anderer Menschenbilder
Hallo zusammen, hallo marcia.
Ich waage die nächsten Überlegungen:
Meine
These vom Wandel zum psychologischen Menschenbild schließt im Grunde eine Vorgabe ein. Nämlich dass es zuvor ein anderes Menschenbild gab. Also stelle ich mir die Frage ist dem so und wenn welche wären das. Ich denke fündig geworden zu sein. Allerdings ufert mir die Argumentation zu einer grundsätzlichen Ideenkritik an der Moderne an sich aus.
So weit ich ausmachen kann, bestimmen das 20te Jahrhundert drei große Ideologien:
Sozialismus, Nationalsozialismus und parlamentarische Demokratie. Alle drei Ideologien sind im Verlauf des 20ten Jhd. verwirklicht worden. Alle drei Ideologien haben ihr Menschenbild, in Theorie und in "Praxis". (Das ist eine grobe und vereinfachende Darstellung. Sozialismus als Theorie ist nicht gleich Stalinismus in der Praxis. Und so weiter. Jedoch hoffe ich, dass man meiner grundsätzlichen Ideengeschichtlichen Dreiteilung folgen kann.)
Menschenbilder/Menschenideale:
sozialistisch: Überwindung der Klassengesellschaft. Gleichheitsideale.
nationalsozialistisch: Blut und Boden Ideologie. Rassenideologie.
parl. Demokratie: Rechtsstaat. Gewaltenteilung. kein "idealer" Mensch (und insofern ist die parl. Demokratie als einziges Modell nicht recht als Ideologie zu bezeichnen?! Ihr fehlt eben genau der "ideale Mensch"!)
(Einschub: Allerdings gibt es auch "Gleiches" in allen drei Richtungen. In erster Linie ein Zugang zu Technik und Rationalität, bedingt zur Wissenschaftlichkeit. (Stichwort: Rassenideologie als so erklärte biolog. Wissenschaft) Es ist ja gerade die technoide Rationalität die am Holocaust so verstört. Es war ja kein affektives "Wüten", sondern eine rational durchorganisierte Massentötung. Ich habe hier ein Büchlein liegen mit dem Titel Die "Blut und Boden" - Ideologie. Ein dritter Weg der Moderne. (Margit Bensch. Herausgeg. Eisel/Trepel TUBerlin TUMünchen
http://www.wzw.tum.de/loek/lehrstuhl/schriftenreihe/band.php?band_nr=2) Daraus würde sich eine ander Diskussion ableiten. Ob wir hier drei Wege der Moderne mit Beziehungen zueinander haben, oder völlig "gegensätzliche" Modelle.)
Die "praktischen" Auswirkungen der Menschenbilder des Sozialismus (Stalinismus) und Nationalsozialismus (Hitlerismus) will ich hier nicht nochmal umfassend aufzählen. Dafür hat es andere Threads. Aber als Ergänzung will ich kurz Beispiele aus der Architektur anreissen. Speers Vorstellungen von Germania sind mittlerweile relativ weit bekannt: Er hätte ein ziemliches Stück Berlin dem Erdboden gleichgemacht, um Nazi-Herrschaftsarchitektur zu errichten. Weniger bekannt sind die Planungen/Ideen des französischen (und im Besten Sinne sozialistischen) Planers Le Corbusier. Er wollte halb Paris niederreissen, um eine neue Stadt für den neuen Menschen zu errichten. Eine soziale/sozialistische Idealstadt. Die Westdeutsche Architekturrealität kennen wir alle. Natürlich wurde viel Schrott gebaut, aber niemand hat ganze Städte platt gemacht um ein neues Nachkriegsdeutschland zu errichten. Das Leitbild war nicht mehr länger "ideal". Der einzelne Mensch wurde mehr und auf realistischere Weise in den Mittelpunkt von Städtebau und Architektur gerückt. (Falls ein Architekt mitliesst: ich liebe die Bauten von Le Corbusier, selten sinnlicheren Beton gesehen. Aber sein sozialistischer Städtebau lässt einen mächtig mit den Ohren schlackern...
)
Ich komme immer stärker zu der Auffassung, dass "die 68er" - 20 Jahre nach Staatsgründung der BRD - nur ein Teilphänomen der breiten Demokratisierung der BRD sind. (Allerdings waren sie ein lautstarkes Phänomen. Vielleicht werden sie deshalb bevorzugt wahrgenommen.) Auf dem Grund der Demokratisierung sehe ich ein realistischeres Menschenbild hervortreten. Dem
realistischeren Menschenbild - eben ein nicht-idealistisches Menschenbild - entspricht die wissenschaftliche Psychologie (Wohl zumindest ab und mit Freud.) Nicht der Mensch wird einem Ideal angepasst, sondern die Idealvorstellungen von Mensch werden aufgegeben. Dafür darf ein "realistisch aufgefasster" Mensch in "realistischer" Gesellschaft sein. Und die Psychologie ist die Wissenschaft, welche versucht den "als realistisch aufgefassten" Menschen zu beschreiben. Und insofern erscheint mir die
Psychologie als DIE (oder zumindest als eine der unverzichtbaren)
Schlüsselwissenschaft für eine zeitgemässe, auf den real existierenden Menschen ausgerichtete, demokratische Gesellschaft.
Noch ein Link, ist mir bei der Recherche nach den Dogon/Mali über den Weg gelaufen. Paul Parin - er erscheint mir als ein Protagonist in dessen Lebenslauf sich eine Menge unserer Fragestellung spiegelt. Ich erkenne an diesem Mann und an einem derartigen Lebnslauf mehr "revolutionäre Veränderung" als in manchem 68er!
http://www.bbpp.de/altaufgelesen/parin121299.htm
(Ich bin jetzt nicht im Einzelnen auf Deine Worte marcia eingegangen. Ich hoffe Du entdeckst wie ich ein Menge parallelen an Gedanken... der individualiustische Mensch geht ja erst, wenn der ideale Mensch abg`schafft ist!!!
:winke: )
Herzlicher Gruß, Martin