Vielleicht müsste man in dieser Diskussion genauso wie in ihrem Ausgangsthread im Zeitalter der Entdeckungen auch "die Kirche" als solche stärker ausdifferenzieren.
Je höher jemand in der Hierarchie der Kirche aufsteigt, desto mehr entfernt er sich in der Regel auch von der eigentlichen Seelsorgearbeit. Der Pfarrer oder Pastor, der einer Gemeinde (oder einem Regiment) zugeordnet ist, muss wenig administrieren und kann sich mehr um den reinen Glauben kümmern. Der Anteil an politischen Rücksichtnahmen, die er eingestehen muss, ist noch relativ gering. Und auch deren Gebiet erstreckt sich weitgehend auf die "Lokalpolitik".
Wenn nun ein Bischof für eine Diözese oder ein Papst gar für den ganzen Erdenkreis zuständig ist, dann beschränkt sich seine Seelsorgearbeit meistens zwangsläufig auf die sogenannten Sonntagsreden. Der Rest ist Administration und "Politik" (man bedenke, dass der Vatikan nicht von ungefähr auch ein Vatikanstaat ist). Das ganze muss am Leben gehalten, verwaltet und solide finanziert werden. Das beinhaltet schon wieder erhebliche Rücksichtnahmen. Und für diesen Job benötigt man auch schon wieder einen Stab von Verwaltern - Leute, die eher mit Finanzbüchern denn mit der Bibel Einkehr halten. Und die Kirchenverwaltung als pflichtbewusste ebensolche hat mit der eigentlichen Seelsorgearbeit etwa genausoviel zu tun wie der Finanzminister mit dem "good government", für deren Durchführung er die Knete verwaltet und eintreibt - häufig genug mit Druck und Drohungen.
Des weiteren wird die Kirche (sei sie katholisch oder wiaschtgleibig) immer so behandelt, als sei sie politisch gleichgeschaltet - so nach dem Motto: der Kirchenmann tut, was der Papst ihm sagt und in Abwesenheit klarer Weisungen des Papstes hält er sich an die CDU. Ich wage zu behaupten, dass das weder so ist, noch so war. Die politische Einstellung innerhalb des Kirchenpersonals ist nach allen Äußerungen, die man so hört, ebenfalls breit. Man nehme ja nur die internen Diskussionen zum Verhältnis der Kirche zum Militär. Es gibt Totalpazifisten, die mit Soldaten nichts am Hut haben, Priester, die auch am Volkstrauertag um tote Soldaten trauern - und dann je nach Lesart um alle oder nur die deutschen oder nur die Wehrpflichtigen aus der Gemeinde - und solche, die Militärpfarrer werden, Soldaten für ganz normale Leute halten und mit ihnen an die Front ziehen. Und unter diesen wiederum - ja - sicherlich solche, die die Angehörigen ihrer eigenen Nation für die tollsten von allen halten und die des Feindes doof und tötenswert finden. "Die Kirche" auf die letztgenannten zu reduzieren ist genauso unfair, wie alle Australier für einbeinige Trunkenbolde mit grünem Hemd zu halten, nur weil man zwei solcher Exemplare gesehen hat und die anderen Typen die da rumhängen nicht zur Kenntnis nimmt.
Ganz gewiss gibt es auch ganz unterschiedliche Motivationen, Priester, Mönch oder Papst werden zu wollen. Machtgier ist sicher auch darunter. Ob es die verbreiteste ist? Interesse an Theologie? Die tolle Amtstracht? Soziale Ambitionen? Frauen sind doof, also wähle ich das Zölibat? Ich kann unter dem Schutz der Robe krumme Dinger drehen? Nur Sonntags arbeiten müssen? Gemeinden sind toll? Es dürfte noch sehr viel mehr geben. Und viele dieser Motivationen sind zutiefst unwürdig oder gar kriminell.
Vor dem Hintergrund dieser bunten Mischung an persönlichen Motivationen, Unterordnung in die kirchliche Hierarchie, Einbindung in das gemeindliche Umfeld, gesamtgesellschaftliche Moden, Begeisterung für die eigentlichen Inhalte der Lehre, Bequemlichkeit, Feigheit, Trotz und allen anderen menschlichen Unarten aus individuellen Straftaten oder Fehlverhalten eine Generalverdammung der katholischen Kirche, oder irgendeiner anderen Kirche oder irgendwelcher Franzosen oder Bankangestellten oder Fußballschiedsrichter zu machen, ist halt Holzschnitt mit Vorschlaghammer und Spaten...