City of Vice (2008)
Die 'Stadt der Laster' ist London, und es ist 1753. Henry Fielding, der Autor von 'Tom Jones', in seiner Funktion als Magistrat von Bow Street, gemeinsam mit seinem blinden Bruder John, haben die erste Polizeitruppe Englands gegründet- die Bow Street Runners, als in einem Badehaus eine Prostituierte ermordet aufgefunden wird. Henry Fielding, sein Bruder und ihre Truppe von 3 Männern erfahren eher durch Zufall davon, und nehmen die Suche nach dem Mörder auf, eine Suche die sie in die Abgründe und dunklen Schatten der Stadt führt.
'City of Vice' ist eine mehrteilige Serie, die zuerst 2008 vom britischen Channel 4 ausgestrahlt wurde und versuchte Leben und Kriminalität im Georgianischen London, und die Schwierigkeiten der ersten Polizeitruppe darzustellen. Die behandelten Fälle sind an echte Fälle angelehnt die im Londoner '
Old Bailey' Kriminalgericht verhandelt wurden.
Old Bailey Online - The Proceedings of the Old Bailey, 1674-1913 - Central Criminal Court hier findet man die Fälle von 1674 - 1913.
'City of Vice' beginnt düster, mit der Ansicht eines Stadtplanes des Londons des 18. Jahrhunderts, und einer Erklärung eines der Protagonisten, Henry Fielding, warum er es für nötig erachtete die Bow Street Runners zu gründen. Es wird erklärt, daß die Straßen gefährlich, die Abgründe zwischen arm und reich tief waren und sich verschlimmerten, und das letztendlich eine Polizeitruppe dem Abhilfe verschaffen sollte. Direkt in einer der ersten Szenen in denen sich Henry Fielding an seine Männer wendet und nachfragt wer denn schon mal einen Mord untersucht habe, und wie man vorzugehen habe, wird deutlich, daß es sich hier um Anfänger handelt. Blutige Anfänger, wie sich gleich darauf herausstellt, als das Mordopfer plötzlich wieder erwacht, Henry Fielding sich empört, daß niemand nachgesehen habe, ob die vermeintlich Tote denn auch wirklich tot sei.
Das Schmunzeln bleibt einem als Zuschauer dennoch im Hals stecken, nachdem die allererste gespielte Szene sehr anschaulich den versuchten Mord durch einen Freier der Prostitutierten zeigt, wobei wenige Details ausgespart werden. Die Anfangsszenen sind ebenso grau und gnadenlos wie die restliche Episode, und zeigen kein schönes Bild des Georgianischen Londons, sondern die schlimmsten Seiten. In Anlehnung an die anfänglich gezeigte Stadtkarte ist alles grau. Alle Farben sind gedämpft, was den Sprung zwischen gespielter Szene und Ortswechsel, die auf der Stadtkarte vollzogen werden vereinfacht. Bewegen sich die Protagonisten, oder verlegt sich die Handlung, geschieht dies auf dem Stadtplan, aus dem die Stadt in 3-D wächst, und der Zuschauer wird im Vogelflug entlang der Straße geführt, wobei Häuser und Fassaden um den Blick des Zuschauers entstehen. Wenn man die Innenstadt Londons (oder eher Westminsters) kennt, weiß man dadurch auch heutzutage noch relativ genau wo man sich befindet, da die Handlung sich an bekannten Orten abspielt, wie z.B. Covent Garden.
Farben kommen selten vor, und wenn dann in der Kleidung der Handelnden wo sie ganz besonders heraussticht, während die Szenen an sich düster bleiben. Mit der Zeit entsteht dadurch ein geradezu klaustrophobischer Eindruck, der zugleich den Hintergrund in den Schatten stellt, so daß gewisse kleinere Szenen an denen die Protagonisten vorbeilaufen vom Zuschauer ebenso nebensächlich wahrgenommen werden. Z.B. gibt es da eine Szene in der zwei '
Parish Boys', also Mündel der Gemeinde die an den Stoffmarken auf ihren Ärmeln zu erkennen sind, einen Hund zu Tode prügeln, an der die Fielding Brüder ohne hinzusehen vorbeilaufen.
Diese Szene wurde vermutlich von Hogarth's '
Four Stages of Cruelty' (
File:Cruelty1.JPG - Wikipedia, the free encyclopedia ) inspiriert, wo sie sich ähnlich abspielt und deren Drucke zwei Jahre vor Filmgeschehen auf den Markt kame. Die beiden 'Parish Boys' sehen zwar mehr wie ausgewachsene Männer aus, aber naja. In einer anderen Szene wird nebensächlich die Klage ausgesprochen, daß der Rindebraten Würmer beinhalte, und auf diese Weise wird ein ausgesprochen düsteres Bild erzeugt, in dem es auch nur selten ein paar wirkliche Sonnenstrahlen gibt.
Kurzum, die meiste Zeit befindet sich der Zuschauer genauso wie die Fielding Brüder im Schatten und tappt im Dunkeln. Da ich mich ja auf besonderen Wunsch nach der Kostümierung umsehen wollte, hat der ständig düstere Bildschirm und die Tatsache, daß oft so gefilmt wurde als stünde der Kameramann/frau wie ein zufälliger Passant am Rande des Geschehens, mit dem Erfolg, daß manchmal der gesamte Rücken eines anderen Passanten durch's Bild läuft, es nicht gerade vereinfacht gut aufzupassen. Erschwerend kommt hinzu, daß mir die Mode des 17. Jahrhunderts besser vertraut ist, als die des 18., aber ich hab' mein Bestes getan.
Da die erste Folge sich zwischen Badehäusern, Bordellen und Schenken abspielt, fällt die Frage nach der Mode der bessergestellten Damenwelt weg. Stattdessen sieht man einfache Frauen und Prostituierte, wobei der Unterschied nicht immer deutlich zu erkennen ist. In den Straßenszenen sieht man Frauen, die sowohl die Mode der 1750er tragen, als auch die der zwei vorangegangenen Jahrzehnte. Mit anderen Worten auf der Straße läuft durchaus mal eine Frau in einem gegürtetem
mantua an einer 'Dame' in
robe à la francaise vorbei. Farben und Muster sind dabei eher einheitlich und dezent, dunklere Farben werden bevorzugt, und Verzierung ist begrenzt. Meines Verstädnisses nach, entspricht das durchaus der englischen Mode, und da die beschriebene Szene sich auf dem Markt abspielt wäre es auch verständlich eine Mischung an Stilen zu sehen.
In einer häuslichen Szene ist kurz die Ehefrau Henry Fieldings zu sehen, die ehemals sein Hausmädchen war. So weit ich das erkennen konnte- düsteres Bild, es wurde nich nahe an sie herangefahren- hatte sie eine '
wrapping gown', also eine geschlossene Robe aus blauem Stoff mit rundem Ausschnitt an, darüber ein Halstuch das nicht in den Ausschnitt gesteckt war und scheinbar aus Spitze bestand. Dazu eine Spitzenhaube.
Die Prostituierten waren bunt gekleidet, und ich hatte meine liebe Mühe damit irgendetwas zu identifizieren. Mal ganz abgesehen von der Frau die wohl Inderin zu sein schien, und einen zum Sari gehörenden Schleier, mit einer wirren Ansammlung von Röcken und Mieder mit herzförmigem Ausschnitt kombiniert hatte. Die weibliche Protagonistin unter den Prostituierten lief die gesamte Zeit im Rock, Korsett und offener roter
Robe Volante herum. Leider sind ihre Haare nach dem '
Hurluberlu' Stil frisiert, der in vorangegangenen Jahrhundert von Mme de Montespan berühmt gemacht wurde, und sie trägt eine schwarze
commode, obwohl ich versucht bin sie als '
fontange à la sultane' zu bezeichnen. Zwar wurde sie nicht nach den Auswüchsen des
Hurluberulu Stils frisiert, also es waren keine Drahtgestelle zu sehen die die Locken über den Ohren wie Hundeschlappohren festhielten, aber gewundert habe ich mich. Die Schauspielerin die die Prostituierte gespielt hat, hätte wohl aber mit weniger Locken und strengerer Frisur wohl nicht 'nuttig' genug ausgesehen. Zumindest in England ist sie einigermassen bekannt und meiner Erinnerung nach spielt sie öfter die Rolle der Vikarstochter, o.ä.
Immerhin hat die offene
Robe Volante öfters schön das Korsett gezeigt. Vom Schnitt her, ohne Schulter-Träger, vorne geschnürt und vergleichsweise kurz. Sah in etwa so aus:
18th Century Stays
(Aber vorne geschnürt)
Und jetzt auf das Minenfeld der Männermode. Es findet sich schon wieder ein Mix der Jahrzehnte. Einer der verdächtigen, Jack Harris der sich als Zuhälter betätigt, sticht dabei ins Auge. Zur Illustration, hier ein Bild:
Men's Fashion of the 18th Century 2
Zusätzlich, trug er noch einen '
Solitaire', also ein schwarzes Band über seiner '
cravat'. Die meiste Zeit ist er nur in der Weste zu sehen, die der auf dem Bild sehr ähnlich sieht. Immerhin kriegt man dadurch den Schnitt seines Hemdes mit den herabfallenden Schultern zu sehen. Das einzige Mal, daß er Mantel/Jacke trägt (ich will justaucorps sagen), ist sie körperbetont geschnitten, mit weiten Ärmelaufschlägen und Stickereien, und ist zu eng um sich vorne schließen zu lassen. Meines Erachtens nach hinkt Jack Harris modisch gesehen ca zwei Jahrzehnte hinter seiner Zeit her, ist aber als Handlungsträger darum bemüht wie ein Gentleman auszusehen, also könnte man vielleicht annehmen, daß er seine Kleidung gebraucht erhält.
Die Fielding Brüder sind durchgehend in dunklen Farben zu sehen. Die Episode war halb vorbei als ich zum ersten Mal sehen konnte, daß Henry Fieldings Kleider aus aubergine-farbener Wolle bestanden, und nicht wie bis dahin angenommen schwarz waren. Seine Kleidung ist 'altmodisch'. Genauso wie Jack Harris hinkt er der Mode hinterher, wenn auch seine Ärmelaufschläge nicht ganz so weit sind und seine Ärmel nicht so eng geschnitten sind. Okay, und mit dem Mantel/Jacke kamen dann die Probleme. Kurzum, er hängt leblos an ihm runter und ist kaum auf die Taille betont. Es gibt eine schöne Rückenansicht wo man es ganz besonders gut sieht.
Das gleiche Problem mit dem herabhängenden Mantel bei seinem Bruder Henry, auch wenn dessen Ärmelaufschläge kleiner sind. Beide tragen kurze '
post-allonge' Perrücken, ähnlich wie auf einem berühmten Bild Johann Sebastian Bachs, während alle anderen um sie herum modernere Perrücken tragen. Beide Fielding Brüder sind schon ergraute Männer, also ließe sich dies mit ihrem Festhalten an älterer Mode erklären.
Die Bow Street Runners sind ein bunter Mix, der wohl Armut und die Mode des arbeitenden Mannes widerspiegeln soll. Einer von ihnen, die 'Muskeln' der Geschichte verzichtet ganz auf Perrücke und läuft mit Glatzkopf, und Mantel den ich als '
undress' oder
en dishabillé bezeichnen würde herum, will heißen sein Mantel hat einen Kragen. Das einzige brauchbare Bild zum Vergleich hier:
File:Mrs Mrs Andrews detail.jpg - Wikipedia, the free encyclopedia
Der einzige modisch gekleidete Mann ist auch Bow Street Runner, und zugleich auch die ethnische Minderheit unter den Runners. So weit ich das sehen konnte treffen auf ihn keine der oben bemängelten Umstände zu. Nur was seine ungepuderte braune Perrücke angeht, bin ich noch nicht sicher.
Fazit: Abgesehen dessen was ich, vielleicht weil mir die tiefgehende Kenntnis fehlt, zu bemängeln hatte ist 'City of Vice' recht gut gelungen. And den Computeranimationen sieht man hin und wieder, daß das Budget begrenzt war. Hin und wieder wird der moderne Zuschauer auch mal vor den Kopf gestoßen, wenn zum Beispiel Henry Fielding lapidar bemerkt, daß es sich bei der Ermordeten zwar 'nur um eine Prostituierte' handelte, aber die Öffentlichkeit aufgrund der Brutalität des Geschehenen alarmiert war. Es ist deprimimierend anzusehen und gibt sich große Mühe nahe an dem zu bleiben was über die Zeit bekannt ist.
Hier noch ein letzter Link, da Channel 4 sich die Mühe gemacht hat ein online Computerspiel über die Serie herauszufinden, in dem man sich als Bow Street Runner versuchen kann. Das Spiel beinhaltet so weit ich das sehen konnte keine der Originalschauspieler, und über die Kleidung möchte ich jetzt gar nichts sagen, aber zumindest sieht man zu Anfang die Computeranimation der Karte Londons.
Georgian history | City of Vice | Channel 4
P.S.: @
Brissotin sollte ich hier kompletten Stuss über die Mode von 1750 geschrieben haben bitte ich um Nachsicht und Aufklärung. Ich hab' mich so tapfer es ging geschlagen.
Normalerweise 'lebe' ich eher im 17. Jahrhundert, und nachträglich ist mir aufgefallen, daß es einfacher gewesen wäre zuerst nachzufragen worauf ich ganz besonders achten möge.