Paderborn - römischer Wachposten? Lager?

wohl eher die Alme, die so scharf von Süden kommt, bezeichnet der Klecks wohl eher Schloss Neuhaus
Dass Wilhelm nicht Paderborn und die Pader, sondern Neuhaus und die Alme meint, lässt sich auch bei August Benedict Wilhelm (Germanien und seine Bewohner, 1823) selbst nachlesen, der glaubt:

Das Flüßchen Alme, welches bei Neuhaus sich mit der Lippe vereinigt, ist der Elison - ὁ Ἐλίσων - des Cassius Dio.​
 
Der eingezeichnete Fluss ist die Alme und der Ort bei der Karte wohl am ehesten Elsen.

Allerdings wurden sowohl Paderborn als auch Elsen und Schloss Neuhaus mehrfach für Aliso ins Spiel gebracht. Sowie einige andere Punkte in der Gegend. Für all die Orte wird auch die Karlsburg vermutet.

Neuhaus liegt östlich im Winkel von Alme und Lippe und Elsen ist der Nachbarort.

Es soll ein Marschlager sein, womit Aliso als Standlager auszuschließen ist.

Nicht nur die Bebauung auch zumindest eine Planierung und Fliegerbomben könnten die Archäologen ärgern. Es gibt allerdings auch ein paar Freiflächen und was Bauvorhaben angeht, kennt die Stadtarchäologie das ja schon von der Altstadt. Da haben sie ja auch mit der Zeit immer mehr ergraben können. Und bei einem Marschlager geht es ja eher um Nägel von Caligae und Gräben und vielleicht mit Glück die ein oder andere Münze als um flächige Ausgrabungen.

Nördlich der Lippe in der Senne ist noch interessant, ob zu Einzelfunden dort auch mal ein Marschlager gefunden wird. Die müssen ja irgendwo geschlafen haben.

Da soll ja ein Reiterheer untergegangen sein. Die Gefallenen spuken immer noch und von ihren Pferden sollen die Senner Wildpferde abstammen. Heißt es. ;)

In einigen Versionen handelt es sich um die Reiter des Varus. Oder die Hunnen, Hussiten oder Hessen. Jedenfalls immer unkatholisch.
 
Nicht nur die Bebauung auch zumindest eine Planierung und Fliegerbomben könnten die Archäologen ärgern. Es gibt allerdings auch ein paar Freiflächen und was Bauvorhaben angeht, kennt die Stadtarchäologie das ja schon von der Altstadt. Da haben sie ja auch mit der Zeit immer mehr ergraben können. Und bei einem Marschlager geht es ja eher um Nägel von Caligae und Gräben und vielleicht mit Glück die ein oder andere Münze als um flächige Ausgrabungen.

Ich kann nicht beurteilen, wie groß das Areal ist, auf dem möglicherweise das Marschlager gestanden haben könnte. Aber die Bebauung außerhalb der eigentlichen Altstadt dürfte ab dem 19. Jahrhundert begonnen haben, typischerweise auch mit Unterkellerung, die die interessanten Schichten gestört und wahrscheinlich zerstört haben. Bei einem Marschlager wird man ohnehin nicht mit einem großen Fundspektrum rechnen können. Was man da finden könnte, hast Du ja bereits aufgezählt. Selbst bei einem unbebauten Grundstück ist dies die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Und hier in einem Heuhaufen, der vielleicht noch zu 10 % vorhanden ist.




Aber mich irritieren so einige andere Sachen:

Die Vermutung, dass dort ein Marschlager war, beruht doch primär auf dem Fund der Backöfen, die bisher nur in Marschlagern nachgewiesen wurden. Kann man denn deswegen einen Wachturm ausschließen? Die dortige Besatzung braucht ja auch ein wenig Verpflegung und so ein Backofen scheint schnell anzulegen sein (s. Pressemitteilung vom 23.06.2023 - Ein augusteisches Marschlager in Paderborn? ).


Dann die Fläche auf dem Hügel und der Platz. In der letzten Pressemitteilung vom 23.06.2023 heißt es:

Das Gelände des späteren St. Johannisstifts befindet sich auf einem flachen Hügel, der auf drei Seiten von Pader und Riemeke umschlossen ist. Die Riembeke oder Riemeke war ein kleiner Bach und Zufluss der Pader, der wahrscheinlich bis in die Neuzeit sichtbar war, bis er unter der Bebauung verschwand. Der Hügel bot Platz für ein römisches Marschlager, in dem drei römischen Legionen auf einer Fläche von ca. 30 Hektar campieren konnten. Die bereits bekannten Marschlager in Westfalen bestanden aus einer großen, polygonalen Fläche, die von einem Erdwall mit vorgelagertem Spitzgraben umschlossen war.​


In der Pressemitteilung vom 8.12.2022 hingegen:

"Im Gegenteil, der mutmaßliche Brunnen und die Amphorenreste sprechen eindeutig für eine Nutzung durch römische Legionäre - möglicherweise einen Wachtposten," so Tremmel. Dafür spricht die zentrale Lage des Fundplatzes auf einer noch heute vier Meter hohen Geländekuppe, die im Norden und Osten durch die Pader und deren Quellen sowie im Westen durch die Rimbeke begrenzt war. "Für die Anlage eines Römerlagers reichte die Fläche der Anhöhe aber nicht aus. Womöglich stand hier deshalb nur ein römischer Wachturm, der auch als kleines Nachschubdepot gedient haben könnte," spekuliert Tremmel.​

Römer am Johannisstift?

Es irritiert, dass mit Hinweis auf die geringe Fläche im Dezember 2022 ein Römerlager ausgeschlossen wurde, während ein halbes Jahr später auf einmal Platz für drei Legionen da sein soll.


Und als letztes der Brunnen: es wurde ein Brunnen nachgewiesen (s. dazu die Pressemitteilung vom Dezember 2022). Würde man für ein kurzfristig belegtes Marschlager einen Brunnen bauen? (Andererseits bräuchten die Römer auch bei einem Marschlager Wasser für Mensch und Tier). Ich weiß nicht, ob bei anderen bekannten Marschlagern dort auch Brunnenbauten nachgewiesen worden sind.
 
Ein kurzer Zwischenruf. Das mit dem Standlager und dem Marschlager lässt sich schwer beantworten. Ein Brunnen wäre für beide Einrichtungen hilfreich gewesen und lässt sich in diesem Gelände schnell einrichten. Sonst war vermutlich jedes "Marschlager" schon mal im Grundsatz und in der Anlage darauf ausgelegt, einmal zum "Standlager" werden zu dürfen.

Und ganz kurz zu den kontrovers diskutierten "Backöfen". Ich rate da zur Vorsicht.

Bei der Entdeckung von Lahnau-Waldgirmes ging man von einem römischen ... Lager aus (Genauere Definition hier bitte nach Belieben einfügen).
Als einer der ersten Befunde aus den Ausgrabungen der Archäologen tauchten Töpferöfen auf. Demnach entschied man sich bei der etwas vorschnellen Publikation dazu, das als etwas ganz außergewöhnliches darzustellen. Wann kam er schon mal zum ordentlichen Töpfern, der römische Legionär?

"Ein Töpferofen im augusteischen Militärlager Lahnau-Waldgirmes, Lahn-Dill-Kreis", in: Germania 75, 1997, 1. Halbband.
Walter, Dörte und Angelika Wigg

Als die weiteren Ausgrabungen in rascher Folge eine dichte Zivilbebauung, Gebäude mit Tavernenfunktion, eine Markthalle und schließlich ein Steingebäude mit Innenhof, vergoldeten Reiterstatuen des Kaisers und seiner Statthalter sowie den vollständigen Grundriss eines römischen Forums frei legten, wirkten sie irgendwie plötzlich nicht mehr so spektakulär. Die Töpferöfen.

Also, Paderborn, Backen zusammen reissen, es kann noch vieles kommen. Zu den aufgeworfenen Fragen hinsichtlich der möglichen Funderhaltung und den anzuwendenden Grabungstechniken würde ich davon ausgehen, dass eine ordentliche, mit viel Zeit und guten Wissenschaftlern angegangene Forschungsgrabung reiche Ausbeute verspricht. Wenn eine solche durchgeführt werden kann. Sollte es dagegen zum Schlimmsten kommen und man dieses (...)Lager über Jahrzehnte nur mit sogenannten "Notbergungen" ohne qualifiziertes Personal oder nur mit rudimentär qualifizierten Wissenschaftlern untersuchen, dann ist Paderborn schon jetzt verloren.

Aber erst mal gilt doch jetzt: "Ubi erat lupa!" oder so, woll?
Wenn ich vor Ort wäre und sinnstiftend etwas Zeit verbringen wollte, würde ich die Maulwurfshaufen untersuchen und mich möglichst nah an etwaigen Baustellen im fraglichen Bereich herum treiben, Zwecks schneller Meldung an die zuständige Denkmalpflege bei Auftreten von Bodenfunden. Glück Auf!
 
Sonst war vermutlich jedes "Marschlager" schon mal im Grundsatz und in der Anlage darauf ausgelegt, einmal zum "Standlager" werden zu dürfen.

Wohl kaum. Ein Marschlager war ein Marschlager. Und wenn man später wieder in die gleiche Gegend kam, wo man früher schon mal ein Marschlager aufgeschlagen hatte, dann hat man eben ein neues Marschlager aufgeschlagen.
In Holsterhausen hat man Spuren von mindestens zehn Marschlagern gefunden:
Römerlager Holsterhausen – Wikipedia
 
Man wird wohl davon ausgehen dürfen, dass man sich bei einem für die längerfristige Benutzung gedachten Lager mehr Gedanken über seine ideale Lage gemacht haben wird als bei der Anlage eines Lagers, das nur einer Übernachtung dienen sollte und aus den Gegebenheiten eines konkreten Marsches heraus angelegt wurde.
 
Den Fund in Paderborn wird von der bekannten Archäologin Dr. Bettina Tremmel größer eingestuft als bisher zu lesen war

Dr. Bettina Tremmel in einem Artikel der Zeitung WELT" schrieb:
Erst im vergangenen Jahr kamen mitten in Paderborn, beim Bau einer neuen Bildungsstätte, Scherben von römischen Weinamphoren und ein Schweineskelett ans Licht. „Später konnten wir noch zwei römische Feldbacköfen nachweisen“, sagt Tremmel. Damit ist für sie klar, dass dort ebenfalls ein römisches Lager existierte. „Es ist ein Platz wie im Bilderbuch, groß genug für etwa drei Legionen, und er liegt in einer Verbindungslinie mit anderen Lagern in Richtung Weser.“
 
Dr. Bettina Tremmel in einem Artikel der Zeitung WELT" schrieb:
„Es ist ein Platz wie im Bilderbuch, groß genug für etwa drei Legionen, und er liegt in einer Verbindungslinie mit anderen Lagern in Richtung Weser.“

Bei aller Schätzung ihrer Arbeit: Da theoretisiert sie implizit mit den Triggerphrasen „groß genug für drei Legionen“ und „Weser“ und das, obwohl sie die tatsächliche Umfassung überhaupt nicht kennt.
 
Bei aller Schätzung ihrer Arbeit: Da theoretisiert sie implizit mit den Triggerphrasen „groß genug für drei Legionen“ und „Weser“ und das, obwohl sie die tatsächliche Umfassung überhaupt nicht kennt.

Vor allem müsste man, denke ich, wenn man mit der Zahl von drei Legionen hantiert auch in der Lage sein, Horrea nachzuweisen, die eine dementsprechende Kapazität aufweisen.
Die reine territoriale Ausdehnung eines Komplexes, auch wenn sie genügend m² für entsprechende Truppengrößes bieten würde, sagt ja herzlich wenig über die tatsächliche Konzeption in diese Richtung, da wären, wie ich das sehe, vor allem etwaige Magazinbauten ausschlaggebend, weniger die reine Größe des Areals.
 
Die Überlegung von @Shinigami führt dennoch weiter: es geht um die beabsichtigte Erschließung des freien Germaniens. Und dort wären, am Oberlauf der Lippe, Horrea ein Beleg für groß angelegte strategische Überlegungen, jenseits eines reinen Marschlagers.

Analog den Horrea am Nordrand der Wetterau im Kastell Arnsburg.
 
@ El Quijote
@Shinigami

"Platz für 3 Legionen" bezieht sich hier wohl eher auf den auf drei Seiten von Pader und Riemeke umschlossen flachen Hügel "mitten in Paderborn".
 
Die Überlegung von @Shinigami führt dennoch weiter: es geht um die beabsichtigte Erschließung des freien Germaniens. Und dort wären, am Oberlauf der Lippe, Horrea ein Beleg für groß angelegte strategische Überlegungen, jenseits eines reinen Marschlagers.

Analog den Horrea am Nordrand der Wetterau im Kastell Arnsburg.

Überlegungen über nicht nachgewiesene Getreidespeicher führen ganz sicher nirgendwohin.

Mir erschließt sich weder, was aus dem Nachweis von Getreidespeichern, so man sie denn hätte, zu folgern wäre, noch auf was für eine "Analogie" zum Kastell Arnsburg Du anspielst, das offensichtlich die Funktion hatte, die Grenzschutztruppen am Limes zu versorgen.

Bist Du sicher, dass Du Arnsburg meinst? In der Wetterau haben wir ja noch das Versorgungslager Rödgen, das während der Drusus-Feldzüge kurzzeitig Bestand hatte und laut Wiki von den Römern planmäßig niedergelegt wurde.
(Ein drususzeitliches horreum ist auch in Beckinghausen nachgewiesen: https://www.altertumskommission.lwl...97-a2b3-4908-8f84-c485c50b030a/rw_32_2011.pdf)
 
Und nicht nachgewiesene Getreidespeicher belegen was? MmN belegen sie nur kontrafaktische Gedankengänge, die eine Diskussion ins Irreale führe.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Carolus Hab ich vor einigen Monaten gelesen, leider online. Und ohne Karte. Also herzlichen Dank. @El Quijote, vor neuen Überlegungen wäre zunächst die Dicke des Haare zu hinterfragen/fest zu legen. Haargenau eine Haaresbreite? Dir auch Danke.
 
Zurück
Oben