Möglichkeiten und Grenzen des Widerstandes im 3. Reich

: Opa war (auch) Lothringer und sprach fließend französisch. ...


Hätte auch anders ausgehen können.
Ein Freund meines Vaters war Elsäßer, dem haben die Franzosen 1939 ins Schwabenland einen Stellungsbefehl geschickt. Die Deutsche Reichspost hat ihn befördert. Hat er ignoriert.
Was hätten die Deutschen mit ihm gemacht, so sie ihn als franz. Soldaten 1940 geschnappt hätten? Gleich alle?

Haben ihm die Franzosen 1945 ein paar Jahre Festungshaft verpasst. Sein Sohn wurde 1946 dann gleich eingezogen, zum franz Militär.

Es gibt Fälle, da bist der kleine Mann der blöde, egal was er macht.
 
Da das Stichwort Rottweil gefallen ist ... da fallen mir so einige Histörchen ein, aus den ersten Jahren des tausendjährigen Reiches z.B.:

Es muss zwischen 1933 und 1935 gewesen sein, da standen auch in Rottweil SA-Männer vor jüdischen Geschäften (von denen es in Rottweil relativ viele gab) und wollten die arischen Mitbürger davon überzeugen, dass sie da nicht mehr einkauften. Kam eine stadtbekannte alte Dame - pensionierte Lehrerin - mit ihrem unvermeidlichen Stockschirm daher, erkannte vor dem Wäschegeschäft, in dem sie ihre Einkäufe zu tätigen pflegte, in einem der SA-Männer den Sohn einer Nachbarin, begann erzürnt draufloszuschimpfen und dabei drohend den Stockschirm zu schwingen: "Du Saubüeble, Du elends, mach dass der hoimkommscht, sonscht versohl i Dir de A...., wenn's scho Dei Mutter net oft gnug doa hot." So oder ähnlich soll sie laut und lange genug gezetert haben, dass die "Wachen" ihre Blockade der Geschäfte an diesem Platz vorübergehend einstellten. Von der Dame wird berichtet, dass sie einige Freundinnen organisierte, mit denen sie demonstrativ in jüdischen Geschäften einkaufen ging - ohne dass sie daran gehindert wurden. Irgendwie hatten die Damen den einheimischen jungen SA-"Büeble" doch ein bisschen den Schneid abgekauft ... ohne dass es den Juden geholfen hätte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Als die Franzosen im April 1945 näher kamen, hat der Volkssturm unter Leitung eines der Ortsgruppenleiter die Panzersperre geöffnet, und ihre Gewehre in einem nahen Feuerlöschteich entsorgt.

Mein Großvater war mit dabei. Auf die Frage, wie sie dem Ortsgruppenleiter soviel Verstand beigebracht hätten. sagte er: Ach was, Nazi oder nicht, der war 14-18 an der Front, dass man mit alten Flinten keinen Krieg gewinnen kann, hat der auch gewußt.


Den Altbürgermeister von Meßstetten und einen Gemeinderat hat das Hissen der weißen Fahne das Leben gekostet. In der folgenden Nacht kamen etliche Vermummte die sich Freikorps Adolf Hitler nannten, und erschossen die beiden auf der Rathaustreppe, ein dritter konnte fliehen. Verantworlicher Täter war ein HJ-Führer aus Heilbronn
 
Zuletzt bearbeitet:
Ähm, der Opa war 1878 geboren (hätte ich erwähnen sollen) und seit 1911 in Rottweil ansässig. Den hatten die Franzosen nicht in ihrer Kartei.


Das deutsche und das franz. Staatsbürgerrecht muss, zumindest damals, mehrere konträre Punkte gehabt haben, mit dem Ergebnis, dass es etliche Menschen gab, die beide Staaten für sich reklamierten.
 
Ich habe mir gerade den Wikipedia-Artikel durchgelesen.Wie wurden der Roten Kapelle eigentlich die Planungen für den Angriff auf die Sowjetunion bekannt?

Mehrfach habe ich gelesen, dass das wohl durch Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack in Erfahrung gebracht worden ist. Der eine (Schulze-Boysen) arbeitete im Reichsluftfahrtministerium und seit Anfang 1941 im Hauptquartier der Luftwaffe, der andere (Harnack) im Reichswirtschaftsministerium.
 
Ich habe mir gerade den Wikipedia-Artikel durchgelesen.Wie wurden der Roten Kapelle eigentlich die Planungen für den Angriff auf die Sowjetunion bekannt?

Arvid Harnack war der geschäftsführende Sekretär der Arbeitsgemeinschaft zum Studium der sowjetrussischen Planwirtschaft (ARPLAN). Vom 20.8 - 12.9.1932 unternahm er eine Studienreise in die Sowjetunion zusammen mit seiner Frau Mildred. Am 1.5.1937 trat er der NSDAP bei und wurde am 22.11.1938 zum Regierungsrat ernannt, am 26.1.1942 wurde er Oberregierungsrat und arbeitete im Referat für handels- und zollrechtliche Fragen im Länderreferat USA in der Abteilung V des RWM. Bereits seit 1932 war er eine Integrationsfigur eines Kreises von Nazigegner. Harnack hatte Verbindung in die russische Botschaft, sein Verbindungsmann war Alexander Erdberg. 1940 lernte Harnack Harro Schulze-Boysen kennen. 1941 lernen sich Erdberg und Schulze-Boysen kennen. Harro Schulze-Boysen warnt Erdberg vor dem geplanten Überfall auf die Sowjetunion. Arvid und Mildred waren gerngesehene Gäste in der russischen wie auch in der amerikansichen Botschaft.

Harro Schulze-Boysen wurde 1941 in die Attachégruppe des Luftwaffenführungsstabs abkommandiert und war ab Januar in Potsdam-Wildpark, ab Dez. 1941 war er wieder in Berlin im RLM.

Wenn es dich Interessiert, ich habe eine Arbeit über die Rote Kapelle geschrieben, dabei geht es zwar mehr um die Frauen, aber ich kann sie dir Mailen wenn du möchtest. Auszüge davon findest du hier:

http://www.geschichtsforum.de/f66/einfuehrung-zur-roten-kapelle-8471/

Dann eine sehr gute Biograpie:

Amazon.de: Mildred Harnack und "Die Rote Kapelle": Bücher: Shareen Blair Brysac
 
Zuletzt bearbeitet:
Wisst Ihr, ob es, geographisch gesehen, Konzentrationspunkte von
Widerständlern gab?

Mir scheint, bei flüchtigem Nachdenken, dass sehr viele eher aus
dem suedeutschen Raum kamen?

Und noch etwas anderes, würdet Ihr meinen, dass der Widerstand
gegen den NS tatsächlich, sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Forschung, genug Beachtung findet?
An der Uni hörte ich mit leichtem Befremden, dass nicht wenige offen meinen, ihnen hinge das Thema NS zum Hals heraus und sie hielten sich ganz bewußt von diesem Thema fern und würden damit nicht behelligt werden wollen.. ich gebe zu, das hat mich dann doch leicht schockiert.
Allerdings gehe ich damit als "Bildungsinländerin" wohl auch anders um.

Bei keinem der Veranstaltungen zum Thema NS war allerdings dem Widerstand explizit auch nur eine Seminarsitzung gewidmet, was dann doch
schade ist.
 
Wisst Ihr, ob es, geographisch gesehen, Konzentrationspunkte von
Widerständlern gab?

Berlin, München, Hamburg und Kreisau kommen mir jetzt so spontan in den Sinn.


Mir scheint, bei flüchtigem Nachdenken, dass sehr viele eher aus
dem suedeutschen Raum kamen?

An welche Gruppen hast du denn gedacht?

Und noch etwas anderes, würdet Ihr meinen, dass der Widerstand
gegen den NS tatsächlich, sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Forschung, genug Beachtung findet?

Meiner Meinung nach kommt der Widerstand zu kurz. Dies vor allem weil es mein spezielles Interessengebiet ist, da findet man wohl noch schnell mal das etwas zu kurz kommt.

In der Forschung findet er schon eine sehr gute Beachtung, es fragt sich ob die Forschungsergebnisse Beachtung finden.

In der Öffentlichkeit wird vor allem dem 20. Juli die grösste Beachtung geschenkt, die andern Gruppen, Organisationen und Einzelkämpfer finden da weniger Beachtung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Brotfabrik Germania:

August Kordass erwarb die Brotfabrik Germania im Herbst 1933. Die Arbeiter waren überwiegend Sozialdemokraten, auch viele Kunden (und Fahrer der Bäckereien mit weiten Verteilerkreisen von Aachen bis Essen). Die Organisation im Untergrund wuchs rasch und verteilte Zeitungsschriften gegen die Nationalsozialisten. Die Schriften kamen über die Handelsvertreter, die die Brotfabrik besuchten, zT aus dem Ausland, so dass auch die Reisetätigkeiten nicht auffällig wurden. Verteilt wurde über die Fahrer der Brotfabrik in zahlreiche Städte. Es bestand ein weitverzweigtes Netz von Zwischendepots, wie aus den Gestapo-Akten ersichtlich.

Am 4.1.1935 wurde der Widerstandskreis enttarnt. Nachdem sich ein Ortsgruppenleiter der NSDAP über Klagen des „Betriebszellenobmanns“ bei Germania weiter „nach oben“ beschwerte. Die Gestapo nahm sich des Falles an, rasch wurde ermittelt, dass fast die gesamte Arbeiterschaft aus (zT in der Region sehr bekannten) ehemaligen Gewerkschaftern, SPD-Mitgliedern etc. bestand. Verhaftungswellen setzten ein.

Zahlreiche Angehörige wurden am 11.7.1936 vom OLG Hamm wegen Vorbereitungen zum Hochverrat verurteilt. 4 Angehörige des Kreises waren bereits in den Duisburger Polizeigefängnissen bei den Folterungen gestorben. Einige überlebten, weil die Widerstandsfront bis in die Polizei hinein reichte (Aussage Hermann Runge und Sebastian Dani).

Literatur: Bludau, Gestapo geheim – Widerstand und Verfolgung in Duisburg 1933-1945, Schriften Friedrich-Ebert-Stiftung 98.

Wer war Hermann Runge?: YAML und TYPO3
 
Zuletzt bearbeitet:
Mein persönliches Fazit, der aktive Widerstand, Freiheitshelden denen unsere größte Hochachtung gehört.

Erstickt in einem Meer von Blut.

Nun ist es gewiss nicht jedem gegeben, sein Leben bewußt in die Schanze zu schlagen. Und letztlich, man muss das klar sehen, ist der aktive Widerstand wirkungslos geblieben.
Und da kommt wieder mein Bürgermeister Hayer ins Spiel. Zivilcourage, der klare Blick, das ist Recht, das ist Unrecht. So, und ich glaube fast nur so, kommt man solchen Systemen bei.
Ein aktiv Widerstand leistender ist für ein totalitäres System der wesentlich ungefährlichere Gegner, "der hat militärische Geheimnisse verraten, Rübe ab" kann man soviel gar nicht dagegen sagen, insbesondere da ja die Hintergründe sowieso nicht bekannt werden. (das ist jetzt natürlich Zeitgebunden 1942 oder 1943)

Wenn aber ein Bürgermeister sagt, "was ihr mit den Juden macht ist nicht Recht! Da mache ich nicht mit, da klopfe ich lieber Steine." ist das in meinen Augen die wesentlich größere Gefahr für das System. Man kann ihm von Staats wegen ja zuerst mal gar nichts anhaben.
Ein paar Tausend Hayers mehr, und das meiste wäre unterblieben.
Und hier, genau hier, ist für mich der Ansatzpunkt "Kollektiv-Schuld".

Ach ja, noch ein Link:
 
Zuletzt bearbeitet:
Die bekannten.

Aber im Untergrund auch Duisburg, Dortmund, Essen usw.
Nehmen wir mal die Brotfabrik Germania in Duisburg.
Ludwig Philipp Lude - Wikipedia

Wenn man den gesamten Widerstand anschaut, also nicht nur die bekannten Gruppen, kann man als Fazit nehmen - es gab überall in Deutschland wie auch in Österreich (darf man nicht ausser acht lassen) Menschen die Widerstand leisteten.

Im Ruhrgebiet, Sachsen und anderer Industriezentren bildeten sich Jugendgruppen die politische Opposition demonstrieren wollten. Die bündische Tradition kannten sie nur noch aus Erzählungen. Kennzeichen solcher Gruppen war ein Abzeichen, eine Grussformel, Kleidungsstücke oder Lieder. Meist nannten sie sich Cliquen, Blasen und Horden oder nach ihrem Treffpunkten. Bekannte Gruppen sind hier die Kittelbachpiraten, die Edelweisspiraten oder die Swing-Jugend.


http://www.geschichtsforum.de/f66/widerstand-der-jugend-1078/
 
Hier noch einige ganz interessante Links:
Zusatz-Artikel
Zusatz-Artikel
http://www.g-geschichte.de/EX/Extra/Fluesterwitze.PDF

Meine Oma hat kürzlich erzählt, dass ihr Vater, also mein Ur-Opa 2 Deserteure der SS versteckt hat. Meine Uroma hatte immer Angst vor dem Erwischtwerden, weil ein Bauer im Nachbardorf einen Hahn köpfte und dabei sagte, das sollte man auch mit Hitler, diesem Hund, tun. Einen Tag später wurde er verhaftet, kurz darauf kam dann der Brief, dass der Herr leider verstorben sei.

Lg
Balduin
 
Hierzu habe ich gerade ein sehr interessantes Buch gelesen, womöglich ist es dem einen oder anderen hier im Forum bereits bekannt (kann es leider nicht als solches vorstellen).
Es handelt von einem deutschstämmigen US-Amerikaner jüdischen Glaubens namens Saul K. Padover, der zum Ende des Zweiten Weltkrieges von der Abteilung für psychologische Kriegsführung als Offizier nach Deutschland entsandt wurde, um durch Vernehmungen der damaligen Einwohner gleich welcher Couleur (von Nazianhängern über Sozialdemokraten bis hin zu Kommunisten) oder Nationalität (Stichwort Zwangsarbeiter) Informationen zur Lagefeststellung für die amerikanische Militärführung zu sammeln.
Die Erkenntnisse (insbesondere über die nachhaltige Wirkung der indoktrinierten NS-Propaganda) sind wirklich lesenswert, durch die Lektüre wird klar, warum so wenig offensichtlicher Widerstand aus dem Volk gegen das NS-Regime entstand.
Hier der Link mit den entsprechenden Bewertungen und Rezensionen:

Amazon.de: Lügendetektor: Bücher: Saul K. Padover
 
Zuletzt bearbeitet:
Lügendetektor

Ich danke dir. Dieses - scheinbar erst seit kurzem in deutscher Sprache erhältliche - Buch ist sicher lesenswert, denn es gibt neben den oftmals dargestellten persönlichen Kriegserfahrungen des Autors nahe der Front vor allem die Stimmung, die Ansichten und die Gefühle der einfachen Bevölkerung im Dritten Reich während der letzten Kriegsmonate wieder.
 
Zurück
Oben