Machtergreifung 1933

Die Reichstagsbrandverordnung, die Teile der Weimarer Reichsverfassung (WRV) außer Kraft setzte, wurde aufgrund der WRV erlassen [...]

Ich habe die Legalität der "Reichstagsbrandverordnung" auch nie bestritten.
Nur gingen die Nazis mit ihren Maßnahmen, die sie gegen ihre politischen Gegner bereits vor dem März 1933 ergriffen deutlich über alles hinaus, wofür die "Reichstagsbrandverordnung" und auch alle anderen Sonderverordnungen Hindenburgs die rechtliche Basis lieferten.

Denn gewählte parlamentarische Vertreter einfach mal nach Gutddünken zu kidnappen (mit einer ordentlichen, begründeten Verhaftung hatte das, was die SA da betrieb ja nichts zu tun) und in irgendwelche Lager zu sperren, die nach dem geltendden Gesetz gar nicht hätten existerien dürfen und sie dort in krass rechtswidriger Weise zu behandeln oder das zu nutzen um sie einzuschüchtern um sie von der Wahrnehmung ihres Mandats abzuhalten, war durch nichts, aber auch gar nichts gerechtfertigt.
Auch nicht durch die "Reichstagsbrandverordnung."

Und das passierte eben schon vor dem "Ermächtigungsgesetz".[/QUOTE]
 
Der 'Preußenschlag' vom Juli 1932, zusammen mit den Notverordnungen, die Reichs-Regierungsausübung auf Basis der Notverordnungen, der vielfache und rasche Austausch leitender Positionen zugunsten der neuen Machthaber hatten und hätten auch ohne Ermächtigungsgesetz weitgehende autoritäre Vollmachten, Vollzugs- u. Durchführungsmöglichkeiten eröffnet.

Vielfach prägten bzw. regierten nichtparlamentarische, antidemokratische Massen-Organisationen und Gruppierungen de facto den öffentlichen Raum, schon ab dem Preußenschlag.

Das Kabinett von Reichskanzler Papen regierte mit Notverordnungen ab Juni 1932 und bedeutsame Minister, Außen-, Finanz- und Justizminister z.B., von Neurath, von Krosigk, Gürtner, blieben auch in den Hitler-Kabinetten ab Ende Januar 1933 auf ihren Ämtern.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Machtübergabe war nicht am 24. März 1933, sondern am 30. Januar 1933.
- und andere Daten, die du aufgeführt hast, waren nur Schritte zum Ziel, doch erst die Zustimmung des Parlaments machte das „Ermächtigungsgesetz“ legal. Und am 24.3.1933 bestand die Möglichkeit, das Gesetz abzulehnen, aber das katholische Zentrum und ein paar kleinere Parteien stimmten dem Gesetz zu – und schafften sich damit selbst ab.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Nazis eine Ablehnung ignoriert hätten, aber das wäre ein Putsch und damit fraglich gewesen, ob das Volk, die Beamten und das Militär das so ohne weiteres hingenommen hätten. So aber konnten die Nazis auf die Legalität verweisen, was nicht wenige Bürger die Möglichkeit nahm, dagegen zu protestieren.

Natürlich war das Zustandekommen der Zweidrittelmehrheit manipuliert, aber alle Abgeordneten - außer denen der SPD - haben der Änderung der Geschäftsordnung zugestimmt, nachdem alle nicht anwesende Abgeordneten (inkl. der Kommunsten und anderen nicht anwesenden Abgeordneten, weil in „Schutzhaft“ befindlichen) als anwesend zu werten seien. Schon da gab es die Möglichkeit, den Plan der Nazis zu durchkreuzen.

Das ist alles bekannt – dass es darüber überhaupt eine Diskussion in diesem Forum geben kann, habe ich bisher nicht für möglich gehalten. Muss ich mich langsam fragen, welcher Geist hier weht?
 
erst die Zustimmung des Parlaments machte das „Ermächtigungsgesetz“ legal.

Zum Mitschreiben, du möchtest uns ein Gesetz, dass dadurch zustande gekommen ist, dass man ein-zwei Drittel der gewählten Abgeordneten ohne jede Rechtsgrundlage verhaftet (de facto illegale Freiheitsberaubung) und malträtiert (im Sinne schwerer/gefährlicher Körperverletzung), bedroht und genötigt hat, als legal verkaufen?
 
Zuletzt bearbeitet:
- und andere Daten, die du aufgeführt hast, waren nur Schritte zum Ziel, doch erst die Zustimmung des Parlaments machte das „Ermächtigungsgesetz“ legal.
Freilich, ein "Gesetz" ist erst "legal", wenn es ein Gesetz ist. ;)

Die Notverordnung vom 28. Februar 1933 war auch legal, sie wurde vom Reichspräsidenten gemäß Artikel 48 der Reichsverfassung erlassen. Sie hätte vom Reichstag gekippt werden können, der Reichstag war aber schon aufgelöst, und im neuen Reichstag hatten die Regierungsparteien dann die absolute Mehrheit. Es gab also bereits eine "legale" diktatorische Willkürherrschaft.

Natürlich war das Zustandekommen der Zweidrittelmehrheit manipuliert
Es war, auch bei korrektster Zählung, eine Zweidrittelmehrheit. Diese war nicht manipuliert. Es wurde aber vorgesorgt, um gegebenenfalls auf anderen Wegen zu einer Zweidrittelmehrheit zu gelangen. Die Nazis hatten ihre Manipulationsmöglichkeiten noch nicht ausgereizt.

In der Ministerbesprechung vom 15. März 1933 rechnete Innenminister Frick vor, nach Abzug der kommunistischen Abgeordneten bräuchten "nur 378 Abgeordnete für die Annahme des Ermächtigungsgesetzes anwesend zu sein". In diesem Fall hätten 252 Stimmen für die Zweidrittelmehrheit gereicht. (Die NSDAP stellte allein 288 Mandate.) Göring schlug vor: "Eventuell könne man die Mehrheit dadurch erreichen, daß einige Sozialdemokraten aus dem Saal verwiesen würden."

Die Änderung der Geschäftsordnung, nach der auch (z. B. in Folge einer willkürlichen Verhaftung) abwesende Abgeordnete als anwesend gezählt werden konnten, war eine weitere Vorsichtsmaßnahme, denn durch Abwesenheit hätten die Abgeordneten der SPD und des Zentrums die Beschlussfähigkeit torpedieren und damit eine Abstimmung verhindern können.

Schon da gab es die Möglichkeit, den Plan der Nazis zu durchkreuzen.
Wie denn das?
Die Änderung der Geschäftsordnung des Reichstags war keine Verfassungsänderung, die Regierung verfügte am 21. März über eine absolute Mehrheit.

Das ist alles bekannt – dass es darüber überhaupt eine Diskussion in diesem Forum geben kann, habe ich bisher nicht für möglich gehalten.
Ich habe nicht den Eindruck, dass Dir die Tatsachen so gut bekannt sind, dass ausgerechnet Du den Sinn dieser Diskussion in Frage stellen müsstest.
 
Zuletzt bearbeitet:
dass man ein-zwei Drittel der gewählten Abgeordneten ohne jede Rechtsgrundlage verhaftet

Was du mit "ein-zwei Drittel der gewählten Abgeordneten" meinst, ist mir nicht ganz klar.

(de facto illegale Freiheitsberaubung)
... oder "de jure legale Freiheitsberaubung"? Die gemäß Artikel 48 erlassene Verordnung vom 28. Februar 1933 besagt ausdrücklich: "
Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit [...] auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen zulässig."

Unter dem Vorwand der "Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte" wurden Wandervogelgruppen, protestantische Krankenpflegevereine, katholische Jugendgruppen etc., die mit Kommunismus gewiss nichts am Hut hatten, aufgelöst bzw. ihre Mitglieder verurteilt. Die juristischen Begründungen lesen sich abenteuerlich, die Maßnahmen galten aber als "legal", weil durch eine verfassungsgemäß erlassene Verordnung gedeckt.
 
Die Änderung der Geschäftsordnung des Reichstags war keine Verfassungsänderung, die Regierung verfügte am 21. März über eine absolute Mehrheit.
Ja, trotzdem haben alle Parteien außer der SPD dieser Geschäftsordnung zugestimmt. Das bedeutet, dass die der Geschäftsordnung zustimmenden Parteien schon da wussten, dass sie auch hinterher den Nazis zur Verfassungsänderung verhelfen werden - zumindest die Zentrumsabgeordneten haben sich in der Fraktionssitzung zuvor verpflichtet, der Verfassungsänderung zuzustimmen.

Zitat: "Hitler hatte Kaas mündlich einige Versprechungen gemacht, um sich dessen Zustimmung zu sichern. So sicherte Hitler zu, die Rechte des Reichspräsidenten zu erhalten, Reichstag und Reichsrat fortbestehen zu lassen sowie Schulpolitik und das Verhältnis zwischen Staat und Religion nicht durch das Ermächtigungsgesetz regeln zu wollen. Vor allem aber die Hoffnung auf den Abschluss eines Reichskonkordats mit dem Vatikan hat die Meinung der Parteiführung stark beeinflusst."

Zitat: "Schließlich setzte sich der Parteivorsitzende Kaas, Verfechter einer autoritären nationalen Sammlungspolitik, gegen die Minderheit um Heinrich Brüning und Adam Stegerwald durch. Kaas vertrat die Meinung, dass ein Widerstand des Zentrums an der Herrschaft Hitlers als politischer Realität nichts ändern werde. Man werde lediglich die Chance auf die Einhaltung der von Hitler zugesicherten Garantien verspielen.
(…)
Die Zentrumspartei forderte von ihren Reichstagsabgeordneten Fraktionsdisziplin ein, daher stimmten alle für das Ermächtigungsgesetz. Der Theologe Hubert Wolf sieht hier eine allgemeine Annäherung zwischen den Nationalsozialisten und der katholischen Kirche in Deutschland;[27] in diesem Rahmen erfolgte auch einige Wochen später der Abschluss des Reichskonkordats, bei dem der inzwischen dauerhaft nach Rom übersiedelte Zentrums-Vorsitzende Kaas nunmehr die vatikanische Seite vertrat."


Alle Abgeordneten haben gewusst, dass sie mit der Zustimmung zur Verfassungsänderung die Legislative in die Hände der Regierung legen und damit sich selbst entbehrlich machen würden. Sie haben trotzdem zugestimmt und damit dieser Änderung den Anschein der Legalität gegeben, denn sowohl im Inland als auch im Ausland kam nur an: Reichstag hat der Verfassungsänderung mit Zweitdrittelmehrheit zugestimmt.
 
Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit [...] auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen zulässig."

Aber nicht in völliger Loslösung von plausiblen Verdachtsmomenten gegen Einzelpersonen.

Und auch sicher nicht durch die SA, sondern wenn, dann durch die regulären Polizeikräfte.

Und auch sicher nicht unter haarsträubenden Haftbedingungen außeerhalb der regulären Gefängnisse.

Wie steht es eigentlich im Bezug auf gewählte Abgeordnete mit deren Immunität? Denn die wurde damit ja nicht expressis verbis aufgehoben.
 
Aber nicht in völliger Loslösung von plausiblen Verdachtsmomenten gegen Einzelpersonen.
Selbstverständlich auch in völliger Loslösung.

Am 22.2.33 war die SA in den Status einer Hilfspolizei erhoben worden. Das frühe NS-Lagersystem bis 1935 fußte rechtlich auf der 'Reichstagsbrand'-Verordnung vom 28.2.33. Zahllose völlig Unschuldige wurden in 'Schutzhaft' genommen und dann wie Ernst Reuter, der nach 1945 Regierende Bürgermeister im Nachkriegs-Berlin, in ein KZ eingeliefert, und auf Basis völlig haltloser, erfundener 'Tatbestände', bei Reuter wg. angeblicher Gräueltaten zu seiner Zeit als politischer Kommissar in der frühen Sowjetunion, festgehalten. Reuter war vorher am 11.3. in Magdeburg von der SA aus seinem OB-Amt vertrieben worden, wie viele hunderte andere kommunale Amtsträger unmittelbar vor und nach den reichsweit angeordneten Kommunalwahlen am 12. März 1933.
 
Ja, trotzdem haben alle Parteien außer der SPD dieser Geschäftsordnung zugestimmt. Das bedeutet, dass die der Geschäftsordnung zustimmenden Parteien schon da wussten, dass sie auch hinterher den Nazis zur Verfassungsänderung verhelfen werden - zumindest die Zentrumsabgeordneten haben sich in der Fraktionssitzung zuvor verpflichtet, der Verfassungsänderung zuzustimmen.
Was Otto Wels und seine SPD damals geleistet haben, war von großem und bewunderswertem Mut getragen. Otto Wels und die Genossen wussten sehr genau, was ihnen blühte: "Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!" (das klingt heute so pathetisch, war aber eine realistische Einschätzung dessen, was die kommunistischen Abgeordneten bereits erlitten und was den SPDlern und anderen Demokraten noch blühte.)
Man kann die Ereignisse also von zwei Seiten betrachten:
a) Zentrum und BVP übten Verrat an der Demokratie*
oder so:
b) es gelang der SPD ein letztes mutiges parlamentarisches Aufbäumen gegen einen fait accompli, der lediglich formal den Anstrich von Legalität bekam.
Am Sachverhalt ändert das nichts, aber die Perzeption ist eine völlig verschiedene.
 
Man kann die Ereignisse also von zwei Seiten betrachten:
a) Zentrum und BVP übten Verrat an der Demokratie*
oder so:
b) es gelang der SPD ein letztes mutiges parlamentarisches Aufbäumen gegen einen fait accompli, der lediglich formal den Anstrich von Legalität bekam.
Beides ist natürlich richtig, aber einige hier scheinen ein Problem mit Bezeichnung "Verrat an der Demokratie" zu haben und führen ein Haufen Entschuldigungen an, um diesen Verrat kleiner erscheinen zu lassen. Und das hat mich schon überrascht – dich nicht?
 
Nun, das ist eine sehr negative Sichtweise.
Ich bevorzuge eher eine positive Sichtweise: Die SPD war mutig.
Es ist niemandem vorzuwerfen, dass er vor reell drohender physischer Gewalt zurückweicht. 2023 vom gutgeheizten Wohnzimmer aus vor dem Rechner Menschen 1933, denen Prügel, KZ und ggf. sogar Ermordung drohte vorzuwerfen, dass sie nicht mutig waren, halte ich für wohlfeil.
 
Aber nicht in völliger Loslösung von plausiblen Verdachtsmomenten gegen Einzelpersonen.

Vor dem 28. Februar war Freiheitsentzug war nur auf Grund gesetzlicher Regelungen zulässig. Das besagt Artikel 114 der Weimarer Reichsverfassung:
"Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Eine Beeinträchtigung oder Entziehung der persönlichen Freiheit durch die öffentliche Gewalt ist nur auf Grund von Gesetzen zulässig.
Personen, denen die Freiheit entzogen wird, sind spätestens am darauffolgenden Tage in Kenntnis zu setzen, von welcher Behörde und aus welchen Gründen die Entziehung der Freiheit angeordnet worden ist; unverzüglich soll ihnen Gelegenheit gegeben werden, Einwendungen gegen ihre Freiheitsentziehung vorzubringen."​
Durch die Verordnung vom 28. Februar wurde Artikel 114 außer Kraft gesetzt.


Wie steht es eigentlich im Bezug auf gewählte Abgeordnete mit deren Immunität? Denn die wurde damit ja nicht expressis verbis aufgehoben.
Gute Frage. Artikel 37:
"Kein Mitglied des Reichstags oder eines Landtags kann ohne Genehmigung des Hauses, dem der Abgeordnete angehört, während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß das Mitglied bei Ausübung der Tat oder spätestens im Laufe des folgenden Tages festgenommen ist."​

Die Sitzungsperiode beginnt nach der konstituierenden Sitzung, diese war am 21. Februar. Wenn ich mich nicht irre, genossen also die gewählten Vertreter bis zum 21. Februar keine Immunität.
Eine andere Frage wäre, ob sich eine Versammlung legitimerweise als "Reichstag" konstituieren kann, deren Zusammensetzung den Wählerwillen eklatant ignoriert, d. h. ob so ein Gremium überhaupt befugt ist, Gesetze zu erlassen.

Das Bundesverfassungsgericht stellte in einem Urteil vom 26. März 1957 jedenfalls fest:

"Gemessen an den Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung war das sogenannte Ermächtigungsgesetz ungültig."
 
Das habe ich auch nicht bestritten, ich frage nur was es gebracht hätte, bzw. gebracht hat?

Sicherlich ein couragierteres Verhalten von Herrn Wels und der SPD, als das vom Zentrum vorgetragene Abstimmungsverhalten, nur hat es realiter irgendwas geändert?

Was hätte es geändert, hätten sich die Zentrumsabgeordneten bei der Abstimmung zum "Ermächtigungsgesetz" anders verhalten?

Bis zum Ermächtigungsgesetz beruhte die Macht Hitlers zu einem großen Teil auf der Reichstagsbrandverordnung Hindenburgs. Hindenburg hätte die theoretisch auch wieder aufheben und vielleicht sogar Hitler als Reichskanzler entlassen können. Im März 33 war die Macht der Nazis imho noch nicht so gefestigt, dass man sicher hätte vorhersagen können, dass sie sich bei einem Machtkampf gegen den Reichspräsidenten, wenn sich Reichswehr und Polizei und die Behörden auf dessen Seite gestellt hätten, durchgesetzt hätten.

Man kann natürlich fragen, wie wahrscheinlich es war, dass sich Hindenburg gegen Hitler gestellt hätte. Ich halte es aber nicht für unmöglich, dass er noch versucht hätte, die Reißleine zu ziehen, wenn die Nazis jetzt etwa nach einem Scheitern des Ermächtigungsgesetztes massenweise bürgerliche Abgeordnete verhaftet oder sogar ermordet hätten.

Mit der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz waren jedenfalls jeder Form von passivem oder aktivem Widerstand gegen die Nazis seitens der Sicherheitsbehörden, anderer Behörden oder der Reichswehr die Grundlage entzogen.

Aber selbst wenn man zu dem Schluss kommt, dass die Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes die Diktatur Hitlers mit Sicherheit nicht aufgehalten hätte, entlässt dass die Abgeordneten, die diesem zugestimmt haben, trotzdem nicht aus ihrer Verantwortung.

Es wird ja auch bei Prozessen gegen Wächter oder Sekretärinnen in Vernichtungslagen nicht als Entschuldigung akzeptiert, dass die Ermordung der Juden auch ohne sie weiter gelaufen wäre.

Im Übrigen hätte die Abgeordneten des Zentrums und der anderen bürgerlichen mehr oder weniger demokratischen Parteien bei Sorge um ihre persönliche Sicherheit bei Ablehnung auch einfach der Abstimmung fernbleiben können.

Es hätte möglicherweise etwas geändert, wenn sich, als die Kanzlerschaft Hitler sich abzeichnete (die fiel nicht aus heiterem Himmel) SPD und Zentrum versucht hätten mit der KPD zu einer Zweckgemeinschaft auf Zeit zusammen zu raufen um diese Gefahr abzuwehren.

Das hätte das Bürgertum erst recht in die Hände der Nazis oder gegebenenfalls der Deutschnationalen getrieben und wäre ja auch schon im Ansatz an der KPD gescheitert, die ja zulange die Sozialdemokraten als ihre Hauptgegner angesehen haben.

Die KPD hätte ja auch bei den Reichspräsidentenwahlen 1925 und 1932 jeweils darauf verzichten können, im zweiten Wahlgang einen eigenen Kandidaten aufzustellen. 1925 wäre dann vielleicht Marx statt Hindenburg Reichspräsident geworden. 1932 hätten die demokratischen Parteien dann vielleicht den Mut gehabt, jemand anderen als ausgerechnet Hindenburg zu unterstützen.

Die Unterstützung Hindenburgs bei der Wahl 1932 halte ich für einen der schwerwiegendsten Fehler der demokratischen Parteien in der Weimarer Republik.

Man hätte das Risiko eingehen sollen, einen Demokraten zu unterstützen, selbst wenn dieser vielleicht gegen Hitler hätte verlieren können. Wenn es keinen demokratischen Politiker gab, dem man einen Sieg gegen Hitler zugetraut hätte, wäre vielleicht eine angesehene Persönlichkeit wie z. B. Thomas Mann in Frage gekommen.
 
2023 vom gutgeheizten Wohnzimmer aus vor dem Rechner Menschen 1933, denen Prügel, KZ und ggf. sogar Ermordung drohte vorzuwerfen, dass sie nicht mutig waren, halte ich für wohlfeil.

Arroganz?

Vor allem angesichts der anti-katholischen, im Zweifelsfall auch anti-kirchlichen oder anti-christlichen, nie versiegenden (?) 'Passion' von Kollege D. scheinen mir diese bevorzugt moralisierenden nachträglichen Positionierungen gänzlich nichtproduktiv zu sein und nur der Genugtuung des anti-katholischen Beißreflexes von Kollege D. zu dienen haben. ;)

Hier wurden nun einige durchaus relevante und bedeutende Ereignisse, Tatsachen und Umstände genannt, welche die Phase schon etliche Monate vor der Machtübertragung und auch kurz nach ihr kennzeichneten - einfach, um die manchmal abgehoben wirkende, moralisierende Aufladung der Beurteilung des Verhaltens der Zentrums-Reichstagsabgeordneten bei der Abstimmung über das 'Ermächtigungsgesetz' mit dem zeitgenössischen damaligen Kontext dieser Endphase der Republik zu erden und zu verzahnen.

  • die mit Notverordnungen regierenden Präsidial-Kabinette seit 1930
  • die rechten Papen- und Schleicher-Kabinette ab Juni 1932
  • der 'Preußenschlag' im Juli 1932
  • Minister-Kontinuitäten aus dem Papen-Kabinett ins Hitler-Kabinett
  • die Erhebung der SA zu einer Hilfspolizei im Februar 1933
  • Installierung des NS-Lagersystem mit Machtübertragung und auf rechtlicher Basis der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933
  • die Vertreibung zahlloser kommunaler Amtsträger unmittelbar vor und nach der vom Hitler-Kabinett angeordneten reichsweiten Kommunalwahl am 12. März 1933
  • die weitgehende Dominanz des Öffentlichen Raumes durch NS-Organisationen und -gliederungen schon Anfang März 1933
  • auf Länderebene war vielfach seit 1930/1931 eine sozialdemokratische und kommunistische politische Betätigung erschwert worden, besonders durch die Polizei-Kräfte.

In diesen Kontext gehört die weitgehend sachfremde Spekulation, eine Nichtannahme des Ermächtigungsgesetzes hätte die Demokratie gerettet, da die Nazis anschließen möglicherweise ihre Politik aufgegeben hätten - und uns und Deutschland Terror und Diktatur erspart hätte...

Nach nicht mal zwei Monaten wird vom NS-Regime das Ermächtigungsgesetz initiiert - das zeitweilig große Vorbild Mussolini hatte die unumschränkte Macht etwa 1926 konsolidiert, nach rund 4 Jahren.
Nichts spricht dafür, dass das NS-Regime nach einer möglichen Nichtannahme des Ermächtigungsgesetzes im Reichstag im März 1933 dies nicht noch wenige/einige Wochen oder Monate später erreicht hätte oder den Abstimmungsprozess schließlich ganz umgangen hätte, mit welcher Lösung auch immer.

Die KPD hätte ja auch bei den Reichspräsidentenwahlen 1925 und 1932 jeweils darauf verzichten können,
Hätte, hätte...die KPD ab 1925 die Bekämpfung der 'sozialfaschistischen' SPD als bedeutsame Aufgabe unterlassen und sich zudem auch noch in die übliche Zusammenarbeit des 'bürgerlich-repräsentativen' Parlamentarismus eingefügt, statt mit ggf. negativen Mehrheiten die Aufgabe und Funktionsfähigkeit der Parlamente zu lähmen....
 
Bis zum Ermächtigungsgesetz beruhte die Macht Hitlers zu einem großen Teil auf der Reichstagsbrandverordnung Hindenburgs. Hindenburg hätte die theoretisch auch wieder aufheben und vielleicht sogar Hitler als Reichskanzler entlassen können.
Letzteres hätte Hindenburg ohne weiteres auch nach dem 24. März 1933 tun können, in diesem Fall wäre auch das Ermächtigungsgesetz automatisch außer Kraft getreten:

Artikel 5: "Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft. Es tritt mit dem 1. April 1937 außer Kraft; es tritt ferner außer Kraft, wenn die gegenwärtige Reichsregierung durch eine andere abgelöst wird."
 
Letzteres hätte Hindenburg ohne weiteres auch nach dem 24. März 1933 tun können, in diesem Fall wäre auch das Ermächtigungsgesetz automatisch außer Kraft getreten:

Artikel 5: "Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft. Es tritt mit dem 1. April 1937 außer Kraft; es tritt ferner außer Kraft, wenn die gegenwärtige Reichsregierung durch eine andere abgelöst wird."

Ja, aber er hatte jetzt keinen besonderen Grund dafür, dass zu tun, schließlich hatte der Reichstag gerade mit großer Mehrheit das Ermächtigungsgesetz beschlossen und damit der Diktatur der Nazis seinen Segen gegeben.
 
Ja, aber er hatte jetzt keinen besonderen Grund dafür, dass zu tun, schließlich hatte der Reichstag gerade mit großer Mehrheit das Ermächtigungsgesetz beschlossen und damit der Diktatur der Nazis seinen Segen gegeben.
Nach dem 30. Januar 1933 sah Hindenburg ohnedies keinen Grund mehr, sich mit dem Gedanken an irgendeine "Reißleine" zu befassen. Der Nazi-Diktatur hatte Hindenburg höchstpersönlich seinen finalen Segen gegeben.

Die Vorstellung, Hindenburg hätte noch danach einen Machtkampf mit den Nazis auch nur in Erwägung gezogen, ist vollkommen irrsinnig.
Das zeigt überdeutlich Hindenburgs Verhalten während der Zeit von Schleichers Kanzlerschaft, als eine Machtprobe noch im Bereich des Vorstellbaren lag.

Und als Hitler später tatsächlich reihenweise rechte Politiker (darunter Ex-Kanzler Schleicher) ermorden ließ, schickte ihm Hindenburg ein Glückwunschtelegramm.
 
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