In beiden Fällen sollten, im weberschen Sinne, eine gesellschaftliche Modernisierung vorgenommen werden und es sollten für beide Länder spezifische gesellschaftliche "Experimente" für eine "bessere Gesellschaft" durch einen "gesellschaftlichen Umbau" vorgenommen werden. Inklusive der Bereitschaft im Rahmen dieses "Umbaus" in beiden Fällen Millionen von Opfern (wenngleich auch in einer unterschiedlichen Art) zu intendieren oder zuzulassen.
Und dieses "Programm" war in den jeweiligen "revolutionären Eliten" als konsensuale Vorstellung verankert. Insofern trägt die individuelle Schuldzuweisung, der Hitler/Stalin war es, absolut nicht! Ohne ihren zentralen Anteil / Schuld an dieser Entwicklung und an den Opfern in Frage stellen zu wollen!!
Experiment. Mit diesen „Experimente(n)“ zeigte sich ein Charakterzug des menschlichen Streben in einer Konzentration im Staatlichen, im Politischen der erst unter bestimmten Voraussetzungen sich vermochte durchzusetzen. Glauben zeigte sich, der auf einer Entscheidung beruht, die, in das Staatliche, in dass Politische dominierend eingeschlagen. Eine Entscheidung die sich als Heils-Verkündend gegeben, von der eine vorgefundene, beispielsweise ökonomische und/oder gesellschaftliche Ordnung als der Zerschlagung würdig genommen wurde. Bei den Kommunisten wurde dieser Glaube mit der systematisierten Auffassung der Geschichte gefunden: Dass, auf Grund bestimmter erkenntnistheoretischer Voraussetzungen eine materialistische Erkenntnis zu gewinnen ist: Der erst mit dieser materialistischen Erkenntnis aufgekommene Glaube, dass der Lauf der Geschichte klassenkämpferisch, allen voran von der Partei getragen, mit ihnen ist: Dass die vorgefundene, etwa die ökonomische Ordnung, die idealistische und faschistische Strukturierung derselben dem Untergang geweiht ist. Bei den Nationalsozialisten zeigte sich von 1933 bis 1945 der ins Staatliche transformierte Glauben nicht mit einer systematisierten Heils-Geschichtsauffassung, sondern mit einer Heils-Legitimierung deren selbsterkorene Träger sich in der Rolle gefielen, etwa als staatlich Handelnde des 1000-jährigen Reiches aufzutreten. Heils-Verkündigungen, die, im Namen von Partei, Staat, Politik und Volk die systematische Tötung des als Anderen Definierten einschlossen.
Die Nationalsozialisten, in Deutschland 1933 legal an die staatlichen Strukturen gekommen, legten dann bis 1945 eine Führerkult-Praxis an den Tag, mit dem die staatliche Herrschaft ausgeübt wurde, die jenen Reichs-Glauben berücksichtigte, der die Legitimierung durch das Volk prinzipiell ausgeschlossen. Nicht auszuschließen, dass dieser mit einen ins Staatliche, ins Politische transformierten Herrschaftswillen gepaarte Reichs-Glauben eine Konzentration, ein markantes geschichtliches Ereignis ist, dass der allgemeinen Bereitschaft autoritär sich führen zu lassen entgegengekommen ist.
Die deutschen Kommunisten fanden in dem Geschichtsabschnitt von 1933 bis 1945 keine Gelegenheit eine Ordnung aufzurichten, die jene Theorie als Notwendigkeit der Geschichte berücksichtige, die, klassenkämpferisch gegen das als „Idealismus“ und Faschismus erkannte und bezeichnete bereits in Stellung gebracht wurde. In diesem Zeitraum konnte in Deutschland weder eine materialistische Erkenntnistheorie, noch ein auf dieser Theorie basierender und ins Staatliche, ins Politische transformierter Geschichtsglauben eine allgemeine Bereitschaft der Aufnahme finden. Mit dieser Theorie war jedoch Denken vorhanden, dass nicht nur den von 1933 bis 1945 aufgekommenen nationalsozialistischen Reichs-Glauben als autoritäre Herrschafts-Konzentration der Autorität Empfänglichen ins Visier genommen.
Im Stalinismus beispielsweise ist in der Kulturrevolution jene Theorie dann praktisch zur Anwendung gekommen. Die Partei setzte auf den Ingenieur, auf die Schwerindustrie. „Ein echter Kommunist, und dazu noch ein Techniker, das ist doch jetzt für uns der Typ Kommunist, an dem es uns zur Zeit am meisten mangelt. Für uns steht fest, daß die Technik und der Kommunismus nicht voneinander getrennt werden dürfen.“ (V.M.Molotow, 1928) Der Ingenieur als „der Prototyp des neuen Menschen, in dem Proletariat und Intelligenz zu einer höheren Seinsform verschmelzen sollten, und zugleich eine für alle Lebenslagen und Aufgaben gewappnete Wunderwaffe, die universal einsetzbar war: beim Kampf im Bürgerkrieg, bei der Etablierung der Sowjetmacht in den zwanziger Jahren, bei der Industrialisierung in den dreißiger Jahren und schließlich als politische Elite in den Volkskommissariaten und Parteigremien. Die Sowjetunion war ein von Ingenieuren gesteuertes Land: Chruscev hatte 1931 die Industrieakademie absolviert, Breznev hatte 1935 sein Diplom als Ingenieur der Metallurgie erhalten, und das Politbüro bestand beispielsweise 1979 mit Ausnahme von zwei Mitgliedern aus aus Ingenieuren, die alle während des ersten Fünfjahresplans studiert hatten.“ (Stalinismus in den Köpfen. Ingenieure konstruieren ihre Welt. Von Susanne Schattenberg in Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für historische Sozialwissenschaft. Januar-März 2004, Seite 94.)
Zum Verstehen der Diktatoren.
Wie werden beispielsweise kommunistische Ingenieure der Kulturrevolution und nationalsozialistische Dritte Reichs-Gläubige verstanden, wurden diese mit der alltäglichen Begrifflichkeit, oder mit definierten Begriffen, etwa die der Psychologie, in Verbindung gebracht? Werden definierte Begriffe der Psychologie für die Untersuchung der angeführten geschichtlichen Ereignisse ins Feld geführt, wird mit den alltäglichen Begriffen nicht operiert. Die psychologische-methodische Herangehensweise an geschichtliche Ereignisse wird individuelle Handlungen und, beispielsweise den damit verbundenen Heils-Glauben ins Visier nehmen. Der Untersuchungsgegenstand dieser Vorgehensweise bleibt also das geschichtliche Individuum, dass mit der psychologischen Kategorie in Verbindung gebracht wurde. Eine Individualpsychologie wird gefunden, die ausreicht geschichtliche Ereignisse zu verstehen? Wenn nicht, bietet diese psychologische Bezugnahme auf das Individuum geschichtlicher Zeitabschnitte dann nicht letztlich Unfruchtbares, deren Auffassung jedoch bezüglich des Individuums strukturierter daherkommt, als die mit der Anwendung alltäglicher Begrifflichkeit auf geschichtliche Ereignisse daherkommenden Auffassungen. Kann die auf kommunistische Ingenieure und nationalsozialistische Reichs-Gläubige angewandte Psychologie beispielsweise die von diesen Heils-Gläubigen jeweils favorisierte Technik mit der psychologischen Begrifflichkeit nicht erfassen - was fehlt dann der Individualpsychologie? Oder sind die definierten Begriffe der Psychologie bereits für die Anwendung auf Individuen geschichtlicher Ereignisse völlig unzureichend, mit denen also diese nicht zu verstehen sind?
Zu den Rollen (hatl)
Analog, eines Heils-Glaubens im Staatlichen, im Politischen untypische Muster zu finden, setzt voraus, dass beispielsweise in Deutschland von 1919 bis 1933 untypische Rollen eingenommen wurden. Rollen, mit denen durchgeschlagen eine Entscheidung, die das Heilsgeschichtlich-Verkündende im Staatlichen, im Politischen, nicht nur erkannte und kritisch reflektierend entlarvte, diesen Widerstand und publizistisch bekämpfte.