vergünstigungen zu bekommen.

Die Machtübergabe war nicht am 24. März 1933, sondern am 30. Januar 1933.

Das Herrschaftssystem der unbeschränkten Willkür und Gewalt (Fraenkel) wurde am 28. Februar durch die "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" errichtet:
"Die Verfassung des Dritten Reiches ist der Belagerungszustand. Seine Verfassungsurkunde ist die Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933."
Ermächtigungsgesetz

Diese (nie aufgehobene) Verordnung setzte wesentliche Grundrechte außer Kraft und schuf die Grundlage für die Machtergreifung der Nazis in den einzelnen Bundesländern (die Polizeihoheit war Ländersache), wo innerhalb weniger Tage die demokratisch legitimierten Landesregierungen abgesetzt wurden: Württemberg 8. März, Bayern 9. März, Sachsen 10. März etc. (In Preußen war der Staatsstreich bereits durch Papen und Hindenburg am 20. Juli 1932 vorweggenommen worden.)
Am 3. März 1933 wurde in Nohra das erste Konzentrationslager offiziell eingerichtet, am 13. März 1933 verfügte Himmler die Einrichtung des KZ Dachau; die ersten Häftlinge wurden am 22. März nach Dachau verbracht.


Das Konkordat kann man als Belohnung für die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz ansehen.
Hitler hat keine "Belohnungen" verteilt. Das Konkordat wurde geschlossen, weil Hitler es wollte und nicht, weil er glaubte, dem Zentrum eine "Belohnung" schuldig zu sein; der Vatikan verpflichtete sich dazu, Bestimmungen zu erlassen, "die für die Geistlichen und Ordensleute die Mitgliedschaft in politischen Parteien und die Tätigkeit für solche Parteien ausschließen."
Auf die Verpflichtungen, die Hitler einging, hat er später dann gepfiffen, wenn er es für richtig hielt.

In seiner Rede im Reichstag am 23. März 1933 hat Hitler eine Reihe von Versprechungen gemacht, die es den Abgeordneten der bürgerlichen Parteien wohl leichter machen sollten, für das Ermächtigungsgesetz zu stimmen, u. a.: "Die Regierung beabsichtigt dabei, von diesem Gesetz nur insoweit Gebrauch zu machen, als es zur Durchführung der lebensnotwendigen Maßnahmen erforderlich ist. Weder die Existenz des Reichstags noch des Reichsrats soll dadurch bedroht sein. [...] Der Bestand der Länder wird nicht beseitigt".

Mit dem Gesetz über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 1934 gingen die Hoheitsrechte der Länder auf das Reich über, mit dem Gesetz über die Aufhebung des Reichsrats vom 14. Februar 1934 hörte der Reichsrat auf zu existieren.
Gesetz über den Neuaufbau des Reichs – Wikisource
Gesetz über die Aufhebung des Reichsrats – Wikisource

Vor dem 23. März hatte Hitler Kaas zu verstehen gegeben, dass er die von ihm geplanten Maßnahmen durchziehen würde, mit oder ohne Ermächtigungsgesetz. Dass eine Ablehnung des Gesetzes zwecklos war, unterstrich er auch auf andere Weise nachdrücklich: "Schätzungsweise zwanzig bis an die Zähne bewaffnete SA- und SS-Männer kamen auf jeden oppositionellen Reichstagsabgeordneten im Reichstagsgebäude" (Reinhold Maier, zit. nach Rudolf Morsey, Das "Ermächtigungsgesetz" vom 24. März 1933, Neuauflage Düsseldorf 2010, S. 152)

Etliche Abgeordnete äußerten sich rückblickend ähnlich wie Fritz Ulrich (SPD):
"Hätte das Ermächtigungsgesetz im Reichstag nicht die verfassungsmäßig vorgeschriebene Zweidrittel-Mehrheit erlangt, so wären die Methoden der Gewalt und der sogenannten nationalen Revolution nur offener und für die Welt sichtbar in Erscheinung getreten." (Morsey, S. 124)
 
Ich würde sogar weitergehen und sagen, das katholische Zentrum hat zusammen mit der Bayerischen Volkspartei am 24. März 1933 Deutschland verraten, um für sich selbst bzw. die katholische Kirche ein paar Vergünstigungen zu bekommen.

Gut, dann möchte ich demgegenüber fragen, was das Zentrum am 24. März 1933 faktisch noch hätte tun können, um Hitler aufzuhalten?
Die Repressionen gegen die KPD und die SPD hatten bereits vorher Formen angenommen, die nicht einmal mehr von der "Reichstagsbrandverordnung" gedeckt waren und die Justiz, die verschiedenen Polizeiapparate und auch Hindenburg hatten sich bereits erkennbar zum Komplizen dessen gemacht, in dem sie in Verstoß gegen ihre Amtspflichten wegsahen und das tolerieren.

Was genau hätten die Abgeordneten von BVP und Zentrum deiner Meinung nach mit einer Ablehnung der Vorlage zum "Ermächtigungsgesetz" 1933 ändern können?

Legal war dieses Gesetz ohnehin in keiner Weise da es dadurch zustande gekommen war, dass man widerrechtlich Druck auf die parlamentarischen Mandatsträger ausübte, sie willkürlich ohne jeden Nachweis auf persönliche Verfehlungen verhaftete und/oder bedrohte und eebenfalls ohne jegliche Grundlage die in legalen Wahlen erworbenen Mandate der KPD, einer Partei, die zu diesem Zeitpunkt nach wie vor legal war, ohne jegliche rechtliche Grundlage einfach kassierte.


Von dem her sehe ich nicht, wie der häufig vorgetragene Anwurf an das Zentrum, es hätte Hitler die Diktatur erst ermöglicht oder ihr eine scheinlegale Grundlage verschafft, zu halten sein sollten.


Legal war ein unter solches unter terroristischem Druck zustandegekommenes Gesetz in keinem Fall und dass war auch jedem vernünftig denkenden Menschen klar, denen, die weil sie in der Justiz, in der Verwaltung oder in den Polizeiapparaten arbeiteten und daher auch ein gewisses Fundament in Sachen Jura-Kenntnisse mitbrachten, musste das dreimal klar sein.

Die dem "Ermächtigungsgesetz" vorausgegangenen Repressionen beweisen auch, dass es dieses Gesetzes nicht bedurfte um Hitler diktatorische Vollmachten zu verschaffen, denn de facto übte er solche bereits aus um dieses Gesetz zustande zu bringen und wurde von Polizei, Justiz und Reichspräsident, deren Aufgabe die Verhinderung dessen gewesen wäre, nicht behindert.


Realistisch gesehen konnte das Zentrum das Gesetz ablehnen, mit der Folge, dass man seine Abgeordneten genau so verfolgte und weggesperrt hätte, wie die der SPD oder die Mandate so wie die der KPD einfach kassiert und das Gesetz einfach noch einmal eingebracht hätte vor einem Reichstag der dann de facto nur noch aus DNVP und NSDAP bestanden hätte und der das ohne weiteres abgenickt hätte.

Dadurch wäre es dann viellicht ein paar Wochen später zustande gekommen, was nichts daran geändert hätte, dass der politische Terror, der bereits vorher eingesezt hätte, weitergegangen wäre.

Man wird sicherlich behaupten können das Verhalten der Zentrumsabgeordneten war alles andere als heroisch, aber an diesem Punkt anders zu handeln, hätte kaum etwas geändert, da war der Zeitpunkt lange verpasst.
 
Die dem "Ermächtigungsgesetz" vorausgegangenen Repressionen beweisen auch, dass es dieses Gesetzes nicht bedurfte um Hitler diktatorische Vollmachten zu verschaffen, denn de facto übte er solche bereits aus um dieses Gesetz zustande zu bringen und wurde von Polizei, Justiz und Reichspräsident, deren Aufgabe die Verhinderung dessen gewesen wäre, nicht behindert.
[...]
Dadurch wäre es dann viellicht ein paar Wochen später zustande gekommen, was nichts daran geändert hätte, dass der politische Terror, der bereits vorher eingesezt hätte, weitergegangen wäre.

O-Ton Hitler 23. März 1933:
"... appellieren wir in dieser Stunde an den Deutschen Reichstag, uns zu genehmigen, was wir auch ohnedem hätten nehmen können."
https://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_w8_bsb00000141_00040.html

Die Formulierung "von Polizei, Justiz und Reichspräsident nicht behindert" ist euphemistisch. Der Reichspräsident hat die zügige Errichtung der Willkürherrschaft aktiv unterstützt, nicht nur durch die besonders folgenschwere Notverordnung vom 28. Februar.
In den wenigen Wochen zwischen 30. Januar und 23. März 1933 hat Hindenburg die Wünsche der Hitler-Regierung durch zahlreiche Notverordnungen erfüllt, es waren nicht weniger als 20! Bereits am 1. Februar wurde der Reichstag aufgelöst (der die Notverordnungen hätte kippen können), und erste Einschränkungen der Versammlungs- und Pressefreiheit gab es bereits am 4. Februar, um den Wahlkampf der Opposition behindern zu können und der Koalition für die anstehende Neuwahl eine möglichst günstige Ausgangsposition zu verschaffen.
Dass der Staatsstreich in Preußen schon 1932 vorweggenommen worden war, habe ich im letzten Beitrag schon erwähnt. Der neue preußische Innenminister Göring ging sofort daran, die Schaltstellen des Polizeiapparats mit linientreuen Gefolgsleuten zu besetzen; vom 17. Februar datiert der berüchtigte Schießerlass:

Ich glaube, mir einen besonderen Hinweis darauf ersparen zu können, daß die Polizei auch nur den Anschein einer feindseligen Haltung oder gar den Eindruck einer Verfolgung gegenüber nationalen Verbänden (SA, SS und Stahlhelm) und nationalen Parteien unter allen Umständen zu vermeiden hat. Ich erwarte vielmehr von sämtlichen Polizeibehörden, daß sie zu den genannten Organisationen, in deren Kreisen die wichtigsten staatsaufbauenden Kräfte enthalten sind, das beste Einvernehmen herstellen und unterhalten.
Darüber hinaus sind jede Betätigung für nationale Zwecke und die nationale Propaganda mit allen Kräften zu unterstützen.
Von polizeilichen Beschränkungen und Auflagen darf insoweit nur in dringendsten Fällen Gebrauch gemacht werden. Dafür ist dem Treiben staatsfeindlicher Organisationen mit den schärfsten Mitteln entgegenzutreten. Gegen kommunistische Terrorakte und Überfälle ist mit aller Strenge vorzugehen und, wenn nötig, rücksichtslos von der Waffe Gebrauch zu machen. Polizeibeamte, die in Ausübung dieser Pflichten von der Schußwaffe Gebrauch machen, werden ohne Rücksicht auf die Folgen des Schußwaffengebrauchs von mir gedeckt; wer hingegen in falscher Rücksichtnahme versagt, hat dienststrafrechtliche Folgen zu gewärtigen."

Sächsische Volkszeitung : 22.02.1933

Bereits am 22. Februar erging ein neuer (nicht veröffentlichter) Erlass, wonach die preußische Polizei durch 50.000 Hilfspolizisten "verstärkt" werden sollte – zur einen Hälfte aus SA-Mitgliedern, zur anderen Hälfte aus SS, Stahlhelm und Deutschnationalem Kampfring.
 
Gut, dann möchte ich demgegenüber fragen, was das Zentrum am 24. März 1933 faktisch noch hätte tun können, um Hitler aufzuhalten?
Die Repressionen gegen die KPD und die SPD hatten bereits vorher Formen angenommen, die nicht einmal mehr von der "Reichstagsbrandverordnung" gedeckt waren und die Justiz, die verschiedenen Polizeiapparate und auch Hindenburg hatten sich bereits erkennbar zum Komplizen dessen gemacht, in dem sie in Verstoß gegen ihre Amtspflichten wegsahen und das tolerieren.

Was genau hätten die Abgeordneten von BVP und Zentrum deiner Meinung nach mit einer Ablehnung der Vorlage zum "Ermächtigungsgesetz" 1933 ändern können?

Legal war dieses Gesetz ohnehin in keiner Weise da es dadurch zustande gekommen war, dass man widerrechtlich Druck auf die parlamentarischen Mandatsträger ausübte, sie willkürlich ohne jeden Nachweis auf persönliche Verfehlungen verhaftete und/oder bedrohte und eebenfalls ohne jegliche Grundlage die in legalen Wahlen erworbenen Mandate der KPD, einer Partei, die zu diesem Zeitpunkt nach wie vor legal war, ohne jegliche rechtliche Grundlage einfach kassierte.


Von dem her sehe ich nicht, wie der häufig vorgetragene Anwurf an das Zentrum, es hätte Hitler die Diktatur erst ermöglicht oder ihr eine scheinlegale Grundlage verschafft, zu halten sein sollten.


Legal war ein unter solches unter terroristischem Druck zustandegekommenes Gesetz in keinem Fall und dass war auch jedem vernünftig denkenden Menschen klar, denen, die weil sie in der Justiz, in der Verwaltung oder in den Polizeiapparaten arbeiteten und daher auch ein gewisses Fundament in Sachen Jura-Kenntnisse mitbrachten, musste das dreimal klar sein.

Die dem "Ermächtigungsgesetz" vorausgegangenen Repressionen beweisen auch, dass es dieses Gesetzes nicht bedurfte um Hitler diktatorische Vollmachten zu verschaffen, denn de facto übte er solche bereits aus um dieses Gesetz zustande zu bringen und wurde von Polizei, Justiz und Reichspräsident, deren Aufgabe die Verhinderung dessen gewesen wäre, nicht behindert.


Realistisch gesehen konnte das Zentrum das Gesetz ablehnen, mit der Folge, dass man seine Abgeordneten genau so verfolgte und weggesperrt hätte, wie die der SPD oder die Mandate so wie die der KPD einfach kassiert und das Gesetz einfach noch einmal eingebracht hätte vor einem Reichstag der dann de facto nur noch aus DNVP und NSDAP bestanden hätte und der das ohne weiteres abgenickt hätte.

Dadurch wäre es dann viellicht ein paar Wochen später zustande gekommen, was nichts daran geändert hätte, dass der politische Terror, der bereits vorher eingesezt hätte, weitergegangen wäre.

Man wird sicherlich behaupten können das Verhalten der Zentrumsabgeordneten war alles andere als heroisch, aber an diesem Punkt anders zu handeln, hätte kaum etwas geändert, da war der Zeitpunkt lange verpasst.

Die eindrucksvolle Rede von Otto Wels und das Abstimmverhalten der SPD haben gezeigt, das auch andere Reaktionen möglich waren. Wels führte u.a. aus: "Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht."
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Formulierung "von Polizei, Justiz und Reichspräsident nicht behindert" ist euphemistisch.

Ich habe das bewusst vorsichtig formuliert, weil ich da noch einen verschiedenen Grad der Kooperation der angesprochenen Institutionen wahrnehme.

Im Hinblick auf den Reichspräsidenten Hindenburg hast du damit aber sicherlich recht.
 
Die eindrucksvolle Rede von Otto Wels und das Abstimmverhalten der SPD haben gezeigt, das auch andere Reaktionen möglich waren.

Das habe ich auch nicht bestritten, ich frage nur was es gebracht hätte, bzw. gebracht hat?

Sicherlich ein couragierteres Verhalten von Herrn Wels und der SPD, als das vom Zentrum vorgetragene Abstimmungsverhalten, nur hat es realiter irgendwas geändert?

Was hätte es geändert, hätten sich die Zentrumsabgeordneten bei der Abstimmung zum "Ermächtigungsgesetz" anders verhalten?
Es hätte möglicherweise einiges geändert, hätten sie sich vorher anders verhalten, sich im Parlament vernünftig zusammengerauft und darauf verzichtet die eine oder andere Regierung durch kleinliche Partikularinteressen zu Fall zu bringen.
Es hätte möglicherweise etwas geändert, hätte sich das Zentrum deutlich früher klar gegen Hitler positioniert und versucht auf die konservativen Kreise der Gesellschaft in diesem Sinne einzuwirken.
Es hätte möglicherweise etwas geändert, wenn sich, als die Kanzlerschaft Hitler sich abzeichnete (die fiel nicht aus heiterem Himmel) SPD und Zentrum versucht hätten mit der KPD zu einer Zweckgemeinschaft auf Zeit zusammen zu raufen um diese Gefahr abzuwehren.

Man kann dem Zentrum sicherlich diese Vorwürfe machen und der Partei deswegen ein gewisses Maß an politischem Versagen attestieren, aber das hat an den entscheidenden Punkten Monate bis Jahre vor dem Ermächtigungsgesetz stattgefunden.
Da hätte gekämpft und anders gehandelt werden müssen. Im März 1933 war das Kind in den Brunnen gefallen.
 
Sicherlich ein couragierteres Verhalten von Herrn Wels und der SPD, als das vom Zentrum vorgetragene Abstimmungsverhalten, nur hat es realiter irgendwas geändert?

Darum ging es mir nicht. Es ging mir "nur" darum aufzuzeigen, das Otto Wels und die SPD vor der ganzen Welt gezeigt haben, das es in Deutschland Demokraten gab, die für die Demokratie einstanden und dafür, leider, den Terror der Nazis erleiden müssten. Das war eine außerordentlich mutige Tat.
Ein Kurt Schumacher beispielsweise hat den größten Teil der Naziherrschaft im Konzentrationslager verbracht.
 
Die eindrucksvolle Rede von Otto Wels und das Abstimmverhalten der SPD haben gezeigt, das auch andere Reaktionen möglich waren. Wels führte u.a. aus: "Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht."

Das Verhalten war unter den gegebenen Umständen nicht nur mutig, sondern hatte auch Würde und Stil. So weit wie die Diktatur in Deutschland sich aber bereits entwickelt hatte, hatte das Verhalten der SPD-Fraktion leider nur noch symbolische Bedeutung.
 
Gut, dann möchte ich demgegenüber fragen, was das Zentrum am 24. März 1933 faktisch noch hätte tun können, um Hitler aufzuhalten?

Wenn das Zentrum wie die SPD gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt hätte, wäre das Ermächtigungsgesetz nicht in Kraft getreten, da nicht die 2/3 Mehrheit erreicht worden wäre. Wie es dann weiter gegangen wäre (z. B. gewaltsamer Umsturz), ist eine andere Frage.
 
Wenn das Zentrum wie die SPD gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt hätte, wäre das Ermächtigungsgesetz nicht in Kraft getreten, da nicht die 2/3 Mehrheit erreicht worden wäre. Wie es dann weiter gegangen wäre (z. B. gewaltsamer Umsturz), ist eine andere Frage.


Das ist eben keine Frage, weil der Umsturz längst da war und die Nazis längst abseits jeder rechtlichen Grundlage handelten, unterstützt durch Staatsaparat und Reichspräsidenten.

Meinst du, wenn das Zentrum das Ermächtigungsgesetz blockiert hätte, hätte die Reaktion der Nazis darin bestanden die illegal verhafteten Mandatsträger von KPD und SPD wieder zu entlassen, sie ihre politisch Arbeit weiter machen zu lassen und sich selbst vor Gericht zu schleifen, weil die Gewaltakte, die sie gegen die Parlamentarier begangen hatten Terrorismus und Hochverrat waren?

Der gesamte Staatsaparat, der dabei mitgemacht hatte oder es durch Wegschauen wenigstens gedeckt hatte, war damit so weit gegangen, dass er auf en Boden der Legalität nicht mehr hätte zurückkehren können, die Nazis erst recht nicht.
 
Ohne Zuhilfenahme einer Glaskugel kann keiner wissen, was passiert wäre, wenn das Ermächtigungsgesetz im Reichstag gescheitert wäre. Die Umwandlung der Weimarer Republik in das Dritte Reich war eben kein illegetimer Umsturz, keine so von den Nazis sogenannte Nationale Revolution, sondern spielte sich im Rahmen der Gesetze und Verfassung ab. Ein Umsturz durch Gewalt hätte deutlich gemacht, dass die Machtübernahme eigentlich ein Putsch war.
 
ie Umwandlung der Weimarer Republik in das Dritte Reich war eben kein illegetimer Umsturz, keine so von den Nazis sogenannte Nationale Revolution, sondern spielte sich im Rahmen der Gesetze und Verfassung ab.

Das ist so nicht richtig.
Schau dir die "Reichstagsbrandverordnung" und auch die übrigen Sonderverordnungen aus der Zeit an.

Es gab KEINE gesetzliche Grundlage dafür:

- Legale politische Parteien, wie die SPD, das Zentrum und auch die KPD in ihrem Wahlkampf zu repressieren.
- Mandatsträger anderer politischer Parteien ohne einen Hinweis auf irgendwelche strafbaren Vergehen einfach mal einzusperren und sie an der Wahrnehmung ihres Mandats zu behindern.
- Die Mandate der KPD, einer Partei, die nach wie vor legal war, einfach ersatzlos zu kassieren.

Das alles waren bereits massivste ungesetzliche Schritte, die den Weg zum "Ermächtigungsgesetz" erst ebneten.

Und nachdem diese Schritte, die, ich wiederhole mich, juristisch Terrorismus und Hochverrat entsprechen von den Nazis bereits vor dem Einbringen der Vorlage zum Ermächtigungsgesetz unternommen worden waren, gab es für die Nazis hier kein Zurück in die Legalität mehr, denn dann hätten sie sich selbst vor den Kadi zerren müssen, wegen Straftaten, auf die damals noch die Todesstrafe stand.
Gleiches gilt für alle Vertreter des Staatsaparats, die die Nazis in Verletzung ihrer Amtspflichten dabei hatten gewähren lassen oder die das sogar unterstützten.
 
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