Österreichische Kolonialgebiete

@Arsacides:
Durchaus, das Byzantinische Kaiserreich, die Islamischen Staaten, Sizilien und von Landswegen Mailand.

@Zoki
Da muss ich dir Recht geben, ich wollte nur meinen Standpunkt erläutern, dass der Standort der Häfen nicht der Große Faktor ist wie er scheint! Es wäre von Triest z.b. auch möglich gewesen eine Expedition zu starten, ich meine Holland hatte eine Kolonie auf der anderen Seite der Welt, das Interesse war einfach für die Österreicher nicht gegeben aber das wurde schon erläutert!

Gruß
Gaius
 
@Arsacides:
Durchaus, das Byzantinische Kaiserreich, die Islamischen Staaten, Sizilien und von Landswegen Mailand.


Das ist mir schon klar, aber die aufgezählten Konkurrenten waren keine klassischen Imperialisten.

Österreich - Ungarn war nicht nur bei starker, grosser Konkurrenz zeitlich zu spät dran, sondern gehörte unter den Grossmächten zu den rückständigsten (schlimmer war wohl nur Russland). Und im Zeitalter der beginnenden Industrialisierung und Technisierung wirkt das eben ungleich schwerer als noch im Mittelalter, als alle in etwa denselben Standard hatten.
 
@Arsacides
Venedig z.b. war in der letzten Ecke der Adria verkrochen und hatten über lange Zeit des späten Mittelalters eine der mächtigsten Kriegsflotten der damaligen Welt!

Die Bewohner Venedigs lebten seit seiner Gründung im 5./6. Jh. mitten im Meer auf Laguneninseln, sodass sie von Anfang an auf den Wasserweg und Boote angwiesen waren, später dann auf respektablere Schiffe und schließlich bei kontinuierlichem Wachstum über eine respektable Handels- und Kriegsflotte verfügten.

Das Kolonialreich der Venezianer im östlichen Mittelmeer war ein Insel- und Küstenreich und nur durch eine schlagkräftige Flotte zu verteidigen. Und somit war Venedig - ganz anders als die Landmacht Österreich - eng mit dem Wasser verbunden und der Doge feierte jedes Jahr in einer prächtigen Zeremonie die Vermählung Venedigs mit dem Meer, indem er vom goldenen Staatsschiff - dem Bucentaur - einen zuvor vom Patriarchen gesegneten goldenen Ring in die Fluten der Adria warf.

Der Niedergang begann, als Venedig auch Landmacht werden wollte und im 14./15. Jh. die Terra ferma erwarb, sein oberitalienisches Territorium. Das machte es angreifbar für die Heere Frankreichs, Spaniens und Österreich und die Verteidigung kostete die Signoria Unsummen.
 
Mir geht es auch weniger um den Vergleich der Mach bzw. Einflusses sonder um den Standort aber ihr habt Recht, man lernt nie aus ;)

Der Standort "Venedig" lag mitten im Meer und somit ergab sich eine andere und zwar maritime Entwicklung. Österreich hingegen blieb von seiner Wurzel her stets eine Landmacht, auch wenn es in späterer Zeit eine kleine Küstenstrecke an der Adria besaß.
 
Es ist aber ein unterschied ob ein Land eine klassische Seemacht ist, die ihren Ursprung im Meer hat, oder eine klassische Landmacht, die ihre Territorien im Binnenland hat. Was machst du als Herrscher über ein Land, wenn es (a) auf einer Insel liegt oder (b) mitten im Flachland liegt und in der Perepherie einen Zugang zum Meer hat. Als Landmacht wirst du versuchen dein Kernstaat im Inland zu verteidigen und wenn ein Feind an deinen Küsten anlandet, ziehst du ihm mit dem Heer entgegen. Ein Land, dass komplett von Wasser umgeben ist, wird hingegen immer versuchen sein Territorium maritim zu verteidigen. Aus einer solchen Verteidigungsmarine kann also viel schneller eine Angriffsmarine werden, als bei einem Staat für den das Meer nur Peripherie ist. Venedigs Kerngebiet war eine Stadt in einer Lagune, also war die erste Priorität der Kriegsschiffbau, für Österreich, dass seine Hauptstadt (Wien) und seine Kerngebiete (Österreich, Böhmen) verteidigen muss war die Marine (und damit das Thema Kolonisation eher eine Nebensächlichkeit. Man kann nicht einfach Atlas-Historie betreiben und dabei die Rahmenbedingungen außer acht lassen.
 
Das Haus Habsburg war ja einmal Kolonialmacht und wäre es mit einem Sieg im spanischen Erbfolgekrieg und der völligen Vereinigung von spanischen und mitteleuropäischen Besitzung eine geworden. Ohne diese spanische Komponente blieb der Vielvölkerstaat in Mitteleuropa wo sich auch eine österreichische Nation auch nie bilden konnte (Deutsche, Ungarn, Tschechen, Slowaken, Südslawen e.t.c) und der Imperialismus des 19. Jahrunderts war ja vom Nationalismus getrieben und viele der Kolonien waren ja sehr schlechte Geschäfte.
 
@Young Arkas
Ich Glaube ihr versteht meine Argumentation nicht oder ich habe mich etwas zu kompliziert ausgedrückt :D Schon vorher habe ich diese Faktoren selbst aufgezählt und benannt ich habe selbst gesagt, dass für Österreich andere Interessen wichtiger waren, mein Anliegen im Vergleich zu Venedig war nur, dass jemand gesagt hatte, von Österreichs Gebieten am Mittelmeer hätte man keine Kolonien aufbauen können oder keine Marine und DEM wollte ich wiedersprechen!
 
Schon vorher habe ich diese Faktoren selbst aufgezählt und benannt ich habe selbst gesagt, dass für Österreich andere Interessen wichtiger waren, mein Anliegen im Vergleich zu Venedig war nur, dass jemand gesagt hatte, von Österreichs Gebieten am Mittelmeer hätte man keine Kolonien aufbauen können oder keine Marine und DEM wollte ich wiedersprechen!

Der Vergleich war halt a bisserl schief! :winke:
 
Österreich war eine kontinentale Macht, die Flotte spielte da immer eine untergeordnete Rolle und wurde eher stiefmütterlich behandelt, die spanischen Linie der Habsburger und die österreichischen Niederlande natürlich ausgenommen.
Kaiser Joseph II hat erstmals eine reine österreichische Flotte installiert, interessanterweise mit der rot-weiss-roten Flagge. Warum gerade die gewählt wurde konnte mir bis heute niemand beantworten. Zuerst lagen die Schiffe in Venedig was im Laufe des 19 Jht. immer problematischer wurde. Deswegen hat man sich daran gemacht Pula als Kriegshafen auszubauen.
Den wirklich entscheidenden Schub gab es durch die Schlacht bei Lissa(Vis) 1866, die Flotte war danach unglaublich populär geworden. Das Tegetthoff-Denkmal in Wien am Praterstern zeugt heute noch davon. Die Marine wurde nach und nach vergrößert, aber um Kolonien zu gründen war es wohl schon etwas zu spät und es fehlte der wirkliche Wille dazu.
Irgendwo habe ich mal gelese das man sich eine Insel am südlichen Ausgang des Suezkanals kaufen wollte, daraus wurde aber nichts.

P.S. Passt jetzt nicht unbedingt hierher aber zu erwähnen ist vielleicht noch die österreichische Donauflottille. Von Maria Theresia im Krieg gegen die Türken ins Leben gerufen, war sie im 1. WK die größte Flussflotte der Welt. Die Russen haben zu ihrer Abwehr sogar zwei Donau-Unterseeboote gebaut. Die Monitore operierten dann nach dem Brotfrieden von Brest-Litowsk im Schwarzen Meer und fuhren die russischen Flüsse hinauf.

Löwe von Lissa:
19_loewe1_web.jpg


Restaurierter Donaumonitor:
hungary-wwi-ship-rebuilt-2010-8-20-11-30-56.jpg
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch vor Joseph II. gab es schon einige Galeeren, die dem Schutz des Seehandels gegen türkische Piraten dienen sollten. Andererseits umfasste Josephs II. Flottenbauprogramm auch gerade mal 14 Schiffe. Zu einer Vergrößerung kam es nach der Annexion Venedigs, als Österreich die venezianische Marine zufiel. Die Schiffe wurden allerdings hauptsächlich für diplomatische Missionen und Forschungsreisen eingesetzt.
Dennoch gab es auch militärische Einsätze: 1829 kam es zu einem Konflikt mit Marokko, weil es die Piraterie noch offen tolerierte. Nachdem ein marokkanisches Piratenschiff ein österreichisches Handelsschiff gekapert hatte, griffen mehrere österreichische Fregatten als Vergeltung die marokkanische Hafenstadt El Araisch an.
Den nächsten Kampfeinsatz gab es 1840 beim Aufstand des ägyptischen Statthalters Mehmed Ali gegen die Osmanen, bei dem Österreich die Osmanen unterstützte. Eine gemischte türkisch-österreichisch-britische Flotte eroberte die von den Aufständischen gehaltene syrische Küste zurück. Bei Akkon führte die österreichische Marine unter Erzherzog Friedrich eine Landeoperation durch und eroberte die Festung. Später wurde Friedrich Marineoberbefehlshaber und begann mit der Modernisierung der Flotte, starb aber bald.
1849 wurde der Däne Hans Birch von Dahlerup Marinechef. Er führte Deutsch als Befehlssprache ein. (Bis dahin war hauptsächlich Italienisch gesprochen worden, da die Besatzungen hauptsächlich aus Italienern bestanden.) Unter ihm umfasste die Marine 4 Fregatten, 6 Korvetten, 7 Briggs und weitere kleinere Schiffe.
Dahlerups Nachfolger wurde Erzherzog Maximilian, der spätere Kaiser von Mexiko, der und dessen Nachfolger den Aufbau der Flotte vorantrieben. 1883 umfasste sie 11 Schlachtschiffe, 11 Kreuzer, 14 Torpedoboote sowie weitere kleinere Schiffe.
Im 1. WK wurde die Flotte vor allem zum Schutz der eigenen Küste sowie zur Blockade Montenegros verwendet. Mehrmals wurden französische Versuche, den Serben Nachschub zu bringen, vereitelt. Mehrmals wurden albanische Häfen angegriffen. Aus der Adria wagte sich die Flotte jedoch kaum hinaus, um sich nicht der französischen Marine stellen zu müssen. Nach dem Kriegseintritt Italiens wurde die Straße von Otranto von Italienern, Briten und Franzosen blockiert. Im Mai 1917 griffen die Österreicher die Blockadeflotte an und errangen einen beachtlichen Sieg, konnten die Blockade aber nicht dauerhaft beenden. Die österreichischen U-Boote hingegen operierten erfolgreich im gesamten Mittelmeer.
Am Ende des 1. WK wurden einige Schiffe von ihren Mannschaften selbst versenkt, der Rest musste ausgeliefert werden.
 
Österreich war eine kontinentale Macht, die Flotte spielte da immer eine untergeordnete Rolle und wurde eher stiefmütterlich behandelt, die spanischen Linie der Habsburger und die österreichischen Niederlande natürlich ausgenommen.

Irgendwie klingt das schief. Die spanische Linie war eben die spanische Linie, die keineswegs abhängig von der österreichischen Linie war, wenn man auch untereinander hin und wieder mal heiratete. Seit Karls V. Abdankung waren die Linien aber getrennt (Karl hatte ja eine Erbfolgeregelung im Sinn, die sowohl seine Linie, als auch die seines Bruders im Wechsel regieren lassen sollte, Ferdinand hat das abgelehnt. Die Sukzession hätte dann so ausgesehen: Karl V. - Ferdinand I. - Philipp II. - Maximilian II. ...).
 
OT: Aber für Interessierte, die österreichische Marine war am letzten offenen Seegefecht zwischen Seegelkriegsschiffen beteiligt, dem Seegefecht bei Helgoland 1864. Auch hier führte Tegetthoff das Kommando. Zudem waren auch preußische Schiffe beteiligt, doch bei weiten waren diese nicht so schlagkräftig, wie die Schiffe Tegetthoff´s ...
 
Auch wenn diese Diskussion hier schon einige Jahre auf dem Buckel hat, würde ich das gerne mal aufgreifen:

Es gibt einen ganz gravierenden Unterschied zwischen Kolonien und den österreichischen Kronländern: Die Einwohner der Kronländer waren vollwertige Staatsbürger mit allen bürgerlichen und politischen Rechten, natürlich inklusive Wahlrecht. Diese Rechte hatten die Bewohner der echten Kolonien lange Zeit nicht, erst nach dem 2. WK teilweise.

Der Aspekt mag in jedem fall auf die cisleithanischen Kronländer zutreffen. Im Bezug auf die zur ungarischen Krone wurde es bei den regionalen ethnischen Minderheiten mit der politischen Partizipation und vollen bürgerlichen Rechten ja schon schwieriger.

Was ich aber konkret interessant finde, wenn wir von politischer Partizipation reden, ist der Falls Bosniens und der Herzegowina. Da diese Territorien keiner der beiden Reichshälften zugehörten dürfte auch eine wirksame Vertretung in einem der parlamentarische Gremien der jeweiligen Reichshälften effektiv nicht möglich gewesen sein und das, die Territorien verwaltende K.u.K.-Finanzministerium wird man auch kaum als Interessenvertretung der Einwohner auf überregionaler Ebene bezeichnen können.


Auch habe ich im Fall von Tirols und des Küstenlandes mit Bezug auf den 1. Weltkrieg gewisse Schweirigkeiten, jedenfalls im Bezug auf das Trentino und den Isonzo von vollwertigen Partizipationsmöglichkeiten zu reden, denn immerhin wurden diese Gebiete ja dem Kgr. Italien in Aussicht gestellt, für den Fall, dass sich dieses aus dem Weltkrieg heraushielte und nach meiner Kenntnis, ohne dass man dort vorher ein entsprechendes Plebiszit abgehalten hätte. Heißt die Bewohner dieser Territorien hat man de facto im Stile des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts als diplomatische Verfügungsmasse und Handelsobjekt eingesetzt, was sich mit den Konzeptionen vollen Bürgerrechts und politischer Partizipationsmöglichkeiten irgendwie beißt.

Insofern halte gerade im Bezug auf die südliche Grenzregion, die Frage ob der es da nicht durachaus kolonieartige Herrschaftsmethoden seitens der K.u.K.-Monarchie, wenn auch nur partiell gab, für nicht so aus der Luft gegriffen.
 
Dass über Territorien und ihre Bewohner über ihre Köpfe hinweg bestimmt wird, daran hat sich doch bis heute nicht viel geändert. Dann kann man auch jedes Territorium, dessen Bewohnern die freie Entscheidung darüber, welchem Staat sie angehören wollen, verweigert wird, als Kolonie ansehen.
Im Fall der italienischsprachigen Gebiete Österreichs kann man allerdings auch ohne Referendum wohl getrost vermuten, dass sie über eine Abtretung an Italien vermutlich nicht gerade unglücklich gewesen wären.
Im Abgeordnetenhaus der österreichischen Reichshälfte waren übrigens selbstverständlich auch italienische Abgeordnete vertreten.

Bosnien und Herzegowina war tatsächlich ein Problem für sich, da man sich nicht auf einen Anschluss an eine der beiden Reichshälften einigen konnte. Zumindest hatte es aber einen gewählten eigenen Landtag.
 
Dass über Territorien und ihre Bewohner über ihre Köpfe hinweg bestimmt wird, daran hat sich doch bis heute nicht viel geändert. Dann kann man auch jedes Territorium, dessen Bewohnern die freie Entscheidung darüber, welchem Staat sie angehören wollen, verweigert wird, als Kolonie ansehen.
Im Fall der italienischsprachigen Gebiete Österreichs kann man allerdings auch ohne Referendum wohl getrost vermuten, dass sie über eine Abtretung an Italien vermutlich nicht gerade unglücklich gewesen wären.
Im Abgeordnetenhaus der österreichischen Reichshälfte waren übrigens selbstverständlich auch italienische Abgeordnete vertreten.

Naja, wenn wir 1859/1860 mal als Präzedenzfall nehmen, wo die Grafschaft Nizza und Savoyen unter plebiszitärer Beteiligung (wenn auch das Ergebnis umstritten war) vom Kgr. Sardinien an Frankreich gingen und sich gleichzeitig die Argumentation, auch der deutschen Annexionsgegner im Fall Elsass-Lothringens 10 Jahre später einmal anliest, kann man meine ich schon damit argumentieren, dass es schon zeitgenössisch in Europa nicht mehr ohne weiteres als legitim aufgefasst wurde, Territorien ohne Zustimmung der Bewohner zu transferieren.

Das in der österreichischen Reichshälfte, die ethnischen Minderheiten durchaus ihre Vertretungen hatten und das somit auch die Italiener betrifft, ist mir bekannt. Was diese Vertretungen aber wert sind, wenn die Wiener Regierung sich auch über diese hinwegsetzt und über ihre Köpfe hinweg dem Kgr. Italien die Abtretung dieser Gebiete anbietet, ist dann noch einmal eine andere Frage für sich.
Ob die Italiener im Trentino und am Isonzo nun unbedingt aus Kakanien raus wollten? Weiß ich nicht. Die Italiener in Venezien und der Lombardei hatten ihrerzeit rebelliert, aber das passierte vor dem Ausgleich von 1867 und der vergleichsweise Liberalisierung und Parlamentarisierung der cisleithanischen Reichshälfte.
Sicherlich gab es im Trentino auch einen virulenten italienischen Nationalsims, aber ob das denn die Auffassung der Bevölkerungsmehrheit war, da bin ich überfragt.


Bosnien und Herzegowina war tatsächlich ein Problem für sich, da man sich nicht auf einen Anschluss an eine der beiden Reichshälften einigen konnte. Zumindest hatte es aber einen gewählten eigenen Landtag.

Naja, aber welche Möglichkeiten hatte denn dieser Landtag auf die Politik in Wien und Budapest bzw. auf das verwaltende K.u.K.-Finanzministerium Einfluss zu nehmen? Die Minister, ergo auch der K.u.K.-Finanzminsiter waren keinem Parlament, sondern dem Kaiser verantwortlich und ohne die Zugehörigkeit zu einer der beiden Reichshälften, sprich ohne Zugang zu den jeweiligen Parlamenten, dürfte die Möglichkeit der Bosnisch-Herzegowinischen Bevölkerung in Gesetzgebungs und Budgetfragen gegen Null tendiert haben.

Die Anwesenheit von Parlamenten, in denen die Einwohner ein gewisses Maß an Repräsentation, de facto aber keine Kompetenzen hatten, spricht ja für sich genommen nicht gegen eine Kolonie. Nehmen wir etwa die einzelnen Teile Französisch-Indochinas, so verfügten die Bewohner etwa von Tonkin oder Annam stets über ein gewisses Kontingent an Repräsentanten in den regionalen Verwaltungsgremien. Die waren nur eben so kontingentiert, und zugeschnitten, dass sie entweder gegenüber den Franzosen dort keine Mehrheiten hatten oder aber die wichtigsten Entscheidungskompetenzen lagen beim französischen Kolonialministerium und damit, seit der 3. Republik vollständig in den Händen des französischen Parlamentes.

Ob nun die wichtigsten Verwaltungskompetenzen beim K.u.K.-Finanzministerium oder beim franzsischen Kolonialministerium liegen und damit letztendlich entweder in den Händen der habsburger Kaiser oder des Pariser Parlamentes, denen diese Ministerien verantwortlich war und denen die dortigen Personalentscheidungen oblagen, welchen Unterschied machte das für die Bewohner der betroffenen Region in Sachen realer Partizipation?
 
Naja, wenn wir 1859/1860 mal als Präzedenzfall nehmen, wo die Grafschaft Nizza und Savoyen unter plebiszitärer Beteiligung (wenn auch das Ergebnis umstritten war) vom Kgr. Sardinien an Frankreich gingen und sich gleichzeitig die Argumentation, auch der deutschen Annexionsgegner im Fall Elsass-Lothringens 10 Jahre später einmal anliest, kann man meine ich schon damit argumentieren, dass es schon zeitgenössisch in Europa nicht mehr ohne weiteres als legitim aufgefasst wurde, Territorien ohne Zustimmung der Bewohner zu transferieren.
Ja, aber Österreich-Ungarn war auch nicht aus Jux und Tollerei bereit, über die Abtretung der italienischsprachigen Teile Tirols zu verhandeln, und schon gar nicht wollte es diese etwa eintauschen oder verkaufen, sondern weil es mit dem Rücken schon ziemlich zur Wand stand. Die Frage eines (freien und fairen) Referendums stellte sich da wohl ohnehin nicht, da Italien jedenfalls auf der Abtretung bestanden hätte.

Sicherlich gab es im Trentino auch einen virulenten italienischen Nationalsims, aber ob das denn die Auffassung der Bevölkerungsmehrheit war, da bin ich überfragt.
Eine Meinungsumfrage ist mir dazu auch nicht bekannt, aber wirklich gut funktionierte das Zusammenleben zumindest in Tirol nicht. Dauerhaftes Konfliktthema war z. B. die Universität Innsbruck und die Frage, ob dort auch auf Italienisch gelehrt und geprüft werden durfte. Heraus kamen typisch österreichische Lösungen, die weder Fisch noch Fleisch waren. Die italienische Intelligenz hätte aber ohnehin eine echt italienische Universität bevorzugt.

Die Anwesenheit von Parlamenten, in denen die Einwohner ein gewisses Maß an Repräsentation, de facto aber keine Kompetenzen hatten, spricht ja für sich genommen nicht gegen eine Kolonie.
Natürlich waren die Kompetenzen des Landtags von Bosnien und Herzegowina beschränkt (er hatte aber schon echte Kompetenzen z. B. im Budgetrecht, bei der Strafjustiz, im Zivilrecht, im Gewerberecht, beim Kultus, in der Land- und Forstwirtschaft und im Sanitätswesen), und er war natürlich auch kein Ersatz für eine Vertretung im Reichsrat. Aber mit den üblichen Parlamenten (so es sie überhaupt gab) in Kolonien kann man ihn dennoch nicht vergleichen: In diesen Kolonialvertretungen waren die Einheimischen, wie Du selbst schreibst, meist zumindest massiv unterrepräsentiert. Das traf auf den Landtag nicht zu, er setzte sich tatsächlich aus 72 gewählten Vertretern der heimischen Bevölkerung zusammen. Daneben gab es zwar noch Abgeordnete, die ex officio im Landtag vertreten waren, insbesondere religiöse Oberhäupter aus den Konfessionen (serbisch-orthodox, moslemisch, katholisch, jüdisch), aber sie waren zahlenmäßig in der Minderheit (20), außerdem stammten sie auch aus dem Land. Das - demokratiepolitisch - größere Problem war eher, dass nach einem Kurienwahlrecht gewählt wurde, aber das war keine Besonderheit in Bosnien und Herzegowina, sondern auch die anderen Landtage wurden so gewählt.
 
Ja, aber Österreich-Ungarn war auch nicht aus Jux und Tollerei bereit, über die Abtretung der italienischsprachigen Teile Tirols zu verhandeln, und schon gar nicht wollte es diese etwa eintauschen oder verkaufen, sondern weil es mit dem Rücken schon ziemlich zur Wand stand. Die Frage eines (freien und fairen) Referendums stellte sich da wohl ohnehin nicht, da Italien jedenfalls auf der Abtretung bestanden hätte.

Nun, verhandelt haben sie aber eben trotzdem darüber.
Ich würde ja meinen, das zu den Rechten eines Staatsbürgers in der Regel auch staatliche Protektion gegenüber den Anmaßungen auswärtiger Mächte gehört, die der Staat seinen Bürgern schuldig ist. Denn anderenfalls sind die Bürgerrechte und politischen Freiheiten ja nichtig, da sie dem Bürger durch den Staat durch Exklusion auf dem Weg der Abtretung von Gebieten ohne Zustimmung der Bevölkerung, ohne weiteres entzogen werden können.
Wären die verbrieften Rechte der österreichischen Staatsbürger in Welschtirol und am Isonzo irgendetwas wert gewesen, hätte sich jede Verhandlung über eine Abtretung ohne die Bevölkerung im Rahmen eines Referendums darüber zu befrafen von vorn herein verbeten, weil dass den Verpflichtungen des Staates gegenüber seinen Bürgern widersprochen hätte.

Eine Meinungsumfrage ist mir dazu auch nicht bekannt, aber wirklich gut funktionierte das Zusammenleben zumindest in Tirol nicht. Dauerhaftes Konfliktthema war z. B. die Universität Innsbruck und die Frage, ob dort auch auf Italienisch gelehrt und geprüft werden durfte. Heraus kamen typisch österreichische Lösungen, die weder Fisch noch Fleisch waren. Die italienische Intelligenz hätte aber ohnehin eine echt italienische Universität bevorzugt.
Das die Lösung nicht zufriedenstellend war, ist das Eine. Daraus musste aber durchaus nicht zwangsläufig bei einer Bevölkerungsmehrheit das Ausscheiden als unvermeidlicher politischer Wunsch resultieren. Die Problematik einer Universität hätte sich auch auf anderem Wege lösen lassen und dürfte darüber hinaus ohnehin eher Aufhänger einer Minderheit gewesen sein, immerhin ist das ein Anliegen, das vorwiegend die Intelligenz direkt betrifft, die eben unter den gegebenen Umständen einigermaßen gute Möglichkeiten hatte sich gehör zu verschaffen.
Wie groß mag der Anteil der italienischen Intelligenz an der Bevölkerung des Gebietes gewesen sein? 5% vielleicht 10, je nachdem, wen man dazu rechnet?
Was interessiert den italienischen Kleinbauern im Terentino, ob die nächste italienischsprachige Universität, deren Besuch er seinen Kindern nicht finanzieren kann, sich nun in Innsbruck oder Verona befindet?

Das ist mir, argumentativ doch etwas dünn, um unter Auslassung eines Plebiszits, einen Wunsch der Bevölkerungsmehrheit des Trentinos von Habsburg weg zu kommen, ohne weiteres anzunehmen. In dem Sinne wäre es sicherlich seitens der Wiener Regierung angemessen gewesen mit Italien über eine Besserung dieser Verhältnisse im italienischen Sinne zu verhandeln, aber nicht über eine Abtretung über die Köpfe der Bevölkerung hinweg, jedenfalls nicht, wenn man diese als politisch voll partizipationsfähig charakterisieren will.

Natürlich waren die Kompetenzen des Landtags von Bosnien und Herzegowina beschränkt (er hatte aber schon echte Kompetenzen z. B. im Budgetrecht, bei der Strafjustiz, im Zivilrecht, im Gewerberecht, beim Kultus, in der Land- und Forstwirtschaft und im Sanitätswesen), und er war natürlich auch kein Ersatz für eine Vertretung im Reichsrat. Aber mit den üblichen Parlamenten (so es sie überhaupt gab) in Kolonien kann man ihn dennoch nicht vergleichen: In diesen Kolonialvertretungen waren die Einheimischen, wie Du selbst schreibst, meist zumindest massiv unterrepräsentiert. Das traf auf den Landtag nicht zu, er setzte sich tatsächlich aus 72 gewählten Vertretern der heimischen Bevölkerung zusammen. Daneben gab es zwar noch Abgeordnete, die ex officio im Landtag vertreten waren, insbesondere religiöse Oberhäupter aus den Konfessionen (serbisch-orthodox, moslemisch, katholisch, jüdisch), aber sie waren zahlenmäßig in der Minderheit (20), außerdem stammten sie auch aus dem Land. Das - demokratiepolitisch - größere Problem war eher, dass nach einem Kurienwahlrecht gewählt wurde, aber das war keine Besonderheit in Bosnien und Herzegowina, sondern auch die anderen Landtage wurden so gewählt.

Ob er damit vergleichbar ist, wird davon abhängen, mit welcher Art von Kolonien man sich genau befasst. Es ist vielleicht nicht mit der krassen Ausprägung des europäischen Impterialismus in Asien vergleichbar, aber denken wir z.B. mal an die USA, als diese noch unter der Bezeichnung "13-Kolonien" firmierten.
hinzu kommt, dass die Beschlüsse des Bosnisch-Herzegowinischen Landtags ja der Absegnung aus Wien und Budapest bedurften, so dass Cisleithanien und Transleithanien theoretisch mehr oder minder nach Belieben dort hineinregieren konnten, der zustimmung des Kaisers bedurfte es auch, nur dass ohne die Möglichkeit der Mitgestaltung auf Basis der Reichshälften und gemeinsamen Ministerien, der Bosnisch-Herzegowinische Landtag im Gegensatz zu den Abgeordnetenversammlungen in Wien und Budapest, effektiv auf die Budgetfragen der gesammten Monarchie Einfluss zu nehmen , da gar keine effektive Verhandlungsbasis hatte.
Insofern, würde ich dann auch den besagten Landtag eher für einen Fall von Scheinkonstitutionalismus halten, als für eine effektive Interessenvertretung, weil sie so ohne weiteres nicht mal auf lokaler Ebene handlungsfähig war, wenn es Wien nicht gefiel.

Das diskriminierendes Wahlrecht an und für sich jetzt kein Argument ist, von einer Kolonie zu sprechen, ist sicherlich richtig. Einem gesamtstaatlichen Konstrukt in verwaltungstechnischer Hinsicht angegliedert zu sein, ohne die höchste Entscheidungsebene, sprich die Vertretungen der beiden Reichshälften und die gemeinsamen K.u.K.-Ministerien mit Interessenvertretern beschicken, gegebenenfalls aber schon.
 
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