Schloss-Wiederaufbau - ein deutscher Trendsport?

In einer demokratischen und egalitären Gesellschaft sollte das nicht verwundern.

Repräsentative Bauten werden heute eher von grossen Firmen erstellt. Und von neureichen Russen und Arabern... Schaut euch mal die neuen Museen der Autofirmen an oder die neuen Fussballstadien. Da sieht man zeitgenössische repräsentative Architektur.

Gruss Pelzer

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Aber Du würdest schon den Zusammenhang zum Wiederaufbau von Schlössern erkennen? Auch wenn Du das Thema für Dich vielleicht ablehnst.
 
jschmidt, ich würde doch vorschlagen, dass wir lieber die Gesamtheit der Rekonstruktionen beleuchten als speziell das Berliner Stadtschloss zu fokussieren. Hier kriegst du die Politik nicht raus, und Politik bringt hier im GF Ruesi.
Was "Ruesi" ist, weiß ich nicht, es klingt aber nach Üblem. Was die Politik betrifft, so ist die ab ovo im Thema drin - es geht von Anfang an auch über Geschichtspolitik. (Das war ein letztes Aufmucken!)
Rovere :respekt: sprach vom "Volkssport" und Volkssport bedeutet Trend (oder je nach Sichtweise Nordic Walking).
Ich habe den "Volkssport" als ironisch gebrochen interpretiert (und schon deshalb gut gefunden). Inwieweit das "Volk" (wer genau ist das?) überhaupt bei Schloss- und ähnlichen Arbeiten maßgeblich involviert ist, müsste man im Einzelfall prüfen. "Bauherr" (rena8) ist das Volk jedenfalls nie.

Und man muss sich vorsehen, wo die Sentimentalität anfängt, Herrschaftsanspruch zu entwickeln: wenn man zugleich mit dem neu entstanden Schloss sich neu entstandene Royalisten einhandelt, die abschätzig von der Republik auf das früher alles bessere verweisen. Wenn zugleich mit dem neu entstandenen Bauwerk vergessen gemacht werden soll, in welches Elend – und letztendlich die Vernichtung des wiederentstandenen Symbols - Hybris und Dummheit der Zeit geführt hat, die einstmals in diesen Symbolen regiert wurde.
Unstreitig hat die Sache eine starke und vielschichtige (sozial-)psychologische Komponente. "Sentimentalität" ist eine dieser Schichten, "Tradition" [1] eine zweite, "Repräsentation" (Brissotin) eine dritte usw.

Gerade die Repräsentation - im Sinne repräsentativen Bauens [2] - hat ein Janusgesicht. Die "Rückseite" macht Wolfgang Reinhard [3] am Beispiel des Kuppelbaus fest, der ab der Renaissance zum "Inbegriff von Beeindruckungs- und Einschüchterungsarchitektur" geraten sei; solchen Bauten wohne "die Fähigkeit inne, dem Imponieren und Auftrumpfen zu dienen. So kam der Berliner Dom zum Spitznamen Reichsrenommierkirche. [...] Auch beim jüngsten Umbau des Berliner Reichstages ging es nicht ohne Kuppel, und für die bayerische Staatskanzlei im ehemaligen Armeemuseum war sie ebenfalls unverzichtbar."


[1] Ich sehe durchaus eine Verbindung zum Problem der Traditionspflege in der Bundeswehr - alles ist gesättigt/belastet von Fragen der historischen Bewertung.
[2] Die Frage, was repräsentiert wird, ist für mich identisch mit der Frage nach der Symbolik.
[3] Lebensformen Europas, S. 501 f. - Der Autor geht danach auf den Architekten Albert Speer ein, aber das würde den Thread wohl sprengen; vgl. auch Winfried Nerdinger, Die Dauer der Steine und das Gedächtnis der Architekten, in: Reichel u.a. (Hg.), Der Nationalsozialismus - die zweite Geschichte, bpb 2009, S. 378-397.


PS: Damit kein Missverständnis aufkommt: Wir diskutieren hier nicht über eiin genuin und exklusiv deutsches Problem!
 
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Aber Du würdest schon den Zusammenhang zum Wiederaufbau von Schlössern erkennen? Auch wenn Du das Thema für Dich vielleicht ablehnst.
Für mich als „Aussenstehender“ ist spannend zu sehen, wie sich die Bevölkerung an den Rekonstruktionen repräsentativen Bauten aus den Zeiten der Monarchie erfreut. Anscheinend eine Art „Heimweh“ nach längst vergangenen Epochen. Nach König, Glanz und Pomp. So wie wir das heute in Grossbritannien erleben.

Ist das wirklich der heimliche Grund, dass solche Rekonstruktionen 50 Jahre nach ihrer Zerstörung neu gebaut werden? Die Sehnsucht der Deutschen nach der Guten alten Zeit? Die ja so gut nun auch wieder nicht war.


Gruss Pelzer


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Für mich als „Aussenstehender“ ist spannend zu sehen, wie sich die Bevölkerung an den Rekonstruktionen repräsentativen Bauten aus den Zeiten der Monarchie erfreut. Anscheinend eine Art „Heimweh“ nach längst vergangenen Epochen. Nach König, Glanz und Pomp.
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So wie wir das heute in Grossbritannien erleben.
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Wir wissen nicht wie es in der Schweiz wäre, wenn dort die Aristokratie einen anderen Stellenwert und ein anderes Bedürfnis nach Selbstdarstellung gehabt hätte. Viele schöne Schlösser mit "Glanz" kenne ich nicht, wenn auch aus dem Barock bspw. in Basel wenigstens ein wenig gute und auch repräsentative Architektur (Haus zum Kirschgarten) erhalten ist.

Im übrigen ist das Phänomen ja nicht urdeutsch. Das wäre Unsinn, das zu behaupten. Ich war ja neulich in Versailles... da haben Franzosen wie auch US-Amerikaner das selbe Bedürfnis, ganz abgesehen von dem Genuss des Betrachtens der Kunst. Der Unterschied ist eben, dass in Deutschland wie schon erwähnt, nicht ein Zentrum vorhanden war, sondern viele.

Diese Verschiedenheit und Streuung der Herrschaftszentren und ihrer jeweiligen kulturellen Wirkung ist nun vielleicht in Europa abgesehen von Italien einzigartig. Ausländische Besucher sind darüber auch immer wieder erstaunt.

"Heimweh" nach Vergangenem kann ich da selten erkennen, mal ein paar Exoten ausgenommen. Wenn ich in Museen auf Besucher treffe, haben diese doch meistens jenes Schwarz-Weiß-Schema von böse Oberschicht im Prunk und darbende Bauern - also ungefähr die Sicht von Caro1 (kannst ja mal nach ihren Beiträgen hier suchen). Dabei fühlen sich die meisten Besucher eher der Unterschicht gegenüber verbunden.

Wie gesagt, es mag welche geben, welche Pomp und Glanz nachtrauern, aber wie Du es hier versuchst hinzustellen, ist es sicher nicht. Da wirkt es mir eher als wäre Dein Blick etwas getrübt.
Nun und Glanz und Pomp, um dabei zu bleiben, gehörte nunmal zur deutschen Geschichte wie zur französischen, englischen, dänischen... In Palästen wurde die Politik über Jahrhunderte gemacht. Dann ist doch die Folgerichtigkeit verständlich, wenn man grundsätzlich dies vorführen möchte.
Obendrein spiegeln aber, wie ich den Eindruck habe und in diesem bestätigt mich eher MP sogar, gerade ein guter Teil der Wiederaufbauten überhaupt nur in geringem Maße Glanz und Pomp.

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Was willst Du uns damit nun sagen? Die Monarchie gehört zur Staatsverfassung des Königreichs. Glanz und Pomp hält für meine Begriffe die britische Monarchie auch garnicht so arg groß, jedenfalls nicht im Vergleich zu anderen.
Wenn Du Paraden, Empfänge etc. meinst: die gehören zur staatlichen Selbstdarstellung. Ist ja in einer Demokratie kaum anders.
 
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Wir wissen nicht wie es in der Schweiz wäre, wenn dort die Aristokratie einen anderen Stellenwert und ein anderes Bedürfnis nach Selbstdarstellung gehabt hätte. Viele schöne Schlösser mit "Glanz" kenne ich nicht, wenn auch aus dem Barock bspw. in Basel wenigstens ein wenig gute und auch repräsentative Architektur (Haus zum Kirschgarten) erhalten ist.

Solche Schlösser wie es in Deutschland und Österreich gibt, hat es in der Schweiz nicht.

Aber auch in der Schweiz wurden Schlösser erhalten. Klar sie mussten nicht wiederaufgebaut werden, da sie nicht so zerrstört wurden wie in Deutschland. Dafür wurden sie restauriert. Was meiner Anischt nach richtig ist.

Hier ein paar schöne Beispiele:

Schloss Chillon

Bellinzona

Schloss Lenzburg

Man könnte jetzt darüber streiten ob wir die Habsburg wieder aufbauen sollen oder nicht.
 
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@ jschmidt: "Ruesi" ist sowas wie "Knatsch".

@ Briso: Der von dir beobachtete Trend spiegelt sich in Museumsdörfern wieder, sei es das "originale" Kommern oder die "rekonstruierte" Heuneburg. Der Wandel hier: Kaiser W2 ließ Saalburg und Kaiserpfalzen als romantische Repräsentationsbauten errichten; das Kastell in Pohl heute (bzw. ab dem 22.09.) wird ein Holz/Erde-Kleinkastell, bescheiden und klein.

Die optische Wollust an Prunk und Pracht … hier stellt sich die Frage, finden wir "das Alte" schön, weil es schwelgende Formen hat, oder finden wir es schön, weil wir (in DE) durch Zerstörung und vandalisierende Neubauten einer Ausgewogenheit entbehren zw. altem und neuem? Interessant ist hier die "neue" Architektur der Macht; mit z. T. interessanten Verschiebungen – Banken und Versicherungen, die in Frankfurt/Main und Berlin/Potsdamer Platz die Vertikalität neu entdecken, im Gegensatz dazu das Kanzleramt, eher eine zu große Villa als eine Machtzentrale.
 
Bauen, Bauwerke ist/sind Kunst! zumindest Kunsthandwerk.
Und entzieht sich deshalb objektiven Maßstäben.

Es gibt keine politische Kunst!
Da liegt der Fehler in Euerm Ansatz
 
Es gibt keine politische Kunst!
Da liegt der Fehler in Euerm Ansatz

In der Tat gibt es keine "politische Kunst", wie es auch keine "politische Musik" gibt, etwa eine "antisemitische Musik" von Richard Wagner, dessen Opern wegen antisemitischer Tendenzen des Komponisten in Israel geächtet sind. Kunst an sich ist wertfrei.

Wohl aber gibt es Kunststile, die von bestimmten politischen Gruppen oder führenden politischen Schichten bevorzugt werden. So ist ein monumentaler Neoklassizismus bei Herrschaftsbauten der Nationalsozialisten ganz unverkennbar und auch die sowjetische Elite der Stalin-Ära war in den 40er und 50er Jahren ein einem ganz bestimmten Baustil erkennbar, neben dem es freilich auch andere Stilrichtungen gab.

Dass Architektur an sich wertfrei ist, zeigt auch das Bundesfinanzministerium. Nach Plänen des Architekten Ernst Sagebiel in den Jahren 1935/36 erbaut, war das Haus einer der Prestigebauten des nationalsozialistischen Regimes in Berlin. Hier residierte bis Kriegsende das Reichsluftfahrtministerium; hier war das Machtzentrum Hermann Görings. In der Debatte über Nutzung seitens demokratischer Institutionen wurde bewusst die Entscheidung getroffen, nicht den auf Abbruch drängenden Gutachten zu folgen, sondern den gesamten Baukomplex zu sanieren und für die Öffentlichkeit zu erhalten. Allein die Weiternutzung des Gebäudes bietet die Chance, die eigene Geschichte als Mahnung und Erinnerung für die nächsten Generationen lebendig zuerhalten.
 
Baukunst. Und genau darum sollten wir präzise zwischen Original und Kopie unterscheiden.


Gruss Pelzer

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Dabei bezieht sich die "Kunst" nur auf die Fertigkeiten des Handwerkers,
wenn die alten Baupläne noch da sind. Schwierig wird es nach Fotos zu bauen.
Aber, ich finde es schon gut so, etwas klassisches wiederherzustellen. Sieht einfach viel besser aus.
Wer will denn nur Beton um sich haben?

Schön finde ich auch, dass die alten Gärten liebevoll gepflegt werden.
 
Dabei bezieht sich die "Kunst" nur auf die Fertigkeiten des Handwerkers,
wenn die alten Baupläne noch da sind. Schwierig wird es nach Fotos zu bauen.
Aber, ich finde es schon gut so, etwas klassisches wiederherzustellen. Sieht einfach viel besser aus...
Nein, die Baukunst umfasst vorallem die schöpferische Leistung des Architekten. Der damals den Bau in einem bestimmten sozialen, gesellschaftliche, politischen, ökonomischen, usw. Kontext entwarf/entwickelte.
Heute sind die Rahmenbedingungen natürlich völlig anders. Und deshalb ist so ein neugebautes "altes Schloss" nicht nur eine Kopie, sondern oft eine Karrikatur des Originals. Ein barocker Neubau mit Fahrstuhl, elektrischem Licht und oft genug einer Tiefgarage - ein ansich modernes Gebäude mit einer historischen Narrenkappe. (Selbst die Frauenkirche in Dresden hat einen Lift und die Emporen eine Tragkonstruktion aus Baustahl.)


Gruss Pelzer

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In der Tat gibt es keine "politische Kunst", wie es auch keine "politische Musik" gibt, etwa eine "antisemitische Musik" von Richard Wagner, dessen Opern wegen antisemitischer Tendenzen des Komponisten in Israel geächtet sind. Kunst an sich ist wertfrei.

Wohl aber gibt es Kunststile, die von bestimmten politischen Gruppen oder führenden politischen Schichten bevorzugt werden. So ist ein monumentaler Neoklassizismus bei Herrschaftsbauten der Nationalsozialisten ganz unverkennbar und auch die sowjetische Elite der Stalin-Ära war in den 40er und 50er Jahren ein einem ganz bestimmten Baustil erkennbar, neben dem es freilich auch andere Stilrichtungen gab.

Dass Architektur an sich wertfrei ist, zeigt auch das Bundesfinanzministerium. Nach Plänen des Architekten Ernst Sagebiel in den Jahren 1935/36 erbaut, war das Haus einer der Prestigebauten des nationalsozialistischen Regimes in Berlin. Hier residierte bis Kriegsende das Reichsluftfahrtministerium; hier war das Machtzentrum Hermann Görings. In der Debatte über Nutzung seitens demokratischer Institutionen wurde bewusst die Entscheidung getroffen, nicht den auf Abbruch drängenden Gutachten zu folgen, sondern den gesamten Baukomplex zu sanieren und für die Öffentlichkeit zu erhalten. Allein die Weiternutzung des Gebäudes bietet die Chance, die eigene Geschichte als Mahnung und Erinnerung für die nächsten Generationen lebendig zuerhalten.


Die Nutzung ist der Punkt.
(Sieht man doch auch, OK ist an den Haaren herbeigezogen, bei der Musik, zu manchen Liedern gibt es dutzende Texte, politisch allen Schattierungen verbunden.)
Nicht die Architektur, die immer vom Zeitgeschmack abhängt.

Um das zu präzisieren: Ein Gebäude hat keine politische Aussage.
 
Campanile von San Marco?
stürtze glaub um 1900 ein... Kenn ich zu wenig, erinner mich bloss noch an die vielen Tauben!

PS: Ich habe nachgeschaut: Der Campanile stürzte ein, weil man versuchte einen Lift einzubauen... :D:D:D:D:D


Gruss Pelzer

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ein ansich modernes Gebäude mit einer historischen Narrenkappe. (Selbst die Frauenkirche in Dresden hat einen Lift und die Emporen eine Tragkonstruktion aus Baustahl.).

Das ist mir viel zu puristisch gedacht!

Diese Einstellung verkennt, dass die deutschen Innenstädte von alliiierten Bomberflotten nahezu flächendeckend zerstört und dem Boden gleichgemacht wurden. Ganze Ensembles aus allen Stilepochen sanken in Schutt und Asche, Bauwerke mit Identifikationscharakter für ganze Regionen gingen dahin.

Wer das alles von fern aus der heilen unzerstörten Schweiz sieht, kann überhaupt nicht ermessen, wie es vielen Bürgern dises Landes angesichts eines solchen Schwundes wertvollster Bausubstanz geht. Erst wenn sich ein Schweizer vor Augen führt, dass alle barocken, klassizistischen und historistischen Bauten, dazu noch Juwelen aus der Gotik und Renaissance, in Bern, Basel, Zürich und Genf dem Erdboden gleich gemacht worden sind, dann kann er den Verlust - vielleicht - ermessen.

Dass also viele Bürger in diesem Land wenigstens einige wenige - und mehr sind es ja nicht - ihrer zerstörten alten Bauwerke als "Erinnerungsmal" mit Identifikationscharakter wiedererstehen lassen, dürfte nur zu verständlich sein. Das Gerede von "Narrenkappe" ist da völlig fehl am Platz.
 
Das ist mir viel zu puristisch gedacht!

Diese Einstellung verkennt, dass die deutschen Innenstädte von alliiierten Bomberflotten nahezu flächendeckend zerstört und dem Boden gleichgemacht wurden. Ganze Ensembles aus allen Stilepochen sanken in Schutt und Asche, Bauwerke mit Identifikationscharakter für ganze Regionen gingen dahin.

Wer das alles von fern aus der heilen unzerstörten Schweiz sieht, kann überhaupt nicht ermessen, wie es vielen Bürgern dises Landes angesichts eines solchen Schwundes wertvollster Bausubstanz geht. Erst wenn sich ein Schweizer vor Augen führt, dass alle barocken, klassizistischen und historistischen Bauten, dazu noch Juwelen aus der Gotik und Renaissance, in Bern, Basel, Zürich und Genf dem Erdboden gleich gemacht worden sind, dann kann er den Verlust - vielleicht - ermessen.

Dass also viele Bürger in diesem Land wenigstens einige wenige - und mehr sind es ja nicht - ihrer zerstörten alten Bauwerke als "Erinnerungsmal" mit Identifikationscharakter wiedererstehen lassen, dürfte nur zu verständlich sein. Das Gerede von "Narrenkappe" ist da völlig fehl am Platz.
Als in Dresden die Frauenkirche neu aufgebaut wurde, war schon lange kein Krieg mehr. Und man hätte die Mittel und die Möglichkeiten gehabt, wenigstens möglichst originalgetreu zu rekonstruieren; aussen hui, innen pfui.

Dass Deutschland im Krieg unschätzbare Werte verloren hat, ist traurige Realität. Und Teil der deutschen Geschichte. Das kann ein "barockes" Shoppingcenter/Bürohaus auch nicht ändern. Das meine ich mit Narrenkappe.

Gleichzeitig reisst man zeitgeschichtich relevante Bauten ab und tut sie so künftigen Generationen vorenthalten...


Gruss Pelzer

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Aber das ganze Ensemble schreit nach dem Campanile. Venedig wäre nicht Venedig, ohne. Deshalb hat man ihn wiederaufgebaut, mit Aufzug
... Und was kann man daraus lernen; geht HEUTE sorgsam mit den zeitgeschichlichen Bauten um, dann hat man in der Zukunft originale HISTORISCHE Bauten.

Ich wiederhole mich jetzt: Reisst nichts ab, was dann zwei Generationen später wieder rekonstruiert werden wird. Zum Beispiel "Palast der Republik", "Tempelhof" und so weiter. :grübel:


Gruss Pelzer


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Das ist mir viel zu puristisch gedacht!

Diese Einstellung verkennt, dass die deutschen Innenstädte von alliiierten Bomberflotten nahezu flächendeckend zerstört und dem Boden gleichgemacht wurden. Ganze Ensembles aus allen Stilepochen sanken in Schutt und Asche, Bauwerke mit Identifikationscharakter für ganze Regionen gingen dahin.

Wer das alles von fern aus der heilen unzerstörten Schweiz sieht, kann überhaupt nicht ermessen, wie es vielen Bürgern dises Landes angesichts eines solchen Schwundes wertvollster Bausubstanz geht. Erst wenn sich ein Schweizer vor Augen führt, dass alle barocken, klassizistischen und historistischen Bauten, dazu noch Juwelen aus der Gotik und Renaissance, in Bern, Basel, Zürich und Genf dem Erdboden gleich gemacht worden sind, dann kann er den Verlust - vielleicht - ermessen.

Dass also viele Bürger in diesem Land wenigstens einige wenige - und mehr sind es ja nicht - ihrer zerstörten alten Bauwerke als "Erinnerungsmal" mit Identifikationscharakter wiedererstehen lassen, dürfte nur zu verständlich sein. Das Gerede von "Narrenkappe" ist da völlig fehl am Platz.


Hier ist immer die Rede von den Großstädten.
Aber vergesst die Mittelgroßen nicht. Pforzheim und Heilbronn fallen mir da ein. Städte die faktisch in einer Nacht ihr über Jahrhunderte gewachsenes Zentrum verloren. Viel nachhaltiger (war ja deutlich weniger da) noch als in den Großstädten.
 
Nein, die Baukunst umfasst vorallem die schöpferische Leistung des Architekten.
Eben. Und solange das Bauwerk im wesentlichen so aussieht, wie es der Architekt entworfen hat, ist es de facto echt.

Und deshalb ist so ein neugebautes "altes Schloss" nicht nur eine Kopie, sondern oft eine Karrikatur des Originals. Ein barocker Neubau mit Fahrstuhl, elektrischem Licht und oft genug einer Tiefgarage - ein ansich modernes Gebäude mit einer historischen Narrenkappe.
Sehe ich überhaupt nicht so.

Der Unterschied ist lediglich, daß die Veränderungen auf einen Schlag erfolgten, und dadurch auffallen.

De facto ist es aber so, daß ein Gebäude im Verlauf der Geschichte immer wieder angepaßt, modernisiert und saniert wird.
Z. B. ist elektrisches Licht einzubauen wohl genereller Standard, das fällt gar nicht mehr auf (eine nachträglicheTiefgarage dürfte bei einem Barockschloß dagegen eher die Ausnahme sein ...).

Und auch die Bausubstanz ist bei einem alten Gebäude in vielen Punkten längst erneuert worden, nur die Fundamente und wesentliche tragende Teile bleiben langfristig gleich.

Bei einem gut wieder aufgebauten Gebäude sieht nur der Fachmann bei gründlicher Untersuchung von Details, daß es zwischendurch mal kaputt war - für alle übrigen Zwecke ist es aber dem Original gleichzusetzen.
 
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