Möglichkeiten und Grenzen des Widerstandes im 3. Reich

Es erschien in "Die Andere Bibliothek", Frankfurt am Main 1999, allerdings um vier Kapitel gegenüber dem engl. Original gekürzt, gleichwohl lesenswert.
 
Ist mir über das Heckerlied wieder eingefallen.
Da heißt die 2. Strophe "Tyrannenblut muss fließen.."
Wovon es eine Rotfront-Version gab:
"Naziblut muss fließen knüppelhageldick..."

Als Hermann Göring meiner Heimatstadt in den 30ern einen Besuch machte, soll dieses Lied ein stadtbekannten Kommunist aus dem 1. Stock eines Hauses über den "Jubelnazis" gesungen haben.
Er hätte eine gewaltige "Rutsche" auf der Polizeiwache und ein paar Wochen KZ eingefangen. Mehr nicht.

Aber.
In den Polizeiakten fehlt dieses Ereignis völlig. Zumindest war es vor wenigen Jahren nicht aufzufinden, Göringbesuch usw. alles da. Aber nix von der "Störung".

Den Mann, dem dies zugeschrieben wird, kannte ich noch, im KZ sass er auch. Die "Erzähler" des Ereignisses waren auch keine Märchenonkel.
Aber trotzdem.
Andererseits, der Göring wird dies wohl eh nicht mitbekommen haben. Vielleicht, man lebte in der Kleinstadt, irgendwie ist jeder mit jedem verwandt, bekannt, in die Schule gegangen oder verfeindet, wollte man die Geschichte nicht weiter ausbreiten, den "Sänger" nicht in noch größere Schwierigkeiten bringen...
 
Dazu fällt mir eine Begebenheit aus Ef-ka-Stadt :)pfeif:) ein. "F.K." wurde 1933 ratzfatz Bürgermeister des Städtchens, in dem er sich bis dahin vielfach als Parvenü missverstanden fühlte. Auf dem Platz vor dem Rathaus wurde eine Hakenkreuzfahne gehisst, der jeder männliche Bürger, der dran vorbeikam, die gebührende Ehre dadurch zu erweisen hatte, dass er Hut oder Mütze vom Kopf zog. Einer, ein stadtbekannter "Sozi", tat das, wie er es lauthals auch ankündigte, demonstrativ nicht, dem hat wiederholtes Missachten der Hakenkreuzfahne ein paar Wochen Heuberg eingebracht. Die Geschichte kannte ich mehrere Jahre lang nur vom Hörensagen, sie ist aber aktenkundig, und die Lokalzeitung hat sie 1933 auch brav vermeldet, wie ich inzwischen im Zeitungsarchiv entdeckt habe.

Leider sind mir beim Umzug die Notizen abhanden gekommen, die ich in besagtem Zeitungsarchiv gemacht habe, und ich kann mich im Augenblick nicht daran erinnern, wo genau sich folgendes zugetragen hat:

Im Jahre 1935 (da bin ich mir ziemlich sicher) fand in Hamburg ein Prozess gegen Kommunisten statt, in dem auch Todesurteile gefällt wurden. Der Prozess und die bevorstehenden Hinrichtungen wurden auchn den Provinzzeitungen propagandistisch ausgeschlachtet, schließlich wurden auch die vollzogenen Hinrichtungen vermeldet. In einer (katholischen) Kirche ließ der Pfarrer am darauffolgenden Sonntag die Gemeinde für die hingerichteten Kommunisten beten. Das brachte nicht nur ihm, sondern auch seinem Kaplan (möglicherweise sogar noch dem Vikar, weiss ich jetzt gerade nicht mehr so genau) eine "Frischluftkur" auf dem Heuberg (oder dem Kuhberg) ein: "Frischluftkur" oder ähnliches wurde das in den lokalen Nachrichten genannt, die sowas mit höhnischen Kommentaren begleiteten, die Betroffenen wurden da namentlich genannt. (@Repo: das war, da bin ich mir ziemlich sicher, eins der Städtchen in Deiner näheren Umgebung).
 
Leider sind mir beim Umzug die Notizen abhanden gekommen, die ich in besagtem Zeitungsarchiv gemacht habe, und ich kann mich im Augenblick nicht daran erinnern, wo genau sich folgendes zugetragen hat:

Im Jahre 1935 (da bin ich mir ziemlich sicher) fand in Hamburg ein Prozess gegen Kommunisten statt, in dem auch Todesurteile gefällt wurden. Der Prozess und die bevorstehenden Hinrichtungen wurden auchn den Provinzzeitungen propagandistisch ausgeschlachtet, schließlich wurden auch die vollzogenen Hinrichtungen vermeldet. In einer (katholischen) Kirche ließ der Pfarrer am darauffolgenden Sonntag die Gemeinde für die hingerichteten Kommunisten beten. Das brachte nicht nur ihm, sondern auch seinem Kaplan (möglicherweise sogar noch dem Vikar, weiss ich jetzt gerade nicht mehr so genau) eine "Frischluftkur" auf dem Heuberg (oder dem Kuhberg) ein: "Frischluftkur" oder ähnliches wurde das in den lokalen Nachrichten genannt, die sowas mit höhnischen Kommentaren begleiteten, die Betroffenen wurden da namentlich genannt. (@Repo: das war, da bin ich mir ziemlich sicher, eins der Städtchen in Deiner näheren Umgebung).

Die KZ-Einlieferungen auf den Heuberg geschahen auf offenem LKW, in aller Öffentlichkeit. Das sollte wohl auch bekannt werden und sein. Die vollzogenen Hinrichtungen wurden auf Plakaten an den Litfaßsäulen verkündet. Der Terror im Land diente wesentlich der Abschreckung.

Der kath. Pfarrer mit KZ-Aufenthalt, ist mir absolut neu. Bin allerdings im evang. Dunstkreis aufgewachsen, die Story mit dem Nazi-Pfarrer, der per "Staatsstreich" ev. Landesbischof werden wollte, (er war Pfarrer an der Kirche in der ich konfirmiert wurde) ist mir bis ins Detail bekannt, aber davon keinen Ton.

Weißt Du noch irgendwelche Details, soviele Zeitungen gab es 1935 nicht mehr. Das müsste doch zu finden sein.
 
Der kath. Pfarrer mit KZ-Aufenthalt, ist mir absolut neu.

Weißt Du noch irgendwelche Details, soviele Zeitungen gab es 1935 nicht mehr. Das müsste doch zu finden sein.

Es war die "Trossinger Zeitung". Die hatte während des ganzen Krieges und noch einige Jahre danach einen privaten Verleger, ist aber inzwischen von der "Schwäbischen Zeitung" geschluckt worden. Ab 1933 hat die "Trossinger Zeitung" stramm nationalsozialistisch getönt.

Wir haben 1988 aus Anlass der 50. Wiederkehr der sog. Reichskristallnacht mal die ganzen Jahrgänge der "Trossinger Zeitung" durchforstet. Anlass dafür war, dass man sich in Trossingen zierte, diesen 50. Gedenktag zur Kenntnis zu nehmen, in Trossingen hatten ja nie Juden gewohnt, deswegen gab es keine "Reichskristallnacht", und überhaupt hatte niemand von nichts etwas gewusst ...

Der Verlag ließ uns an die tausend Jahre in seinem Archiv nicht ran. Wir sind aber trotzdem rangekommen, nur kann ich hier nicht öffentlich sagen, durch welche glücklichen Umstände das geschah. Wir saßen da eine Woche lang, länger ging nicht, weswegen uns drei Rentner unterstützten, die den ganzen Tag Zeit hatten... Wir haben damals aufgrund der Meldungen und Artikel in der "Trossinger Zeitung", die ja auch einen überregionalen Teil hatte, eben herausgefiltert, was für eine Dokumentation zu besagtem Jahrestag von Interesse war. Sicher, es gab keine Synagoge in Trossingen, die man hätte zerdeppern können, es gab auch keine Juden, die da wohnten und denen man hätte die Fenster einwerfen können, und es gab einen F. K., der Ruhe in seinem Karton wollte und das vielleicht nicht einmal zugelassen hätte. Aber Judenhetze gab es selbstverständlich auch in Trossingen. Uns ist z.B. ein mit der "Trossinger Zeitung" verteiltes Flugblatt in die Hände gefallen, in denen die Trossinger aufgefordert wurden, keine Aussteuerwäsche beim "Jud Schwarz" mehr zu bestellen. Der war Handelsvertreter eines namhaften Textilherstellers auf der Alb, und ich glaube, bis 1933 wurde die Aussteuer sämtlicher Trossinger Bräute beim "Juden Schwarz" bestellt ... Aber das ist OT.

Von allem, was außerhalb dieses Themas lag, mich aber trotzdem interessierte, hab' ich mir nur Notizen gemacht, und die sind eben futsch (erneut an das Archiv heranzukommen dürfte immer noch etwas schwierig sein, ausserdem ist es inzwischen verlagert worden). Ich hab's also nur noch im Kopf, und da ist mir geographisch so, als sei es eine Kirchengemeinde von Balingen an nordwestwärts oder so gewesen (von uns aus gesehen also). Über den Prozess gegen "die Kommunisten" war im überregionalen Teil berichtet worden, ich meine mich zu erinnern, dass es um 5 Todesurteile ging. Na ja, und dann kam ein gar nicht mal so kurzer Artikel im "Landesteil", dass so ein katholischer Pfarrer in ... die Frechheit besessen hätte, die Gerechtigkeit des Urteils und seiner Vollstreckung anzuzweifeln und gar noch die ganze Kirchengemeinde dazu angestiftet hätte, im Gottesdienst öffentlich für die Hingerichteten zu beten. Dieser Pfarrer (namentlich genannt, ist mir aber auch entfallen) wie auch sein Kaplan (ebenfalls genannt) dürften eben jetzt mal für eine Weile die frische Luft im KZ ... genießen.

Ich hab' jetzt mal eine Viertelstunde rumgegoogelt aber noch nichts gefunden. Und den Paul Kopf kann ich auch nicht mehr fragen (der hat das nämlich auch gewusst).
 
Zuletzt bearbeitet:
Von allem, was außerhalb dieses Themas lag, mich aber trotzdem interessierte, hab' ich mir nur Notizen gemacht, und die sind eben futsch (erneut an das Archiv heranzukommen dürfte immer noch etwas schwierig sein, ausserdem ist es inzwischen verlagert worden). Ich hab's also nur noch im Kopf, und da ist mir geographisch so, als sei es eine Kirchengemeinde von Balingen an nordwestwärts oder so gewesen (von uns aus gesehen also). Über den Prozess gegen "die Kommunisten" war im überregionalen Teil berichtet worden, ich meine mich zu erinnern, dass es um 5 Todesurteile ging. Na ja, und dann kam ein gar nicht mal so kurzer Artikel im "Landesteil", dass so ein katholischer Pfarrer in ... die Frechheit besessen hätte, die Gerechtigkeit des Urteils und seiner Vollstreckung anzuzweifeln und gar noch die ganze Kirchengemeinde dazu angestiftet hätte, im Gottesdienst öffentlich für die Hingerichteten zu beten. Dieser Pfarrer (namentlich genannt, ist mir aber auch entfallen) wie auch sein Kaplan (ebenfalls genannt) dürften eben jetzt mal für eine Weile die frische Luft im KZ ... genießen.

Ich hab' jetzt mal eine Viertelstunde rumgegoogelt aber noch nichts gefunden. Und den Paul Kopf kann ich auch nicht mehr fragen (der hat das nämlich auch gewusst).


Das würde heißen, wenns im Altkreis Baingen war, müsste etwas im "Kreisamtsblatt Der Wille" zu finden sein.
Die hiesigen Zeitungen gab es samt und sonders nicht mehr. Die "Rote bombe" wurde verboten, vom "Neuen Albboten" die Rotationsdruckmaschine beschlagnahmt und unter Aufsicht des Kreisleiters verschrottet. (Auch eine Möglichkeit, und es gab deren offensichtlich viele. Gehört eigentlich auch zum Widerstand und dessen Grenzen, vor wirtschaftlicher Vernichtung sind die absolut nicht zurückgeschreckt.)
Der Wille ist im hiesigen Stadtarchiv, schreib mir mal gelegentlich den Brief zum Stauffenberg, nehm ich dann gleich mit zum Archivar....

Sollte es allerdings im Altkreis Hechingen gewesen sein, heute Hohenz. Zeitung, müsste ich erst mal eruieren:rofl:


Ach ja, ich denke die Trossinger Zeitung war ja damals auch Amtsblatt, dann haben die die auf allen Rathäusern gebunden. Die lassen einen eigentlich schon ran.
 
Ach ja, ich denke die Trossinger Zeitung war ja damals auch Amtsblatt, dann haben die die auf allen Rathäusern gebunden. Die lassen einen eigentlich schon ran.

Stimmt schon, eigentlich, da waren wir ja auch. 1988. Inzwischen gibt es einen tüchtigen Kreisarchivar, der sich, wie ich gelesen habe, auch des Trossinger städtischen Archivs angenommen hat, das 1988 noch ... Aber im Augenblick habe ich weder Zeit noch Lust, mich noch einmal durch die Zeitungen von 1935 zu blättern. Vielleicht schreib ich mal ans Diözesanarchiv, die müssten am ehesten und schnellsten wissen, welchen Geistlichen 1935 eine "Frischluftkur" auf dem Heuberg oder am Kuhberg verordnet worden ist.
 
Bin allerdings im evang. Dunstkreis aufgewachsen, die Story mit dem Nazi-Pfarrer, der per "Staatsstreich" ev. Landesbischof werden wollte, (er war Pfarrer an der Kirche in der ich konfirmiert wurde) ist mir bis ins Detail bekannt, aber davon keinen Ton.

War das Krauß?
 
Respekt.
Du kennst Dich aus.

Nein, eigentlich nicht. Die Geschichte hat mir mal ein evangelischer Pfarrer erzählt, den ich einer katholischen Fasnetsveranstaltung kennenlernte (seine Ehefrau hat ihn mir bei der Gelegenheit "anvertraut", weil sie, selber Lehrerin, tags zuvor schon mit ihren Kollegen "gelumpt" hatte und die Augen nicht mehr offenhalten konnte).

:rofl:

Nachdem ich ihn brav ungefähr morgens um halb sieben im evangelischen Pfarrhaus zu Trossingen abgeliefert hatte, war ich in der Folgezeit dort noch des öfteren Gast und habe sehr viel Interessantes erfahren. Der Name Krauß hat sich mir deswegen eingeprägt, weil unser damaliger Hausarzt auch so heißt und sich mit scharf-ess schreibt.
 
Widerstand mußte aber nicht notwendig organisiert sein, geschweige denn als Ziel die Beseitigung des Staatsoberhauptes gehabt haben. Es hat Einzelbeispiele von Zivilcourage gegeben, in denen diese Einzelaktionen große Wirkung hatten. So erstattete in meiner Heimatstadt während der Novemberpogrome 1938 Anzeige und verhinderte noch Schlimmeres.

Oberleutnant Albert Battel und sein Vorgesetzter haben in einer spektakulären Aktion mehrere Juden aus Prezemysl gerettet, wobei Battel der SS mit Waffengewalt den Zugang zum Ghetto verlegte, wobei er durch Liedke gedeckt wurde, der " kriegswichtige Arbeitsjuden" verlangte. Ihr Vorgehen war formal durch den Belagerungszustand gedeckt. Battel wurde zwar aus der Wehrmacht entlassen, es passierte ihm aber nichts. Himmler legte einen Aktenvermerk an und sagte, er müsse sofort nach dem Krieg aus der Partei ausgestoßen und verhaftet werden.

Marcel- Reich Ranicki beschreibt in seiner Biographie, wie er und seine Frau von einem furchtbar chaotischen Polen versteckt wurde,
 
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