Sind Österreicher "Deutsche"?

Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Deshalb achtet die Moderation auf die Einhaltung der Forenregeln, auf die oben schon von Dieter und Brissotin hingewiesen wurde:

"Für Diskussionen über aktuelle politische Themen ist das Geschichtsforum nicht der richtige Platz. Ebensowenig ist das Forum eine Plattform für politische, religiöse und sonstige weltanschauliche Glaubensbekenntnisse."
 
Der Verweis auf die Niederlande ist für mich genau der Punkt. Die staatliche Entwicklung von Deutschland und Österreich war bis ins 19. Jahrhundert verknüpft und die Trennung erfolgte anders als die der Niederlande im 16. und 17. Jahrhundert.
Nach dem ersten Weltkrieg war sogar der Wunsch nach Vereinigung da, er wurde aber von außen unterdrückt. Deswegen war der Anschluss 1938 auch mehr von der Politik beeinflusst als im Grundsatz ein Problem. Erst die Nachkriegsgeschichte verfestigte die Eigenständigkeit.

Die Zusammengehörigkeit vieler Staaten (Nationen) in einem europäischen Gebilde läuft dagegen anders ab. Kulturelle Eigenständigkeit und definierte Eigenbestimmtheit stehen nicht in einem Widerspruch zu Vereinheitlichungen in vielen Bereichen (leider driftet dieser Punkt zu leicht in die Tagespolitik, deswegen stoppe ich hier).

Was die Sprache angeht, so läuft die Entwicklung nicht mehr wie früher staatlichen Entscheidungen (z.B. in der Schulpolitik) hinterher, über die Medien kommen Entwicklungen ohne oder z.B. sogar gegen staatliche Maßnahmen in Gang.
 
Danke für den Hinweis, ich bin neu hier im Forum. Aber die Grenze zwischen der Geschichte und gegenwärtigen politischen Fragen ist fließend.

Das ist sicher richtig.

Ich wollte auch nur davor warnen, hier eine tagespolitische Debatte zu beginnen. :winke:

Das Thema selbst können wir endlos fortführen.
 
Der Verweis auf die Niederlande ist für mich genau der Punkt. Die staatliche Entwicklung von Deutschland und Österreich war bis ins 19. Jahrhundert verknüpft und die Trennung erfolgte anders als die der Niederlande im 16. und 17. Jahrhundert.

Es gibt vielfältige Gründe für nationale Abspaltungen: politische, kulturelle, religiöse, ethnische u.a.

Sicher sind die nationalen Wege der Schweiz, der Niederöande und Österreichs nur bedingt miteinander vergleichbar. Aber welches auch die Ursachen sind, das Ergebnis ist bei allen drei Nationen das gleiche: eine Abspaltung von Deutschland (oder vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation). Die Wege der Schweizer und Niederländer verliefen seither getrennt und sie werden auch im Hinblick auf Österreich getrennt verlaufen.
 
Sezessionen in Europa

Wir haben hier über die Abspaltung der Niederlande, der Schweiz und Österreichs von Deutschland diskutiert. Auch heute gibt es in Europa viele Abspaltungsbewegungen. Die Schotten und Katalanen wollen selbstständig werden, die Flamen wollen sich von den Wallonen trennen, und irgendwann wollen möglicherweise die Südtiroler zurück zu Österreich.

Es ist bemerkenswert, dass es bei uns in Deutschland (wenn man von dem hier diskutierten Fall Österreich absieht) keine Sezessionsbewegungen gibt, trotz der schwierigen jüngsten Geschichte. Es ist bemerkenswert, dass es selbst in Bayern nie einen ernst zu nehmenden Separatismus gab. Woran das wohl liegt?

P.S. Diese Frage möchte ich vor dem Hintergrund der Geschichte stellen und nicht tagespolitisch :winke:
 
Nicht nur die Dialekte in Österreich haben dieses Problem, sondern auch die in Deutschland. Das symptomatische Tschüss hat seinen Siegeszug von Norddeutschland über Süddeutschland bis nach Österreich angetreten. Das Servus der Süddeutschen und Österreicher hält sich aber immer noch tapfer.

In Norddeutschland leidet dafür das früher üblichere Sonnabend und wird durch Samstag verdrängt. Darüber habe ich mal ein paar Norddeutsche lamentieren gehört.

Sprache entwickelt sich. Die beiden treibenden Kraftpole sind dabei Ökonomisierung auf der einen und Differenzierung auf der anderen Seite. Wer einen Sprachstand erhalten will, ob grammatisch oder lexikalisch, der muss ihn auch gegen den Trend aktiv nutzen.

Das Gegenteil ist der Fall, wie das Beispiel der Schweizer und Niederländer zeigt, die sich mit dem Westfälischen Frieden 1648 vom Heiligen Römischen Reich trennten.

Die Tendenz zur Abgrenzung vom großen deutschen Nachbarn ist danach nicht kleiner geworden - ganz im Gegenteil.

Ja, aber diese Beispiele liegen Jahrhunderte zurück. Die Abgrenzung Österreichs begann erst von knapp 70 Jahren und vor allem als Reaktion auf den verlorenen Krieg und die nationalsozialistische Diktatur.

Auf der anderen Seite gibt es bei uns keinerlei Sezessionsbewegungen, selbst die Bayern pochen zwar auf ihre Besonderheiten, stellen aber die Zugehörigkeit zu Deutschland nie in Frage.

Zum Thema Sprache und Abgrenzung fällt mir folgendes ein:
[...]
In der Schweiz ist es auch nicht ganz einfach, dort setzten sich die deutschschweizerischen Dialekte zu Lasten des Hochdeutschen immer mehr im Alltag durch. Heute wird in Situation Dialekt gesprochen, in denen man früher Hochdeutsch sprach. Nicht sehr freundlich den französisch- und italienischsprachigen Landsleuten gegenüber.

Von Jahrhunderten kann man eigentlich nicht sprechen. In der Schweiz hat sich das Deutsche in den 20er und 30er Jahren an den Standard angeglichen. Als man aber von Seiten der Nazis immer aggressivere Töne hörte, die auch nach Vereinahmung aller Deutschsprachiger ins Reich handelten - unerheblich, ob dass Teil der Reichspolitik war oder von zweitrangiger Naziprominenz geäußert wurde - da hat es eine Rückbesinnung auf die eigenen Varietäten gegeben. Gerade Vereinnahmungstendezen, die über die Köpfe der Betroffenen hinweg laut geworden sind, haben hier geradezu zu gegenläufigen Bewegungen geführt.
 
Deutschschweizer Dialekte und Hochdeutsch

El Quijote schrieb: "In der Schweiz hat sich das Deutsche in den 20er und 30er Jahren an den Standard angeglichen." und: ..."Als man aber von Seiten der Nazis immer aggressivere Töne hörte, die auch nach Vereinnahmung aller Deutschsprachiger ins Reich handelten...".

Ich habe mehrere Jahre in der deutschen Schweiz gelebt und gearbeitet. Ich habe das Verhältnis des Dialektes und der Hochsprache in der Schweiz erlebt. Mir erzählten ältere, gebildete Schweizer, dass bei ihnen zu Hause bis in die 60er Jahre am Mittagstisch die Konversation häufig auf Hochdeutsch gehalten wurde. Die gleichen Leute beschwerten sich über die schlechten Kenntnisse der Hochsprache bei vielen ihrer Landsleute. Als regelmäßiger Leser der Neuen Zürcher Zeitung bekam ich mit, wie kontrovers die Ausbreitung des Dialektes kommentiert wurde. Wohlgemerkt dies alles fand lange mach dem Zweiten Weltkrieg statt.
Eine negative Konsequenz der Verdrängung des Hochdeutschen in der Schweiz ist, dass viele Westschweizer kaum noch Deutsch lernen (wie sollen sie auch, wenn alle nur Dialekt sprechen) und die Deutschschweizer immer weniger Französisch. Man verständigt sich mehr und mehr auf Englisch!
 
Die Entwicklung einer Österreichischen Identität die sich nicht mehr als deutsch versteht ist eine Entwicklung seit dem 1945, von der Politik gefördert und bei jeder Gegebenheit wurde die Besonderheit von Österreich im Vergleich zu Deutschland gefördert (Probleme wie Salzburg das bis Napoleon ein eigener Staat war ausgeklammert)

Dafür gibt es mehrere Gründe.

- Der neue Staat sollte legitimiert werden und sich nie wieder an Deutschland anschließen.
- Die Österreicher wollten lieber die ersten Opfer als Täter sein.
- Das Leid des Krieges hatte das Deutschtum diskreditiert.
- Nicht zuletzt war die Situation im 19. Jahrhundert anders, man konnte stolzer Österreicher sein und sich als Teil einer größeren Deutschen Nation sehen, denn es gab ja die Bayern, Preußen, Hessen e.t.c. Es gab Wallachen und Moldavier mit denen in der Donaumonarchie als Teil der Rumänen, Serbien und Montenegro die sich als ein serbischen Volk verstanden+diejenigen im Osmanischen Reich und in der Donaumonarchie. Im heutigen Denken ist für sowas immer weniger Platz.

Neben dem Kosovo fällt mir nicht ein in welchem europäischen Staat sich die Mehrheit der Bevölkerung als Teil der anderen sieht. Moldawien und Montenegro mit vielen Leuten die sich als Rumänen und Serben sehen ( Ähnliche Beispiele wie Österreich) einmal abgesehen wo die Situation mitten in der Nationenbildung ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Wege der Schweizer und Niederländer verliefen seither getrennt und sie werden auch im Hinblick auf Österreich getrennt verlaufen.
Ich denke, die Wege werden sich eher annähern ohne die Abgrenzung zwischen Deutschland und Österreich zu ändern. Soll heißen, es wird vieles auf beiden Seiten der Grenze gleich sein, aber die Grundlagen dazu werden von getrennten Verwaltungen/Parlamenten geschaffen.

Die Entwicklung einer Österreichischen Identität die sich nicht mehr als deutsch versteht ist eine Entwicklung seit dem 1945
Ich sehe die Entwicklung nicht erst seit 1945, auch wenn sie dann Fahrt aufgenommen hat.
 
Südtirol

Neben dem Kosovo fällt mir nicht ein in welchem europäischen Staat sich die Mehrheit der Bevölkerung als Teil der anderen sieht. Moldawien und Montenegro mit vielen Leuten die sich als Rumänen und Serben sehen ( Ähnliche Beispiele wie Österreich) einmal abgesehen wo die Situation mitten in der Nationenbildung ist.

Ein weiteres Beispiel ist Südtirol. Dort sieht sich die Mehrheit der Bevölkerung, von ihrer Volkszugehörigkeit her, nicht als Italiener, sondern als Deutsche. Man fühlt sich mit den Nordtirolern verbunden, mit denen man vereint war, bis die Sieger des Ersten Weltkrieges die Südtiroler willkürlich Italien zuschlugen, ohne die Betroffenen zu fragen. Interessant im Zusammenhang mit dem Thema dieses Stranges ist, dass sich die deutschen Südtiroler selbst als deutsch bezeichnen und nicht etwa als "österreichisch", obwohl sie, falls sie sich von Italien lösen würden, wohl in ihrer großen Mehrheit für eine Rückkehr zu Tirol und Österreich wären.
 
Die Schweiz und der Begriff "Deutsch"

Die deutschsprachigen Schweizer bezeichnen sich selbst als "Deutschschweizer" und nicht etwa als "deutschsprachige" Schweizer. Das Gebiet in denen sie leben wird "deutsche" Schweiz genannt, und nicht etwa "deutschsprachige" Schweiz. Hier hat sich trotz der langen Selbständigkeit der Begriff "Deutsch" gehalten, der ja in diesem Zusammenhang semantisch nicht nur die Zugehörigkeit zu einer Sprachgruppe, sondern zu einem Volk beinhaltet.

Bemerkenswert ist, dass sich die französischsprachigen Schweizer selbst als "Suisse romande" und nicht als "französische" Schweizer bezeichnen und die Tessiner als Tessiner und nicht als "italienische" Schweizer.

Das alles ist ein wenig akademisch, aber doch im Zusammenhang mit dieser Diskussion interessant.
 
Das Gebiet in denen sie leben wird "deutsche" Schweiz genannt, und nicht etwa "deutschsprachige" Schweiz. Hier hat sich trotz der langen Selbständigkeit der Begriff "Deutsch" gehalten, der ja in diesem Zusammenhang semantisch nicht nur die Zugehörigkeit zu einer Sprachgruppe, sondern zu einem Volk beinhaltet.
Wieso bezeichnet dieser Begriff in diesem Zusammenhang die Zugehörigkeit der Deutschschweiz zum deutschen Volk?
 
Der Begriff "Deutsch"

Wieso bezeichnet dieser Begriff in diesem Zusammenhang die Zugehörigkeit der Deutschschweiz zum deutschen Volk?

Ich habe über den Unterschied von "deutschsprachig" und "deutsch" geschrieben. Semantisch geht für mich der Bergriff "deutsch" über die Zugehörigkeit zu einer Sprachgruppe hinaus, er bezeichnet sowohl die Zugehörigkeit zu einem Staat, in diesem Fall zu Deutschland, aber eben auch im weiteren Sinn zu einem Volk. Denn nicht nur die Schweizer benutzen diesen Begriff sondern auch die Südtiroler. Und beide gehören unzweifelhaft nicht zur Bundesrepublik Deutschland.
 
Die Frage war:
Wieso bezeichnet dieser Begriff in diesem Zusammenhang die Zugehörigkeit der Deutschschweiz zum deutschen Volk?
 
Die Frage war:
Wieso bezeichnet dieser Begriff in diesem Zusammenhang die Zugehörigkeit der Deutschschweiz zum deutschen Volk?

Ich habe das schon verstanden. Vielleicht liegt es auch am Begriff "Volk", der missverstanden werden kann. Nehmen wir also das Fremdwort "Ethnie".
Gehören die Deutschschweizer nun ethnisch gesehen genauso wie die Deutschen zur gleichen ethnischen Gruppe? Oder sind sie ein Volk für sich?

Die Sache ist also kompliziert, was die Bedeutung der Begriffe Volk oder Ethnie betrifft. Die Schweiz ist dabei ein interessantes Beispiel. Sie ist ein souveräner Staat. Die Deutschschweizer sehen sich selbst nicht als "Deutsche", bezeichnen sich selbst aber als Deutschschweizer in Abgrenzung zu den anderen ethnischen Gruppen in der Schweiz. Sind sie nun eine ethnische Gruppe für sich, oder sind sie zumindest ethnisch verwandt mit den Deutschen und Österreichern?
 
Und was hat das jetzt mit der Geschichte Österreichs zu tun? :grübel:

Viel spannender fände ich, ob sich die Österreicher meinetwegen im 17.Jh. selber als Österreicher sahen oder ob man sich bspw. eher als Vorarlberger betrachtete.
 
Und was hat das jetzt mit der Geschichte Österreichs zu tun? :grübel:

Viel spannender fände ich, ob sich die Österreicher meinetwegen im 17.Jh. selber als Österreicher sahen oder ob man sich bspw. eher als Vorarlberger betrachtete.

Der heutige Begriff der Nation entstand erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Auch in Deutschland. Man denke an die Burschenschaften, die Einigungsbewegung, die in die 48er Revolution mündete und die Farben Schwarz-Rot-Gold, die damals entstanden. Damals gehörten die Österreicher noch dazu, sie waren Deutsche.

Vorher bis zum 19. Jahrhundert waren die landmannschaftlichen Bezüge wahrscheinlich wichtiger. Man fühlte sich wahrscheinlich eher als Tiroler als als Österreicher. Aber es gab sicher schon damals auch das Bewusstsein zum gemeinsamen deutschen Volk zu gehören.
 
Der heutige Begriff der Nation entstand erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Auch in Deutschland. Man denke an die Burschenschaften, die Einigungsbewegung, die in die 48er Revolution mündete und die Farben Schwarz-Rot-Gold, die damals entstanden. Damals gehörten die Österreicher noch dazu, sie waren Deutsche.

Ich sehe bei dir die ständige Tendenz, die Österreicher um jeden Preis eindeutschen zu wollen. Warum?

Fakt ist: Im 20, Jahrhundert hat sich unzweifelhaft eine österreichische Identität entwickelt. Vorherrschend bei der Bevölkerung ist die Vorstellung einer eigenständigen österreichischen Nation.
Was gibt's dazu noch weiter zu hinterfragen?
 
Ich sehe bei dir die ständige Tendenz, die Österreicher um jeden Preis eindeutschen zu wollen. Warum?

Fakt ist: Im 20, Jahrhundert hat sich unzweifelhaft eine österreichische Identität entwickelt. Vorherrschend bei der Bevölkerung ist die Vorstellung einer eigenständigen österreichischen Nation.
Was gibt's dazu noch weiter zu hinterfragen?

Nein, in meinem letzten Beitrag sprach ich vom 19. Jahrhundert. Damals fühlten sich die Österreicher ohne Zweifel als Deutsche. In früheren Beiträgen, nicht nur von mir, war man sich weitgehend einig, dass sich ein österreichisches Nationalbewusstsein, in Abgrenzung zu den Deutschen, erst als Ergebnis des Zweiten Weltkrieg entwickelt hat. Ich will die Österreicher nicht eindeutschen, aber die lange gemeinsame Geschichte kann man auch nicht ignorieren.
 
Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Zurück
Oben