tela
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Ashigaru schrieb:Zum Tacitus: er war ein Gegner des Prinzipats, war selbst Senator. Ich denke, es wäre falsch, hier mit Begriffen wie "nationaler Selbsthass" zu operieren; auch die von Dir zitierte Textzeile würde ich nicht so interpretieren, denn immerhin beschreibt Tacitus hier eine Tätigkeit des von ihm verehrten Onkels. Abgesehen davon, geht aus den ersten Abschnitten des Agricola wohl schon hervor, dass er das Reich kulturell überlegener hielt. Gleichzeitig lässt sich zu seiner Zeit kaum vom nationalstaatlichen Denken sprechen - in der Welt zur Zeit des Tacitus gab es nur das aus damaliger Sicht riesige Reich und ein paar unbedeutende Barbarenstämme an dessen Grenze bzw. das Partherreich an der Ostgrenze. In der Tat zeigte Tacitus aber die Vorliebe, seine Kritik an der Politik des Reiches in Barbarenreden zu verpacken.
PS: die römische Geschichte kann auch nicht dafür herhalten, um sie für ausländerfeindliche Theorien zu verwenden.
Es stellt sich aber auch die Frage, inwieweit die Gegnerschaft des Tacitus am Prinzipat real war oder ob sie eher 'akademischer' Natur war. Denn immerhin ist die Biographie des Tacitus nicht oder nur ganz schwer vereinbar mit einer derartigen Einstellung. Prätur unter Domitian, Organisation an den Jahrhundertspielen unter Domitian, wahrscheinlich cos. des. unter Domitian und Konsul unter Nerva. Statthalter unter Trajan, nicht in einer x-beliebigen Provinz, sondern in einer der beiden Provinzen, die die Krönung der senatorischen Laufbahn darstellten.
Ich habe mal gelesen - im kl. Pauly, neuen Pauly oder so - dass Tacitus dem Prinzipat zwar schon eher reserviert gegenübersteht, andererseits aber auch keine Alternative zum System anzubieten hat. Die Republik jedenfalls zählt auch für Tacitus nicht dazu. Würde er das senatorische Regime der Republik als non plus ultra ansehen, dann könnte man vielleicht meinen, dass er auch die Senatoren der Kaiserzeit in einem etwas besseren Licht darstellt. Aber bis auf wenige Ausnahmen ist dies in keinem seiner WErke der Fall.
Tacitus ist meiner Meinung nach viel zu komplex, um für ihn - nach Aussage seiner Werke - einfache Aussagen zu treffen, ihn in irgendwelche Schablonen zu pressen.