Ja, falls der Produzent den Mitwirkenden einen Vertrag aufsetzt, wonach sie verlangen können, dass ihre Redebeiträge ungeschnitten übernommen werden. Wie bescheuert müsste dieser Produzent sein?
Es gibt Fälle, in denen sich Historiker aus dem Abspann haben entfernen lassen. Und bei den Interviews ist es üblich, vor der Veröffentlichung den Wortlaut autorisieren zu lassen. Zumindest Politiker halten es so.
Ob ein Gerücht gern geglaubt wird oder nicht, hat nicht unbedingt etwas mit seinem Wahrheitsgehalt zu tun.
Eben – damit ist beinahe alles gesagt: Der Wahrheitsgehalt interessiert weniger, Hauptsache es passt in unsere Vorstellungswelt. Und diese Vorstellungswelt hat sich jeder Einzelne nicht aus den Fingern gesogen, sondern vermittelt bekommen – was Historie betrifft, hauptsächlich in der Schule.
Mag sein, dass in der Schule jetzt weniger auf Daten, Kriege und Könige etc. eingegangen wird, aber früher war es definitiv so: Kann noch heute z.B. sagen, wann der Peloponnesischer Krieg stattfand oder wann Alexander der Große gestorben ist.
Prof. erzählt von der Produktion zur ZDF-Sendereihe Die Deutschen: Expertentext ca. 90 Sekunden (auf 45 Minuten Dokumentation).
90 Minuten sind üblich, sind es mehr, besteht die Gefahr, dass Zuschauer wegschalten. Auch im Radio gibt es diese Grenze für Wortbeiträge. Das ist zwar ärgerlich, aber das ist Realität.
Von ihm zum Thema Varusschlacht kein Wort, ist aber in der Doku insgesamt die affirmativ behandelte Kernthese.
Auch das ist natürlich ärgerlich, aber Solches kann man gewöhnlich im Vorfeld abklären, schließlich gibt zu einer so großen Doku wie dieser auch ein Plot, aus dem hervorgeht, wohin die Reise gehen wird.
Unser Bild von Caligula ist doch gerade von solchen Geschichten wie die mit dem Pferd als Konsul geprägt. Sie erzählen uns also nur dann etwas Wahres über den Kaiser und die damalige Zeit, wenn sie auch wahr sind. Wenn sie nicht wahr sind und man das nachweisen könnte, sollte sich unser Caligula-Bild entsprechend ändern, wahrscheinlich nicht um 180 Grad, aber es würde wohl doch etwas differenzierter ausfallen.
Selbst wenn man gesagt bekommt, das über Caligula und sein Pferd sei nur ein Gerücht, wird dieses trotzdem weiter kolportiert – weil es so schön passt zum Bild eines „verrückten“ Kaisers. Kaum jemand interessiert sich für Normalität oder normale Menschen, das Außergewöhnliche ist Trumpf. Schon immer gewesen.
Und: Bis sich ein Geschichtsbild ändert, dauert es Jahrzehnte, bis Unterrichtsmaterialen geändert sind und (alte) Geschichtslehrer sie auch benutzen.
PS: Erst
gestern habe ich gelesen, dass der Holschnitt eines Rhinoceros von Dürer aus dem Jahr 1515 250 Jahre die Vorstellung der Europäer von dem zweitgrößten Landsäugetier der Welt prägte, obwohl es falsch war und es zur gleichen Zeit, also auch 1515, eine bessere, weil wirklichkeitsnahe Abbildung von Hans Burgkmair gab.