Strandbesuche

Hierzu fallen mir fetzenweise die Worte meines diesjährigen Reiseführers auf Teneriffa ein. Die meisten Landbewohner blieben dort bis Mitte des 20. Jahrhunderts meist in den Bergdörfern rund um den Teide.

Hier war aufgrund des Teides der Boden für Landwirtschaft fruchtbarer, und zudem war es etwas kühler als unten. Der Strand und das Meer galt bei den "Inländern" eher als gefährlich. Man konnte ertrinken; die meisten Landbewohner konnten nicht schwimmen. In machen Gegenden war der Boden auch salzig und Ackerbau war dort kaum möglich. Wenn man dort eine Hütte errichtete, war sie nach dem nächsten Sturm unter Umständen nicht mehr da. Es wohnten dort nur wenige mutige Fischer, die wohl auch etwas Outlaw-Charakter gehabt haben müssen. Erst ab den 1950er Jahren mit zunehmender Motorisierung wurde es attraktiv für die Bergbewohner, den Sonntag Nachmittag auch mal am Strand zu verbringen. Mit einem kleinen Auto oder Motorrad kam man verhältnismäßig schnell den Berg hinunter, und abends bequem wieder hinauf. Da man sich um Land und Geschäfte in den Bergdörfern kümmern musste, was dies für die normale Familie in den 1950ern und 1960ern aber noch selten genug, d.h. an wenigen Wochenenden im Jahr, der Fall. Erst ab den 1970ern setzte auf den Kanaren der Massentourismus mit den Flugreisen so richtig ein, und das wirtschaftliche Hauptgeschehen verlagerte sich an den Strand. Ansonsten gab es natürlich noch Hafenorte für den Handel, aber ob dort die Händler und Kontorbetreiber vor 1950 in der Mittagspause am Strand gechillt haben oder ins Meer gesprungen sind, entzieht sich meiner Kenntnis.

Ich denke aber grundsätzlich, dass attraktive Badestrände eine gewisse Mindestinfrastruktur bieten müssen. Dafür muss eine gewisse Anzahl an Badenden diese auslasten. Also braucht man eine Art Massentransportmittel, welche die Besucher aus großen Städten zum Strand bringt.
 
Ich hätte jetzt erwartet dass Mashenka und Ursi auf die Schweizer Fluss- und Seebadeanstalten des 19. Jahrhunderts verwiesen hätten.

Ich habe mit 4 Jahren in einem prächtigen und dekorativ ausgestatteten Hallenschwimmbad von 1902 Schwimmen gelernt.
Flussschwimmbäder mit systematischer Schwimmausbildung gab es auch auf dem flachen Land.

Natürlich ging das Schwimmen auch von Heilbädern aus. Der Thermalsee von Héviz ist z.B. seit 220 Jahren ein Ort wo man sowohl heilend baden als auch im tragfähigen Wasser gut schwimmen (und Schwimmen lernen) konnte, und im Wasser Schach spielen...
Hévíz – Wikipedia

Schwimmen wurde im 19. Jahrhundert zum Offizierssport.
 
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Ab wann wurde Baden am Meer in Form eines entspannten Aufenthalts am Sandstrand eine Freizeitbeschäftigung? Ich kann mich an Photos und Malereien in Museen erinnern, die zeigen, wie Berliner Frauen im späten 19. Jahrhundert in voller Kleidermontur in das Wasser am Wannsee gehen. Viel älter scheint diese Beschäftigung aber nicht zu sein. Die römische Oberschicht hatte ab der spätrepublikanischen Zeit zwar schon Villen am Meer, etwa in Baia, aber haben die Aristokraten sich auch an den Strand gelegt?

Ich weiß nicht, ob das schon angesprochen wurde, aber diese Villen der römischen Oberschicht am Meer hatten schon Schwimmbecken (neben Becken für die Fischzucht). Älter sind meines Wissens nur die steinernen Badebecken der Hindus in Indien, die aber nicht dem Zeitvertreib, sondern rituellen Reinigungszwecken dienten. Es wurde also mit Sicherheit zur Zeit von Cicero und Co. am Meer als Freizeitspaß gebadet, nur nicht unbedingt im Meer.
 
Plinius der Jüngere schreibt in seinem Brief über den zutraulichen Delphin von im Meer schwimmenden Jungen (Epistulae 9,33,2-7).

„Est in Africa Hipponensis colonia, mari proxima: adiacet navigabile stagnum. […] omnis hic aetas piscandi, navigandi atque etiam natandi studio tenetur, maxime pueri, quos otium lususque sollicitat. his gloria et virtus altissime provehi: victor ille qui longissime ut litus, ita simul natantes
reliquit.“

(https://www.latinumelectronicum.app/data/docs/de/text/12.pdf)

„In Afrika gibt es die meernahe Kolonie Hippo. […]
Hier hält sich jedes Alter im Eifer zum Fischen, Segeln und auch Schwimmen auf, besonders die Jungen, die die Ruhe und das Spiel erfreut. Bei diesen ist es rühmlich und tugendhaft, besonders weit hinaus zu schwimmen: Sieger ist der, der am weitesten die Küste wie auch die gleichzeitig Schwimmenden hinter sich gelassen hat.“

(Messy goes Latin 2.0: Übersetzung der Plinius-Briefe: Epistula IX, 33 )

Wenn die Übersetzung, die ich gelesen habe, korrekt ist, scheint das für Plinius etwas aussergewöhnliches zu sein.
 
Es gibt eine kurze Darstellung zum Schwimmen bei den Römern von Markus Handy (Antike Lebenswelten: Konstanz, Wandel, Wirkungsmacht - Festschrift für Ingomar Weiler. 2008 S. 101-113). Der Schwerpunkt liegt auf militärischen Kontexten, der Freizeitaspekt wird jedoch auch angeschnitten. Handy resümiert, dass die Begeisterung fürs Schwimmen allgemein groß gewesen sei, und ein Nichtschwimmer wie Caligula wohl eher eine Ausnahme darstellte.
Folgend verlinkte Buchpräsentation enthält leider Vorschaulücken:
Antike Lebenswelten

Beim Komödiendichter Plautus findet sich der Hinweis auf so was wie Schwimmringe, wo der Knecht Strobilus äußert:

Wer, wie ich jetzt, einem Herrn dient, der verliebt ist, und gewahrt,
Daß der Herr nicht seiner Liebe Meister wird, der halte ja
Ihn vom Abgrund fern, und treib' ihn nicht dahin, wohin's ihn zieht.
Eine Binsenmatte schnüren wir den Knaben um den Leib,

Wenn sie schwimmen lernen sollen, daß sie minder der Gefahr
Bloßgestellt sind, daß sie leichter schwimmen und die Hände dreh'n.
Eine solche Matte sei der Sklave dem verliebten Herrn,
Die getreu ihn oben halte, daß er nicht zu Boden sinkt.

(Aulularia VI 1/ Übersetzung Projekt Guttenberg)

Wo die Dinger zum Einsatz kamen bleibt offen, in Thermen, Flüssen Seen oder dem Meer? Offen wohl auch die Frage, ob Agrippina die Jüngere nur aufgrund der Notlage im Golf von Neapel schwamm, oder sie ihn vielleicht auch schon vergnüglich angebadet hatte?
 
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Gerade auf Baltrum gesehen. ...ob was dran ist, weiß ich nicht, zudem bietet die Touriinfo keine Quellen ;)
 
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