Eine Gleichstellung ist aber etwas anderes als ein Vergleich. Es gibt ja auch z.B. vergleichende Genozidforschung, da findet auch keine Gleichstellung von Völkermorden statt.
Würdest du auschliessen, dass es durchaus schwarze Sklaven im Süden gab, die, weil sie einen vergleichsweise humanen und unter den Umständen der Zeit "anständigen" Besitzer hatten, unter objektiv besseren Bedingungen lebten, als so mancher "freier" Industriearbeiter im Norden?
Natürlich ist das keine moralische Rechtfertigung für Sklaverei, hat hier meiner Meinung nach auch niemand behauptet.
Angenommen man wollte das tun, wäre zu fragen, was denn objektiv bessere Bedingungen seien?
Wie gesagt, lebten Sklaven in der ständigen Gewissheit jederzeit irgendwo hin verkauft, von ihren Familien, so sie welche hatte getrennt werden zu können und mit einem, sehr eingeschränkten Ausmaß an persönlicher Bewegungsfreiheit.
Wie genau möchtest du das objektiv mit den Umständen freier Arbeit sauber vergleichen?
Man kann aber z.B. durchaus die Frage stellen, ob der Norden mit seiner industrialisierten Wirtschaft, die auf brutaler Ausbeutung der Arbeiter beruhte in jedem Fall moralisch so viel höher stand als der Süden mit seiner Agrarwirschaft, die auf Sklaverei beruhte.
Mindestens was die Erwachsenen angeht, die sich auf eigene Veranlassung in diesem Bereich verdingten, stand sie moralisch deutlich höher als die Sklaverei im Süden, weil sie eben das Recht sich frei zu bewegen, sich aufzuhalten, wo einem beliebte und seine Arbeit, mindestens theoretisch frei wählen zu können, nicht tangierte, im Gegensatz zur Sklaverei.
Für ernsthaft diskussionswürdig würde ich das nur im Fall von (gefährlicher) Kinderarbeit halten, wo die "Freiwilligkeit" der Ausführung der Arbeit, dann zu hinterfragen wäre.
Meiner Ansicht nach, sollte, wenn man das Thema Kinderarbeit als eigenes Thema einmal ausklammert, unstrittig sein (so man dies moralisieren wollte), das die freie Arbeit grundsätzlich besser weg kommt, als unfreie Arbeit. Die Frage der moralischen Fallhöhe, gemessen daran, dass die Arbeit in einer Fabrik genau so den Körper zerstören und den Tod bringen konnte, wie das Arbeiten auf den Plantagen, wäre dann eine Andere.
Dabei kann es nicht darum gehen, es gegeneinander aufzurechnen, sondern lediglich darum die Zeitumstände zu verdeutlichen auch im Hinblick auf Gewaltkontexte und das allgemeine Lebensniveau zu verdeutlichen.
Damit sollt nicht die Sklaveri entschuldigt werden, es ist aber eben auch ein Indikator dafür, die Gleichgültigkeit, die es vielerorts gegenüber der Sklaverei gab zu verstehen.
Was mich noch interessieren würde:
Welchen Rechtsstatus hatten freigelassene Sklaven im Süden? Man war ja eben eigentlich ein freier Bürger, aber wurden Schwarze überhaupt als Bürger anerkannt, selbst wenn sie keine Sklaven waren? Oder galt jeder Schwarze einfach nur weil er schwarz war per se immer als Person, die versklavt werden darf, so dass z.B. ein freigelassener Sklave theoretisch von einem anderen Weissen wieder legal versklavt werden durfte?
"Freier Bürger" würde das volle Bürgerrecht und damit dann auch das Wahlrecht implizieren, so weit wollten in weiten Teilen nicht einmal die Abolitionisten gehen.
Es war nicht legal jemanden, der sich durch Vorweisen von Entlassungsdokumenten als Freigelassener ausweisen konnte, wegen seiner Hautfarbe oder sonst etwas wieder zu versklaven.
Rassistische Weltbilder diehnten speziell im späten 18. und 19. Jahrhundert (davor war die Begründung eher religiös unterfüttert) dazu den Fortbestand der Sklaverei zu rechtfertigen.
Den festgeschriebenen Status einer Person als Sklaven, in den sie hineingeboren wurde zu akzeptieren, ist allerdings noch immer etwas anderes, als das aktive Versklaven von freien Menschen, die diesen Status auch nachweisen konnten, zu tolerieren.
Insofern genossen freigelassene Schwarze eingeschränkte Rechte. Sie der Sklaverei wieder zuzuführen war nicht legal, was nicht bedeutet, dass es es nicht vereinzelt Versuche gegeben hätte genau das zu tun und was ebenfalls nicht bedeutet, dass vor Ort von der Bevölkerung nicht toleriert wurde, was nach dem Gesetz illegal war.
Gab es eigentlich von Seiten der Kräfte in den USA, welche die Sklaverei landesweit abschaffen wollten auch Konzepte, wie dies langfristig gelingen konnte? Dass die südlichen Bundesstaaten, deren Wirtschaft ja auf der Sklaverei beruhte, diese nicht von heute auf morgen einfach abschaffen würde und auch könnte, dürfte ja eigentlich auch Lincoln und Co. klar gewesen sein. Das hätte dann langfristige wirtschaftliche Reformen gebraucht. Und einen blutigen Bürgerkrieg, an dessen Ende dann die Sklaverei über Nacht abgeschafft wird, wollten doch wohl auch die Gegner der Sklaverei eigentlich nicht.
Naürlich gab es Abolitionisten, die mit dem System der Sklaverei landesweit auf Kriegsfuß standen, diese stellten vor dem Bürgerkrieg allerdings eine Minderheit dar.
In welcher Art Reformen? Das unterstellt, dass der Staat dezidierte, lenkende Eingriffe in die Ausgestaltung der Wirtschaft vornehmen würde. Das sind zum einen Vorstellungen, die so erst dem 20. Jahrhhundert zuzuschreiben sind, im 19. Jahrhundert sind, was solche Eingriffe angeht Schutzzölle und in teilen Audbau staatlicher Bahn- und Kommunikationslinien in solcher Hinsicht das höchste der Gefühle.
Weiterhin verkennt das auch den Charakter der USA als Bundesstaat. Die Zentralregierung in Washington hatte, selbst wenn es solche Gedanken gegeben hätte, überhaupt keinerlei Befugnisse gehabt die Wirtschaft in den Einzelstaaten im Süden neu zu ordnen.
Da liegt dann auch weiterhin eine Fehleinschätzung vor, was Lincoln und den Bürgerkrieg angeht. Du stellst dir das hier so vor, als wenn Lincoln und Konsorten ultimativ unter Inkaufnahme von was auch immer auf die Abschaffung der Sklaverei hingearbeitet hätten.
Das ist so aber nicht der Fall. Lincoln ist in seiner Einstellung zwar den Gegnern der Sklaverei zuzurechen, aber er war kein radikaler Abolitionist in dem Sinne, dass er diesem Ziel alles untergeordnet hätte, jedenfalls nicht, was sein Handeln als Präsident der Vereinigten Staaten anbegeht und durchaus ein kompromissbereiter Politiker, was die Sklaverei angeht, mindestens wenn auf der Gegenseite die Einheit des Landes auf dem Spiel stand.
Hätte die Lincoln-Administration einen radikalabolitionistischen Kurs verfolgt und die Sklaverei um jeden Preis abschaffen wollen, hätte sie dass direkt zu Beginn des Bürgerkrieges proklamiert.
Die Emanzipationsproklamation Folgte de facto aber erst 1863 und war insofern auch eine etwas halbherzige Angelegenheit, insofern sie die Sklaverei dem Wortlaut nach nur in den rebellierenden Staaten für aufgehoben erklärte, nicht aber in den Staaten, die sich offiziell der Sezession nicht angeschlossen hatten, in denen Sklaverei vor dem Bürgerkrieg allerdings als legal galt (Maryland, Kenntucky, Missouri).
Gab es vor dem Bürgerkrieg da keine Gespräche, Komissionen oder ähnliches, wo man sich an einen Tisch setzten und Konzepte erarbeitete, wie man ohne Sklaverei langfristig wirtschaften konnte? Oder waren die Fronten von Anfang an so verhärtet, dass der Norden auf einer sofortigen Abschaffung und der Süden auf einer dauerhaften Fortsetzung der Sklaverei beharrte, ohne Diskussionen?
Wie gesagt, das unterstellt, das die Lincoln-Administration von Beginn an zielstrebig um jedem Preis auf die Abschaffung der Sklaverei hingearbeitet hätte, trifft so aber nicht zu.
Das Problem war viel mehr, dass die radikalen Sklavereibeführworter im Süden der Regierung Lincoln dies unterstellten und mit der Wahl Lincolns die Stimmung im Süden zu deren Gunsten kippte.
@Maglor
Man muss was ich schreibe ja nicht mögen, aber ich bitte doch wenigstens darum, mir kein Zeug zu unterstellen, dass ich so nicht geschrieben habe.
- Ich habe mich explizit und mehrfach gegen einen Vergleich freier und unfreier Arbeit ausgesprochen, anders als du es mir unterstellst.
- Ich habe auch mit keinem Wort behauptet, dass die Sklaverei in Nordamerika und der Karibik an sich nicht, rassistisch gewesen wäre, sondern lediglich, das rassistische Narrative zum Zeitpunkt ihrer Entstehung (die fiel ja nicht mit der Gründung der USA vom Himmel) bei ihrer Rechtfertigung oder der Rechtfertigung des transtlantischen Sklavenhandels überhaupt eine untergeordnete Rolle spielten, zumal in Ermagelung eines dezidierten Konsens über menschliche Grundrechte zu diesem Zeitpunkt die rassistisch motivierte Entmenschlichung der Sklaven, anders als im späten 18. und beginnenden 19. Jahrhundert, zur Rechtfertigung des Systems überhaupt nicht notwendig war.
- Der von mir angestrengte Vergleich der Sklaverei in den USA mit Formen unfreier Arbeit in Europa ist im Kern nicht absurder als der von dir angestellte Vergleich zwischen der Sklaverei und freiwillig eingegangener, zeitlich begrenzter Kontrakthörigkeit.
Das eine ist eine freiwillig eingegangene, zeitlich begrenzte Verpflichtung, das Andere ein System, in dass die Betroffenen hineingezwungen oder hineingeboren wurden, bei dem sie keine Möglichkeiten hatten die Bedingungen mit auszuhandeln und das keine Beendigung dieses Verhältnisses vorsah.
Demgegenüber wäre allerdings zu argumentieren, dass die Sklaverei in den USA auf dem Mist der Europäischen Kolonialmächte gewachsen ist und ja nicht bei der Unabhängigkeitserklärung frei erfunden, sondern übernommen wurde, es sich im Kern also um tradierte, europäische Systeme handelte.
Entsprechend verstehe ich nicht so ganz, was genau am Vergleich mit anderen, noch in Europa tradierten und ebenfalls auf Herkunft basierten und auf Dauerhaftigkeit ausgelegten Systemen so absurd sein soll.
Aber gut, lassen wir das.