Schloss-Wiederaufbau - ein deutscher Trendsport?

Wer das alles von fern aus der heilen unzerstörten Schweiz sieht, kann überhaupt nicht ermessen, wie es vielen Bürgern dises Landes angesichts eines solchen Schwundes wertvollster Bausubstanz geht. Erst wenn sich ein Schweizer vor Augen führt, dass alle barocken, klassizistischen und historistischen Bauten, dazu noch Juwelen aus der Gotik und Renaissance, in Bern, Basel, Zürich und Genf dem Erdboden gleich gemacht worden sind, dann kann er den Verlust - vielleicht - ermessen.

Am 15. November 2007 wurde das Zunfthaus zur Zimmerleuten durch einen Brand weitgehend zerrstört. Der Kern des Gebäudes geht auf das 12. Jahrhundert zurück.

Das Zunfthaus wird nun anhand der alten Pläne wieder aufgebaut. Ich finde das richtig, denn es gehört zum Stadtbild von Zürich.
 
Am 15. November 2007 wurde das Zunfthaus zur Zimmerleuten durch einen Brand weitgehend zerrstört. Der Kern des Gebäudes geht auf das 12. Jahrhundert zurück.

Das Zunfthaus wird nun anhand der alten Pläne wieder aufgebaut. Ich finde das richtig, denn es gehört zum Stadtbild von Zürich.
Und das ist der springende Punkt: Ein Wiederaufbau sofort nach dem Brand und nicht zwei Generationen später, wenn sich das ganze Umfeld komplett gewandelt hat...

Gruss Pelzer

.
 
Als in Dresden die Frauenkirche neu aufgebaut wurde, war schon lange kein Krieg mehr.
Natürlich wäre es besser gewesen, wenn sie gleich nach dem Krieg wieder aufgebaut worden wäre.
Oder noch besser, wenn Dresden das ganze Kapitel DDR erspart geblieben wäre.

Aber die Geschichte lief halt anders - und wenn der Wiederaufbau erst jetzt möglich wurde, dann kann der Zeitablauf m. E. kein Argument dagegen seni.

Gleichzeitig reisst man zeitgeschichtich relevante Bauten ab und tut sie so künftigen Generationen vorenthalten...
Ganz andere Baustelle - natürlich sollte man auch diese Bauten erhalten.

Wobei manche Denkmalpfleger schon etwas übertriebene Vorstellungen haben, was "zeitgeschichtlich relevant" ist - da kenne ich einige haarsträubende Beispiele.

Letztlich braucht man immer die Balance zwischen Erhaltung und Erneuerung.
 
Das ist doch eigentlich ein ganz anderer Ausgangspunkt.

In der DDR zB hätte man gar nicht die Mittel gehabt, alles wieder so aufzubauen, wie es mal war. die Semperoper, gut, das war ein Prestigeobjekt für die oberen. An Schlössern und Kirchen hat man da kein Geld verschwendet.
Es war ja schon schwer genug für eine Dorfkirchengemeinde das Geld für eine Sanierung ihrer kleinen Kirche aufzubringen.

Ich weiss auch nicht, was da heute los ist. Im Entdefefekt hat das immer etwas mit der politischen Athmosphäre zu tun.
In Dresden verliert man ein Weltkulturerbe, wegen einer brücke und andererseits hängt man sich an diesen alten Bauten auf.
Wenn Sansoucie in Potsdam nicht so touristisch beliebt gewesen wäre in der DDR, hätte man es wohl auch weggesprengt. Es war Ein Bau, der nicht mehr gebraucht wurde.
Meine Mutter hat mir erzählt, das sie damals im Krieg im Park Kartoffeln angebaut haben.

Und wenn ich mir heute ein Architekturbuch der 70ger aus der BRD ansehe, ist da auch nichts begeisterndes zu finden.
 
Hat Architektur eine politische Aussage? Ich meine, ja:
Bauhaus gehört etwa der linken Ideologie an: Neusachlich, funktional, ohne Schnörkel ist Bauhaus die architektonische Umsetzung linker Ideologie nach dem Verständnis der 20er Jahre. Demokratische Parlamente neigen dazu rund zu sein und oberhalb eine Zuschauertribüne zu haben, denn der Souverän ist das Volk, das Volk schaut von oben auf die Politiker herab. Barocke Schlösser haben dagegen weitausladende Treppen, damit man aufschauen muss, wenn der Souverän vor's Volk tritt, moskowiter U-Bahn-Bahnhöfe wiederum sind Schlösser für's Volk...
Groß und klobig, funktional, transparent oder wie eine Festung: Repräsentative Bauten transportieren immer auch eine Botschaft. Wichtig sind auch immer die Fassaden, die zur Not das dahinterliegende Elend verstecken. Auch das eine politische Aussage.
 

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In der DDR zB hätte man gar nicht die Mittel gehabt, alles wieder so aufzubauen, wie es mal war.
Die Polen haben das aber mustergültig gemacht, in großem Maßstab - und die hatten deutlich weniger Geld.

Die Mißachtung der DDR-Führung für (fast alle) alten Bauten hatte rein politische Gründe.
Es traf ja nicht nur irgendwelche Fürstenbauten oder Kirchen - das hätte man ja noch politisch verstehen können. Sondern Verwahrlosung und Abriß traf alle möglichen Baudenkmäler - ich denke da mal an die Pirnaer Altstadt oder die Krämerbrücke in Erfurt, die nur wegen der Wende knapp dem Abriß entgangen sind.

Das war eine durchgreifende Antipathie gegen Bauten, die älter (und womöglich schöner) waren als die Neubauten der SED-Zeit.
 
Bauhaus gehört etwa der linken Ideologie an: Neusachlich, funktional, ohne Schnörkel ist Bauhaus die architektonische Umsetzung linker Ideologie nach dem Verständnis der 20er Jahre.

So ist es. Ich habe schon vor dreissig jahren nichts an der Bauhausarchitektur abgewinnen können, während meine Lehrer ganz begeistert waren von der Funktionalität.
Fragte ich mal, Funtionalität, ganz gut und schön, aber was ist mit Ästhetik?

Die DDR hat Bauhaus zu ihrem Idol gemacht, aber erst nach der Stalinära.
Nicht nur weil Gropius in Dessau agiert hatte, sondern auch, weil er Naziverfolgter war.
Ich bekam bei solchen Einwürfen beim Meisterstudium immer eine 5.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier ist immer die Rede von den Großstädten.
Aber vergesst die Mittelgroßen nicht. Pforzheim und Heilbronn fallen mir da ein. Städte die faktisch in einer Nacht ihr über Jahrhunderte gewachsenes Zentrum verloren. Viel nachhaltiger (war ja deutlich weniger da) noch als in den Großstädten.

So auch die belgische Stadt Ieper/ Ypres, ypern, die im 1. Weltkrieg vollständig zerstört und -wie die Kathedrale von Reims- originalgetreu nach dem Krieg wieder aufgebaut wurde. Die Altstadt mit der alten "Lakenhalle", und der Kathedrale machen diesen Ort zu einem der reizvollsten Westflanderns, meiner subjektiven Meinung nach.
 
Hat Architektur eine politische Aussage? Ich meine, ja:
Bauhaus gehört etwa der linken Ideologie an: Neusachlich, funktional, ohne Schnörkel ist Bauhaus die architektonische Umsetzung linker Ideologie nach dem Verständnis der 20er Jahre. Demokratische Parlamente neigen dazu rund zu sein und oberhalb eine Zuschauertribüne zu haben, denn der Souverän ist das Volk, das Volk schaut von oben auf die Politiker herab. Barocke Schlösser haben dagegen weitausladende Treppen, damit man aufschauen muss, wenn der Souverän vor's Volk tritt, moskowiter U-Bahn-Bahnhöfe wiederum sind Schlösser für's Volk...
Groß und klobig, funktional, transparent oder wie eine Festung: Repräsentative Bauten transportieren immer auch eine Botschaft. Wichtig sind auch immer die Fassaden, die zur Not das dahinterliegende Elend verstecken. Auch das eine politische Aussage.


Nein!
Das wird hineininterpretiert.
Oder von Diktaturen, die über absolut alles Kontrolle haben wollen, behauptet. Jede abweichende Äußerung mit Misstrauen beobachten.
Oder von Künstlern/Architekten aus schlichtem Geschäftsinteresse je nach Gemengelage Kulturbolschewismus oder Kulturfaschismus behauptet
 
Bauhaus allein in ideologischer Hinsicht zu interpretieren funktioniert nicht. Die Ikonen des Bauhaus - Gropius, Mies van der Rohe, Kandinsky um nur einige zu nennen - sind nicht einfach links oder rechts. Sie repräsentieren in den 20er Jahren die Aufbruchsgeneration und wandten sich natürlich vom erstarrten Späthistorismus ab (eine Entwicklung die bereits vor WKI einsetzte, man denke nur an Wagner und Loos in Wien). Mies van der Rohe und Gropius versuchten aber beide für Hitler zu bauen und gingen erst ins Ausland nachdems keine Aufträge für sie gab. Mies ging nach Amerika und baute dort Ikonen der Kapitalkapitale New York (das Seagram Building, der wahrscheinlich schönste Wolkenkratzer aller Zeiten).

Man muss wirklich aufpassen Formen per se ideologisch zu deuten. Einige der genialsten Bauten des 20. Jhdts entstanden fürs faschistische Italien, neoklassizistischer Monumentalbau a la Speer und Trost findet sich auch im Palais Trocadero in Paris und vom Stalinschen Zuckerbäckerstil der so gut wie alle Stile zitiert ganz zu schweigen.
 
Bauhaus allein in ideologischer Hinsicht zu interpretieren funktioniert nicht. Die Ikonen des Bauhaus - Gropius, Mies van der Rohe, Kandinsky um nur einige zu nennen - sind nicht einfach links oder rechts. Sie repräsentieren in den 20er Jahren die Aufbruchsgeneration und wandten sich natürlich vom erstarrten Späthistorismus ab (eine Entwicklung die bereits vor WKI einsetzte, man denke nur an Wagner und Loos in Wien). Mies van der Rohe und Gropius versuchten aber beide für Hitler zu bauen und gingen erst ins Ausland nachdems keine Aufträge für sie gab. Mies ging nach Amerika und baute dort Ikonen der Kapitalkapitale New York (das Seagram Building, der wahrscheinlich schönste Wolkenkratzer aller Zeiten).

Man muss wirklich aufpassen Formen per se ideologisch zu deuten. Einige der genialsten Bauten des 20. Jhdts entstanden fürs faschistische Italien, neoklassizistischer Monumentalbau a la Speer und Trost findet sich auch im Palais Trocadero in Paris und vom Stalinschen Zuckerbäckerstil der so gut wie alle Stile zitiert ganz zu schweigen.


Zustimmung.

Nehmt doch mal die Walhalla (Ihr werdet sie ja letztes Jahr besichtigt haben) die gewünschte politische Aussage Stand 1850 ist klar.
Jetzt räumt doch die Gipsköpfe raus, hängt Renaissance-Gemälde rein.

Was bleibt? Überaus passender Rahmen für
Renaissance-Kunst.
Von der politischen Aussage? nichts.

Die Nutzung ist der Punkt.
 
Zustimmung.

Nehmt doch mal die Walhalla (Ihr werdet sie ja letztes Jahr besichtigt haben) die gewünschte politische Aussage Stand 1850 ist klar.
Jetzt räumt doch die Gipsköpfe raus, hängt Renaissance-Gemälde rein.

Was bleibt? Überaus passender Rahmen für
Renaissance-Kunst.
Von der politischen Aussage? nichts.

Die Nutzung ist der Punkt.

Ex posteriori hast du hier das Konzept der modernen Kunstausstellung neu entdeckt, die in alten Industriehallen, Bahnhöfen, Flugzeughangars exponiert, um durch den Kontext des Ausstellungsgebäudes die Wirkung (und auch Bedeutung) der Kunst zu verändern. Alle zehn Jahre findet das in den Skulptur Projekten Münster z. B. eine schöne Anwendung.

Inwiefern findest du eigentlich einen klassizistischen Bau (dessen Symbolkraft als Tempelanlage schon auf Sichtweite beginnt) passend für ausgerechnet Kunst der Renaissance? Die würde in hellen, fussläufig besser erreichbaren urbanen Gegenden besser aufgenommen werden als in einem Monument, bei dem schon die ehrfurchtsvolle Annäherung aus der Ferne mit zum Ritus der Verehrung gehört, den dieses Bauwerk gebietet.
 
Inwiefern findest du eigentlich einen klassizistischen Bau (dessen Symbolkraft als Tempelanlage schon auf Sichtweite beginnt) passend für ausgerechnet Kunst der Renaissance? Die würde in hellen, fussläufig besser erreichbaren urbanen Gegenden besser aufgenommen werden als in einem Monument, bei dem schon die ehrfurchtsvolle Annäherung aus der Ferne mit zum Ritus der Verehrung gehört, den dieses Bauwerk gebietet.


Na, die Ehrfurcht ist immer so ein Ding.
Das Donautal ist dort recht weitläufig, man sieht den Bau schon aus weitester Entfernung da wirkt er eher klein und mickrig.... fast nicht zu finden an dem Hängchen...(ich bin Gebirgsbewohner):D

Die Renaissance als "Wiedergeburt" der Antike.
Dort drin auf jeden Fall angebrachter als die germanische Saufhalle


OT: Mönsch was Du für tolle Fremdwörter weißt!
Ex ist klar, leer machen
Posteriori ...gab es mal so ein tolles Wort für Briefbote?
Und, Du hast es richtig erraten, der Briefbote war gerade da, und hat seine Tasche leer gemacht, lauter Rechnungen
 
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Ich möchte noch mal auf das Berliner Schloß zurückkommen, was soll da alles rein?
Hat man für die Gesamtfläche schon Miet/Kaufverträge?
In der Diskussion ist die geplante Nutzung etwas zu kurz gekommen. Ein Teil soll Museum werden, ich lese in Roveres Einstiegsbeitrag von ethnologischen Sammlungen, stimmt das?
Ein weiterer Teil soll von der Humboldt-Uni als Bibliothek genutzt werden. Universitätsinstitute als Nachnutzer von Stadtschlössern haben in Deutschland Tradition, spricht mE nichts dagegen.
Welche anderen Nutzungen für Stadtschlösser haben sich bewährt?
Öffentliche Einrichtungen, Verwaltungssitze, Museen, Ausstellungsräume, auch privat nutzbare Eventlocations, Firmenzentralen?

Ein Argument gegen Rekonstruktion ist beim Berliner Schloß, der durch den Fensterzuschnitt bedingte mangelnde Lichteinfall.
Um dieses Problem zu lösen hat man in sonst beliebten "historischen" (historisierenden) Gebäuden manchmal gläserne Dachkuppeln eingefügt.
Zum Lichtproblem in der Architektur(geschichte) könnten @pelzer und Kollegen mehr beitragen, wenn es nicht OT ist, fände ich es spannend.
 
Das zweite ist in der Tat "Disney-Architektur", während die Rekonstruktion eines historischen Bauwerks einen völlig anderen Stellenwert und ganz andere Beweggründe hat, zudem viel Detailkenntnis und große handwerkliche, historische und architektonische Sachkompetenz verlangt - das kleine Türmchen oder Erkerchen an einer großen Vorstadtvilla hingegen nicht. Das sind also zwei ganz verschiedene Paar Schuhe.

Der Schloßneubauten, die in Berlin und auch in Potsdam geplant werden, sind keine 1-zu-1-Rekonstruktionen, sondern werden auch von den Befürwörtern als neue Architektur klassifiziert, die den historischen Gebäuden nachempfunden sind bzw sich in der Fassadengestaltung stark an diesen orientieren.

Den Vergleich mit dem Historismus finde ich auch nur bedingt passend, aber die Schlösser, die da mal standen, gibt es nicht mehr und wird es auch nicht wieder geben.

Ein Gebäude hat in erster Linie eine Funktion und die bestimmt der Bauherr.

Das fatale an dem, was in Berlin in den letzten Jahren pasierte, ist, dass die gewünschte "Funktion" der Wiederaufbaus ist, dass das Schloss wiederaufgebaut wird. Alle Zweck-Überlegungen gingen wie folgt vor: "Wir wollen das Schloss wieder haben, aber was machen wir dann damit?"

Auch hier ist die Situation in Potsdam sehr, sehr ähnlich, obwohl hier schnelle klar war, dass das Schloss das neue Parlamentsgebäude werden soll.

Auf Tabula rasa, wie nach dem 2. WK, (...)

Die Tabula rasa war größtenteils der 2. Wk., nicht das Abreißen danach. ;)

Fürs Schloss stimmts nur eingeschränkt.

(...) wäre zwar Platz für ganz neue Ideen gewesen aber auch diese hatten Vorgänger im Bauhaus etc.

Wurde ja auch versucht, das bekannteste Beispiel aus Berlin:

http://www.berlin-hansaviertel.de/

Für mich als „Aussenstehender“ ist spannend zu sehen, wie sich die Bevölkerung an den Rekonstruktionen repräsentativen Bauten aus den Zeiten der Monarchie erfreut. Anscheinend eine Art „Heimweh“ nach längst vergangenen Epochen. Nach König, Glanz und Pomp. So wie wir das heute in Grossbritannien erleben.

Und ich muss nochmal darauf hinweisen, dass das für einen Teil der Bevölkerung stimmen mag, ebensoviele Menschen aber vom Erhalt des Palastes der Republik erfreut gewesen wären (Da wird das Heimweh dann "Ostalgie" genannt, und meist fallen die Kommentare weniger freundlich aus;)) und weitere einen Neubau bevorzugt hätten.

Fragte ich mal, Funtionalität, ganz gut und schön, aber was ist mit Ästhetik?

Da Ästhetik im Auge des Betrachters liegt, Funktionalität aber ein objektives Kriterium ist...

Scheint doch ganz gut zur "objektiven Sicht" des historischen materialismus zu passen, oder auch anderen linken Weltanschauungen.

Zunächst mal alles Makulatur.

Gestern Tagesschau, Gerichtsentscheid, Wettbewerb muss wiederholt werden.
Der zum Sieger erklärte, hat die Ausschreibung nicht erfüllt.

AAARRRRRGHHHHH!!!!

Und der Alptraum ist immer noch vorbei...

Mal im ernst, wenn "die" es in ZWANZIG Jahren schaffen, den hsitirschen Kern Berlins in eine Baustelle bzw Bauruine zu verwandeln ist nicht zum aushalten. Macht nen Park draus,oder einen großen, großen Pranger für alle an der Stadtplanung Beteiligten, die für die Misere mitverantwortlich sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hat Architektur eine politische Aussage? Ich meine, ja: Bauhaus gehört etwa der linken Ideologie an:

Nein, hat sie nicht. Ich kann mich da nur wiederholen.

Es gibt keine "politische Kunst", wie es auch keine "politische Musik" gibt, etwa eine "antisemitische Musik" von Richard Wagner, dessen Opern wegen antisemitischer Tendenzen des Komponisten in Israel geächtet sind. Kunst an sich ist wertfrei.

Wohl aber gibt es Kunststile, die von bestimmten politischen Gruppen oder führenden politischen Schichten bevorzugt werden. So ist ein monumentaler Neoklassizismus bei Herrschaftsbauten der Nationalsozialisten ganz unverkennbar und auch die sowjetische Elite der Stalin-Ära war in den 40er und 50er Jahren ein einem ganz bestimmten Baustil erkennbar, neben dem es freilich auch andere Stilrichtungen gab.

Dass Architektur an sich wertfrei ist, zeigt auch das Bundesfinanzministerium. Nach Plänen des Architekten Ernst Sagebiel in den Jahren 1935/36 erbaut, war das Haus einer der Prestigebauten des nationalsozialistischen Regimes in Berlin. Hier residierte bis Kriegsende das Reichsluftfahrtministerium; hier war das Machtzentrum Hermann Görings. In der Debatte über Nutzung seitens demokratischer Institutionen wurde bewusst die Entscheidung getroffen, nicht den auf Abbruch drängenden Gutachten zu folgen, sondern den gesamten Baukomplex zu sanieren und für die Öffentlichkeit zu erhalten. Allein die Weiternutzung des Gebäudes bietet die Chance, die eigene Geschichte als Mahnung und Erinnerung für die nächsten Generationen lebendig zu erhalten.
 
@Reinicke, danke für den Hinweis auf das Berlin-Hansaviertel ? Wikipedia. Solche Stadtteile sind in den folgenden Jahrzehnten in vielen Großstädten der ganzen Welt entstanden, wahrscheinlich von der Qualität und der Bandbreite der Gestaltung nicht mit dem Hansaviertel vergleichbar.
Meist wurden nur einzelne Elemente, wie die Hochhäuser, herausgegriffen, die in den 70ern in Beton ausgeführt, heute in vielen Städten die sogenannten Problemstandorte darstellen.
Wie wird die Wohnqualität des Hansaviertels denn heute eingeschätzt?

Das Hansaviertel vermittelt mir den Eindruck, dass die Architektur der Nachkriegszeit sich aus den Vorkriegsideen der Bauhausgruppe entwickelte. Das Postulat von der Entflechtung der Funktionen Arbeiten, Wohnen, Einkaufen und Erholen stammt auch aus jener Epoche und gilt heute fast als überholt.

Bei der Diskussion über die wertneutrale Architektur neige ich Dieters Meinung mit Einschränkungen zu.
Ein Gebäude hat einen Nutz- und Zierwert und kann keine politische Aussage haben. Die Vorgaben des Bauherrn an den Entwurf des Architekten ergeben sich aus der geplanten Nutzung, diese wiederum kann auch politischen Symbolcharakter haben.
Ändert sich die Nutzung, muß das Gebäude nicht abgerissen werden.
Für solche Umnutzungen http://de.wikipedia.org/wiki/Konversion_(Stadtplanung) gibt es viele Beispiele, etwa Kasernen, ehem. Industriestandorte aber auch Schlösser. Es kommt auf die Qualität der Bausubstanz an, ob sich eine Umnutzung, die ja immer mit erheblichen Umbaumaßnahmen einhergeht, lohnt oder ob ein Abriss und Neubau nicht doch kostengünstiger ist.

Allerdings sehe ich bei der Umnutzung doch gewisse Grenzen.
Zu einem politischen Denkmal wie dem Monumento a Vittorio Emanuele in Rom Panoramio - Photo of Monumento a Vittorio Emanuele fällt mir spontan keine andere Nutzungsmöglichkeit ein, obwohl es streng genommen ein Gebäude ist und kein Bauwerk wie das Brandenburger Tor oder der Arc de Triomphe.
 
Ich bin gestern auf einen interessanten Artikel in "Psychologie Heute" gestoßen. Der Architekt und Philosoph Georg Franck schreibt unter dem Titel "Abweisende Neubauten" über das Unbehagen an moderner Architektur, und die Gründe, die er dafür anführt, sind sehr lesenswert. Er meint, dass Menschen, die sich in diesen Bauten oder bei ihrem Anblick nicht wohl fühlen, ihrem Geschmack trauen dürfen. Seine Kritik richtet sich gegen eine Bauweise, die "häufig nicht unterscheidet zwischen den Behausungen für Menschen und Müllcontainer". Das Faszinierende an alten Städten ist nach seiner Meinung nach das Vorhandensein fraktaler Strukturen, wovon sich Menschen angezogen fühlen.
Sehr interessant und mir sympathisch, diese Sicht, lesenswert auch die Verknüpfungen zwischen Architektur und Psychologie.

Der Artikel ist leider nicht online lesbar (was aber aus meiner Sicht verständlich ist), hier nochmal ein Hinweis auf das Heft und den Artikel.

Heft 10/2009: Artikelübersicht - Psychologie Heute
 
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