Österreichische Kolonialgebiete

Österreich-Ungarn sicherte sich Bosnien und Herzegowina als Kolonien.

Oder gibt es einen Grund diese eroberten, aber nicht integrierten Gebiete nicht als Kolonien zu werten?
 
Das wurde in diesem Thema doch schon eingehend diskutiert.
Als Argument dafür kann man allenfalls anführen, dass Bosnien-Herzegowina in keine der beiden Reichshälften integriert wurde, was allerdings daran lag, dass sie sich nicht einigen konnten, und daher dem k. u. k. Finanzministerium unterstellt wurde.
Gegen eine Einstufung als "Kolonie" spricht, dass die Einwohner Staatsbürger wurden und einen Grundrechtekatalog und ein gewähltes eigenes Parlament erhielten.
 
Das lokale Parlament spricht nicht dafür, wenn man sieht, wie eingeschränkt die autonomen Befugnisse des Landtags waren.

Die Befugnisse des Landtags waren jedoch sehr gering und beschränkten sich auf zweitrangige Fragen. Die eigentliche Macht, wozu auch der Vollzug und die Handhabung der Gesetze gehörte, lag in den Händen des vom Kaiser ernannten Landeschefs (Gouverneurs), der gleichzeitig Armeeinspektor der Provinz, mithin ein Militär, war. Er war gegenüber dem bosnisch-herzegowinischen Landtag nicht verantwortlich.
Die Inferiorität des Landtags äußerte sich auch darin, dass alle Gesetzentwürfe vor ihrer Einbringung der Zustimmung der österreichischen und ungarischen Regierung bedurften und erst danach der kaiserlichen Sanktion unterbreitet
werden konnten.
https://www.doew.at/cms/download/aha41/festschrift_hautmann.pdf
 
Mein Ururgroßvater war Konteradmiral der kuk-Marine in Pula und Kapitän eines Schiffes. Er war mit seinem Schiff unter anderem in China, aber ich weiß nicht genau, was er dort gemacht hat...
 
Österreich-Ungarn sicherte sich Bosnien und Herzegowina als Kolonien.

Oder gibt es einen Grund diese eroberten, aber nicht integrierten Gebiete nicht als Kolonien zu werten?
Diese Einschätzungen würde ich eher für die verbrecherische Annexion der Krim, die Entrechtung der Tartaren im Rahmen der Festlandsexpansion der russischen Zaren verwenden. Oder die Expansion des russischen Reiches bis an die Grenze des ja so nah verwandten Korea. Oder die Eroberung Usbekistans. Eine repräsentative Teilnahme der Krimtartaren und Usbeken an der Willensbildung in der Duma und sonstigen Wahlen im zaristischen Russland oder der frühen Sowjetunion ist mir nicht bekannt.
Der Begriff Kolonie wäre dafür noch fast ein Euphemismus.
Desgleichen hatte Südtiroler im von Italien im 20. Jahrhundert annektierten Südtirol von den Freiheiten italienischsprachiger Einwohner der k.u.k. Monarchie im 19. Jahrhundert nur träumen dürfen.
 
Diese Einschätzungen würde ich eher für die verbrecherische Annexion der Krim, die Entrechtung der Tartaren im Rahmen der Festlandsexpansion der russischen Zaren verwenden. Oder die Expansion des russischen Reiches bis an die Grenze des ja so nah verwandten Korea. Oder die Eroberung Usbekistans. Eine repräsentative Teilnahme der Krimtartaren und Usbeken an der Willensbildung in der Duma und sonstigen Wahlen im zaristischen Russland oder der frühen Sowjetunion ist mir nicht bekannt.
Was hat das eine mit dem Anderen zu tun?
Im Hinblick auf Russland würde ich das nicht an der Duma oder nichtvorhandenen Wahlen im russischen Zarenreich oder der Sowjetunion festmachen, denn da hatte die Mehrzahl der Russen ja auch nicht die Möglichkeit ihren politischen Willen zu artikulieren, insofern wurden die Einwohner der betreffenden Gebiete sicherlich schlecht behandelt, aber nicht in dieser Hinsicht schlechter als die Mehrheit der russischen Bevölkerung.

Der Aufstieg auch in höhere Ämter war demgegenüber nichtrussischen Eliten ja durchaus nicht vollständig verwehrt, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllten, schaut man sich etwa die Stellung diverser deutsch-baltischer Barone aus den Ostseeprovinzen an, während demgegenüber die lettischen und estnischen Bauern relativ wenig zu lachen hatten.
Bei Russland kann man es aber wenigstens bei einigen Gebilden definitiv auch an der administrativen Trennung vom Zarenreich als solchem festmachen. Etwa beim "Großfürstentum Finnland" oder beim bis zum Ende des ersten Weltkriegs offiziell bestehendem "Emirat Buchara" unter russischer Protektion.

Der Unterschied zu Österreich-Ungarn ist, dass (Die Duma war ja, sofern sie über rein beratende Funktion hinausging ohnehin eine eher episodische Erscheinung) es, jedenfalls in Österreich einen eingespielten parlamentarischen Betrieb gab, mit einem Wahlrecht dass vielleicht auch nicht das Modernste war, aber jedenfalls die nichtdeutschen Nationalitäten innerhalb der österreichischen Reichshälfte nicht von der Partizipation ausschloss, während man die Bevölkerung Bosniens und der Herzegowina dadurch, dass man das Territorium keiner der beiden Reichshälften zuschlug, auf dieser Ebene durchaus schlechter behandelte.

Durch die Unterstellung der beiden Provinzen unter die Verwaltung des gemeinsamen Finanzministeriums hatten der Kaiser und die ihm verantwortliche Regierung auch andere Möglichkeiten dort hinein zu regieren, als in jeden anderen Teil der Monarchie.
Das schaut im Zarenreich dann mitunter etwas anders aus, weil derartige parlamenatrische Traditionen und eine so weit reichende Verfassung schlicht nicht vorhanden sind.

Desgleichen hatte Südtiroler im von Italien im 20. Jahrhundert annektierten Südtirol von den Freiheiten italienischsprachiger Einwohner der k.u.k. Monarchie im 19. Jahrhundert nur träumen dürfen.

Es ist doch nicht die Frage, wer wen besser oder schlechter behandelt hat, sondern ob nationale Minderheiten oder die Einwohnerschaft bestimmter Territorien massiv anders behandelt wurde, als die Mehrheit der Bevölkerung des Staatsgebildes und seiner Anhängsel.
Und ich für meinen Teil würde meinen, dass man das Für Bosnien und die Herzegowina durchaus bejahen kann.

Erst okkupierte man das Gebiet, ohne die Absicht zu haben es jemals wieder herauszugeben und hielt die Bevölkerung 30 Jahre unter Militärverwaltung, um die Territorien dann zu annektieren ohne sie jedoch zu inkorporieren und sie einer der Reichshälften anzugliedern und die Bevölkerung in diesem Rahmen partizipieren zu lassen.
Stattdessen stellte man das Gebiet letztendlich unter die Kuratell eines der gemeinsamen Ministerien womit man den Einfluss parlamentarischer Vertretungen auf diese Gebiete verglichen mit den anderen Territorien herabsetzte und den Einfluss der kaiserlichen Regierung und der gemeinsamen Ministerien deutlich ehrhöhte.


Von dem her würde ich meinen, ist der Begriff Kolonie oder kolonialähnliches Konstrukt hier angemessen.
Nicht weil die Bevölkerung besonders zu leiden gehabt hätte, sondern weil das Gebiet administrativ vom restlichen Staatsgefüge abgetrennt blieb, das Gebiet in anderer Weise regiert wurde, als die übrigen Teile des Staatsgebildes und die Bevölkerung unterm Strich auch weniger Partizipationsmöglichkeiten hatte, als das jedenfalls in der österreichischen Reichshälfte der Fall war.

Das auch völlig unabhängig davon, ob man andere Fälle als Kolonie oder kolonailähnlich betrachten könnte.

Im Übrigen, nachdem ich im Hinblick auf Russland ja schon, wenn auch aus anderen Gründen, zugestimmt habe, würde ich durchaus auch der These, dass Südtirol oder auch Elsass-Lothringen mindestens episodisch kolonieähnlich behandelt wurden, durchaus zustimmen.
 
Von dem her würde ich meinen, ist der Begriff Kolonie oder kolonialähnliches Konstrukt hier angemessen.
Nicht weil die Bevölkerung besonders zu leiden gehabt hätte, sondern weil das Gebiet administrativ vom restlichen Staatsgefüge abgetrennt blieb, das Gebiet in anderer Weise regiert wurde, als die übrigen Teile des Staatsgebildes und die Bevölkerung unterm Strich auch weniger Partizipationsmöglichkeiten hatte, als das jedenfalls in der österreichischen Reichshälfte der Fall war.
Nichtmal die Leibeigenschaft wurde abgeschafft .
 
Neulich bin ich in Leidingers "Der Untergang der Habsburgermonarchie über das österreichische Konzessionsgebiet in Tiajin (China) gestolpert, dass am Anfang des 20. Jahrhunderts bis zum 1. Weltkrieg existierte, auch wenn das Konzessionsgebiet von seiner Größ her eher bescheiden war.

Hat es eigentlich mal konkrete Übergegungen Wiens gegeben das eigene Engagement in China auszubauen?

Tianjin scheint ja ohnehin insofern ein Sonderfall gewesen zu sein, als dass dort anders als als in den anderen "Konzessionsgebieten" auf chinesischem Boden mehr oder weniger sämtliche europäischen Großmächte nebeneinander kleinere Konzessionsgebiete hielten.

Das stelle ich mir ziemlich chaotisch vor und da wird es wahrscheinlich auch viel Raum für Reibereien gegeben haben.
 
MMn war die österreichische Konzession in Tianjin von Anfang an nur auf Präsenz und nicht Expansion angelegt. Anders als die meisten anderen Nationen gab es in ihrem Gebiet kaum Platz für Neubauten. Ein Drittel der chinesischen Stadtbevölkerung lebte dort und es kam zu Enteignungen. Die umfangreichen Pläne des Konsuls für das Konsulatsgebäude wurden von der Botschaft in Peking nicht gutgeheißen und stark reduziert, wobei man offenbar auch noch vergaß, das Abwasser des Gebäudes an die städtische Kanalisation anzuschließen.

Die Stadt wurde oft von Schiffen der k.u.k. Kriegsmarine auch für längere Aufenthalte angelaufen. Es gab wohl den Brauch zum Abschluss der Ausbildung in Pula den Abschlussjahrgang zwecks exotischer Auslandserfahrung in den Fernen Osten zu senden. (siehe SMS Kaiserin Elisabeth – Wikipedia )
Das stelle ich mir ziemlich chaotisch vor und da wird es wahrscheinlich auch viel Raum für Reibereien gegeben haben.

Bis auf ein paar wenige mysteriöse Vorgänge 1917, kurz vor der Kriegserklärung Chinas, sehe ich kein Chaos in der Stadt. Im Gegenteil konnten Zahlungen an deutsche und österreich-ungarische Kriegsgefangene in russischen Kriegsgefangenenlagern über Tianjin selbst mit Quittung und kleinsten Beträgen abgewickelt werden.
Die Belgier, am anderen Ende der Stadt, erweiterten ihre Straßenbahn konzessionsübergeifend in der ganzen Stadt und erreichten 1914 auch das österreichische Gebiet. Das Monopol für die Elektrizität hatten sie sich ebenfalls gesichert. Die belgischen Einkünfte in Tianjin sollen angeblich den Bildungsetat in der Heimat gedeckt haben. Mit Wasser wurden alle durch eine englische Firma versorgt.

Das Buch Habsburgs going global,The Austro-Hungarian Concession in Tientsin/Tianjin in China (1901–1917), Michael Falser, 2022 (englisch)
deckt das Meiste zum Thema ab.

Darin wird auf einen Artikel in der Neuen Freien Presse von 1899 verwiesen, den ich in seiner ganzen Länge und auf Deutsch zum Thema hier passend und aufschlussreich fand.
Und dass wir in der Kunst, zu colonisieren, nicht hinter Anderen zurückgeblieben sind, haben wir in Bosnien und der Herzegowina hinreichend gezeigt.
Falser vermutet das Gespann Außenminister Graf Goluchowski und den Botschafter in China, Moritz Baron Czikann von Wahlborn, hinter diesem (anonymen) Artikel.

Ich fand auch die Beschreibung des Stadtlebens durch William McLeish, britischer Sekretär im Stadtrat von Tianjin, spannend zu lesen.
Life in a China outport
 
MMn war die österreichische Konzession in Tianjin von Anfang an nur auf Präsenz und nicht Expansion angelegt. Anders als die meisten anderen Nationen gab es in ihrem Gebiet kaum Platz für Neubauten. Ein Drittel der chinesischen Stadtbevölkerung lebte dort und es kam zu Enteignungen. Die umfangreichen Pläne des Konsuls für das Konsulatsgebäude wurden von der Botschaft in Peking nicht gutgeheißen und stark reduziert, wobei man offenbar auch noch vergaß, das Abwasser des Gebäudes an die städtische Kanalisation anzuschließen.
Das man das Gebiet selbst nicht auszubauen gedachte, dass ist mir schon klar, mir ging es mehr darum ob es mal Gedanken gab, die Präsenz dort als Sprungbrett zu nutzen um sich möglicherweise irgendwo in anderen Teilen Chinas eine informelle Einflusszone aufzubauen, möglicherweise in Kooperation mit einer der anderen präsenten Großmächte.

Da man auf diese Weise ja einmal, wenn auch nicht besonders stark in China vertreten war, wäre es ja eigentlich naheliegend gewesen darüber nachzudenken, in welcher Form sich im Ostasiatischen Raum möglicherweise jedenfalls wirtschaftliche Vorteile gewinnen ließen.

Bis auf ein paar wenige mysteriöse Vorgänge 1917, kurz vor der Kriegserklärung Chinas, sehe ich kein Chaos in der Stadt. Im Gegenteil konnten Zahlungen an deutsche und österreich-ungarische Kriegsgefangene in russischen Kriegsgefangenenlagern über Tianjin selbst mit Quittung und kleinsten Beträgen abgewickelt werden.
Ich meine da vor allem den Umstand, dass in Tianjin ja mehr oder weniger Konzessionsgebiete von verschiedenen Nationen nebeneinander lagen und wie ich die kolonialen Abkommen so kennen, werden sich sämtliche Mächte da die Exterritorialität ihrer eigenen Staatsangehörigen und Immunität gegenüber dem in China geltenden Recht ausbedungn haben nebst der Praxis Streitfälle nach eigenen Rechtsvorstellungen klären zu wollen, was in Sachen Jurisdiktion und Rechtssicherheit sicherlich Anlass für einiges an Schwierigkeiten auch zwischen den Kolonialmächten gegeben haben dürfte.

Eine solche Gemengelage dürfte wohl ziemlich einzigartig sein.

Das Buch Habsburgs going global,The Austro-Hungarian Concession in Tientsin/Tianjin in China (1901–1917), Michael Falser, 2022 (englisch)
deckt das Meiste zum Thema ab.
Danke für den Hinweis, da werde ich mich bei Zeiten mal mit befassen.
 
Das man das Gebiet selbst nicht auszubauen gedachte, dass ist mir schon klar, mir ging es mehr darum ob es mal Gedanken gab, die Präsenz dort als Sprungbrett zu nutzen um sich möglicherweise irgendwo in anderen Teilen Chinas eine informelle Einflusszone aufzubauen, möglicherweise in Kooperation mit einer der anderen präsenten Großmächte.
Die "merkwürdigen Gerüchte" in der erwähnten Zeitungsmeldung von 1899 gingen um die Fahrt der SMS Kaiserin Elisabeth, für die in der Presse vermutet wurde, dass sie Rekognoszierung für allfällige österreichische Unternehmungen in China machte.
Das Aussenministerium dementierte das im "Fremdenblatt", worauf die Reichspost enttäuscht berichtete: "Beinahe und doch nicht"

Georg Lehner, Verfasser der Vorworts zum erwähnten Buch "Habsburgs going global" meint, dass tatsächlich zwei Buchten in der Provinz Zhejiang (Sanmen und Leqing) und vier Buchten in der Provinz Fujian (Nanguan, Sansha, Xinghua und Quanzhou) erkundet und vermessen wurden und zwar "in der Absicht eine davon später zu besetzen". Das Gebiet wurde jedoch alsbald von der chinesischen Regierung auf Drängen Japans für alle als "off limits" erklärt. Zur Absicht wüsste ich gerne mehr.

Eine solche Gemengelage dürfte wohl ziemlich einzigartig sein.
Multinationale Konzessionen oder auch nur Exterritorialität in einer Stadt gab es nicht nur in Tianjin. Hankou hatte 5 Konzessionsländer. In Siam genossen Personen aus 15 Ländern, darunter auch Österreich-Ungarn und die Schweiz, exterritoriale Privilegien, nicht nur die Diplomaten. Das Besondere in Tianjin war eigentlich nur, dass Österreich und Belgien auch noch dabei waren. Grundsätzlich gab es bei Konzessionen natürlich Potential für Reibereien. Das vor allem mit der lokalen Bevölkerung und Rechtsprechung. Zwischen den ausländischen Nationen in Tianjin gab es bis zum Ende des 1.WK, während der Anwesenheit der Leute aus Österreich-Ungarn, um die es hier geht, nur wenige mir bekannte Auseinandersetzungen. Was nicht heißen soll, dass es nicht auch noch weitere gegeben haben kann.

Da war einen Vorfall, als 1913 französische Polizisten in das japanische Gebiet eindrangen und es deswegen zu Ausschreitungen kam.
Quelle: Japan's Imperial Diplomacy, Consuls, Treaty Ports, and War in China, 1895-1938, Barbara J. Brooks, 2000, Seite 104

Dann noch möglicherweise die Geschichte um einen Mann namens Gönnert, 1917, The Goennert Plot: An Attempted Entente-Sponsored Coup in Austro-Hungarian Tianjin and Shanghai in 1917
Klingt mir etwas zu abenteuerlich um wahr zu sein.

Nach dem 1. WK noch zwei weitere Krisen zwischen US Soldaten bzw. den Briten und Japanern, die aber unter anderen Vorzeichen standen. Andernorts, wie in Shanghai, war die Situation ab den 20er Jahren wohl dramatischer, als sich zu den Handelsleuten auch noch viel kriminelle Energie gesellte.

Shanghai mit seiner gemeinsamen Polizei und dem gemischten Gerichtshof war sowieso besonders. Mir ist nicht klar, wie weit das österreichische Engagement dort ging. Die (Seekriegs-)Flagge Österreichs erscheint jedenfalls auf der Flagge und dem Siegel des "Shanghai International Settlements" vor 1917.

(noch eine Anekdote: Auf ihrere Reise nach Kanton 1820-22 ergab sich für die "Carolina" bei der Ankunft in Macao das Problem, dass sich die chinesischen Behörden weigerten, die Nationalität des Schiffes als österreichisch anzuerkennen, weil sie die neue rot-weiß-rote Flagge der Kriegsflotte nicht kannten. Zur Lösung des Problems wurde angeblich vor Ort eine frühere Flagge angefertigt.)
 
Diese Einschätzungen würde ich eher für die verbrecherische Annexion der Krim, die Entrechtung der Tartaren im Rahmen der Festlandsexpansion der russischen Zaren verwenden. Oder die Expansion des russischen Reiches bis an die Grenze des ja so nah verwandten Korea. Oder die Eroberung Usbekistans. Eine repräsentative Teilnahme der Krimtartaren und Usbeken an der Willensbildung in der Duma und sonstigen Wahlen im zaristischen Russland oder der frühen Sowjetunion ist mir nicht bekannt.
Der Begriff Kolonie wäre dafür noch fast ein Euphemismus.
Desgleichen hatte Südtiroler im von Italien im 20. Jahrhundert annektierten Südtirol von den Freiheiten italienischsprachiger Einwohner der k.u.k. Monarchie im 19. Jahrhundert nur träumen dürfen.

De iure gehörte die Krim während des Türkenkriegs von 1768-74 noch zum Osmanischen Reich, de facto genoss das Khanat der Kimtataren große Autonomie. Die Krim hatte Potjomkin 1768 besetzt, und de facto gaben die Russen nun auf der Krim den Ton an, auch wenn die Krim erst 1783 offiziell russisch wurde.

Ich würde auch die russische Besetzung der Krim nicht als verbrecherisch bezeichnen, obwohl der "Griechische Plan" die Eroberung von Konstantinopel auf die Zerschlagung des Osmanischen Reichs hinaus lief. Russland nutzte die Schwäche der Türkei und tat damit etwas, was alle europäischen Großmächte taten, was die Osmanen selbst getan haben, und das durchaus auch sehr rücksichtslos. Die Krimtartaren waren bei den Osmanen als Delis Verrückte bekannt. Sie galten als todesmutig, aber auch als überaus brutal. Es mögen Grausamkeiten der "Brenner und Renner" auch übertrieben worden sein, aber Terror gegen die Zivilbevölkerung das hatte durchaus Programm bei den Osmanen. Die Kriegsführung, die die Kosaken berühmt-berüchtigt machten hatten diese sich nicht zuletzt bei den Krimtartaren abgeschaut, und bis weit ins 18. Jahrhundert kam es vor, dass die Krimtartaren bei Überfällen und Sklavenrazzien russische, polnische und ukrainische Zivilisten entführten.

Es wäre auch unfair, Potjomkin, oder Suworow zu unterstellen, dass deren Kriegsführung sich exzessiv von den Standards unterschieden hätte, die kaiserliche oder andere Truppen während der Türkenkriege zeigten oder die osmanische Truppen und ihre Verbündeten zeigten. Wenn Russland wird man es den Zaren und Zarinnen zumindest zubilligen, wenn sie den Einfluss des Khanats der Krimtataren zurückdrängen wollten. Im Laufe der Zeit waren es doch etliche Zivilisten, die verschleppt und versklavt wurden, Russinnen, Ukrainerinnen und Tscherkessinnen waren sehr begehrt in osmanischen Harems.
Jahrhundertelang hatten Tartaren Raubzüge und Razzien nach Russland unternommen.
 
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