Schloss-Wiederaufbau - ein deutscher Trendsport?

Ich hab mir am Wochenende ein wenig das Projekt Braunschweiger Schloss angesehen (natürlich nur online) und ich weiß echt nicht was ich dazu sagen soll. Zum einen ist die Fassade ja gut gelungen und viel Originalbausubstanz konnte dafür verwendet werden. Auch die Rekonstruktion der Quadriga ist imposant und beeindruckend.
Aber irgendwie hat diese Kombination aus Schlossfassade und dem dahinterliegenden Einkaufszentrum etwas mehr als Potemkinsches. Man schreitet durch das gewaltige Entree und steht vor einer "New Yorker"-Filiale.

Ist jemand aus dem Forum vielleicht schon dort gewesen? Wie wirkt das ganze wenn man in Natura davor steht?


Ich kenne das Braunschweiger Stadtschloss ganz gut da meine Tochter nur 200 meter von dem Ding weg wohnt.
Ich kenne auch noch den Platz (es war ein kleiner Park) bevor das neue Stadtschloss gebaut wurde.
Jedenfalls gefällt der Bau den Braunschweigern und Besuchern dermassen gut das es dort fast immer voll ist, rechts daneben gibt es ja noch den alten Kaufhof Galleria Kasten der wird immer leerer...

Nun gut, früher hat der Adel diese Protzbauten errichtet, heute ist es eben der Geldadel.
 
Ich bin gestern auf einen interessanten Artikel in "Psychologie Heute" gestoßen. Der Architekt und Philosoph Georg Franck schreibt unter dem Titel "Abweisende Neubauten" über das Unbehagen an moderner Architektur, und die Gründe, die er dafür anführt, sind sehr lesenswert. Er meint, dass Menschen, die sich in diesen Bauten oder bei ihrem Anblick nicht wohl fühlen, ihrem Geschmack trauen dürfen. Seine Kritik richtet sich gegen eine Bauweise, die "häufig nicht unterscheidet zwischen den Behausungen für Menschen und Müllcontainer". Das Faszinierende an alten Städten ist nach seiner Meinung nach das Vorhandensein fraktaler Strukturen, wovon sich Menschen angezogen fühlen.
Sehr interessant und mir sympathisch, diese Sicht, lesenswert auch die Verknüpfungen zwischen Architektur und Psychologie.

Der Artikel ist leider nicht online lesbar (was aber aus meiner Sicht verständlich ist), hier nochmal ein Hinweis auf das Heft und den Artikel.

Heft 10/2009: Artikelübersicht - Psychologie Heute


Und was lässt Böll Frau Fähmel zum Thema äußern?:

"Ich hatte noch nie Respekt vor Bauwerken. Zusammen gebackener Staub, bestimmt zu Ruinen zu zerfallen"

Danke, dass Ihr mich nach Jahrzehnten wieder auf Böll gestoßen habt.:devil:
 
Und was lässt Böll Frau Fähmel zum Thema äußern?:

"Ich hatte noch nie Respekt vor Bauwerken. Zusammen gebackener Staub, bestimmt zu Ruinen zu zerfallen"

Danke, dass Ihr mich nach Jahrzehnten wieder auf Böll gestoßen habt.:devil:

Ich kenne leider noch gar nichts von Böll und verstehe daher auch nicht, was du meinst.
 
Ich kenne leider noch gar nichts von Böll und verstehe daher auch nicht, was du meinst.

aus meinem Beitrag etliche Seiten zurück:
Billard um 1/2zehn von H. Böll.
Architekten-Dynastie. Großvater, Vater, Enkelin + Enkel
Spielt natürlich in Köln. Vater plädiert bei den Wiederaufbauplänen für großräumigen Kahlschlag, ärgert sich nur heimlich, dass er den Dom nicht hochpusten kann. Anhand der Zeichen, die er dabei auf die Pläne kritzelt, identifiziert ihn (die Tochter) der Sohn! als denjenigen, der die Abtei, die Großvater in den 19nuller Jahren erbaute, hochpustete

Die Architektur-Dynastie heißt Fähmel.
Es geht "fast" um das Thema dieses Threads: Soll man alles abreißen,sprengen? soll man alles wiederaufbauen? nur manches?

Und angesichts der hier zum Teil vertretenen These der "politischen Architektur", finde ich die Aussage die Böll Frau Fähmel machen lässt, bemerkenswert.
 
Die Architektur-Dynastie heißt Fähmel.
Es geht "fast" um das Thema dieses Threads: Soll man alles abreißen,sprengen? soll man alles wiederaufbauen? nur manches?

Und angesichts der hier zum Teil vertretenen These der "politischen Architektur", finde ich die Aussage die Böll Frau Fähmel machen lässt, bemerkenswert.

Danke für die Erklärung! Ich habe Böll noch nicht angerührt, weil ich meinte, da muss ich mich vorher erstmal gründlich über die Geschichte der Bundesrepublik informieren,

(und wer schenkt mir ein zweites Leben und die entsprechende Zeit dafür?;))

aber vielleicht wäre Böll ja ein guter Einstieg.
 
Die Architektur-Dynastie heißt Fähmel.
Es geht "fast" um das Thema dieses Threads: Soll man alles abreißen,sprengen? soll man alles wiederaufbauen? nur manches?

Und angesichts der hier zum Teil vertretenen These der "politischen Architektur", finde ich die Aussage die Böll Frau Fähmel machen lässt, bemerkenswert.

Und was lässt Böll Frau Fähmel zum Thema äußern?:

"Ich hatte noch nie Respekt vor Bauwerken. Zusammen gebackener Staub, bestimmt zu Ruinen zu zerfallen"

Wahrscheinlich habe ich Bölls Billard vor vielen Jahren sogar gelesen, erinnere mich aber nicht mehr so gut wie du, Repo. :winke:

Als "ewig" gültiges Architekten-Motto würde ich Bölls Fähmel-Aussagen aber nicht durchgehen lassen, sondern als Spiegel der Nachkriegsaufbauzeit, in der das Buch geschrieben wurde.

Es gibt Umstände, die einen großflächigen Neubau wie nach dem 2. WK ermöglichen, das muß aber nicht bedeuten, das man völlig anders baut als vorher. Man kann auch in bewährter Raumaufteilung, Geschosshöhe und äußerer Form neu bauen. Trotzdem ist das keine Rekonstruktion, denn man verwendet den neuesten Stand der Technik.
Nach den oft negativen Erfahrungen mit der "neuen" Architektur der Nachkriegszeit kann ich es keinem Bauherrn verdenken, wenn er sich für den Architektenentwurf entscheidet, der sich an durch lange Nutzung bewährtes anlehnt anstatt etwas völlig neues zu bauen und zu bezahlen, dass u.U. in 20 Jahren nur noch abgerissen werden kann. Dafür gibt es besonders aus den 70ern Beispiele genug.
Ehemals hochgelobte Großimmobilien können nicht mal umgebaut werden, sondern müssen abgerissen werden. Ganz aktuell stand gestern in meiner Zeitung eine IGS aus den 70ern wird dieses Schicksal ereilen und wird neu gebaut.
Klar, aus Architekt Fähmels Sicht kurbelt das die Wirtschaft an. Bevor ich hier zu tagespolitisch werde, möchte ich lieber auf den, aus der Geschichte bekannten Lebenszyklus von Groß- und Sonderimmobilien zurückkommen.
Aus der vielgeschmähten Gründerzeit stehen noch viele alte Klinkerschulgebäude und diese werden weitergenutzt, es wird an- und umgebaut und instandgesetzt und modernisiert aber niemand sagt, das können wir nur noch abreissen und neu bauen. Warum?

Selbst wenn wir weiter zurückgehen, gibt es diese Nutzungsanpassung http://www.geschichtsforum.de/f77/macht-eine-burg-zum-schloss-19677/

Gestern meine ich noch aktuelles zu dem Thema im GF gelesen zu haben, heute finde ich es nicht wieder. Da wurde sehr schön dargelegt, warum man statt Burgen Festungen baute und wie und wo dieser Wandel stattfand.
Es zerfielen keineswegs alle Burgen zu Ruinen und Staub, wie Frau Fähmel meint, sondern nur überholte Lagen. Andere Burgen wurden umgebaut, auf den neuesten Stand der Technik gebracht.
Die Kirchen sind ein weiteres Beispiel für diese Nachhaltigkeit, die stehen Jahrhunderte an der gleichen Stelle und werden immer wieder auf den aktuellen Stand der Kirchenmode gebracht.

Ich bin gestern auf einen interessanten Artikel in "Psychologie Heute" gestoßen. Der Architekt und Philosoph Georg Franck schreibt unter dem Titel "Abweisende Neubauten" über das Unbehagen an moderner Architektur, und die Gründe, die er dafür anführt, sind sehr lesenswert. Er meint, dass Menschen, die sich in diesen Bauten oder bei ihrem Anblick nicht wohl fühlen, ihrem Geschmack trauen dürfen. Seine Kritik richtet sich gegen eine Bauweise, die "häufig nicht unterscheidet zwischen den Behausungen für Menschen und Müllcontainer". Das Faszinierende an alten Städten ist nach seiner Meinung nach das Vorhandensein fraktaler Strukturen, wovon sich Menschen angezogen fühlen.
Sehr interessant und mir sympathisch, diese Sicht, lesenswert auch die Verknüpfungen zwischen Architektur und Psychologie.

Der Artikel ist leider nicht online lesbar (was aber aus meiner Sicht verständlich ist), hier nochmal ein Hinweis auf das Heft und den Artikel.

Heft 10/2009: Artikelübersicht - Psychologie Heute

Danke Marcia, ich werde versuchen, mir das Heft zu leihen. Wahrscheinlich bewegen wir uns damit zu weit vom Thema Berliner Schloss weg.
Obwohl, nach dem von Floxx verlinkten Artikel, es in der Berliner Mitte sehr emotional zugeht.
 
Aus der vielgeschmähten Gründerzeit stehen noch viele alte Klinkerschulgebäude und diese werden weitergenutzt, es wird an- und umgebaut und instandgesetzt und modernisiert aber niemand sagt, das können wir nur noch abreissen und neu bauen. Warum?

Ein nicht ganz unwesentlicher Grund dafür könnte auch sein, dass deren Architekten mittlerweile verstorben sind.

Ein Architekt hat nämlich das Urheberrecht an seinen Entwürfen und deshalb darf man streng genommen nicht so einfach mal was umbauen, sofern der Architekt nicht einwilligt (das tut er zwar oft, lässt sich das aber i. d. R. versilbern). Dieses Theater hatte z. B. München vor einigen Jahren als es darum ging, ob das Olympiastadium "fußballtauglicher" gemacht werden sollte, was ohne größere Eingriffe in die Gesamtarchitektur wohl nicht möglich war. Dies war dann mit ein Grund, warum da jetzt die "Arroganzarena" rumsteht :).

Viele Grüße,

Bernd
 
Wahrscheinlich habe ich Bölls Billard vor vielen Jahren sogar gelesen, erinnere mich aber nicht mehr so gut wie du, Repo. :winke:

Als "ewig" gültiges Architekten-Motto würde ich Bölls Fähmel-Aussagen aber nicht durchgehen lassen, sondern als Spiegel der Nachkriegsaufbauzeit, in der das Buch geschrieben wurde.

Es gibt Umstände, die einen großflächigen Neubau wie nach dem 2. WK ermöglichen, das muß aber nicht bedeuten, das man völlig anders baut als vorher. Man kann auch in bewährter Raumaufteilung, Geschosshöhe und äußerer Form neu bauen. Trotzdem ist das keine Rekonstruktion, denn man verwendet den neuesten Stand der Technik.
Nach den oft negativen Erfahrungen mit der "neuen" Architektur der Nachkriegszeit kann ich es keinem Bauherrn verdenken, wenn er sich für den Architektenentwurf entscheidet, der sich an durch lange Nutzung bewährtes anlehnt anstatt etwas völlig neues zu bauen und zu bezahlen, dass u.U. in 20 Jahren nur noch abgerissen werden kann. Dafür gibt es besonders aus den 70ern Beispiele genug.
Ehemals hochgelobte Großimmobilien können nicht mal umgebaut werden, sondern müssen abgerissen werden. Ganz aktuell stand gestern in meiner Zeitung eine IGS aus den 70ern wird dieses Schicksal ereilen und wird neu gebaut.
Klar, aus Architekt Fähmels Sicht kurbelt das die Wirtschaft an. Bevor ich hier zu tagespolitisch werde, möchte ich lieber auf den, aus der Geschichte bekannten Lebenszyklus von Groß- und Sonderimmobilien zurückkommen.
Aus der vielgeschmähten Gründerzeit stehen noch viele alte Klinkerschulgebäude und diese werden weitergenutzt, es wird an- und umgebaut und instandgesetzt und modernisiert aber niemand sagt, das können wir nur noch abreissen und neu bauen. Warum?

Selbst wenn wir weiter zurückgehen, gibt es diese Nutzungsanpassung http://www.geschichtsforum.de/f77/macht-eine-burg-zum-schloss-19677/

Gestern meine ich noch aktuelles zu dem Thema im GF gelesen zu haben, heute finde ich es nicht wieder. Da wurde sehr schön dargelegt, warum man statt Burgen Festungen baute und wie und wo dieser Wandel stattfand.
Es zerfielen keineswegs alle Burgen zu Ruinen und Staub, wie Frau Fähmel meint, sondern nur überholte Lagen. Andere Burgen wurden umgebaut, auf den neuesten Stand der Technik gebracht.
Die Kirchen sind ein weiteres Beispiel für diese Nachhaltigkeit, die stehen Jahrhunderte an der gleichen Stelle und werden immer wieder auf den aktuellen Stand der Kirchenmode gebracht.



Danke Marcia, ich werde versuchen, mir das Heft zu leihen. Wahrscheinlich bewegen wir uns damit zu weit vom Thema Berliner Schloss weg.
Obwohl, nach dem von Floxx verlinkten Artikel, es in der Berliner Mitte sehr emotional zugeht.


Bölls Aussage halte ich lediglich für die These der "politischen Dimension" der Architektur für Bemerkenswert.

Zur Gründerzeitarchitektur.
Beim Erdbeben 1978 hat es bei uns ganze Straßenzüge die in jener Zeit erbaut wurden zerbröselt. mussten im Dutzend abgerissen werden.
Was älter ist, Fachwerk, was jünger ist, bewehrter Beton, hat wesentlich weniger Schäden gehabt.
War wohl Baumboom mir allen Murks-Begleiterscheinungen wie immer zu solchen Zeiten. "In den Dreck gebaut" heißt bei uns das Schimpfwort für die Bauten, soll heißen: nicht mal unterkellert.

Wie immer, beim näheren betrachten war die "Gute Alte Zeit" auch schwarz/weiß mit eindeutigem Hang zu grau.
 
Man kann auch in bewährter Raumaufteilung, Geschosshöhe und äußerer Form neu bauen. Trotzdem ist das keine Rekonstruktion, denn man verwendet den neuesten Stand der Technik

Es kommt hier auf saubere Begrifflichkeit an!

Beim Braunschweiger Schloss wurden drei Fassaden unter Verwendung alter Bauteile - z.B. der komplette Portikus - rekonstruiert. Da die Fassaden detailgenau den alten abgerissenen Schlossfassaden entsprechen, kann man also mit Fug und Recht von einer "dreiseitigen Rekonstruktion der Braunschweiger Schlossfassaden" sprechen.

Nicht hingegen kann man von einem "rekonstruierten Schloss" sprechen, denn das ist es nun wahrhaftig nicht.

Die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses erstreckt sich - genau wie beim Braunschweiger Schloss - auf lediglich drei Fassaden, während die rückwärtige Ostseite eine moderne Front des italienischen Architekten Francesco Stella erhält.

Das Innere wird nicht rekonstruiert, abgesehen davon, dass das heutzutage auch keiner bezahlen könnte. Man wird möglicherweise, wie auch in Braunschweig, einige Räume im "alten Stil" herrichten, was vermutlich keine Rekonstruktion bedeutet, sondern lediglich ein anschauliches Beispiel für die Ausstattung und den Stil der historischen Räumlichkeiten ist.
 
Er meint, dass Menschen, die sich in diesen Bauten oder bei ihrem Anblick nicht wohl fühlen, ihrem Geschmack trauen dürfen.
Da stimme ich zu.
Ein Knackpunkt ist hier m. E., daß dieses "unwohl"-Gefühl eigentlich schon über einige Generationen konstant ist. Man kann es also nicht einfach damit abtun, daß sich die Leute nicht vom Altgewohnten trennen können, wie das beim üblichen Wechsel von Moden der Fall ist.
Sondern die moderne Architektur (dieser Stilrichtung) hat ein fortdauerndes Akzeptanzproblem, sie baut systematisch an den Gefühlen und Wünschen der Menschen vorbei.

Übrigens halte ich es nicht für Zufall, daß man genau Gleiches für die in ähnlicher Zeit entstandene "Neue Musik" sagen kann. Auch die hat seit Generationen keine Akzeptanz geschafft, ist ein "Freak-Projekt" geblieben. Aber wenigstens ein unschädliches, da muß man nicht mitmachen, wenn es einem nicht gefällt.
 
Da stimme ich zu.
Ein Knackpunkt ist hier m. E., daß dieses "unwohl"-Gefühl eigentlich schon über einige Generationen konstant ist. Man kann es also nicht einfach damit abtun, daß sich die Leute nicht vom Altgewohnten trennen können, wie das beim üblichen Wechsel von Moden der Fall ist.
Sondern die moderne Architektur (dieser Stilrichtung) hat ein fortdauerndes Akzeptanzproblem, sie baut systematisch an den Gefühlen und Wünschen der Menschen vorbei.

Übrigens halte ich es nicht für Zufall, daß man genau Gleiches für die in ähnlicher Zeit entstandene "Neue Musik" sagen kann. Auch die hat seit Generationen keine Akzeptanz geschafft, ist ein "Freak-Projekt" geblieben. Aber wenigstens ein unschädliches, da muß man nicht mitmachen, wenn es einem nicht gefällt.
Hoi R.A

Ich glaube grad in diesem Punkt täuscht du dich. Ob einem zeitgenössische Architektur ein Unwohlgefühl erzeugt oder nicht hat viel mehr mit Bildung und Wissen zu tun. Und genau hier kranken unsere Schulen. Der musische Unterricht konzentriert sich stark auf Musik und Literatur. Hingegen Architektur, Baukunst, "Design" haben bloss eine marginale Bedeutung.

Die Musik ist ein gutes Beispiel: Noch vor einer Generation war Jazz "Negermusik" und Rockmusik Krach; heute völlig gängig und akzeptiert. Ähnlich verhält es sich beim Möbel- und Autodesign. In den 1970-ern war die Formensprache vom VW Golf (von Giugiaro) oder später vom Ford Sierra (von Bahnsen) ganz spektakulär und fast schon futuristisch. Nach wenigen Jahren haben sich die Leute an die neue Formensprache gewöhnt und sie als völlig normal adaptiert.

In der Architektur ist das seltsamerweise anders. Viele fahren zwar ein ganz modernes Auto und kleiden sich ganz zeitgemäss. Was ihre Häuser anbelangt, haben sie aber hoffnungslos rückwärtsgewandte Ideale. Zwischen dem Design ihrer Häuser und Autos liegen Generationen…

In den 1920-er Jahren war das noch ganz anders – Architektur, Mode und Autodesign standen noch im Einklang.


Gruss Pelzer

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Da hängt wohl auch eine romantische Seele mit drin.

Ich musste damals mein Haus so bauen, dass es "angepasst" ist.
Habe ich eben in meinem garten eine Ritterburg aus lauter kleinen Kieselsteinen gebaut.
Leider kein Foto und der Nachbesitzer hat das abgrerissen, weil zu kitschig.
 
Da hängt wohl auch eine romantische Seele mit drin.

Ich musste damals mein Haus so bauen, dass es "angepasst" ist.
Habe ich eben in meinem garten eine Ritterburg aus lauter kleinen Kieselsteinen gebaut.
Leider kein Foto und der Nachbesitzer hat das abgrerissen, weil zu kitschig.
Sowas habe ich auch schonmal irgendwo in Thüringen gesehen. Fand ich schon als Kind toll, wobei ich mir heute gut vorstellen kann wie schwierig sowas ist, dass es eben auch gut ausschaut.

@ Pelzer

In den 1920ern gab es auch noch eine Mode.

Heute haben wir Stile nebeneinander und dieser Pluralismus ist sicherlich nicht ganz so günstig für die Architektur.

Ich sage jetzt mal als Stichwort Gilly d.Ä.. Der baute klassizistisch, weil das der Zeitgeist war. Pompeji und Winckelmanns Auffassungen, das alles ergab einen Geschmack und eine Ansicht über Kunst, nach welcher man Mode schuf, komponierte, Gebäude entwarf, Parks usw..

Wie würden wir denn heute unseren Geschmack definieren wollen? Was führte dazu, dass dieser nicht in der Form wie noch zur Jahrhundertwende weiterwuchs?

Individualismus ist heute ganz groß geschrieben. Und erlaubt nicht auch gerade dieser, wenn es jemand eher mag, den alten Stilen anzuhängen? (Damit meine ich nicht Reenactment.=))
 
Übrigens halte ich es nicht für Zufall, daß man genau Gleiches für die in ähnlicher Zeit entstandene "Neue Musik" sagen kann. Auch die hat seit Generationen keine Akzeptanz geschafft, ist ein "Freak-Projekt" geblieben. Aber wenigstens ein unschädliches, da muß man nicht mitmachen, wenn es einem nicht gefällt.

Das sind richtige Argumente, die die Abwehrhaltung der Menschen erklären. Moderne Komponisten komponieren am Publikum vorbei, weshalb Konzertsäle und Opernhäuser bei entsprechender Musik leer bleiben, moderne Architekten bauen am Geschmack vieler Menschen vorbei und wundern sich, wenn ihre architektonischen Konstrukte nur bei der einschlägigen Fachwelt Anklang finden.

Es hat sich inzwischen eine immer breiter werdende Kluft zwischen dem Geschmack der breiten Öffentlichkeit und vielen modernen Künstlern aufgetan. Manche Künstler und Architekten sind inzwischen derart abgehoben, dass sie die breite Öffentlichkeit schelten, weil sie nicht in die Lobeshymnen der einschlägigen Fachzünfte einfällt. Doch mit einer solchen Publikumsschelte ist es natürlich nicht getan und auch nicht auf dem Beharren einer elitären Moderne.
 
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Das sind richtige Argumente, die die Abwehrhaltung der Menschen erklären. Moderne Komponisten komponieren am Publikum vorbei, weshalb Konzertsäle und Opernhäuser bei entsprechender Musik leer bleiben,
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moderne Architekten bauen am Geschmack vieler Menschen vorbei und wundern sich, wenn ihre architektonischen Konstrukte nur bei der einschlägigen Fachwelt Anklang finden.
1.
Immerhin gibt es aber in Deutschland die Chance des Regietheaters, dennoch moderne Kunstauffasssung über die Hintertür reinzubringen:still: und das konventionelle Theater (zumindest mein Eindruck) geht daher in Dtl. zumindest an den großen Häusern zurück.
2.
Das mag stimmen. Außer man will sich damit als Hauseigentümer profilieren, dass man den neuesten Trend in der Architektur goutiert.

Wobei für mich immer noch die Frage ist, ob sich nicht der Bauhaus selbst überholt hat und selber eher in die Architekturgeschichte gehört.

Das am Konsumenten/Bewohner vorbeibauen ist natürlich auch immer ein Vorwurf gewesen, der mit dem der Akademisierung der Kunst einher ging. D.h.: Profs an Unis machen die Doktrinen was "modern" ist und nicht der Auftraggeber, welcher diese nur übernehmen darf.
Aber auch so ein Vorwurf ist natürlich beinahe so alt wie die Architektur.
 
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1.
Immerhin gibt es aber in Deutschland die Chance des Regietheaters, dennoch moderne Kunstauffasssung über die Hintertür reinzubringen:still: und das konventionelle Theater (zumindest mein Eindruck) geht daher in Dtl. zumindest an den großen Häusern zurück.

Dein Eindruck ist falsch, denn gerade das "moderne" Regietheater wird seit geraumer Zeit in vielen Zeitungsartikeln und Berichten kritisiert, weil es vielfach nur noch ein Klamauk geltungssüchtiger Regisseure ist.

Wenn du dir solche Produktionen ansiehst - ich kenne sie u.a. aus Berlin, Hannover, Magdeburg, Braunschweig - dann müsstest du wissen, dass das Publikum in allergrößter Mehrheit von solchen Produktionen nicht erfreut ist. Niemand will deshalb zu den alten Vorkriegsbarden und ihren Refisseuren zurück, doch führen viele Regisseure ein solches Theater ad absurdum. Und über Nackte auf der Bühne, Koitus, Ringkämpfe im Schlamm und mehrfache Vergewaltigungen, regt sich inzwischen niemand mehr auf.

Das Publikum ist abgestumpft, und wen wunderts, dass in anderen Staaten Europas und Amerikas niemand das deutsche Regietheater kopieren möchte.

2.
Das mag stimmen. Außer man will sich damit als Hauseigentümer profilieren, dass man den neuesten Trend in der Architektur goutiert.

Wir bauen - mit wenigen Ausnahmen - immer noch im Bauhaus-Stil und das erfreut immer weniger Leute!
 
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Dein Eindruck ist falsch, denn gerade das "moderne" Regietheater wird seit geraumer Zeit in vielen Zeitungsartikeln und Berichten kritisiert, weil es vielfach nur noch ein Klamauk geltungssüchtiger Regisseure ist.


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Wir bauen - mit wenigen Ausnahmen - immer noch im Bauhaus-Stil und das erfreut immer weniger Leute!
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Ich kenne auch Stimmen aus der USA und anderen Staaten, welche sich über das Festhalten am Regietheater in Deutschland amüsieren.

Auf der anderen Seite kenne ich aber auch viele Theaterleute und dass dort die Überzahl weiterhin dem Regietheater anhängt, lässt mich eben bezweifeln, ob es für dieses ein Ende geben kann. Auch neue Regisseure werden doch sicherlich an den Hochschulen wiederum an das Thema herangeführt...

Sich selbst bezeichnen ja die Vorreiter des Regietheaters als modern, während alles andere als Staubis und Ewiggestrige abgeurteilt wird.

Ich bin dann wohl auch ein Staubi. :D

2.
In Freiburg wird viel im Stil der Postmoderne gebaut. Eine Ausnahme ist wohl der neue Klotz in der Nähe von Unterlinden: Jung Projekt Consult :: Quartier Unterlinden Freiburg
 
Habe kürzlich ein Foto eines ganz modernen, gar nicht „krankenhaustypischen“ Krankenhauses gesehen, das mir sehr gut gefiel. Bei diesem modernen Krankenhaus wurde bei aller Schlichtheit viel mit Holz gemacht, und innen gab es viele Grünpflanzen. Ich denke, naturnahe Werkstoffe und eine freundliche, helle Ausstattung können schon viel bewirken.

Und was die Musik angeht, muss ich zugeben – als geradezu Prototyp einer Ungebildeten – dass mich moderne Musik, und nicht nur Rockmusik und Rap (das natürlich sowieso) sehr anspricht. Konkret Orgelmusik – da gehe ich einigermaßen regelmäßig in Konzerte.

Ich mag ja auch die klassischen Orgelstücke, aber viele moderne (nicht alle!) bieten einfach mehr: mehr Klangvielfalt, mehr Nuancen, auch mehr Lautstärke.:D Ich habe, nebenbei gesagt, nicht die geringste musikalische Bildung, kann auch keine Note lesen, für mich zählt allein der sinnliche Eindruck. Ich bin nicht der Ansicht, dass nur Bildung allein - so wichtig und nützlich sie ganz sicher ist - zum ästhetischen Empfinden qualifiziert.

Ein – für mich – besonders abstoßendes Beispiel moderner Architektur ist der Potsdamer Platz in Berlin. Und die Krönung des Monströsen ist der Bahnhof dort, in dem man sich nicht nur verloren fühlt, sondern auch tatsächlich verläuft. (Normalerweise habe ich keine Schwierigkeiten, mich in noch unbekannten Gegenden zu orientieren, aber dort steige ich, wenn es irgend geht, nicht mehr um).
Aber nun schweife ich nicht mehr ab, versprochen.;)
 
Aber die Postmoderne ist doch seit den 1980-er Jahren vorbei! Doch auch in Freiburg - oder?


Gruss Pelzer


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Und was haben wir nun? :confused:

Bei manchen Architekten war ja nichtmal die Postmoderne angekommen.

Also gesprengte Giebel, Säulen etc. als Stilmittel der Postmoderne werden in Freiburg noch verwendet.:grübel:

Und pelzer muss scheinbar nachsitzen: http://de.wikipedia.org/wiki/Postmoderne_Architektur

Nachdem sich die 1990er Jahre gestalterisch anscheinend von der dekorativen Postmoderne abgewandt hatten, scheint es nun eine Renaissance zu geben. Dabei spielen auch kommerzielle Interessen bei der Gestaltung bzw. Dekorierung der Gebäude eine immer größere Rolle.
Aus dem Artikel.
 
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