Offenbarung des Johannes

Laut einer Dokumentation, die ich vor kurzem gesehen habe, ist der Johannes der Offenbarung ein anderer wie für das Johannes Evangelium. Sie sind auf jeden Fall von unterschiedlichen Personen geschrieben worden...weiß da einer was drüber ?
Leider weiß man über die Verfasser nicht wirklich etwas.
Im Johannesevangelium selbst wird sein Verfasser nicht namentlich genannt. Zwar wurde es schon im 2. Jhdt. einem Johannes zugeschrieben, aber wer dieser Johannes eigentlich war, ob der Apostel oder jemand anderer, war schon in der frühen Kirche unklar.
Der Autor der Offenbarung hingegen nennt sich selbst Johannes. Ansonsten macht er leider keine brauchbaren Angaben über sich, nur dass er auf der Insel Patmos lebte, anscheinend in der Verbannung. Schon im 2./3. Jhdt. wurde er mit dem Apostel Johannes gleichgesetzt, aber Beweis gibt es dafür keinen, und heute wird diese Annahme eigentlich nicht mehr vertreten.
Dann wären da noch die drei Johannesbriefe, wobei allerdings in keinem davon der Verfasser seinen Namen nennt. Die Verfasserschaft - und ob sie überhaupt alle vom selben Autor stammen - war und ist unklar.

Darüber hinaus kann man eine Stelle des Markus-Evangeliums* so deuten, dass Johannes und Jakobus die ersten Jünger Jesu waren, die starben. Somit wäre das Todesdatum vor oder zumindest während der Entstehung des Markus-Evangeliums anzusetzen. Allerdings sind das nur sehr vage Auslegungen.
"Vage" ist wohl noch übertrieben, ich würde eher schreiben: "an den Haaren herbeigezogen".
 
Zur einstweiligen vertiefung des Theams empfehle ich das gerade erschienene Heft "Bibel und Kirche 2/2012 - Bilder-Macht. Die Johannesapokalypse" erschienen im kath. Bibelwerk (in gut sortierten Bibliotheken leicht zu fineden)
Zur verfasserfrage nur kurz soviel, daß der Johannes der Apokalypse nciht mit dem Evangelisten und dem Briefautor identisch ist. Bereits im 3. Jh. äußerte Bf. Dionysius Zweifel and er Identität der Autoren, aus sprachlichen Gründen und "dem, was man die Durchführung des Buches nennt".
Im Zusammenhang von Apokalypse und Zahlenmystik ist in dem Heft auch ein interessanter Beitrag zum Maya-Kalender bezgl. 2012.

(Und nein, ich bekomme keine Provision, es paßt nur so gut zum Thema ;))

Gruß
Kassia
 
Ich nehme an, Du meinst Dionysios von Alexandria. Er stellte aber auch nur Vermutungen auf Grundlage von Vergleichen der Werke an, machte im Prinzip also das, was heutige Forscher immer noch machen. Seine Aussage hat somit auch nicht mehr Gewicht als die späterer Forscher.
 
Ich meinte auch nicht, daß seine Aussage mehr Gewicht hat, es ging nur darum, daß Textkritik keine neuzeitliche Erfindung ist bzw., darum, daß man schon sehr früh nicht den einen Johannes mit dem anderen gleichsetzte. Hier und da spukt ja noch die Idee durch die Köpfe, daß man in früheren Zeiten sehr unkritisch war, viele Dinge wörtlich verstand und z.B. auch die Verfasser nicht weiter hinterfragt hat (mal sehr grob zusammengefaßt). Das mag zwar bis heute auf manche Freikirche zutreffen, aber offenbar konnte man schon im 3. Jh. zu der Erkenntnis gelangen, daß die Verfasserfrage gegenüber dem Inhalt zweitrangig ist.

Gruß
Kassia
 
Ich meinte auch nicht, daß seine Aussage mehr Gewicht hat, es ging nur darum, daß Textkritik keine neuzeitliche Erfindung ist bzw., darum, daß man schon sehr früh nicht den einen Johannes mit dem anderen gleichsetzte.
Unstrittig war diese Ansicht aber nicht. Eusebius von Caesarea z. B. hielt noch im 4. Jhdt. den Apostel Johannes für den Verfasser des Evangeliums und des 1. Johannesbriefs und tendierte auch bei der Offenbarung zu seiner Verfasserschaft.
 
Über das Verhältnis der Joh-Off zu zeitgenössischen römischen Kulten:

Off 22,13 („Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“) bezieht sich auf den erhöhten Christus, wobei die gleiche Formel ("ich bin das Alpha und Omega") auch eingangs in Off 1,8 erscheint, dort aber als Aussage von "Gott dem HERRN". Dieser Aussage geht in Off 1,4 eine dreigliedrige Beschreibung des Gottes voraus ("der Seiende und der war und der Kommende"), die an ähnliche Beschreibungen im griechisch-römischen Zeuskult und im ägyptischen Isiskult erinnern. Über Isis heißt es in der von Plutarch überlieferten verschollenen Inschrift in der altägyptischen Stadt Sais:

Ich bin alles, was ist, was war und was sein wird.

Bestandteil des Zeuskultes von Dordona (Nordgriechenland) war die von Orakel-Priesterinnen gesungene Formel:

Zeus war, Zeus ist, Zeus wird sein.


wobei die Grundidee dieser Aussage auf die ältere Isis-Aussage zurückgehen dürfte.

Mit der Johannesoffenbarung hängt das so zusammen:

Der Text war ein Sendschreiben an sieben kleinasiatische Christengemeinden (in der römischen Provinz Asia), darunter jene in Ephesus, Smyrna, Pergamon und Thyateira, wo zahlreiche Christen am Sonnengott-Kult um Helios und am Zeuskult sowie (bis 138) am Hadrianskult (Hadrian an Zeus angeglichen) teilnahmen - ob freiwillig oder unter sozialem Druck, ist nicht geklärt.

Jedenfalls ist der Verfasser der Off als Gegner des Kaiserkultes bemüht, dem christlichen Gott sowie Christus die gleichen Qualitäten zuzuschreiben, die der Zeuskult seinem Gott zuschreibt: sein ewiges Sein, ausgedrückt durch die dreigliedrige Zeitformel Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Übernahme dieser Formel aus dem griechisch-römischen Kult ist offensichtlich und unter Fachleuten auch nicht umstritten.

Die Beschreibung "Gottes" in Off 10,1 ("sein Antlitz wie die Sonne und Füße wie Feuersäulen") dürfte ein Versuch sein, mit der griechisch-römischen Sonnengott-Verehrung in Konkurrenz zu treten, die im Kaiserkult ebenfalls eine wichtige Rolle spielte: Hadrian war nicht nur ein Verehrer des Sonnengottes (Sol / Helios), sondern arrangierte auch die Restaurierung der Sonnengott-Statue von Rhodos ("Koloss von Rhodos"), dem wichtigsten Symbol des Sonnengott-Kultes mit großer Strahlkraft auch auf jene Gemeinden, an die sich der Offenbarungs-Text wendet.
 
Über das Verhältnis der Joh-Off zu zeitgenössischen römischen Kulten:

Off 22,13 („Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“) bezieht sich auf den erhöhten Christus, wobei die gleiche Formel ("ich bin das Alpha und Omega") auch eingangs in Off 1,8 erscheint, dort aber als Aussage von "Gott dem HERRN". Dieser Aussage geht in Off 1,4 eine dreigliedrige Beschreibung des Gottes voraus ("der Seiende und der war und der Kommende"), die an ähnliche Beschreibungen im griechisch-römischen Zeuskult und im ägyptischen Isiskult erinnern. Über Isis heißt es in der von Plutarch überlieferten verschollenen Inschrift in der altägyptischen Stadt Sais:

Ich bin alles, was ist, was war und was sein wird.

Bestandteil des Zeuskultes von Dordona (Nordgriechenland) war die von Orakel-Priesterinnen gesungene Formel:

Zeus war, Zeus ist, Zeus wird sein.


wobei die Grundidee dieser Aussage auf die ältere Isis-Aussage zurückgehen dürfte.

Mit der Johannesoffenbarung hängt das so zusammen:

Der Text war ein Sendschreiben an sieben kleinasiatische Christengemeinden (in der römischen Provinz Asia), darunter jene in Ephesus, Smyrna, Pergamon und Thyateira, wo zahlreiche Christen am Sonnengott-Kult um Helios und am Zeuskult sowie (bis 138) am Hadrianskult (Hadrian an Zeus angeglichen) teilnahmen - ob freiwillig oder unter sozialem Druck, ist nicht geklärt.

Jedenfalls ist der Verfasser der Off als Gegner des Kaiserkultes bemüht, dem christlichen Gott sowie Christus die gleichen Qualitäten zuzuschreiben, die der Zeuskult seinem Gott zuschreibt: sein ewiges Sein, ausgedrückt durch die dreigliedrige Zeitformel Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Übernahme dieser Formel aus dem griechisch-römischen Kult ist offensichtlich und unter Fachleuten auch nicht umstritten.

Die Beschreibung "Gottes" in Off 10,1 ("sein Antlitz wie die Sonne und Füße wie Feuersäulen") dürfte ein Versuch sein, mit der griechisch-römischen Sonnengott-Verehrung in Konkurrenz zu treten, die im Kaiserkult ebenfalls eine wichtige Rolle spielte: Hadrian war nicht nur ein Verehrer des Sonnengottes (Sol / Helios), sondern arrangierte auch die Restaurierung der Sonnengott-Statue von Rhodos ("Koloss von Rhodos"), dem wichtigsten Symbol des Sonnengott-Kultes mit großer Strahlkraft auch auf jene Gemeinden, an die sich der Offenbarungs-Text wendet.


Helios bekam, wie Homerleser wissen, allerlei mit, was eigentlich keiner mitkriegen sollte. Trotzdem hatte er in Griechenland und Kleinasien nur wenige Kultstätten, und schon in klassischer Zeit wurde er als Gottheit des Lichts teilweise durch Phoebus Apollon verdrängt. Die Verehrung des Sol Invictus als sozusagen staatstragender Kult gewann eigentlich erst im 3. Jhd größere Bedeutung, und Aurelians Religionspolitik war sicher origineller, als die konservative Reanimierung Zeus/Juppiters durch Diokletian. Doch zur Sache!

Der Verfasser der der Apokalypse des Johannes war mit großer Sicherheit Judenchrist, und seine Adressaten dürften ebenfalls diesem Millieu zuzuordnen sein. Jedenfalls muss es sich um Menschen gehandelt haben, bei denen der Verfasser die zahlreichen Anspielungen auf Begriffe und Allegorien aus der jüdischen Metaphysik und Mythologie als bekannt voraussetzen konnte, denn nur so hätten sie Sinn gemacht. Menschen, die ausschließlich mit einem römisch-hellenistischen Kulturcode vertraut waren, hätten all die Anspielungen auf Erzengel, den Messias,
(H)Armageddon, die Reiter der Apokalypse etc. schlichtweg nicht verstanden, es wäre das alles um mit der Terminologie der Offenbarung zu sprechen, ein "Buch mit sieben Siegeln" für sie gewesen.
 
Helios bekam, wie Homerleser wissen, allerlei mit, was eigentlich keiner mitkriegen sollte. Trotzdem hatte er in Griechenland und Kleinasien nur wenige Kultstätten, und schon in klassischer Zeit wurde er als Gottheit des Lichts teilweise durch Phoebus Apollon verdrängt. Die Verehrung des Sol Invictus als sozusagen staatstragender Kult gewann eigentlich erst im 3. Jhd größere Bedeutung,...

Dass der Sonnengott Helios in Kleinasien auch im 2. Jh. eine allgemein bekannte Größe war, belegen z.B. zahlreiche Münzen aus dieser Region. Geprägt wurden sie u.a. in folgenden Städten: Bythynion-Klaudiopolis, Nikaia, Nikomedia, Prus, Prusias, Tion, Epihaneia, Flaviuopolis, Hierapolis-Kastabala, Irenopolis, Lyrbe, Seleukeia und Tarsos. Sie zeigen einen jungen Gott mit Strahlenkrone.

Seit Augustus galt der Sonnengott, zunächst in Gestalt des Apollo, als Beschützer des Kaisers. Keinem Gott fühlte sich Augustus sich so verbunden wie ihm. Seinen Sieg über Marcus Antonius 31 BCE bei Actium schrieb er der Parteinahme des Apollo zu, dem ein nahe gelegener Tempel geweiht war. Für den Bau eines neuen Apollo-Tempels auf dem Pallatium wählte Augustus einen besonders kostspieligen und aufwändigen Entwurf. Dass er von Caesar als Adoptivsohn erwählt wurde, schrieb er - laut Cassius Dio - dem Einwirken des Sonnengottes zu.

Seit Nero galt der Sonnengott Sol offiziell als Schutzgott des Kaisers und erhielt für seine ´Verhinderung´ eines Attentates auf Nero (Pisonische Verschwörung) ein Dankopfer. Vespasian ließ Sol zu Ehren eine Monumentalstatue des Nero in eine Statue des Sonnengottes umwandeln (im Forum an anderer Stelle diskutiert). Trajan und Hadrian schließlich sorgten, um die Bedeutung des kaiserlichen Schutzgottes noch stärker herauszustellen, für Münzprägungen des Gottes, die u.a. in obengenannten Städten in Kleinasien erfolgten. Bedeutende Zentren der kleinasiatischen Sonnengott-Verehrung waren Tralleis und Philadelphia. Das Hauptzentrum aber war natürlich die Insel Rhodos mit Helios als ihrem offiziellen und von Hadrian geförderten Schutzgott.

(Die angehängte Karte zeigt die unmittelbare Nähe von Rhodos zum Festland und also zu jenen Gemeinden, an die der Brief gerichtet ist. Patmos, der mutmaßliche Ort der Abfassung des Briefes, ist durch den Pfeil markiert.)

Zwischen Apollo und Sol wurde kein wesentlicher Unterschied gemacht, ihre Verehrung war auf die gleiche Gottesidee ausgerichtet. In ähnlicher Weise wurde damals, aufgrund funktionaler Identität, die anatolische Muttergöttin Kybele mit den griechischen Göttinnen Rhea, Artemis und Demeter gleichgesetzt. Durch die Ausbreitung des persischen Kultes um den Sonnengott Mithras kam es zu einer weiteren Aufwertung des römischen Sonnengottes, der ab 158 als Sol Invictus nun mit Mithras identifiziert und Gegenstand eines offiziellen Staatskultes wurde.

Stellen wie vor allem Off 10,1 legen nahe, dass der Verfasser bemüht war, die Faszination, die der Sonnengott auf viele kleinasiatische Christen ausübte, auf den Christengott umzulenken, indem er einen der Engel Gottes mit Attributen der sonnenbestrahlten kolossalen Bronzestatue des Helios auf Rhodos ausstattete - ein Gesicht "wie die Sonne" und Füße "wie Feuersäulen".

Relevant für unseren thematischen Zusammenhang ist auch, wie schon eingangs erwähnt, die Bedeutung des Sonnengottes (in Kleinasien als ´Helios´ bekannt) für den Kaiserkult zur Zeit Hadrians - und das heißt: zur wahrscheinlichen Zeit der Entstehung der Johannesoffenbarung, vermutlich um 134.

Zweck des Textes war, wie schon gesagt, den Einfluss des Kaiser- und Sonnengottkultes auf die diversen adressierten Christengemeinden zu bekämpfen. Unter Domitian war die Bedeutung des Kaiserkultes im Vergleich zur Zeit des Augustus zwar zurückgegangen, auch wenn er um 83 in Ephesus einen Kaisertempel errichten ließ, unter Hadrian aber noch über Augustus hinaus neu intensiviert worden, vor allem durch Hadrianstempel in Smyrna, Ephesos, Pergamon und Kyzikos.

Der Verfasser der Apokalypse des Johannes war mit großer Sicherheit Judenchrist, und seine Adressaten dürften ebenfalls diesem Millieu zuzuordnen sein. Jedenfalls muss es sich um Menschen gehandelt haben, bei denen der Verfasser die zahlreichen Anspielungen auf Begriffe und Allegorien aus der jüdischen Metaphysik und Mythologie als bekannt voraussetzen konnte, denn nur so hätten sie Sinn gemacht.

An all dem besteht ja kein Zweifel. Das schließt aber nicht aus, dass viele Judenchristen dennoch am Kult um Helios und Hadrian teilnahmen, manche wohl freiwillig, andere eher unter sozialem Druck. Um sie wieder auf den ´rechten Weg´ zu bringen, wurde der Offenbarungsbrief verfasst. Dieser Zusammenhang ist in der Fachliteratur unumstritten.
 

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Bei den Gottesbezeichnungen kommt es auf feine Nuancen an. "Ich bin alles, was ist, was war und was sein wird." ist zum Beispiel ganz klar pantheistisch. Die dreiteilige Gottesbeschreibung hingegen, und auch die Rede von Alpha und Omega sind im Grundsatz Auslegungen des Tetragramms und Produkt des Ringen um das Verständnis eines monotheistischen Gottesbildes.

Beides zusammen betrachtet zeigt dem Historiker aber noch etwas: Das Nebeneinander von Gottheiten und ihre Beschreibung hat zum Zeitpunkt, zu dem die Offenbarung des Johannes geschrieben wurde schon Geschichte. Denn die Beschreibungen sind zu ähnlich: Die Anhänger der verschiedenen Gottheiten, bzw. Kulte müssen sich aneinander gerieben und beeinflusst haben.

Was ich jetzt nicht genau im Kopf habe, ist, wo eine ähnliche Beschreibung zum ersten Mal auftaucht. Ich meine mich zu erinnern, dass dies in Ägypten war. Und zwar schon vor Beginn der Eisenzeit, aber auch vor Beginn der Armarna-Zeit. Wenn dies jemand weiß, wäre ich dankbar für eine Gedächtnisauffrischung.

Wichtig ist dies für meine Argumentation nicht. Denn ich will darauf hinweisen, dass hier eine gemeinsame Sprache vorliegt, in der verschiedene Vorstellungen formuliert wurde. Damit wurden aber nicht Vorstellungen einer anderen Religion übernommen, um deren Anhänger die eigene Religion schmackhaft zu machen. Statt dessen wurde die übliche Sprache benutzt, um die Unterschiede klar zu machen.

Schließlich noch etwas ganz wichtiges: Wer Helios, Zeus, einen Kaiser, oder sonst einen anderen Gott neben dem jüdisch-christlichen Gott freiwillig verehrt, ist kein Christ. Auch damals. Denn der christliche Glaube ist ein monotheistischer Glaube.

Was die unfreiwillige Verehrung angeht, ist dies von der betrachteten Zeit abhängig. Solange das äußere im Vordergrund steht, ist man Anhänger des praktizierten Glaubens. In späteren Gesellschaften nur ein Sünder, ja vielleicht sogar ein Verbrecher. Heute wird die Mehrheit anerkennen, dass durch eine äußere Handlung, insbesondere durch eine erzwungene Handlung kein Glaubensbekenntnis abgelegt wird.
 
Bei den Gottesbezeichnungen kommt es auf feine Nuancen an. "Ich bin alles, was ist, was war und was sein wird." ist zum Beispiel ganz klar pantheistisch. Die dreiteilige Gottesbeschreibung hingegen, und auch die Rede von Alpha und Omega sind im Grundsatz Auslegungen des Tetragramms und Produkt des Ringen um das Verständnis eines monotheistischen Gottesbildes.

In der Tat hat der Isis-Spruch einen pantheistischen Hintergrund. Nur berüht das nicht die von mir vorgetragene Argumentation, dass die Dreizeitenstruktur der Aussage die älteste Quelle der Dreizeitenaussage von Off 1,8 ("der ist und der war und der kommt") darstellt, allerdings vermittelt über den von mir ebenfalls zitierten Spruch der Dordona-Priesterinnen über Zeus ("Zeus war, Zeus ist, Zeus wird sein"). Der Verfasser hat die Struktur der Zeus-Aussage bewusst übernommen, ihren Inhalt aber natürlich an die jüdisch-christliche Gottesidee angepasst.

Dass "die Rede von Alpha und Omega" eine Auslegung des Tetragramms bedeutet, ist reine Spekulation, die in der rabbinischen Vorliebe für Zahlen- und Buchstabenspielereien gründet.

Was den johanneischen Spruch von den anderen unterscheidet, ist das hinter ihm stehende lineare und teleologische Geschichtsbild (Jahwe ist Schöpfer der Welt und wird sie am Ende der Zeit, nach der finalen Schlacht gegen das ´Böse´, in ein neues ewiges Reich überführen). Im Unterschied dazu war das hellenistische Geschichtsbild zyklisch orientiert: Zeitalter entstehen und vergehen in einem Kreislauf, ohne finalen Zweck.

Die apokalyptische Idee hatte das Judentum vom iranischen Zoroastrismus übernommen, der das Ende der Welt als eine Entscheidungsschlacht zwischen den Heeren des Lichtgottes Ahura Mazda und des Finstergottes Ahriman ausmalte, natürlich mit dem Sieg des ´guten´ Gottes. Erstmals machten sich Einflüsse der iranischen Apokalyptik auf das Judentum im 2. Jh. BCE geltend, und zwar im Buch Daniel und im Buch Henoch. Grundidee: Die Welt ist schlecht, weil sie von finsteren Mächten beherrscht ist (noch bei Paulus nachzulesen), wird aber durch ein zukünftiges Eingreifes des ´guten´ Gottes dem Heil zugeführt.

Ob der Offenbarungs-Text ein ursprünglich christlicher Text ist oder aber ein ursprünglich jüdischer Text, der christlich überarbeitet wurde, ist unter Fachexegeten nicht geklärt. Bultmann hielt den Verfasser für nur "schwach christianisiert".

Auch ist unklar, ob der Isis-Spruch dem Verfasser bekannt war, was beim Zeus-Spruch als sicher anzunehmen ist. Es gibt im Offenbarungs-Text aber deutliche Anspielungen auf die ägyptische Göttin, und zwar in Off 12:

1 Und es erschien ein großes Zeichen im Himmel: ein Weib, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone mit zwölf goldenen Sternen. 2 Und sie war schwanger und schrie in Kindesnöten und hatte große Qual zur Geburt.

Für die Assoziation Isis = Himmelsfrau-mit-Sonne sprechen mehrere Indizien.

+ Ägyptische Inschriften bezeichnen Isis als "weibliche Sonne", als "Herrin des Himmels" und als "Herrin der Sterne". Da der Isiskult auch in Kleinasien verbreitet war (z.B. Tempel mit Isis-Kult in Pergamon, einer der Orte der von Johannes adressierten Gemeinden), kann man davon ausgehen, dass der Off-Verfasser mit diesen und weiteren Isis-Epitheta vertraut war.

+ Der Parallelismus zwischen der Konstellation Frau / Drache im Offenbarungs-Text ("3 Und es erschien ein anderes Zeichen im Himmel, und siehe, ein großer, roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Häuptern sieben Kronen") und der Konstellation Sternbild Jungfrau / Sternbild Hydra, den beiden flächenmäßig größten und einander benachbarten Sternbildern, wobei ´Jungfrau´ von jeher das Sternbild der Isis war und die Hydra (Wasserschlange) eindeutig dem ´Drachen´ des Offenbarungs-Textes zuzuordnen ist. Dem Drachen (Wasserschlange) entspricht in der ägyptischen Mythologie die Gestalt des Seth-Typhon, dem Widersacher von Isis´ Gatten Osiris.

Hinzu kommen gut erkennbare Entsprechungen zur Isis-Mythologie in den folgenden Zeilen. Nur zwei Beispiele:

+ In der ägyptischen Mythologie des 2. Jahrhunderts CE wird die schwangere Isis von Seth-Typhon verfolgt und flieht mit Hilfe der Göttin Leto auf eine Insel. Die Frau bei Johannes flieht "in die Wüste, wo sie einen Ort hat, bereitet von Gott, daß sie daselbst ernährt würde".

Archäologische und literarische Quellen belegen, dass dieser Mythos im Kleinasien des 2. Jahrhunderts CE gut bekannt war.

+ Horus, der Sohn der Isis, wird zum Bezwinger des Seth-Typhon, so wie Christus, der Sohn der Himmelsfrau, den Satan bezwingt (= der in 12,3 erschienene Drache, von Christus in Off 20,2 "in den Abgrund geworfen").
 
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Dass der Sonnengott Helios in Kleinasien auch im 2. Jh. eine allgemein bekannte Größe war, belegen z.B. zahlreiche Münzen aus dieser Region. Geprägt wurden sie u.a. in folgenden Städten: Bythynion-Klaudiopolis, Nikaia, Nikomedia, Prus, Prusias, Tion, Epihaneia, Flaviuopolis, Hierapolis-Kastabala, Irenopolis, Lyrbe, Seleukeia und Tarsos. Sie zeigen einen jungen Gott mit Strahlenkrone.

Seit Augustus galt der Sonnengott, zunächst in Gestalt des Apollo, als Beschützer des Kaisers. Keinem Gott fühlte sich Augustus sich so verbunden wie ihm. Seinen Sieg über Marcus Antonius 31 BCE bei Actium schrieb er der Parteinahme des Apollo zu, dem ein nahe gelegener Tempel geweiht war. Für den Bau eines neuen Apollo-Tempels auf dem Pallatium wählte Augustus einen besonders kostspieligen und aufwändigen Entwurf. Dass er von Caesar als Adoptivsohn erwählt wurde, schrieb er - laut Cassius Dio - dem Einwirken des Sonnengottes zu.

Seit Nero galt der Sonnengott Sol offiziell als Schutzgott des Kaisers und erhielt für seine ´Verhinderung´ eines Attentates auf Nero (Pisonische Verschwörung) ein Dankopfer. Vespasian ließ Sol zu Ehren eine Monumentalstatue des Nero in eine Statue des Sonnengottes umwandeln (im Forum an anderer Stelle diskutiert). Trajan und Hadrian schließlich sorgten, um die Bedeutung des kaiserlichen Schutzgottes noch stärker herauszustellen, für Münzprägungen des Gottes, die u.a. in obengenannten Städten in Kleinasien erfolgten. Bedeutende Zentren der kleinasiatischen Sonnengott-Verehrung waren Tralleis und Philadelphia. Das Hauptzentrum aber war natürlich die Insel Rhodos mit Helios als ihrem offiziellen und von Hadrian geförderten Schutzgott.

(Die angehängte Karte zeigt die unmittelbare Nähe von Rhodos zum Festland und also zu jenen Gemeinden, an die der Brief gerichtet ist. Patmos, der mutmaßliche Ort der Abfassung des Briefes, ist durch den Pfeil markiert.)

Zwischen Apollo und Sol wurde kein wesentlicher Unterschied gemacht, ihre Verehrung war auf die gleiche Gottesidee ausgerichtet. In ähnlicher Weise wurde damals, aufgrund funktionaler Identität, die anatolische Muttergöttin Kybele mit den griechischen Göttinnen Rhea, Artemis und Demeter gleichgesetzt. Durch die Ausbreitung des persischen Kultes um den Sonnengott Mithras kam es zu einer weiteren Aufwertung des römischen Sonnengottes, der ab 158 als Sol Invictus nun mit Mithras identifiziert und Gegenstand eines offiziellen Staatskultes wurde.

Stellen wie vor allem Off 10,1 legen nahe, dass der Verfasser bemüht war, die Faszination, die der Sonnengott auf viele kleinasiatische Christen ausübte, auf den Christengott umzulenken, indem er einen der Engel Gottes mit Attributen der sonnenbestrahlten kolossalen Bronzestatue des Helios auf Rhodos ausstattete - ein Gesicht "wie die Sonne" und Füße "wie Feuersäulen".

Relevant für unseren thematischen Zusammenhang ist auch, wie schon eingangs erwähnt, die Bedeutung des Sonnengottes (in Kleinasien als ´Helios´ bekannt) für den Kaiserkult zur Zeit Hadrians - und das heißt: zur wahrscheinlichen Zeit der Entstehung der Johannesoffenbarung, vermutlich um 134.

Zweck des Textes war, wie schon gesagt, den Einfluss des Kaiser- und Sonnengottkultes auf die diversen adressierten Christengemeinden zu bekämpfen. Unter Domitian war die Bedeutung des Kaiserkultes im Vergleich zur Zeit des Augustus zwar zurückgegangen, auch wenn er um 83 in Ephesus einen Kaisertempel errichten ließ, unter Hadrian aber noch über Augustus hinaus neu intensiviert worden, vor allem durch Hadrianstempel in Smyrna, Ephesos, Pergamon und Kyzikos.



An all dem besteht ja kein Zweifel. Das schließt aber nicht aus, dass viele Judenchristen dennoch am Kult um Helios und Hadrian teilnahmen, manche wohl freiwillig, andere eher unter sozialem Druck. Um sie wieder auf den ´rechten Weg´ zu bringen, wurde der Offenbarungsbrief verfasst. Dieser Zusammenhang ist in der Fachliteratur unumstritten.

Kannst du vielleicht konkret angeben, welche Autoren du mit "der Fachwelt" oder der "Fachliteratur" meinst?

Soweit ich informiert bin, ist die zeitliche Datierung der Offenbarung des Johannes umstritten. Anhänger einer Frühdatierung gehen von einer Abfassungszeit um 68- 69 n. Chr. aus, während andere davon ausgehen, dass der Text in flavischer Zeit zwischen 81-96 n Chr. geschrieben wurde. Für beide Datierungen gibt es Argumente. Die Anspielung auf den Antichristen mit der Zahl 666 spricht aber am ehesten für Nero. nach dessen Tod traten einige falsche Neros auf. Sueton selbst erinnert sich als Zeitzeuge daran, dass zu seiner Jugendzeit, 20 Jahre nach Neros Tod, ein Pseudo-Nero auftrat, der sich bei den Parthern Beliebtheit erfreute, die ihn- einen gewissen Terentius Maximus- nur zögerlich auslieferten. (Suet, Nero Kap 57). bei den Parthern, aber auch im griechischen Osten des Imperiums erfreute sich Nero als aufrichtiger Philhellene einer gewissen Beliebtheit. Vologaeses I., Bruder des Tiridates, den Nero als König von Armenien krönte, befahl Hoftrauer und bat die Gesandten, dem Andenken Neros Ehre zu erweisen. (Suet Nero 57.) Sueton erwähnt , dass Neros Anhänger sein Grab mit Blumen schmückten und auf seine Wiederkehr hofften. Bereits im Jahr 70 war ein falscher Nero aufgetaucht.

Bei einigen von Domitian hingerichteten Personen wie Flavius Clemens vermuten einige, dass sie tatsächlich Christen waren, eine großangelegte Christenverfolgung gab es aber unter Domitian nicht. Dafür wurde die Judensteuer recht rücksichtslos eingetrieben.-Die traditionelle Tempelsteuer von 1/2 Schekel=2 Drachmen oder Denare war von Titus auf den Juppiter Capitolinus, bzw. seinen irdischen Vertreter den Kaiser übertragen worden, und Sueton erinnert sich an ein Jugenderlebnis als ein 90jähriger Greis vor dem Prokurator und seinem Kollegium inspizieren lassen musste, ob er beschnitten war. (Suet, Domitian Kap 12). So originell die These eines Bezugs der Offenbarung des Johannes auf Formeln des Isis- oder Zeus-Kultes auch sein mag, so ist doch die Frage, ob diese dem zweifellos judenchristlichen Verfasser geläufig waren und ob er diese bei seinen Adressaten als bekannt voraussetzen konnte. Im Originaltext finden sich viele Semitismen, und naheliegender als der Bezug auf heidnische Mysterienkulte ist der auf alttestamentliche Propheten, vor allem auf Jesaja Deutero-Jesaja, Daniel und andere.
Die These, die Johannes Offenbarung sei als Maßregelung geschrieben worden, um Christen von der Teilnahme des Kaiserkultes abzuhalten, erscheint mir etwas weit hergeholt. Im Korintherbrief (Korinther 8, 4-12) hatte Paulus Verständnis für Christen bekundet, die aus alter Gewohnheit an Opferriten und am Kaiserkult teilnahmen und dabei Opferfleisch verzehrten, aber erfahrene Christen ermahnt, das nach Möglichkeit zu unterlassen, um Neuchristen durch Teilnahme nicht zu verunsichern und mit gutem Beispiel voranzugehen.
 
Kannst du vielleicht konkret angeben, welche Autoren du mit "der Fachwelt" oder der "Fachliteratur" meinst?.

Sorry für die anderweitig bedingte Verzögerung.

Sorry auch für meine ungenaue Formulierung: Ich meinte, dass der Zusammenhang zwischen Kaiserkult und Offenbarungstext unumstritten ist, unabhängig von der Frage, welcher Kaiser zu dieser Zeit regierte.

Die Datierung der Off ist in der Tat umstritten, die aktuellsten und wohl auch überzeugendsten Theorien besagen aber, dass weder die Nero- noch die Domitianzeit in Frage kommt, sondern entweder die Trajanzeit oder die frühe oder späte Hadrianzeit. Der Wortführer einer späthadrianischen Datierung (132-135) ist Prof. Thomas Witulski von der Uni Bielefeld (Schwerpunkt geschichtliche Interpretation des Neuen Testaments) in seinem Buch "Kaiserkult in Kleinasien. Die Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia. Von Augustus bis Antoninus Pius", 2007.

Ich fasse die Argumentation knapp zusammen:

1)

Unter Nero hat es, sofern überhaupt, keine systematischen Christenverfolgungen gegeben und auch keinen ausgeprägten Kaiserkult in der Provinz Asia. Damit fallen die beiden einzigen Voraussetzungen für die anti-kaiserliche Polemik des Offenbarungstextes weg. Der Verfasser hätte zur Nerozeit keine Veranlassung gehabt, den römischen Kaiser, metaphorisch verklausuliert, als Handlanger oder Inkarnation des Satan darzustellen (das Tier aus dem Abgrund). In Asia lag also keine Situation vor, die zur Abfassung der Off hätte motivieren können.

Was die 666-Symbolik betrifft: Nicht nur die hebräische Schreibweise von "Kaiser Nero" ergibt in Addition diese Zahl, sondern auch die hebräische Schreibweise von "Traianus Hadrianus", was schon im 19. Jahrhundert erkannt wurde. Letzteres stützt für Witulski die Off-Datierung auf 132-135.

2)

Für eine Christenverfolgung unter Domitian liegen nur christliche Quellen (Tertullian, Laktanz) vor, aber keine außerchristlichen. Das ist keine ausreichende Basis für die Annahme, die Polemik der Off sei gegen Domitian gerichtet. Dieser Argumentation schließen sich diverse Historiker an. Auch der Neutestamentler Prof. Wolfgang Stegemann ("Zwischen Synagoge und Obrigkeit. Zur historischen Situation der lukanischen Christen", 1991) hält eine domitianische Christenverfolgung für unhistorisch.

Auf die Argumente für eine Datierung in die späte Hadrianszeit sowie (aus Sicht eines anderen Autors) in die Trajans- oder frühe Hadrianszeit gehe ich aus Zeitgründen bis spätestens übermorgen ein.

Im Korintherbrief (Korinther 8, 4-12) hatte Paulus Verständnis für Christen bekundet, die aus alter Gewohnheit an Opferriten und am Kaiserkult teilnahmen und dabei Opferfleisch verzehrten.

Steht das wirklich im Text? Spricht er nicht vielmehr Christen an, die so stabil im Glauben sind, dass der Genuss des Fleisches für sie keine Verlockung darstellt, auch anderen Göttern als dem christlichen anzuhängen? Diese ´starken´ Christen wären aber nicht stark, nähmen sie "aus alter Gewohnheit", wie du sagst, an den Tempelmählern teil. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie Einladungen zu diesen Mählern nur annehmen, um ihre vertrauten sozialen Kontakte nicht zu gefährden, um also nicht in soziale Isolation zu gelangen. Dieser Punkt wird von Paulus gewiss bedacht (siehe auch unten).

Er lehnt die Teilnahme der ´starken´ Gläubigen an den Mählern aber ab, weil sie dadurch ein schlechtes Vorbild für die ´schwachen´ Gläubigen liefern, die der Verlockung fremder Kulte leicht verfallen könnten:

10 Denn so dich, der du die Erkenntnis hast, jemand sähe zu Tische sitzen im Götzenhause, wird nicht sein Gewissen, obwohl er schwach ist, ermutigt, das Götzenopfer zu essen? 11 Und also wird über deiner Erkenntnis der schwache Bruder umkommen, um des willen doch Christus gestorben ist.

Im übrigen kann man aus dem ´lockeren´Umgang des Paulus mit diesem Thema nicht darauf schließen, dass der Off keine anti-römische Motivation zugrunde liegt oder gar liegen kann.
 
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Als Argument für alle, die an der Datierung des Lukas-Evangeliums in der Domitian-Zeit festhalten: Der darin manifestierte Optimismus, Römer und Christentum könnten in Harmonie koexistieren, steht im Widerspruch zu einer gravierenden Konfliktsituation in Asia, welche aber eine Voraussetzung für die Polemik des Off-Textes wäre.

Mal ganz unabhängig von Datierungsfragen etc. und ohne mich weiter ins Thema vertieft zu haben: Es können durchaus auch zwei verschiedene Leute, die einer Denkschule angehören, zu völlig verschiedenen Schlussfolgerungen kommen bzw. völlig verschiedene Zielsetzungen haben. Sprich: Während Johannes von Patmos eine eher pessimistische Haltung zur Koexistenz hatte, könnte Lukas Evangelista in derselben Situation durchaus eine optimistische Haltung vertreten oder aber es für angezeigt gehalten haben - Texte sind ja immer auch adressatengebunden - römerfreundlicher als Johannes v. Patmos zu schreiben.
Nicht dass wir uns missverstehen: Zur Datierung keines der beiden Texte will ich damit etwas gesagt haben noch zur Haltung der beiden. Es geht nur darum, dass zwei Texte von Leuten aus derselben Gruppe zu derselben Zeit doch völlig unterschiedlich in ihrer Stoßrichtung sein können.
 
Sorry für die anderweitig bedingte Verzögerung.

Sorry auch für meine ungenaue Formulierung: Ich meinte, dass der Zusammenhang zwischen Kaiserkult und Offenbarungstext unumstritten ist, unabhängig von der Frage, welcher Kaiser zu dieser Zeit regierte.

Die Datierung der Off ist in der Tat umstritten, die aktuellsten und wohl auch überzeugendsten Theorien besagen aber, dass weder die Nero- noch die Domitianzeit in Frage kommt, sondern entweder die Trajanzeit oder die frühe oder späte Hadrianzeit. Der Wortführer einer späthadrianischen Datierung (132-135) ist Prof. Thomas Witulski von der Uni Bielefeld (Schwerpunkt geschichtliche Interpretation des Neuen Testaments) in seinem Buch "Kaiserkult in Kleinasien. Die Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia. Von Augustus bis Antoninus Pius", 2007.

Ich fasse die Argumentation knapp zusammen:

1)

Unter Nero hat es, sofern überhaupt, keine systematischen Christenverfolgungen gegeben und auch keinen ausgeprägten Kaiserkult in der Provinz Asia. Damit fallen die beiden einzigen Voraussetzungen für die anti-kaiserliche Polemik des Offenbarungstextes weg. Der Verfasser hätte zur Nerozeit keine Veranlassung gehabt, den römischen Kaiser, metaphorisch verklausuliert, als Handlanger oder Inkarnation des Satan darzustellen (das Tier aus dem Abgrund). In Asia lag also keine Situation vor, die zur Abfassung der Off hätte motivieren können.

Was die 666-Symbolik betrifft: Nicht nur die hebräische Schreibweise von "Kaiser Nero" ergibt in Addition diese Zahl, sondern auch die hebräische Schreibweise von "Traianus Hadrianus", was schon im 19. Jahrhundert erkannt wurde. Letzteres stützt für Witulski die Off-Datierung auf 132-135.

2)

Für eine Christenverfolgung unter Domitian liegen nur christliche Quellen (Tertullian, Laktanz) vor, aber keine außerchristlichen. Das ist keine ausreichende Basis für die Annahme, die Polemik der Off sei gegen Domitian gerichtet. Dieser Argumentation schließen sich diverse Historiker an. Auch der Neutestamentler Prof. Wolfgang Stegemann ("Zwischen Synagoge und Obrigkeit. Zur historischen Situation der lukanischen Christen", 1991) hält eine domitianische Christenverfolgung für unhistorisch.

Auf die Argumente für eine Datierung in die späte Hadrianszeit sowie (aus Sicht eines anderen Autors) in die Trajans- oder frühe Hadrianszeit gehe ich aus Zeitgründen bis spätestens übermorgen ein.



Steht das wirklich im Text? Spricht er nicht vielmehr Christen an, die so stabil im Glauben sind, dass der Genuss des Fleisches für sie keine Verlockung darstellt, auch anderen Göttern als dem christlichen anzuhängen? Diese ´starken´ Christen wären aber nicht stark, nähmen sie "aus alter Gewohnheit", wie du sagst, an den Tempelmählern teil. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie Einladungen zu diesen Mählern nur annehmen, um ihre vertrauten sozialen Kontakte nicht zu gefährden, um also nicht in soziale Isolation zu gelangen. Dieser Punkt wird von Paulus gewiss bedacht (siehe auch unten).

Er lehnt die Teilnahme der ´starken´ Gläubigen an den Mählern aber ab, weil sie dadurch ein schlechtes Vorbild für die ´schwachen´ Gläubigen liefern, die der Verlockung fremder Kulte leicht verfallen könnten:

10 Denn so dich, der du die Erkenntnis hast, jemand sähe zu Tische sitzen im Götzenhause, wird nicht sein Gewissen, obwohl er schwach ist, ermutigt, das Götzenopfer zu essen? 11 Und also wird über deiner Erkenntnis der schwache Bruder umkommen, um des willen doch Christus gestorben ist.

Im übrigen kann man aus dem ´lockeren´Umgang des Paulus mit diesem Thema nicht darauf schließen, dass der Off keine anti-römische Motivation zugrunde liegt oder gar liegen kann.

Erst mal danke für die Informationen! Darin, dass es unter Nero keine sytematische, organisierte Christenverfolgung gab, darin würde ich zustimmen. Es handelte sich eher um eine Art Pogrom und klassisches "Sündenbockverfahren", man brauchte jemandem dem man die Schuld am Brand von 64 geben konnte. Das Nero selbst den Befehl gab, halte ich für unwahrscheinlich, immerhin aber war sein Ruf schlecht genug, das man ihm so etwas zutraute. Es wurden einzelne Christen festgenommen, und auf deren Aussagen (unter der Folter) dann Gemeindemitglieder. Die Verfolgung beschränkte sich nach den Quellen auf Rom und die nähere Umgebung. Für Verfolgungen in Kleinasien gibt es keine Belege in außerchristlichen Quellen. Wie und woran man Christen als solche erkennen konnte, fehlten Erfahrungen, und wenn auch sicher viele Judenchristen beschnitten gewesen sein dürften, so war und blieb das Judentum eine religio licita.

Der Text der Johannesoffenbarung ist mit Sicherheit antirömisch. Während in der Apostelgeschichte des Lukas Rom und seine administrativen
Vertreter als eine Art Garant des Rechts erscheint, an den der römische Bürger Paulus einige Male erfolgreich appelliert, ist davon in der Offenbarung keine Rede mehr, im Gegenteil, die Hure Babylon steht als synonym für Rom und seine Vertreter.

Das Judentum blieb, wie gesagt, eine religio licita, und es hatte durchaus auch auf Personen außerhalb Palästinas eine gewisse Faszination als traditionsreiche und monotheistische Religion. Häufig werden "Gottesfürchtige" erwähnt wie der Centurio Cornelius, L. Sergius
Paullus oder die "vornehmen Damen" der ApG. Claudius hatte zwar schon einmal Juden aus Rom und Italien vertrieben, und auch in Alexandria gab es schon zu Caligulas Zeiten Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Juden. Diese Konflikte spitzten sich in den letzten Jahren Trajans deutlich zu, und ein Judenaufstand in Ägypten, der Cyrenaika und in Palästina von dem wir leider wenig wissen, trug nich6t unwesentlich dazu bei, das Hadrian die trajanischen Eroberungen in Mesopotamien wieder räumen ließ.

Im Verhältnis der antiken Welt zum Judentum war der 1. jüdische Krieg und die Zerstörung des Tempels eine Zäsur, und das trifft vielleicht in noch stärkerem Maße auf den 2. Jüdischen Krieg und den Bar Kochbar Aufstand zu. Die Datierung der Johannes Offenbarung auf eine Zeit nach 70 n. Chr erscheint daher durchaus plausibel, und auch wenn die Anhänger der Spätdatierungsthese von einer Datierung zwischen 80-96 ausgehen, so hätte es in trajanisch-hadrianischer Zeit nicht an Reibungspunkten gefehlt- im Gegenteil! Bei Ausschreitungen in Alexandria sollen mehrere Tausend Griechen Opfer fanatisierter Juden geworden sein, was natürlich auch Folgen auf die Wahrnehmung des Judentums durch die römisch-hellenistische Mehrheitsgesellschaft hatte. Vergleiche mit einer veränderten Wahrnehmung der Muslime nach den Terroranschlägen von New York und Paris drängen sich auf.

Weniger plausibel erscheinen mir dagegen die Thesen der Anleihen des Verfassers der Apokalypse bei paganen Mysterienkulten, beim Zeus- oder Isiskult.

Antike Mysterienkulte wie
die Verehrung desZeus in Dodona, die Eleusinischen Mysterien, die Kulte des Dionysos Serapis, Mithras, Hermes Trimegitos oder der Isis setzten bei den Teilnehmern die Kenntnis bestimmter Formeln voraus, es gab wie im Mithraskult bestimmte Grade die Adepten erreichen konnten/
mussten. Selbst wenn der Verfasser der Apokalypse solche Formeln kannte und sie gutenbergte, so hätte die Verwendung wenig Sinn gemacht, wenn die Adressaten die anspielung nicht verstanden hätten. Und was die Allmacht der verehrten Gottheit betrifft, welchen Sinn hätte die Anspielung auf Zeus oder andere Gottheiten gemacht, wenn die Adressaten diese als Autorität gar nicht anerkannten und bereits davon überzeugt waren, den einen allmächtigen Gott zu verehren, dessen Gottesreich laut dem Verfasser der Offenbarung unmittelbar bevorstand. Da ist doch weitaus wahrscheinlicher, dass der Verfasser, der sich selbst als Prophet bezeichnet, auf jüdische Schriften zurückgreift und auf jüdisch-messianische Formeln, Vorstellungen und Sprachbilder vom kommenden Gottesreich zurückgreift, die schon Jesus von Nazaret zitierte und die der Verfasser der Apokalypse bei seinen Adressaten als bekannt voraussetzen konnte, jedenfalls damit rechnen konnte, dass seine
Botschaft von den Adressaten richtig verstanden wurde. Dass das Judentum in seiner langen Geschichte von metaphysischen Vorstellungen anderer Religionen beeinflusst wurde, bezweifelt ja niemand. Daraus folgt aber nicht, dass der mosaische Glaube ein Substrat anderer Religionen ohne eigene Identität,ohne eigenständige Ethik gewesen wäre, denn sonst hätte er sich nicht solange als monotheistische "Buchreligion" in der Diaspora halten können. Gleiches gilt auch für das Christentum, ob man sein irdisches Bodenpersonal mag oder nicht. Das Christentum hatte von
Beginn an nicht nur die vielfältigsten Einflüsse erfahren, sondern sein Wesen, seine Identität gerade in der intensiven Auseinandersetzung mit der übrigen antiken Welt in der es aufwuchs ausgebildet. Im Großen und Ganzen in Ruhe gelassen von der römischen Staatsmacht
hatte es trotz der Feindschaft einzelner Kaiser und Statthalter wie dem jüngeren Plinius, der nichts als einen "verschrobenen grenzenlosen Aberglauben fand" im 2. Jahrhundert seine Anhängerschaft gesteigert und
an Anhängern das Judentum überholt, mit dem es im 1. Jahrhundert noch missionarisch konkurrierte. Im 3. Jahrhundert war selbst das armenische Königshaus christlich geworden.

Als Erlösungsreligion die prinzipiell jedem offenstand, muss es jedenfalls eine gewisse Attraktivität ausgeübt haben, auch wenn- und das sagt der Verfasser der Apokalypse recht drastisch- seine Verehrer nicht damit rechnen konnten, auf Rosen gebettet zu werden.
 
So originell die These eines Bezugs der Offenbarung des Johannes auf Formeln des Isis- oder Zeus-Kultes auch sein mag, so ist doch die Frage, ob diese dem zweifellos judenchristlichen Verfasser geläufig waren und ob er diese bei seinen Adressaten als bekannt voraussetzen konnte. Im Originaltext finden sich viele Semitismen, und naheliegender als der Bezug auf heidnische Mysterienkulte ist der auf alttestamentliche Propheten, vor allem auf Jesaja Deutero-Jesaja, Daniel und andere.

Heute nur so viel:

Der Verfasser richtet sein Schreiben an mindestens sieben kleinasiatische Christengemeinden - ´mindestens´, weil die Siebenzahl einen Symbolwert hat, von dem in den geschilderten Visionen ausgiebig Gebrauch gemacht wird, keine Zahl erscheint darin so häufig. Wie auch immer:

Man kann davon ausgehen, dass er als Wanderprediger jahrelang in Asia tätig war und alle adressierten Gemeinden gut kannte. Man kann gleichfalls davon ausgehen, dass er mit den jeweiligen lokalen Verhältnissen, darunter vor allem die nichtchristlichen Kulte, gut vertraut war und dass dies die Empfänger seiner Schreiben auch wussten. Mit einem modernen Ausdruck: Er verfügte über ein Minimum an Sachkompetenz, das nötig war, um als theologischer Mahner, als der er in den Schreiben mit großem Selbstvertrauen auftritt, ernst genommen werden zu können.

Tempel, in denen Zeus, Dionysos, Demeter, Asklepios und Athene verehrt wurden, standen in vielen Städten, wobei Pergamon ein besonderes Zentrum des Zeuskultes darstellte und der Zeus geweihte Pergamon-Altar ein heißer Kandidat für das Referenzobjekt des „Thron des Satans“ ist, über den in der Offb, Kap. 2, u.a. zu lesen ist:

12 Und dem Engel der Gemeinde in Pergamon schreibe: Das sagt, der da hat das scharfe, zweischneidige Schwert: 13 Ich weiß, wo du wohnst: da, wo der Thron des Satans ist…

Es ist, wie gesagt, undenkbar, dass der Verfasser mit den wesentlichen Details des Zeus-Kultes nicht vertraut war, was die Kenntnis diverser geläufiger Zeus-Formeln einschließt, darunter vermutlich auch die erwähnte dreigliedrige Zeitenformel „Zeus war, Zeus ist, Zeus wird sein“. Die Struktur dieser Aussage war in der griechischen Kultur seit fast einem Jahrtausend bekannt und geläufig. Laut Prof. David E. Aune war sie eine in der hellenistischen Welt „weitverbreitete“ Gottesformel.

Zuerst erschien die Formel als Beschreibung visionärer Fähigkeiten bei Homer und Hesiod:

(Ilias 1,68-70)
Wieder erhob sich Kalchas der Thestoride, der weiseste Vogelschauer,
der erkannte, was ist, was sein wird und was war.


(Theogonie 36-39)
Auf du! sei von den Musen der Anfang, welche dem Vater
Zeus durch Hymnen erfreun den erhabenen Sinn im Olympos,
Redend alles, was ist, was sein wird, oder zuvor war,
Mit einträchtigem Klang: fort strömt unermüdet der Wohllaut.


Bei Jesaja findet sich die Dreizeitenformel nicht, sondern nur ein möglicher Bezug für die „Alpha und Omega“-Aussage, was mit der Dreizeitenformel aber nichts zu tun hat.

Wie bei dieser Formel ist auch davon auszugehen, dass der Offb-Verfasser mit den wesentlichen Aspekten des in Kleinasien sehr verbreiteten Isis-Kultes vertraut war. In Pergamon, der neben Ephesus wichtigsten Stadt in der Reihe der adressierten Ortschaften, stand ein von Hadrian gestiftetes Heiligtum (heute „Rote Halle“ genannt), das als Tempel für ägyptische Götter (höchstwahrscheinlich Isis und Hadrians Favorit Serapis, mit Helios von Rhodos gleichgesetzt) diente und auch eine Stätte des Kaiserkultes war. Kultisch verehrt wurden Isis, Serapis und Anubis in Pergamon bereits seit dem 2. Jh. BCE, sie konnten also dreihundert Jahre später zur Zeit der Johannesoffenbarung auf eine lange Tradition der Verehrung zurückblicken. Unmöglich, dass der Verfasser der Offb als Kenner der Szene von Pergamon mit diesem Kult nicht vertraut war.

Auf kleinasiatischen Münzen, im Auftrag Hadrians geprägt, war Isis – wie auch Serapis - ebenfalls eine bekannte Göttergestalt, wobei ihre Darstellung auf 20 % aller kleinasiatischen Münzen mit ägyptischen Göttern zu sehen ist und Serapis auf 60 % (bei 975 ausgewerteten Samples).

Die schon erwähnten Gemeinsamkeiten der Himmelsfrau in der Offb (12,1-6) und der Göttin Isis kann nur durch die Kenntnis des Verfassers über wichtige Merkmale der Isis-Vorstellung (ich zitierte einige Beispiele) erklärt werden. Dazu gehören die Attribute der Sonne und des Mondes, welche der Himmelsfrau und der Isis gemeinsam sind (letztere wurde sehr häufig mit Sonne oder Mondsichel dargestellt). Keine andere Göttin als Isis hätte eingedenk aller Merkmale der Himmelsfrau (Himmel, Sonne, Mond, Sterne, Schwangerschaft) das Modell für die Beschreibung der Himmelsfrau abgeben können.

Gestützt wird das durch die sofort daran anschließende Verwendung des Isis-Leto-Mythos, dessen Parallelen zur Schilderung in Offb 12, 1f. unmöglich zufällig sein können, zumal der Mythos in Kleinasien in dieser Zeit sehr bekannt war.

Ob auch den Lesern der Offb im Einzelnen der Bezug auf ägyptische Motive bewusst war, spielte für den Verfasser sicher ebenso wenig eine Rolle wie für die Verfasser z.B. der ´Genesis´, wenn sie babylonische Motive in ihre Erzählungen einbauten (z.B. Menschenerschaffung aus Lehm, Sintflut) oder für die Verfasser der Psalmen die Übernahme königsideologischer Formeln aus der assyrischen Religion.

Im Gegensatz dazu sollten negative Bezugnahmen wie z.B. das „Tier, das aus dem Meer steigt“ in der Offb (= vermutlich Kaiser Hadrian) von Lesern und Hörern natürlich dechiffriert werden, da sie eine verklausulierte Kritik am Kaisertum darstellen und damit zu den Kernbotschaften des Textes zählen.
 
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Unabhängig davon, ob der Verfasser nun außerchristliche/außerjüdische Kulte kannte oder nicht, scheint es mir nicht gänzlich an den Haaren herbeigezogen, dass er mit der Frau in Apk 12 Mutter Kirche mit ihren vielfältigen und zahlreichen Nachkommen meinen könnte. Es handelt sich um einen christlichen Verfasser, der sich an Christen wendet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Für die Diskussion sind Hypothesen, Annahmen und Vermutungen durchaus fruchtbar, wenn sie zum denken anregen. Denkbar ist prinzipiell alles, die Frage ist, ob es plausibel ist.

Was die Offenbarung des Johannes betrifft, so müssen wir uns eingestehen, dass wir sehr wenig über den Verfasser wissen, und der Inhalt, die Visionen des Johannes von Patmos, sind so rätselhaft wie die Centurien des Nostradamus. Die Worte sind "verschneit" wie Nostradamus sagte. Wir wissen im Grunde sehr wenig über den Verfasser, und auch die Zeit der Abfassung ist unklar. Ob der Verfasser palästinensischer oder Diasporajude war, wissen wir nicht. Die Geschichte des Judentums im Imperium Romanum ist auch eine Geschichte ihres Verhältnisses zur hellenistischen Zivilisation. Außerhalb Palästinas gab es seit dem babylonischen Exil ein zahlreiches Diasporajudentum. Der Hellenismus ermöglichte dem Judentumeine große Ausbreitung. in Ägypten, Kyrene und Kleinasien gab es große jüdische Gemeinden. Das Imperium Romanum öffnete ihm auch den Westen. Wenn auch nach dem Makkabäerkrieg keine Rede davon sein konnte, dass das Judentum in der hellenistischen Kultur aufging, war das Verhältnis der Juden dazu nicht einheitlich. Ohne ein gewisses Maß der Anpassung an die hellenische Kultur ging es in der Diaspora nicht. Verkehrssprache war Griechisch, und die meisten Juden beherrschten nur diese Sprache. Das Diasporajudentum war, wie der Göttinger Historiker Alfred Heuss zutreffend schrieb, eher eine Religionsgemeinschaft, als ein Volk. Diese missionierte auch und gewann nicht wenige Anhänger unter den griechischen "Heiden". Trotz der Missionserfolge standen die Exklusivität und zahlreichen Reinheits- und Speisegebote einem Aufgehen in der hellenistischen Kultur entgegen, was sich durch den Einfluss des Pharisäertums verstärkte. In Palästina war die Lage anders, die Juden standen dort auf dem Gebiet ihrer Vorfahren, es gab dort einen Binnenraum, der den Juden die relativ ungestörte Ausbildung ihrer Interessen erlaubte, und es gab dort noch ein jüdisches Volk.

Die Römer standen den Konflikten zwischen Griechen und Juden anfangs fern. Während der Konflikte mit den Seleukiden hatten sie die Juden unterstützt und nach pogromartigen Auseinandersetzungen in Ägypten hatten die Römer durchaus nicht Partei für die Griechen ergriffen. Nicht nur die Selbstverwaltung in Alexandria blieb den Juden erhalten, Augustus hatte den Sabbat nicht nur respektiert, sondern Juden erlaubt, außerhalb des Sabbats Getreidespenden abzuholen. Vom Militärdienst waren Juden wegen der religiösen Komplikationen befreit. Unter Caligula hatten die Alexandriner Herodes Agrippa I. beleidigt, und um dem Zorn von dessen kaiserlichem Freund zu entgehen, sich besonders kaisertreu gebärdet und perfiderweise im Hinblick auf Caligulas "Caesarenwahn" dessen göttliche Verehrung gefordert.

In Palästina waren die Römer unter Herodes von der Sorge befreit, die verwickelten, unverständlichen religiösen Konflikte lösen zu müssen. Dummerweise hatte der Herodes der Große keinen tüchtigen Nachfolger hinterlassen, so dass die Römer Judaea selbst verwalteten. Leider hatten sie dazu eine Reihe von Statthaltern ausgewählt, denen das nötige Fingerspitzengefühl abging. Die palästinischen Juden waren in viele Gruppierungen aufgespalten. Einige Juden wünschten ein friedliches Einvernehmen mit den Römern, allerdings erhöhten sozialrevolutionäre und messianische Strömungen und nicht zuletzt der Terror der Zeloten auf beiden Seiten die Reizbarkeit. Seit 44 n. Chr. Judaea wieder unter direkte römische Verwaltung fiel, lag ein latenter jüdischer Bürgerkrieg und ein Krieg mit den Römern in der Luft. 66 brach er aus, hinterließ ein verwüstetes Land. Der Tempel wurde zerstört, und die Römer übertrugen die traditionelle Tempelsteuer auf den capitolinischen Juppiter, was viele Juden erbitterte. Auch wenn das Imperium Romanum den Status des Judentums als religio licita nicht änderten, war das Verhältnis vergiftet.

Vielleicht hätte ein solcher Schlag zur Makabäerzeit das Judentum in seiner Existenz getroffen. nach dem 1. Jüdischen Krieg wurde damit aber nur die Entwicklung beschleunigt, die die Juden von ihrer nationalen Vergangenheit unabhängig machte. Ihre Identität fanden die Juden in ihrer Religion und Lebensgestaltung, unabhängig von dem Land in dem sie lebten. Die Juden schlossen sich Ende des 1. Jhds noch fester gegen das "Heidentum" ab, die jüdische Mission kam fast zum Stillstand und mit ihr auch der unerlässliche Gebrauch der Septuaginta, die mittlerweile auch ein christliches Buch geworden war.

Die Niederlage im 1. Jüdischen Krieg sorgte für Verbitterung. In den letzten Jahren Trajans gingen militante Juden zum Gegenschlag über. Der Kaiser wandelte auf dem Kriegspfad in Mesopotamien. Die Lage schien günstig, und es gab fürchterliche Massaker an Griechen. Auf Zyapern sollen 240.000 in Nordafrika 220.000 massakriert worden sein. Hadrians antwort, der 2. Jüdische Krieg wurde noch schlimmer, als der erste. 50 Festungen und mehr als 900 Dörfer und Städte wurden zerstört. Judaea wurde zur Einöde, die noch lebenden Juden in solcher Menge versklavt, dass der Preis für Sklaven enorm sank. Die schon dezimierte Bevölkerung sank zu einem kleinen Rest, Judaea wurde jetzt nach den Philistern Palaestina genannt. In diesem historischen Zusammenhang entstand die Apokalypse des Johannes von Patmos.

Es fällt (mir zumindest) schwer, anzunehmen, der Verfasser, der sich ausdrücklich auf Jesus von Nazareth und die Propheten des AT beruft, hätte seinen Text verfasst, um
(Juden)Christen zu imponieren, die vom Isis-Club Mediterraneé fasziniert gewesen seien. Dass nicht jeder Christ Verlangen hatte, ein Martyrium zu erleiden erscheint plausibel. Nach der Verfolgung des Decius, stellte sich der Kirche das Problem, wie sie mit den libellatici verfahren solle, Christen, die sich gegen Geld eine Opferbescheinigung gekauft hatten. Dass es (korinthische) Christen gab, die an Opferriten teilnahmen, berichtet Paulus im Korintherbrief, auch dass man wegen der Teilnahme nicht vor Gottes Gericht kam. Die Attraktivität, am Kaiserkult oder Opferriten teilzunehmen, resultierte aber sicher nicht nur aus der Sorge, womöglich wegen Misanthropia/Odium humani Generis Ärger zu bekommen, oder wegen transzedenzieller Anziehungskraft, sondern schlicht und einfach, weil es es dort gratis Fleisch zu essen gab, ein Luxus, der noch vor 1-2 Generationen selbst in den Wirtschaftswunderjahren auf Feiertage beschränkt war.
Nach den Briefen Plinius des Jüngeren gab es zumindest einige bithynische Christen, die für ihre Religion Folter und Tod in Kauf nahmen, obwohl sie sich leicht durch Verleugnung ihres Glaubens hätten retten können, was die Mehrheit, der von Plinius verhörten Personen wohl auch taten.
 
Unabhängig davon, ob der Verfasser nun außerchristliche/außerjüdische Kulte kannte oder nicht, scheint es mir nicht gänzlich an den Haaren herbeigezogen, dass er mit der Frau in Apk 12 Mutter Kirche mit ihren vielfältigen und zahlreichen Nachkommen meinen könnte. Es handelt sich um einen christlichen Verfasser, der sich an Christen wendet.

Eine durchaus naheliegende Deutung. Es gab zweifellos Ende des 1. Jahrhunderts in Kleinasien christliche Gemeinden, die recht gut organisiert waren und eine gewisse Hierarchie entwickelt hatten. Auch das Wort Ekkleisia taucht schon bei Paulus und in den Euangelien auf. Es gab Presbyter, Diakone, Diakonissen und Gemeindevorsteher, aber ob man Ende des 1. Jhds. schon von einer Kirche sprechen kann, halte ich für fraglich. Das, was wir heute darunter verstehen und einen Klerus, der die theologische Deutungshoheit beanspruchen konnte, gab es noch nicht. Mehr oder weniger konnte jeder das Evangelium predigen, der genug Zuhörer fand. Da die Autorität des Amtes noch nicht existierte, versuchten manche Verfasser sich selbst apostolische Autorität zu verschaffen. Daher auch die Warnungen vor "falschen Propheten" Welche Schriften zum Kanon gehören sollten und welche nicht, war noch nicht verbindlich, die erste Kanonbildung ging ironischerweise auf Marcion zurück.
 
Ich möchte bezüglich des Kirchenbegriffs auf die Rolle des Simon Petrus und die Rolle des Pfingstfestes verweisen:
Petrus wird zumindest in katholischer Tradition als Bischof von Rom gesehen, in dessen Nachfolge sich der Papst sieht. Also sehr früh geht es schon um ein Oberhaupt der christlichen Gemeinde. Es geht ja in diesem Faden ohnehin nur um Deutungsmöglichkeiten von Apk 12. Ich bringe eine theologische, christliche Sicht ein. Und Ecclesia (Kirche, Gemeinde) wird in der Tradition über die Ausgießung des Heiligen Geistes konkret, ergo könnte nach meinem Dafürhalten durchaus mit der Frau in Apk 12 die Kirche gemeint sein.
 
Unabhängig davon, ob der Verfasser nun außerchristliche/außerjüdische Kulte kannte oder nicht, scheint es mir nicht gänzlich an den Haaren herbeigezogen, dass er mit der Frau in Apk 12 Mutter Kirche mit ihren vielfältigen und zahlreichen Nachkommen meinen könnte. Es handelt sich um einen christlichen Verfasser, der sich an Christen wendet.

Zunächst einmal alle Verse in der Offb, die von der Himmelsfrau handeln:

(Kap. 12)

1. Und es erschien ein gross Zeichen im Himmel: ein Weib, mit der
Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füssen, und auf ihrem
Haupt eine Krone von zwölf Sternen.
2. Und sie war schwanger, und schrie in Kindesnöten, und hatte grosse Qual zur Geburt.
(...)
4. (...)Und der Drache trat vor das Weib, die gebären
sollte, auf dass, wenn sie geboren hätte, er ihr Kind frässe.
5. Und sie gebar einen Sohn, ein Knäblein, der alle Helden sollte
weiden mit eisernem Stabe. Und ihr Kind ward entrückt zu Gott und
seinem Stuhl.
6. Und das Weib entfloh in die Wüste, da sie hat einen Ort, bereitet
von Gott, dass sie daselbst ernähret würde tausend zwei hundert
und sechzig Tage.
(...)
13. Und da der Drache sah, dass er verworfen war auf die Erde,
verfolgte er das Weib, die das Knäblein geboren hatte.
14. Und es wurden dem Weib zween Flügel gegeben wie eines
grossen Adlers, dass sie in die Wüste flöge an ihren Ort, da sie
ernähret würde eine Zeit und zwo Zeiten und eine halbe Zeit vor
dem Angesicht der Schlange.
15. Und die Schlange schoss nach dem Weibe aus ihrem Munde
ein Wasser wie einen Strom, dass er sie ersäufte.
16. Aber die Erde half dem Weibe, und that ihren Mund auf, und
verschlang den Strom, den der Drache aus seinem Munde schoss.
17. Und der Drache ward zornig über das Weib, und ging hin zu
streiten mit den übrigen von ihrem Samen, die da Gottes Gebote
halten und haben das Zeugnis Jesu Christi.


Es gibt drei Möglichkeiten, wen oder was der Autor mit der Gestalt der Himmelsfrau im Sinn gehabt haben könnte. Jede dieser Deutungen hat mindestens eine Schwachstelle.

1)

Die Frau ist Maria, die Mutter des Christus. Diese Deutung liegt nahe, da auch in den Evangelien Maria als Mutter des Jesus erscheint. Allerdings gibt es erhebliche Unterschiede zur evangelistischen Darstellung der Maria: die Erhöhung der Frau zum himmlischen Zeichen, ihre Flucht in die Wüste und ihre heftigen Geburtsschmerzen, die an den Fluch erinnern, der in Gen 3,16 von Jahwe der ´sündigen´ Eva auferlegt wird. Es erscheint doch unwahrscheinlich, dass der Autor durch dieses Merkmal, das alle torakundigen judenchristlichen Leser sofort an den ´Sündenfall´ der ersten Frau gemahnen musste, die Maria der Evangelien charakterisieren wollte. Auch stellt sich die Frage, ob er überhaupt - in Abhängigkeit von der Datierung der Offenbarung - Kenntnis von den kanonischen Evangelien hatte bzw. haben konnte.

Das Motiv der Flucht in die Wüste erscheint in der Tora in Gen 16, wo die schwangere Hagar in die Wüste flieht, um dort Jahwe zu begegnen. Er ´verheißt´ ihr einen Sohn, dessen Namen Ismael er selbst bestimmt.

Vermutlich hat der Offb-Autor diese Schilderung mit den Abläufen im Isis-Leto-Mythos verwoben. Im ägyptisch-griechischen Mythos flieht die von Seth-Typhon (Schlangendrache wie der Drache in Offb 12) verfolgte Isis auf eine Insel. Aus dieser Insel wird in der Offb, angeregt durch die Hagar-Geschichte, eine Wüste.

2)

Die Frau ist die christliche Kirche. Dagegen spricht, dass die Frau den Christus gebiert, was im Widerspruch dazu steht, dass die Kirche den Christus als ihren Begründer versteht. Wie kann ein Begründer aus dem geboren werden, was er begründet hat?

Diese Deutung ist also die unwahrscheinlichste, weil unlogischste.

3)

Die Frau ist das ´Gottesvolk Israel´ bzw. die ´Tochter Zion´ (= das himmlische Jerusalem), die den Christus hervorgebracht hat, so wie es z.B. in Hebräerbrief heißt:

14 Denn es ist offenbar, daß von Juda aufgegangen ist unser HERR, zu welchem Geschlecht Mose nichts geredet hat vom Priestertum.

Oder auch Jesaja 9:

6 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; er heißt Wunderbar, Rat, Held, Ewig-Vater Friedefürst...


Für diese Möglichkeit spricht u.a. die Zahl der Sterne an der Krone der Frau (12) als Anspielung auf die traditionelle Zwölfzahl der israelitischen Stämme.

Dagegen spricht, dass der genannte Personenkreis "das Zeugnis Jesu Christi" hat, was unmöglich für alle Israeliten, als Nachfahren der ´12 Stämme´, gelten kann.

Es fällt (mir zumindest) schwer, anzunehmen, der Verfasser, der sich ausdrücklich auf Jesus von Nazareth und die Propheten des AT beruft, hätte seinen Text verfasst, um (Juden)Christen zu imponieren, die vom Isis-Club Mediterraneé fasziniert gewesen seien.

Ich gehe nächste Woche ausführlicher auf deine Beiträge ein, im Moment nur so viel:

1)

Der von vielen Fachleuten, zuerst von Adela Yabro Collins in der 1970ern, erkannten Verwendung von Isis-Merkmalen und -Mythologemen in Offb 12 dürfte die Absicht zugrunde liegen, der Göttin Isis und ähnlichen Göttinnengestalten eine Mutter des Christus entgegenzustellen, die es phänomenologisch mit den Göttinnen aufnehmen kann. Dreihundert Jahre später wurde in Ephesus Maria bekanntlich auch offiziell in die Nähe von Isis gerückt, indem man ihr das bis dahin exklusive Isis-Epitheton "Gottesgebärerin" (theotokos) beilegte.

Der Isiskult war in der Provinz Asia ein mehr oder weniger integraler Bestandteil des Kaiserkultes, gegen den der Offb-Autor anschreibt.

Im übrigen bitte ich um einen sachlichen Tonfall, wenn es um polytheistische Kulte geht. Deine Formulierung "Isis-Club Mediterraneé" mag dir witzig vorkommen (und wäre es in anderem Kontext auch), bezeugt aber an dieser Stelle nur eine pro-christliche Voreingenommenheit gegen alles Nicht-Monotheistische, die in einer sachlichen Debatte - wie ich meine - in dieser Form fehl am Platze ist. Wenn ich in dieser sarkastischen Art über die Kirche schreiben würde, gäbe es sicher Ermahnungen von Seiten des Teams.

Also danke im voraus.

2)

Die Offb kann als ein Versuch interpretiert werden, die adressierten (und wahrscheinlich weitere ungenannt gebliebene) Christengemeinden in der Provinz Asia vor den theologischen Folgen einer Abweichung vom ´wahren Christenglauben´ zu warnen. Im Visier hatte der Autor dabei (1) innerkirchliche Rivalen und (2) einen äußeren Feind, das römische Kaisertum. Beide verführen, in seinen Augen, das Christenvolk dazu, dem Satan zu dienen.

An dieser Stelle gehe ich nur auf die Rivalen ein und auf den römischen Kontext - weil man da ziemlich weit ausholen muss - erst nächste Woche.

Die innerkirchlichen Rivalen benennt der Autor in Kap. 2. Er ist bemüht, ihre Autorität innerhalb der Gemeinde zu untergraben, um seine eigene Autorität zu stärken.

(Der erschienene Christus diktiert dem Autor mehrere Schreiben an diverse Gemeinden, das "Ich" ist also das des Christus und die Angesprochenen sind die "Engel" der Gemeinden, vermutlich als Schutzengel gemeint)

An Ephesus:

6. Aber das hast du, dass du die Werke der Nikolaiten hassest, welche Ich auch hasse.

Die christlichen Nikolaiten (außerchristlich nicht belegt) befürworteten uneingeschränkt die Teilnahme von Christen an den Praktiken des Kaiserkultes. In Johannes´ Augen eine Sünde gegen Gott. In der Christengemeinde von Ephesus scheinen sie keinen Erfolg gehabt zu haben, da sie vom "Engel" dieser Gemeinde "gehasst" werden, was der verkündende Christus ausdrücklich lobt.

Anders in Pergamon:

14. Aber ich habe ein kleines wider dich, dass du daselbst hast, die
an der Lehre Bileams halten, welcher lehrete den Balak ein Ärgernis
aufrichten vor den Kindern Israels, zu essen Götzenopfer und
Hurerei zu treiben.
15. Also hast du auch, die an der Lehre der Nikolaiten halten; das
hasse ich.


In dieser Gemeinde sind nicht nur Nikolaiten aktiv, sondern auch ein mit dem ´Codenamen´ Bileam benannter Prediger, der ebenfalls zu Kompromissen mit dem Kaiserkult bereit ist. "Bileam" ist eine Gestalt aus den Numeri (4 Mose), die das israelische Volk zum Abfall von Jahwe verführt.

In Thyatira ist eine Frau als ´Prophetin´ aktiv (Codename Isebel), welche die Gemeinde ebenfalls zur Teilnahme an kaiserkultischen Praktiken ermutigt. Der johanneische Christus droht ihr brutale Konsequenzen an:

20. Aber ich habe wider dich, dass du lässest das Weib Isebel, die
da spricht, sie sei eine Prophetin, lehren und verführen meine
Knechte, Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen.
21. Und ich habe ihr Zeit gegeben, dass sie solle Busse thun für
ihre Hurerei, und sie thut nicht Busse.
22. Siehe, Ich werfe sie in ein Bette, und die mit ihr die Ehe
gebrochen haben, in grosse Trübsal, wo sie nicht Busse thun für ihre
Werke,
23. und ihre Kinder will ich zu Tod schlagen.


Das Totschlagen der Kinder ist vermutlich wörtlich zu nehmen, d.h. die leiblichen Kinder der Prophetin werden verbal mit Totschlag bedroht, wenn sie nicht endlich "Buße tut".

"Isebel" ist eine Gestalt in 1 Kön. Die Phönizierin heiratet König Ahab vom Nordreich Israel und verführt ihn, so die Darstellung, dazu, nicht nur Jahwe, sondern auch den Göttern ihres Landes anzuhängen. Ihr Name dient dem Offb-Autor dazu, die in Thyatira tätige Prophetin als Verführerin zum falschen (´Götzen´-)Glauben hinzustellen.
 
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