Wie Tiberius Gabinius schon schreibt, jede Zeit, jede Region hat ihren "edlen Räuber", Robin Hood, Schinderhannes oder "Sozialbanditen".
Im Geschichtswerk des Cassius Dio taucht ein gewisser Bulla Felix auf, der zur Zeit des Kaisers Septimius Severus eine zahlreiche Bande in Italien anführte und als ein antiker Robin Hood und Herausforderer des Kaisers beschrieben wird.
Der chinesische Roman Shui Hu Chuan (Die Räuber vom Liang Shan Moor) weist sehr große Ähnlichkeit mit dem Kurzepos "The Gest of Robyn Hood" auf. Dieser Roman entstand aus gesammelten Erzählungen die im 15. Jahrhundert katalogisiert wurden. Es spielt zur Zeit der südlichen Sung Dynastie. Der chinesische Robin Hood Sung Chiang, eine historische Persönlichkeit, gründete mit 36 Gleichgesinnten in einem unzugänglichen Sumpfgelände, dem Liang Shanmoor, eine Räuberbande. Nachdem diese Banditen jahrelang Widerstand geleistet hatten, unterwarfen sie sich schließlich dem Kaiser und verdienten ihre Begnadigung in einem Feldzug der Sung. Wie auch in "The Gest of Robyn Hood" wurden im Laufe der Zeit bekannte Charaktere eingefügt. I
n der frühen Neuzeit hat man viele historische Banditen zu edlen Räubern stilisiert. So galt der Pariser Bandenführer Cartouche als Regent einer Gegengesellschaft, in der eine "gute alte Zeit" wie unter Henri IV.beschworen wurde. Auf deutschem Boden wurden "Sonnenwirtle", Schillers "Verbrecher aus verlorener Ehre", Mathias Klostermayr der "Bayrische Hiesl", Schinderhannes, um die Jahrhundertwende in Bayern Mathias Kneißl, als volkstümliche Banditen verehrt.
Robin Hood wurde vermutlich gerade weil er sich an keine konkrete Figur knüpfen läßt, so beliebt. Ich denke schon, daß dieser Figur einer oder mehrere charismatische, volkstümliche Banditen zu Grunde lagen.
Die Geschichten und ihre Rezeptionen sind natürlich Legenden und sie verraten als Quellen mehr über die Mentalität der Zeit, in der sie entstanden sind, als über die historischen Banditen vom Schlage eines Robin Hoods. Der "edle Räuber" hat allerdings nur in der Literatur existiert. Wer von illegalen Aktivitäten leben wollte, egal zu welcher Zeit, der konnte nicht wählerisch sein. Für Zigeuner- und Lagerfeuerromantik war in der Realität kein Platz. Auch ein historischer Robin Hood hätte sich im Sherwoodforrest ganz schön den Arsch abgefroren, und konnte nicht von gegrillten Hirschen leben.
Ein Bandit braucht Unterschlupf, Obdach, ein soziales Netzwerk, Verbündete, Hehler und Baldower.
Aus der Neuzeit kennen wir Beispiele, wo ganze Dörfer "kochem" waren, das heißt es mit den Räubern hielten. In Orten wie Eckardroth, Mersen, Gelnhausen und anderen gab sich die Gaunerprominenz die Klinke in die Hand. Erstaunlicherweise gehörten solche Banditennester zu den friedlichsten und sichersten Orten im Reich, denn am eigenen Wohnort wurde man nicht aktiv. Solche Dörfer profitierten von den Banditen, denn die mußten ja irgendwo ihr Geld ausgeben. Der Schinderhannes warf manchmal für arme Bauern auf der Schmidtburg eine Party. Das taten die Räuber aber nicht, weil sie besonders gute Menschen waren, sondern weil sie die Unterstützung der Bevölkerung brauchten.
So wird es wohl auch mit dem oder den Räubern gewesen sein, die dann schließlich zu Legenden verwoben wurden. Man sollte sich vielleicht eher einmal fragen, was Vorstellungen von edlen Räubern über uns selbst aussagen, wenn wir von Banditen ernsthaft erwarten, daß sie besonders gute und sympathische Menschen sein müssen.