Was mir beim mitlesen auffällt, Ihr grenzt alle Einsatzszenarien vom Einsatz von ABC- Waffen aus, wäre denn eine derartige Ausgrenzung bei einer direkten Konfrontation WP <=> NATO überhaupt vorstellbar?
Das ist genau der Punkt und auch der Grund, warum die Vorschläge von Uhle-Wettler eigentlich an der Realität eines zukünftigen Krieges vorbei gegangen sind.
Die wohl gefährlichste Situation im Kalten Krieg ergab sich um die zweite Berlin Krise im Jahr 1961.
In dieser Zeit fand das erste gemeinsame Stabsmanöver "Buria" im WP statt und war mit den höchsten Spitzenmilitärs besetzt. Einen guten Überblick gibt Uhl (Storming on to Paris, S. 46ff in Mastny: Warplans)
Im Rahmen von Burio wurde das zentrale militärische offensive Szenario durchgespielt, dass bis ca. 1969 die offizielle Doktrin des WP bildetete.
In diesem Szenario sollten die Streitkräft des WP den Kanal nach ca. 16 Tagen erreichen, mit einer durchschnittlichen Angriffsgeschwindigkeit von ca. 100 km pro Tag. Dazu ging man von ca. 26.000 Panzern und ca. 30.000 gepanzerten Fahrzeugen aus.
Entscheidend war jedoch, dass die Doktrin den "Preemptive" Strike als den zentralen Garanten für den militärischen Erfolg ansah. Dieses sollte durch das umfangreiche Arsenla an taktischen A-Waffen durchgeführt werden.
Man ging von der Vorstellung aus, dass der WP dabei ca. 1100 taktische Atomwaffen aktiv im Rahmen des Angriffs einsetzen würde und eine entsprechende Anzahl, so die Vermutung, würde durch die Nato ihrerseist eingesetzt werden.
In dieser extrem radioaktiv verseuchten Wüste wollten unser blauäugigen Militärs aus Ost und West von einem Sieg zum anderen schreiten und am Pas de Calais mit Krimsekt im Angesicht der Klippen von Dover ihren Sieg feiern. Dazu hätten sie dann kurzfristig ihre Schutzmasken vom Mund nehmen müssen. :autsch:
War Plans and Alliances in the Cold War: Threat Perceptions in the East and West - Google Books
Document 20: The Buria Excercise Preparing for an Advance into Western Europe, September 28-10 October 1963 (S. 131)
A Cardboard Castle?: An Inside History of the Warsaw Pact, 1955-1991 - Google Books
In den siebziger Jahren wurde die Zielsetzung regional begrenzt, allerdings weiterhin unter Einsatz von A-Waffen und erst 1987 erfolgte eine reine defensive Reformulierung der Strategie des WP, die von keinen Geländegewinnen ausging.
Allerdings ist einzuschränken, dass sich das militärische Denken, so einzelne Autoren, stark verselbständigt hatte und nicht mehr mit den politischen Zielen und Optionen des Politbüros übereinstimmte. In diesem Sinne war Buria ein militärisches Drohinstrument, dass nicht für eine realistische damalige politische Option gehalten werden sollte.
Unabhängig davon beschrieb Melchior die Situation korrekt, als er das Ergebnis eines Konflikts mit "Game over" beschrieb. Und es bleibet eigentlich nur Ratlosigkeit, wie Militärs einen derartigen Unsinn, aus einer realistischen Sicht, als realistische Option durchgespielt haben.
Ergo: Gib nie einem Militär die Verfügungsgewalt über Massenvernichtungsmittel. Er hält sie für einen Hammer, der benutzt werden soll, einen Nagel einzuschlagen.