Schloss-Wiederaufbau - ein deutscher Trendsport?

dann bleibt der Vorwurf des Revisionismus weiter bestehen?

Der Begriff Revisionismus meint hier nicht den verbrecherischen Revisionismus mancher, welche die Maueropfer bagatellisieren oder den Holocaust leugnen wollen. Er meint hier die Wiederherstellung eines durch den Gang der Geschichte überholten Stadtbildes. Das Berliner Stadtschloss wird eben nicht das Original sein. Okay, das hat man in Polen auch überall gemacht. Aber direkt nach dem Krieg, im Zuge des Wiederaufbaus. Der Preis für das wiederaufgebaute Stadtschloss ist die Zerstörung des historisch genauso bedeutsamen Lampenpalastes. Und die Kritik ist ja nicht ganz unberechtigt: Welches Symbol steckt hinter dem Wiederaufbau des Stadtschlosses?!
 
Wer hat dir denn einen Vorwurf des Revisionismus gemacht? Ich glaube, du solltest die Beiträge hier etwas sorgfältiger und ruhiger lesen.


Wer schreibt von mir? Ich bin nun gar nicht Thema dieses Threads hier.

Du hast ihn erhoben!
Hier steckt der Stachel des Revisionismus und des "den 2. Weltkrieg wegrekonstruieren" im Fleisch, und er geht nicht raus.

Und nochmal: weißt Du überhaupt was Revisionismus ist?
 
Wer schreibt von mir? Ich bin nun gar nicht Thema dieses Threads hier.

Du hast ihn erhoben!

Und nochmal: weißt Du überhaupt was Revisionismus ist?

Klar weiß ich das! Du auch? Warum ziehst du dir diesen Stiefel an, wenn ich ihn dir gar nicht hingeschoben habe? Wenn ich dir schon gesagt habe, dass ich hier eine etwas differenziertere Begriffsverwendung fordere (und eigentlich auch von dir verlangen kann)?

Du bist nicht Thema dieses Threads. Du eröffnest hier einen Nebenzank mit mir über das Wort "Revisionismus", das ich hier in einem eindeutigen Kontext und unmissverständlichen Weise verwendet habe. Lass das bitte und komm' zum Thema zurück.
 
Du bist nicht Thema dieses Threads. Du eröffnest hier einen Nebenzank mit mir über das Wort "Revisionismus", das ich hier in einem eindeutigen Kontext und unmissverständlichen Weise verwendet habe. Lass das bitte und komm' zum Thema zurück.
... wobei es um Schlösser geht.

Ich resümmiere: es wurden und werden Schlösser in Deutschland aufgebaut.

Ursachen die ich sehe sind:
- Zerstörungen durch den WK2.
- besondere Bedeutung der Schlösser begründet in der Geschichte des HRR und den souveränen Einzelstaaten auf der Fläche der heutigen BRD
 
Käme auf Beispiel und Nutzung an. Ausschließen kann ich es nicht.

Lokalpatriotismus mit Stolz auf eine eigen(staatlich)e Vergangenheit fiele mir da noch ein.
Wenn man das, so wie du, ehrlich deklarieren täte, wäre gegen die zahlreichen Schloss-Rekonstruktionen auch gar nichts einzuwenden.

Im übrigen: Form folgt Funktion.


Gruss Pelzer

.
 
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Wenn man das, so wie du, ehrlich deklarieren täte, wäre gegen die zahlreichen Schloss-Rekonstruktionen auch gar nichts einzuwenden.

Im übrigen: Form folgt Funktion.


Gruss Pelzer

.
Deswegen erscheinen ja eben manche neue Rekonstruktionen etwas wunderlich. Als Museum zur Präsentation von bspw. aristokratischer oder auch bürgerlicher Wohnkultur sind die folgerichtig großen Räume geeignet, aber zu anderen Nutzungen kaum.

Ich denke bei den Rekonstruktionen eigentlich auch oft an die eigentlich erhaltenswerten und vor dem kompletten Verfall bedrohten Schlösser in ganz Deutschland. Ich habe da auch schon einiges Schlimmes und wirklich Wertvolles sehen dürfen oder vielmehr müssen. Aber das gehört hier nicht her und würde zu einer Polemik führen, die ich selber nicht schätze.

In Vilnius wurde erst kürzlich das Schloss der litauischen Großfürsten fertiggestellt. Dieser bedeutendste Renaissance-Bau des Baltikums wurde im Krieg zerstört - aber nicht im WKII, sondern bereits 1655 durch moskowitische Truppen.
Nacionalinis muziejus Lietuvos Did?iosios Kunigaik?tyst?s valdov? r?mai
Danke für das außerhalb Deutschlands liegende Beispiel.:)
 
Der Begriff Revisionismus meint hier nicht den verbrecherischen Revisionismus mancher, welche die Maueropfer bagatellisieren oder den Holocaust leugnen wollen. Er meint hier die Wiederherstellung eines durch den Gang der Geschichte überholten Stadtbildes. Das Berliner Stadtschloss wird eben nicht das Original sein. Okay, das hat man in Polen auch überall gemacht. Aber direkt nach dem Krieg, im Zuge des Wiederaufbaus. Der Preis für das wiederaufgebaute Stadtschloss ist die Zerstörung des historisch genauso bedeutsamen Lampenpalastes. Und die Kritik ist ja nicht ganz unberechtigt: Welches Symbol steckt hinter dem Wiederaufbau des Stadtschlosses?!


Die Kritik ist nicht unberechtigt. Zweifellos.
Ein Symbol hinter dem Wiederaufbau des Stadtschlosses?
Gar keines. Zumindest mMn
Lediglich ein Motiv:
Die Wiederherstellung des Raumgefühles. Würde ich sehen. Wie die Dresdner Frauenkirche.
Oder das Stuttgarter Neue Schloss. Innen drin Büroräume der ausgehenden 50er, (und ausgerechnet das Finanzministerium) aber die moderne Nutzung stört das Raumbild in keiner Weise.

Ein über Jahrhunderte gewachsenes Bauwerk wie das Stadtschloss kannst Du nun doch nicht mit dem Palast der Republik vergleichen:autsch:


Deine "Revisionismus" Definition ist Originär ElQ.
Darf ich erinnern, dass wir uns hier in einem Geschichtsforum befinden?
Und so sieht es das NRW Innenministerium
Revisionismus
Zum gesetzlichen Auftrag des Verfassungsschutzes gehört auch die Befassung mit dem Revisionismus, da dieser ein verbindendes Ideologieelement zahlreicher rechtsextremistischer Strömungen darstellt.

Ziel des Revisionismus ist es, die Geschichtsschreibung über die Zeit des Nationalsozialismus zu widerlegen und dadurch langfristig die nationalsozialistische Ideologie zu rehabilitieren. Viele Rechtsextremisten sehen in der Auseinandersetzung um die geschichtliche Wahrheit den entscheidenden Ansatz für ihren Kampf gegen den demokratischen Verfassungsstaat. Im Gegensatz zu eigenen Angaben wird dazu jedoch kein wissenschaftliches Vorgehen gewählt, sondern lediglich Form und Struktur des wissenschaftlichen Diskurses imitiert. Den Großteil revisionistischer Agitation bilden leugnende, relativierende oder verharmlosende Darstellungen in einem pseudowissenschaftlichen Gewand.

Es ist ein Begriff der "belegt" ist.
Überaus negativ. Ein Begriff mit dem man sehr vorsichtig sein sollte.
Mag ja sein, dass die beiden Diskutanten es anders meinten, aber versucht zu erklären hat es keiner.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch der Revisionismusbegriff des nordrheinwestfälischen Innenministeriums ist in einem Kontext eingebettet. Hier, in diesem Thread ist der Kontext ein anderer. Vielleicht kommen wir uns mit einer Versfolge von Franz-Joseph Degenhardt näher:

"Von weitem, denkst Du, ist der Ort
genau wie damals unrasiert.
Dann siehst Du, so wie alles,
ist er runderneuert und saniert.
Die Spuren sind verwischt
wie überall in unserm deutschen Land:
Der buntbeflaggte Supermarkt
da, wo das Außenlager stand."

TMP hat seinen Revisionismusbegriff mehrfach offengelegt:
http://www.geschichtsforum.de/442265-post189.html
http://www.geschichtsforum.de/442308-post197.html

Auch Wikipedia kennt mehrere Revisionismusbegriffe, gleichwohl wird hier der Geschichtsrevisionismus auf den verbrecherischen Revisionismus oder Negationismus reduziert.
Revisionismus ? Wikipedia
 
Deine "Revisionismus" Definition ist Originär ElQ.
Darf ich erinnern, dass wir uns hier in einem Geschichtsforum befinden?
Und so sieht es das NRW Innenministerium

[...]

Es ist ein Begriff der "belegt" ist.
Überaus negativ. Ein Begriff mit dem man sehr vorsichtig sein sollte.
Mag ja sein, dass die beiden Diskutanten es anders meinten, aber versucht zu erklären hat es keiner.

Ob der Begriff nun "belegt" ist oder nicht, das kommt immer auf den jeweiligen Zusammenhang an.

Ich erinnere nur mal an die "Revisionismusdebatte" der SPD auf dem Dresdener Parteitag im Jahr 1903. Da ging es logischerweise nicht um den Revisionismus in einer Bedeutung wie sie das NRW Innenministerium postuliert.

Natürlich wird der Begriff meist negativ verwendet, denn man wirft dem "Revisionisten" ja i. d. R. vor neuere Erkenntnisse und Errungenschaften zu Gunsten älterer, überwundener Ansichten aufgeben zu wollen. In dem Sinne, wie ihn das NRW Innenministerium verwendet - und auch hier nur im Zusammenhang mit dem Verfassungsschutz und den Rechtsextremisten - wurde er in diesem Thread nicht benutzt. Also muss ich auch niemand gleich angepi... fühlen und die Diskussion kann weitergehen.

Viele Grüße,

Bernd
 
Der Uneingeweihte kann ja schon kaum zwischen den großen Wohnanlagen einiger Bauhausarchitekten und der typischen "Platte" unterscheiden. In der Hinsicht, flo, sind wir sicherlich zusammen.:winke:

Da sind wir zusammen.
Ich habe mal eine Führung miterleben dürfen.
Da wollten sich russische Architekten den magdeburger Hauptbahnof ansehen.
Das ich die einigermassen verstand wussten sie nicht.
Die Aussenfassade ist aus weissem Sandstein gebaut. Mittlerweile natürlich tief grau.
Sagte einer, die spinnen, die deutschen. Alles weiss anstreichen und gut ists.
Sagte ich darauf, soweit kommts noch, deutsche Baukunst mit Farbe verschandeln.
Begeistert waren die nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Symbol hinter dem Wiederaufbau des Stadtschlosses?
Gar keines. Zumindest mMn
Lediglich ein Motiv ... Die Wiederherstellung des Raumgefühles. Würde ich sehen. Wie die Dresdner Frauenkirche.

Das sind einige der zentralen Gründe, Repo!

So ist das in Teilen rekonstruierte Braunschweiger Schloss natürlich kein monarchistisches Symbol mehr, sondern schließt eine tiefe Wunde im Stadtbild, die das 1960 noch in großen Teilen stehende Braunschweiger Schloss hinterließ, das dann mit nur einer Stimme Mehrheit im Rat der Stadt abgerissen wurde. Teile davon wurden eingelagert und fanden in der 47 Jahre später rekonstruierten Fassade Verwendung, so z.B. der komplette Portikus.

Für einen Teil der Braunschweiger Bevölkerung ist das Schloss ein Erinnerungsmal an die 900 Jahre alte Geschichte des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg, für andere eine bauliche Bereicherung inmitten einer neu geschaffenen urbanen Zone und für auswärtige Besucher eine touristische Attraktion.

Niemand wird damit Forderungen nach einer Rückkehr zur Monarchie verknüpfen oder den Geist der Nationalsozialisten beschwören, die 1937 im "alten" Schloss eine SS-Junkerschule einrichteten. Allerdings: Die Erinnerung wird selbstverständlich wachgehalten und so ist diese Rekonstruktion zugleich Erinnerungsmal und baulicher Glanzpunkt inmitten einer scheußlichen, mit billigsten Materialien gebauten fünfziger-Jahre-Architektur.

Was mich stets ärgert, ist die Scheinheiligkeit vieler moderner Architekten. Da werden komplett rekonstruierte Straßen in Danzig gefeiert, die Totalrekonstruktion des Warschauer Schlosses beifällig aufgenommen, aber der rekonstruierte Frankfurter Römerberg oder Hildesheimer Marktplatz als "Disneyarchitektur" verdammt.

Wer allerdings die Frankfurter und Hildesheimer Scheußlichkeiten kennt, die moderne Architekten dort besonders zwischen 1950 und 1970 verzapft haben, der darf sich nicht wundern, wenn die Bevölkerung wenigstens einige ihrer einstigen Baujuwelen neu erstehen lässt.
 
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Das sind einige der zentralen Gründe, Repo!

So ist das in Teilen rekonstruierte Braunschweiger Schloss natürlich kein monarchistisches Symbol mehr, sondern schließt eine tiefe Wunde im Stadtbild, die das 1960 noch in großen Teilen stehende Braunschweiger Schloss hinterließ, das dann mit nur einer Stimme Mehrheit im Rat der Stadt abgerissen wurde. Teile davon wurden eingelagert und fanden in der 47 Jahre später rekonstruierten Fassade Verwendung, so z.B. der komplette Portikus.
Was mich stets ärgert, ist die Scheinheiligkeit vieler moderner Architekten. Da werden komplett rekonstruierte Straßen in Danzig gefeiert, die Totalrekonstruktion des Warschauer Schlosses beifällig aufgenommen, aber der rekonstruierte Frankfurter Römerberg oder Hildesheimer Marktplatz als "Disneyarchitektur" verdammt.

Wer allerdings die Frankfurter und Hildesheimer Scheußlichkeiten kennt, die moderne Architekten dort besonders zwischen 1950 und 1970 verzapft haben, der darf sich nicht wundern, wenn die Bevölkerung wenigstens einige ihrer einstigen Baujuwelen neu erstehen lässt.


Sehe ich auch so.
Beispiel Stgt. Neues Schloss aufgebaut, als Bürogebäude, eines der Highligths der Stgt. Innenstadt
gegenüber Kronprinzenpalais abgerissen, eine Betonscheußlichkeit hingesetzt, dass einem das Messer im Sack aufgeht, alles nach den damals neuesten Erkenntnissen.... inzwischen der Beton malade, in die Ladenpassagen geht keiner mehr geschenkt... kpl. Abbruchreif nach gerade mal 40 Jahren.

Bei uns hat man eine Innerstädtische Grünanlage einem Kaufhauskonzern verkauft, mit der Auflage, dass das Dach zu begrünen ist.
Es ist kein Witz, das Flach-Dach wurde grün gestrichen, und damit hat es sich gehabt.
Einer der Stadträte hat das so doch nicht hingehen lassen wollen, hat nachgehakt.
Tja, die Dachkonstruktion hält etwas anderes gar nicht aus......
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich jetzt frech währe, könnte ich als zeitgeschichtliches Bauwerk auch die Mauer in Berlin sehen, die abgerissen wurde und ihr keiner nachtrauert.

Das mit dem "keiner" ist falsch, auch wenn die Apologeten eines Mauer-Neubaus scheinbar weniger von PR verstehen als andere...

Um nur ein Beispiel zu nennen:

den Mittelpunkt ihres politischen Handelns stellt die PARTEI das Ziel, die Berliner Mauer sowie die weiteren Grenzanlagen zum Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik wieder aufzubauen.

Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative ? Wikipedia

Wobei schon am 02.10.1990 dafür gesammelt wurde, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann.

Ich werde ja nie das Plakatt zum Thema "Wiederaufbau des Stadtschlosses" vergessen, das irgendwann in den 90ern in der Innenstadt hing; Bild vom Schloss, dazu der Text:

Stadtschloss wiederaufbauen, Monarchie wieder einführen.
Rückwärts gewandt und weltfremd.
CDU

Auch wenns natürlich Propaganda des politischen Gegners, in dem Fall von den Jusos, war, grandiose Polit-Satire.

Und noch eine Anmerkung: In Japan wird man die hier geführte Debatte in einer Millionen Jahren nicht nachvollziehen können; da ist es gang und gäbe, historische Gebäude regelmäßig neu zu erbauen. (Liegt natürlich auch daran, dass dank Erdbeben etc. Gebäude keine allzu lange Lebenserwartung haben...)

Da kann es einem geschehen, sich ein tausend Jahre altes Kloster anzuschauen... und dann den Hinweis zu entdecken, das Gebäude werde regelmäßig alle hundert Jahre niedergerissen und so original wie möglich wieder aufgebaut. "Gebaut 1046, neu errichtet 1966", so in der Art.
 
Zuletzt bearbeitet:
... In Japan ... ist es gang und gäbe, historische Gebäude regelmäßig neu zu erbauen.
... also genau wie beim viel zitierten Berliner Stadtschloss. :D
Hier wurde auch schon mehrfach abgebrochen und neu aufgebaut. Allerdings wurde in der Vergangenheit nie rekonstruiert, sondern jeweils vorwärts geschaut und ein zeitgemässes Gebäude gebaut.


Gruss Pelzer

.
 
Allerdings wurde in der Vergangenheit nie rekonstruiert, sondern jeweils vorwärts geschaut und ein zeitgemässes Gebäude gebaut.

Es wurden auch noch nie während eines einzigen kurzen Krieges nahezu alle großen Städte Deutschlands großflächig zerstört und dem Boden gleichgemacht - darunter komplette Ensembles aus allen Stilepochen, die vielfach Identifikationscharakter für ihre Region hatten.

Wen kann es also verwundern, wenn die Bürger einige wenige Baudenkmäler rekonstruieren - gemessen an der Neubausubstanz ein verschwindender prozentualer Anteil!
 
Entschuldigt bitte die Verspätung meiner Antwort, aber – wie ihr wisst – finde ich das Thema viel zu interessant, um an dieser Stelle mit der Diskussion aufzuhören. Das ist jetzt vielleicht auch etwas abrupt, weil im Zug geschrieben und hier gepastet zw. 2 Meetings, ich bitte um Verständnis …

Nachdem wir (wie ich vermute) genug über die politisch-sozialen Gründe der Rekonstruktion historischer Bauten gesprochen haben, bringen Repo und Dieter nun Ästhetik ins Spiel: die Bauten werden wiedererrichtet, weil sie schön sind.

Nu, Schönheit liegt im Auge des Betrachters, aber das Auge des Betrachters ist meistens im Kopf eines Menschen, der in sozialen, historischen und kulturellen Konventionen lebt. Und hier wandelt sich der Schönheitsbegriff. Die 50er und 60er Jahre fanden große Bausiedlungen schön. Gewohnt, in Mietshäusern eng zusammen zu wohnen, waren die heute verhassten "Betonsilos" im Gegensatz zu früher sauber, komfortabel und günstig.
Wer konnte denn ahnen, dass der kulturelle Trend mit zunehmendem Wohlstand eine Individualisierung der Gesellschaft mit sich brachte! Gemeinschaftlichkeit verschwand aus Arbeit, Freizeit und kulturellem Erlebnis, sogar aus der Fortbewegung: kein Wunder, dass die Betonsilos zu anonymen Wohnlagerstätten wurden. In den sozialistischen Ländern wurde das Gemeinschaftserlebnis trotz auch hier gegenläufigem Trend am Leben erhalten; deshalb war die Akzeptanz der "Platte" besser als im Westen.

Die Zukunftsgläubigkeit und -begeisterung der 50er und 60er hat üble Bausünden mit sich gebracht, ich bin der letzte, der das abstreitet. Vor allem in der infrastrukturellen Planung wurde zu groß, zu breit und zu sehr autobezogen gearbeitet – sechsspurige Stadtautobahnen zerschneiden die Städte, die Rückbildung dieser Strukturen ist mühselig und langwierig, da schließlich ein Großteil des Wohlstands der 60er und 70er Jahre in der Forcierung des Autoverkehrs bestand (und wir auch heute noch in dieser Suppe stecken). Die Verbindung menschenunwürdiger Blech-Aorten mit den Isolationsblöcken der Neubauviertel war einmal eine strahlende Vision vom schnellen, hellen Leben in der Zukunft.

Es ist ja auch verständlich, dass es nach den Vernichtungen des 2. Weltkrieges "nur aufwärts" gehen konnte. Sowas hatten wir schon einmal: die Reichsgründung 1871 wurde von den allermeisten als ein Aufbruch wahrgenommen; nach zwei Generationen der Unzufriedenheit, Unzulänglichkeit und Unruhe war endlich ein in Europa konkurrenzfähiges politisches Modell für "Deutschland" realisiert worden. Der Innovationsschub der Gründerzeit und das schnelle Wachstum der Bevölkerung erforderten auch große bauliche Reformen: in diesen Jahren verloren die meisten Städte mehr historische Bausubstanz als in Jahrhunderten zuvor, in Köln ging z. B. nicht nur die Stadtmauer aus dem 12. Jahrhundert drauf, sondern auch ein großer Teil der römischen Befestigung.

Aus heutiger Sicht kann das Wegplanieren der historischen und die Ersetzung durch moderne Bauten klarer wahrgenommen werden – damals wurden die historischen durch historisierende Bauten ersetzt, da das Kaisertum als Regierungsstruktur nicht konservativ, sondern rückwärts orientiert war – weg von modernen Ideen, hin zu romantischer Verklärung mittelalterlicher Ideale wie Stände, Gilden, Reichstagspracht und Bürgerstolz.

Ein guter Teil dieser Rückwärtsorientiertheit steckt auch in den modernen Rekonstruktionen (die sich in der Tat mit den historisierenden Bauwerken der Kaiserzeit mischen), es ist weniger Liebe zum Alten als Angst vor dem Neuen, das die alten Bauten neu entstehen lässt – Zukunftsangst.
Die ist aber auch nicht ganz unberechtigt. Zum einen ist die Vision der Zukunft spätestens seit den 70ern eher als Dystopie denn als Utopie ausgeprägt. Zum anderen hat sich seit der Bauhaus-Revolution aus dem neuen Formenschatz noch kein moderner Formencode entwickelt, der tatsächlich einfach nur akzeptiert wird; Materialentwicklung und Stilentwicklung haben auch hier eine Art "Unlesbarkeit" hervorgebracht, wie sie auch moderner Kunst zueigen ist – der individuelle Künstler bestimmt das Kunstwerk, nicht etwa die Kunstrichtung.

Zum anderen – die historisierenden Bauwerke der Kaiserzeit, die uns heute als so schnuckelig und schön erscheinen, sind schnuckelig und schön. Zu sehr.Die historisierenden Stilelemente werden nicht eingesetzt, ssie wurden gehäuft: kein Baumeister der Rennaissance hätte das Haus, in dem ich wohne, mit diesen Stilattributen so zugekleistert wie es 1900 gemacht wurde – stilistisch gesehen waren die Jahre zwischen 1870 und 1925 unglücklicher und zerstrittener, als unsere es sind. Wir leben, auch wenn es sich vielleicht nicht so anfühlt, in einer Zeit verhältnismäßiger politischer und kultureller Homogenität, verglichen mit der eben beschriebenen. Die eindeutig zuzuordnenden politischen Statements, die durch Architektur gemacht werden, stechen deshalb umso spürbarer heraus – sei es PdR-Abriss, sei es Schloss-Neubau.
 
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