Untergang des römischen Reiches

Die Antwort auf deine Frage, Octavianus, kann natürlich nur spekulativ sein. Dennoch ist es reizvoll darüber nachzudenken, ob und welche Maßnahmen möglicherweise den Zusammenbruch des Weströmischen Reichs verhindert, oder zumindest hinausgeschoben hätten. Dass solche Maßnahmen auch gegen Widerstände durchsetzbar gewesen wären, müssen wir dann allerdings voraussetzen.

Als erstes fällt mir dazu eine Wirtschaftsreform ein, die von einer Bodenreform begleitet sein müsste. Das bedeutet: partielle Enteigung der Großgrundbesitzer, Vergabe von Land zu freiem Besitz an die Kolonen, die möglicherweise dem ehemaligem Herrn eine gewisse Entschädigung zahlen. Mir schwebt dabei etwas ähnliches vor, wie die Bauernbefreiung in Preußen durch Edikt des Ministers Freiherr vom Stein.

Ferner wäre es nötig gewesen, die horrenden Ausgaben des Staates zu reduzieren, die vor allem durch eine überdehnte Grenzverteidigung und eine gewaltige Bürokratie entstanden. Die Regierung hätte also schon im 4. Jh. Grenzen zurücknehmen und manche Provinzen in die Freiheit – vielleicht als Klientelstaaten – entlassen müssen.

Inwieweit die Finanzen von Inflation betroffen waren, ist mir nicht bekannt. Aber möglicherweise hätte man auch hier mit einer Steuerreform ansetzen müssen, die die Reichsuntertanen nicht mehr bis aufs Blut belastet hätte.

Als letztes wäre wohl zu überlegen gewesen, ob der gewaltige Anteil von Barbaren im Heer nicht hätte reduziert werden müssen. Eine Heeresreform wäre also ebenfalls unabdingbar gewesen, zugleich eine gerechtere Steuerbelastung der Großgrundbesitzer und Reichen.
 
@Octavianus:
Ich wollte nicht die ständigen Ursurpationen verteidigen, sondern die Leistungen vieler (nicht aller) 'Soldatenkaiser'. Vom rein militärischen Standpunkt aus gesehen hätte man die Ursachen die zu den Ursurpationen führten durch ständig gut besoldete Soldaten und eine Heeresreform ganz sicher in den Griff bekommen. Ich sehe das Ausrufen so vieler Feldherren als neue Imperatoren nicht als die Ursache einer Misere, sondern als Auswirkung! Die Soldaten sahen ihre Leistungen nicht ausreichend gewürdigt und ihre Truppenstärke als nicht genügend an. So hoben sie einen der Ihren auf den Thron und erwarteten das er 'denen in Rom mal zeigt wo der Hammer hängt'. Eine Reaktion die man oft in der Geschichte beobachten kann. Irgendwie hat das römische Militär dann auch die Bedrohung der Zeit auch noch meistern können. Legitimen Kaisern, wie einst Nero einer gewesen war, würde ich diese Leistung nicht zutrauen.

Dem Rest deiner Analyse stimme ich ja durchaus weitgehend zu :)
Das Gleiche gilt für Dieters Post direkt danach. Beim Spekulieren über Reformen hätte ich auf andere Maßnahmen gesetzt...
 
Dieter schrieb:
Ferner wäre es nötig gewesen, die horrenden Ausgaben des Staates zu reduzieren

Die Frage ist, ob genau dies möglich gewesen wäre, ohne dass sich damit jeder Inhaber von Macht automatisch die Basis für diese (Beamte, Soldaten, Günstlinge) entzogen hätte. Ob also der Untergang nicht eine Zwangsläufigkeit hatte, die innerhalb des Systems nicht überwunden werden konnte.
 
Dieter schrieb:
Als letztes wäre wohl zu überlegen gewesen, ob der gewaltige Anteil von Barbaren im Heer nicht hätte reduziert werden müssen.
... und hättest damit relativ gut ausgebildete, mit römischer Militärtechnik vertraute Soldaten freigesetzt, die -dann ohne Sold-, sich auf andere Weise ihr Auskommen verschafft hätten. Wäre wohl etwas riskant.
 
Die Geschichte zeigt, dass man Oberschichten entmachten und neue etablieren kann. Ein solcher Prozess darf freilich nur gleitend und nicht abrupt erfolgen. Um eine Wende herbeizuführen, ist jedoch ein durchsetzungsstarker Herrscher vonnöten, zudem ein fähiger Nachfolger, der das Reformprogramm fortsetzt. All das war seit dem 4. Jh. nicht mehr gegeben, und die letzten 70 Jahre Westroms waren sogar von unfähigen Kinderkaisern geprägt.
 
... und hättest damit relativ gut ausgebildete, mit römischer Militärtechnik vertraute Soldaten freigesetzt, die -dann ohne Sold-, sich auf andere Weise ihr Auskommen verschafft hätten. Wäre wohl etwas riskant.

Hierzu: Einige Forscher erwähnen, dass der Sold im spätantiken Heer stetig sank. Für römische Bürger war es nicht mehr in dem Maße lukrativ wie noch in der frühen und mittleren Kaiserzeit, in der Armee zu dienen. Dagegen blieb für Germanen die Armee die einzige Möglichkeit, sich in die römische Gesellschaft zu integrieren (klar ersichtlich ist, dass die Römer noch bis ins 5. Jhdt. nur sehr widerwillig Germanengruppen auf römischem Boden siedeln lassen).
Ich vermute auch - hier bin ich nicht ganz sicher - dass der Cursus honorum ab den diokletianischen Reformen kaum noch eine Rolle spielte. Die Verwaltung wurde zwar vergrößert, doch entfiel die Verbindung der politischen und militärischen Ämterlaufbahn, eines der prägendsten Merkmal der römischen Gesellschaftsordnung.
 
Wenn man in unserem hypothetischen Szenarium Maßnahmen zur Gesundung Westroms erwägt, so müsste dazu unbedingt eine Heeresreform zählen.

Der Einwand Ostrogothas wird dadurch entkräftet, dass ich zum einen von einer Steuerreform ausgegangen bin (s. oben), die den reichen grundbesitzenden Adel erstmals zur Kasse bittet, und damit Gelder in die Staatskasse schwemmt, die römischen Soldaten einen angemessenen Sold garantieren. Denn einen Abbau der Barbaren im Heer halte ich im Zusammenhang mit einer Reformpolitik für unerlässlich.

Zudem ging ich von einer Verkürzung der Staatsgrenzen aus, die das Problem der Überdehnung minimieren sollte, die ebenfalls ein gewaltiger Kostenfaktor ist. Auf jeden Fall müsste die Regierung versuchen, die römische Reichsbevölkerung wieder zur Verteidigung ihrer Grenzen zu motivieren, was natürlich finanzielle Anreize erfordert.
 
wer sollte denn die steuern eintreiben?
Die Soldaten, die ja häufig von den Besteuerten befeligt wurden bzw versorgt?
Der Kaiser? die lokale Verwaltung, die ja besteuert werden sollte?
Die Obersicht zu Abgaben zu zwingen, sehe ich als riskantes Unternehmen, zumal auch der Kaiser eben auf diese Leute angewiesen war.

Und welche Regionen willst du abgeben? Afrika/Ägypten fallen aus, da sie die Getreidekammern des Reichs waren, den reichen, stark bevölkerten Osten?
Gallien und Spanien und somit den Germanen das Tor zum Mittelmeer öffnen?
Eine Grenzverkleinerung war aus meiner Sicht einfach nicht drin, die Grenzlänge liese sich nicht genug reduzieren ohne neue Probleme zu schaffen die gravierender sind als die Alten.

Und welche Heeresreform willst du machen? Es gab Grenztruppen und Feldheere, und wer kämpft besser als Leute die "Daheim" nichts zu verlieren haben, aber anderswo alles gewinnen können?
 
Dieter schrieb:
Der Einwand Ostrogothas wird dadurch entkräftet, dass ich zum einen von einer Steuerreform ausgegangen bin (s. oben), die den reichen grundbesitzenden Adel erstmals zur Kasse bittet, und damit Gelder in die Staatskasse schwemmt,...
Und genau das ist doch die letzten 200 Jahre ständig hinausgeschoben worden, nicht? Diokletian zB. kündigte derlei an und machte es schließlich genau umgekehrt!
Die Verarmung begann für viele Soldaten doch erst ab ihrer Entlassung und Übernahme des Landstückes, für das sie dann übermäßig Steuern abzuführen hatten. Also wurden sie für ihre treuen Dienste geradezu bestraft!
 
Zuletzt bearbeitet:
Genau so ist es, ning! Es erhebt sich nach all diesen hypothetischen "Maßnahmen" natürlich die Frage, ob selbst ein sehr tatkräftiger Kaiser noch in der Lage gewesen wäre, die zementierten Strukturen Westroms zu verändern oder aufzubrechen. Ich fürchte, dass es dafür wohl schon im 3./4. Jh. zu spät war. Vielleicht ist Westrom wirklich an sich selbst zugrunde gegangen, und es gab eine – von mir oben bestrittene – Unausweichlichkeit!?
 
tejason schrieb:
@Octavianus:
Ich wollte nicht die ständigen Ursurpationen verteidigen, sondern die Leistungen vieler (nicht aller) 'Soldatenkaiser'. Vom rein militärischen Standpunkt aus gesehen hätte man die Ursachen die zu den Ursurpationen führten durch ständig gut besoldete Soldaten und eine Heeresreform ganz sicher in den Griff bekommen.

Klar, man darf die Soldatenkaiser auf keinen Fall alle über einen Kamm
scheren. Unter ihnen waren fähige Männer wie z.B. Claudius Gothicus,
Gallienus, Aurelian...

Einigen wir uns doch darauf, daß während dieser Phase aus der Not eine
Tugend wurde. Jedoch hat diese Zeit inesgesamt geschadet...


Dieter schrieb:
Die Regierung hätte also schon im 4. Jh. Grenzen zurücknehmen und manche Provinzen in die Freiheit – vielleicht als Klientelstaaten – entlassen müssen.

Ich glaube, daß diese Maßnahme im 4. Jahrhundert bereits zu spät gewesen wäre. Wenn, dann, hätte man bereits vorbeugend im 2. Jahrhundert
Maßnahmen hätte ergreifen müssen. Natürlich ist man erst hinterher schlauer.
Ein Anfang war die Rücknahme der von Trajan eroberten Gebiete im Osten durch Hadrian, da man sich hiermit einfach übernommen hatte.

Sheik schrieb:
Und welche Regionen willst du abgeben? Afrika/Ägypten fallen aus, da sie die Getreidekammern des Reichs waren, den reichen, stark bevölkerten Osten?
Gallien und Spanien und somit den Germanen das Tor zum Mittelmeer öffnen?
Eine Grenzverkleinerung war aus meiner Sicht einfach nicht drin, die Grenzlänge liese sich nicht genug reduzieren ohne neue Probleme zu schaffen die gravierender sind als die Alten.
Denke ich auch Es wären höchstens einige Kaschierungen möglich gewesen,
wie sie ja später bei der rechtsrheinischen germanischen Provinz, vorher schon dem ostfriesichen Gebiet oder Dakien vollzogen wurden.
Vielleicht hätte man auch nicht soviele Resourcen in Britannien
investieren sollen. Das war doch eine wirtschaftlich nicht so bedeutende Provinz? Man wollte ja ursprünglich nur den Übergriff der dort ansässigen
Kelten auf Gallien blocken. Da hatt doch ein schnaler bewachter
Streifen an der britischen Südküste auch gereicht.
Aber wie gesagt, dürfte nur eine zweirangige Lösung gewesen sein.

Neben den wirtschaftlichen Aspekten war doch immer ein großes
Problem das der Nachfolge.

Mal dynastisch, mal durch Adoption, gelegentlich vom Senat
berufen oder leider häufig durch Ursurpation.
So eine richtig klare Linie hat es nie gegeben und sehr schnell
konnte ein gut eingeschlagener Weg sich gabeln und in die Sackgasse führen. Ich finde das Prinzip der Adoption schon ganz gut,
in dem die Besten der Besten zur Nachfolge bestimmt wurden.
Allerdings kann diese Auswahl zwar subjektiv nach Treu und Glauben
vollzogen werden, jdoch objektiv ein Fehlgriff sein,
siehe Commodus.
Ich kenne mich mit der Zeit der Republk weniger aus,
aber vielleicht wäre eine Art Mischung aus Adoptivkaisertum
und Konsulatsernennung durch den Senat eine gute Lösung gewesen...
Hier wäre ich um die Meinung von Republikskennern dankbar,
ob das möglich oder eher unmöglich gewesen wäre...

Apropos Commodus, ein gutes Beispiel, wie sehr das Setzen auf das
falsche Pferd sich verherrned auswirkt. Es kam zu einer Kette von
verhängnisvollen Ereignissen, an deren Ende Septimius Severus
als Sieger hervor trat. Gewiss ein gebildeter und fähiger Mann,
jedoch hat er mit seinen harten und promilitärischen Maßnahmen ungewollt die Büchse der Pandora geöffnet.

Aber man sieht schon, wie die Entwicklung 193 vorrangegangen war.
Während nach dem Tode des Domitians der konservative und sachliche
Nerva vom Senat bestötigt wurde, konnte nach der Emordung
des Commodus die Sache nur noch gewaltsam und nach einiger Zeit gelöst werden...
 
Mit dem Ende von Commodus zeigte sich zum ersten Mal, wie Rom dabei war sich von innen heraus zu zerstören. Das zeigt sich doch schon daran, dass nur wenige Monate später Didius Julianus dadurch an die Macht kam, dass er sich den Thron erkaufte. Nun gut, jetzt kann man sagen, dass bei einigen Kaiserernennungen das Geld eine Rolle gespielt haben mag, aber hier wurde das Amt offiziell vom Senat versteigert. Das war ein Unding und wahrscheinlich auch ein Schock im Denken der damaligen Menschen, selbst wenn sie noch nicht ahnen konnten, dass Rom seine besten Tage bereits hinter sich hatte.

s.d.caes.
 
Octavianus schrieb:
Ich glaube, daß diese Maßnahme im 4. Jahrhundert bereits zu spät gewesen wäre. Wenn, dann, hätte man bereits vorbeugend im 2. Jahrhundert
Maßnahmen hätte ergreifen müssen.
Das sehe ich etwas diffiziler. Es war ja nicht so, dass die Menschen innerhalb der Reichsgrenzen per se unzufrieden gewesen wären, und selbst das zusammenbrechende Reich im 5. Jahrhundert übte noch eine große wirtschaftliche Attraktivität auf die Germanenvölker aus. Ebenso ist insgesamt festzustellen, dass die Romanisierung (deren Folgen ja weit ins Mittelalter reichten) im Großen und Ganzen erfolgreich funktionierte.
Auch ist es ja nicht so, dass die Klientelstaaten in der Spätantike völlig verschwanden (wenngleich ihnen auch nicht mehr die bedeutende Rolle während der julisch-claudischen Dynastie zukam).

Vielleicht hätte man auch nicht soviele Resourcen in Britannien
investieren sollen. Das war doch eine wirtschaftlich nicht so bedeutende Provinz?
Hier mehr oder weniger Zustimmung. Es spricht einiges dafür, dass der Britannien-Feldzug nichts mehr als ein propagandistischer Schachzug von Kaiser Claudius darstellte, der nach seiner Machtübernahme sein fehlendes militärisches und politisches Renomme durch einen Feldzug aufpolieren wollte (was darin gipfelte, dass er für genau 14 Tage an den Kriegsschauplatz reiste, genau richtig, um die Kapitulation britischer Könige in Camulodunum entgegen nehmen zu können). Damit schossen sich die Römer ein klassisches Eigentor, was unter der Regierung von Claudius selbst noch nicht so stark zu spüren war. Tatsächlich waren sie sich der politischen Komplexität auf der Insel nicht bewußt, was in einer Vielzahl von Revolten und Feldzügen während nahezu der gesamten 2. Hälfte des 1. Jhdts. gipfelte. Wirtschaftlich wurde Britannien in der Tat nie eine bedeutende Provinz. Allerdings muss man sagen, dass unter der Regierungszeit des Domitian die Lage auch hier in Griff geriet und dass Britannien in der Spätantike noch eine der stabilsten Provinzen im Westreich war, man spricht sogar von einer bescheidenen Blütezeit im 4. Jahrhundert.

Da hatt doch ein schnaler bewachter
Streifen an der britischen Südküste auch gereicht.
Das war im Grunde wahrscheinlich auch der Plan, wenngleich das ursprünglich beabsichtigte Provinzebiet das gesamte Flachland in Mittel- und Südengland war.

Gewiss ein gebildeter und fähiger Mann,
jedoch hat er mit seinen harten und promilitärischen Maßnahmen ungewollt die Büchse der Pandora geöffnet.
Zu diesen ganzen Punkten mehr oder weniger Zustimmung. Die Militärpolitik der Severer produzierte allerdings auch einige gute Ansätze, man denke an die constitutio antoniana durch Caracalla. Meiner Meinung nach fehlte es den Kaisern, aber auch dem römischen Staatswesen insgesamt (so unternahm der Senat mit der Einsetzung von Pupienus und Balbinus 238 ja einen völlig erfolglosen Versuch, die Lage auf seine Weise zu kitten) an einer Möglichkeit zur Kontrolle des Militärs und der Provinzstatthalter. Das bekam ja auch Diokletian mit dem gut gemeinten und anfangs erfolgreichen Versuch der Tetrarchie nicht in Griff. Vielleicht wäre genau das der Punkt gewesen, wo man dem Vier-Männer-Kollegium noch eine Art Parlament zur Verfügung hätte stellen müssen, dass dann die Nachfolge geregelt hätte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Unter Berücksichtigung all Eurer guten Argumente würde ich noch mal generell einflechten wollen: ein großes Reich kann an seiner Größe zugrunde gehen, wird irgendwann unregierbar, auch schon weil nicht alle Herrschenden echte Führungspersönlickeiten waren: ein großer Luftballon, stramm aufgeblasen, der irgendwann die Luft verliert und erschlafft. Dass WRR war zu einem Reich geworden, an dem auch die Bürger kein großes Interesse mehr hatten. Auf der Höhe des Wohlstandes hatte sich ein Plebs gebildet, der auf Staatskosten durchgefüttert wurde. Als es bergab ging, entzog man ihm die Unterstützung aber nicht, vielmehr wurden die arbeitsamen Bürger zur Kasse gebeten. Mit Brot und Spielen wurde bekanntermaßen das Volk ruhig gehalten. 50.000 Menschen fasste das Kolosseum, 185.000 der Cirus Maximus: die Menschen, die sich dort oft genug vergnügten, erwirtschafteten nichts. Titus hatte das Kolosseum mit 100-tägigen Spielen eingeweiht. Auch in der späten Kaiserzeit herrschte dort Hochbetrieb.

An Dieter: eine Heeresreform, den Barbarenanteil reduzieren? Wer sollte die Barbaren ersetzen? Die Römer, die sich im Zirkus vergnügten? Warum sollten die sich dafür begeistern, ihre Haut zu Markte zu tragen, wenn sie doch kostenlos unterhalten und durchgefüttert wurden?

Die Oberschicht pumpte finanzielle Mittel in das Volk, wozu hätte sie dann noch Steuern zahlen sollen? Allerdings flossen diese nicht in eine Wirtschaft, die es anzukurbeln galt, sondern in Vergnügungen - nach dem Motto "es lief doch bisher so gut, warum sollte es nicht so weitergehen?" Dass sich spätestens 410 n. Chr. (Alarich) etwas geändert hatte, hat man zwar schockiert zur Kenntnis genommen, aber nicht danach gehandelt. Wahrscheinlich war es da auch schon zu spät.

In der Sendung zu den Grausamkeiten des Kreuzzuges von 1204 auf Vox am 02.06.06 fiel folgender Satz: "Wenn die oben nicht mehr können, und die unten nicht mehr wollen, ändert sich ein System."
Es würde auch hier passen.
 
Das kollektive Bewusstsein der Reichsbewohner für das Reich ging dahin. Damit hatte wohl auch die Verleihung des Bürgerrechts an alle freien Reichsbewohner 212 durch Caracalla zu tun. Konnte man zuvor noch durch harte Arbeit oder militärische Leistungen zum Bürgerrecht gelangen, war man dies nun oft, ohne allzuviel zu tun. Dies "entwertete" auch diejenigen, die das Bürgerrecht schon zuvor innehatten. Es war eine Art der Identität mit dem Staat und eine Art "Auszeichnung" an die Bewohner. Es konnte Ansporn zu großem Fleiß sein. Dies ging nun verloren.

Auch andere Dinge spielten eine Rolle. Kamen Fremde von außen ins Reich, passten sie sich den römischen Gepflogenheiten an. Als aber beispielsweise die Goten sich im Reich ansiedelten, behielten sie ihre Lebensweise bei und wurden so zu einem Staat im Staate.

Das römische Reich begann sich langsam von innen heraus zu schwächen. Als die Probleme offenkundig wurden, war niemand mehr in der Lage etwas dagegen zu tun.

s.d.caes.
 
Ahja, die Spekulation. Dann will ich mich auch ein wenig auf dieses Terrain wagen, das viel Text abverlangt:

Dieter schrieb:
Die Geschichte zeigt, dass man Oberschichten entmachten und neue etablieren kann. Ein solcher Prozess darf freilich nur gleitend und nicht abrupt erfolgen. Um eine Wende herbeizuführen, ist jedoch ein durchsetzungsstarker Herrscher vonnöten, zudem ein fähiger Nachfolger, der das Reformprogramm fortsetzt. All das war seit dem 4. Jh. nicht mehr gegeben, …

Ersteres bezweifele ich grundsätzlich in unserem Fall. Die Oberschichten waren Träger des Staates und Inhaber seiner wirtschaftlichen Stärke. Ich sehe keine Möglichkeit eine solche Oberschicht gleitend zu entmachten, denn diese Gesellschaftsschicht war sich ihrer Macht durchaus sehr bewusst! Warum wohl hat ein Kaiser Gallienus, der selbst aus der Oberschicht stammte, den senatorischen Familien den Zugang zum Militärdienst verschlossen? Freilich in jener Zeit war der Senat nicht mehr der entscheidende Machtfaktor. Es gab bald einen Senat in Rom und einen in Konstantinopel… und die Familien des Ritterstandes waren schon immer die Wohlhabendsten. Fast alle Soldatenkaiser waren sehr wohl Willensstark und meist auch recht Fähig. Das Problem ist, dass ihre Autorität zu gering war. Damit stellt sich die Frage warum? Auch Gallienus wird in die Soldatenkaiser eingereiht. Die fehlende Autorität allein daran fest zu machen dass viele von ihnen ursprünglich den Kaiserthron usupiert hatten waren greift m.E. zu kurz.

Dieter schrieb:
Als letztes wäre wohl zu überlegen gewesen, ob der gewaltige Anteil von Barbaren im Heer nicht hätte reduziert werden müssen. Eine Heeresreform wäre also ebenfalls unabdingbar gewesen, zugleich eine gerechtere Steuerbelastung der Großgrundbesitzer und Reichen.
Die Heeresreform fand ja statt! Die Krise des 3 Jh. Wurde überwunden eben indem eine Reichsreform und eine Heeresreform durchgeführt wurde. Die alten Legionen waren längst nicht mehr jene gewaltige Kriegsmaschine wie in früheren Zeiten. Die Soldatenkaiser selbst waren gezwungen neue ‚Legionen’ aufzustellen, diese entsprachen aber nicht mehr dem klassischen Vorbild. Der Begriff Legion steht in dieser Zeit häufig einfach für eine größere militärische Einheit. Statt einst 6000 Mann wurden Truppenkörper von 1000 bis 1200 Mann bevorzugt, die flexibler und eigenständiger operierten als die alten, massigen Legionen. Aufgrund von TruppenMANGEL war das Reich gezwungen auch eingespielte Einheiten oft auseinander zu reißen und als selbstständige Vexillationen operieren zu lassen. Aus der Improvisation entwickelte sich ein Dauerzustand, dem schließlich Rechnung getragen werden musste. Brennpunkt war meist weniger die Rheinfront als vielmehr der Raum an der Donau und Asien (Sassaniden). Trotzdem galten im Zeitraum zwischen 260 und 275 n. Chr. die Truppen am Limes als vernichtet (Lothar Bakker, Artikel: Spätrömische Grenzverteidigung an Rhein & Donau)! Beide Reformen wurden im Zusammenhang mit Diokletian und Konstantin d. Gr. Weitgehend beendet. Die alten Legionen, assistiert von Kohorten und Alen der Auxiliartruppen waren den Anforderungen nicht gewachsen. An ihre Stelle trat die Dreiteilung des Heeres in Grenztruppen, Bewegungsheer und Garde (Limitanei/Comitatensi/Palatini), sowie Auxilien und mit wachsender Bedeutung die Föderati.

Diokletian stellte mit seiner neuen Bürokratie das Reich auf neue Standbeine. Ob aus Geldmangel, Inflation sei dahin gestellt – jedenfalls ordnete er vieles durch geldlose Sachleistungen. Das betraf auch die Armee! Unter den Limitanei gab es sehr viele aufgenommene Barbaren, denen an einer gefährdeten Grenze gegen abzuleistenden Militärdienst ein Stückchen Land zugewiesen wurde. Für solchen Lohn hätte kein echter Römer die kostenlosen Zuteilungen in den Hauptstädten aufgegeben! Kaiser Augustus hatte für seine 25 Legionen nur 10 % dessen aufgewendet, was er als Spenden unter das Volk brachte! Diese Legionen aber arbeiteten im Prinzip für Geld, nicht für einen elenden Acker! Germanen machten auch mehr und mehr Dienst im Feldheer. Auch hier war die Vergütung längst nicht so üppig wie man denken mag. Man lobte gern und vergab mehr Auszeichnungen als im klassischen Heer. Statt einfach klingende Münze zu vergeben wurde verstärkt auf Statussymbole gesetzt. In Gräbern fand man besonders aufwändig gearbeitete Gürtel, prunkvolle Parademasken und für die hohe Offiziere mit Blattgold belegte Helme. Wo fand man solche Dinge? Nicht zu letzt in Gräbern von Barbaren die sogar außerhalb des Reiches in ihrer alten Heimat lagen! Ob die Prunksachen ähnlich wirkten wie später die Glasperlen der Europäer auf ‚Eingeborene’? Die zunehmende ‚Barbarisierung’ des römischen Heeres war eine Notwendigkeit. Thrakien hatte immer einen der wichtigsten Rekrutierungsprovinzen des Imperiums abgegeben. Seit die Goten am Schwarzen Meer lebten war das Frontgebiet geworden und wurde im Laufe der Völkerwanderung nahezu entvölkert.

Statt die Reichen direkt zu besteuern verfiel man auf den Kniff sie persönlich in die Pflicht zu nehmen das ‚ihre’ Städte und Gemeinden die ausstehenden Abgaben auch korrekt beglichen. Reichte das ‚normale’ Wirtschaftsaufkommen nicht aus, musste die Differenz aus dem persönlichen Besitz an den Staat gezahlt werden. Kein Wunder dass sich die Reichen davor drückten die einst prestigeträchtigen und manchmal sogar lukrativen öffentlichen Posten zu besetzen. Dem wurde ein Riegel vorgeschoben indem man solche Stellungen erblich machte. Aus Soldatenmangel wurden auch Gesetze erlassen, welche die Kinder von Soldaten verpflichtete ebenfalls Soldaten zu werden!

Eine nennenswerte Chance die Grenzen des Imperiums zu verkürzen sehe ich nicht. Britannien mag denkbar sein, greift aber zu kurz. Abgesehen davon, dass der Hadrianswall entscheidend kürzer ist als eine Linie entlang der Themse, standen in Britannien niemals längere Zeit eine größere Truppenmasse. In Afrika war auch nicht viel zu begradigen, auch gab es wenige Truppen die man einsparen könnte. Die heiß umkämpften Ostgrenzen in Asien folgen einem anderen Aspekt. Diese Länder waren sehr reich! Ihr Besitz garantierte ein hohes Einkommen für den Staat. Insofern ist nachvollziehbar, dass Rom erhebliche Anstrengungen unternahm hier so viel wie möglich für sich zu sichern. Umgekehrt galt das für ihre Gegner auch. Dakien und das rechtsrheinische Gebiet des Limes wurden im Laufe der besprochenen Epoche aufgegeben.

Ich gebe zu einen tüchtigen zeitlichen Bogen zu schlagen, von den Wurzeln der Reichskrise die zum Aufstieg der ‚Soldatenkaiser’ führte, bis hin zur spätantiken Tetrachie. Es ist die Geschichte wie eine militärisch- politische Krise überwunden wurde, nur um dann überraschend schnell von der Völkerwanderung hinweg gespült zu werden.
Es ist m.E. unhaltbar den Niedergang des Imperiums an genau jenen Punkten fest machen zu wollen, die dessen Überleben noch am ehesten sicherte!
Ich stelle also fest, dass die Großgrundbesitzer und Reichen nicht direkt zur Steuerbeschaffung heran gezogen wurden. Ich stelle weiter fest, dass es das barbarisierte Heer war, welches alleine den Zusammenbruch des Imperiums im 3. Jh. verhinderte! Das von diesen Barbaren letztlich auch Gefahren ausgingen steht auf einem anderen Blatt und ist nicht unwesentlich ein Verschulden der Römer die wann immer die Gelegenheit günstig schien genau so handelten, wie im Rahmen der Hypothesen hier gerne vertreten wird.

Das bringt Sheik mit wenigen Worten sehr gut auf den Punkt. Octavianus hat m.E. sicher Recht, wenn er Defizite in der inneren Struktur des Reiches ankreidet. Da werden unsere Hypothesen vielleicht eher fündig. Die Beiträge von Ashigaru, Ostrogotha und Tiberius Caesar machen wirklich deutlich das die römische Staatsidee, so wie sie sich entwickelt hatte keine Perspektiven mehr bot und nicht in der Lage war etwas Neues zu wagen! Aber dort etwas zu ändern hätte das Imperium grundlegend geändert. Letztlich gab das Römische Reich so seine Chance auf aktiv die Zukunft zu bestimmen und wurde so ebenso zur Heimat für neue Nationen und zur Beute für Plünderer zugleich. Nicht die Mittel der Macht haben versagt, sondern ihre Grundlagen. Ich bin nicht der Erste der das in diesem Thread sagt. Ich bin aber der Ansicht dass genau das Gegenteil der ersten Vorschläge bessere Chancen für Rom geboten hätten. Man hätte mit der Integrierung der Barbaren nicht beim Militär halt machen dürfen, auch wenn diese sich nicht völlig romanisiert hätten. Die Auffassung vom Staat und seiner Bedeutung für die Einwohner hätte sich ändern müssen. Nicht der straffe Zentralstaat alleine, sondern seine Regionalisierung hätte Chancen bieten können sich zu stabilisieren. Die Entscheidung Rom aus dem Zentrum der Macht herauszunehmen und eine neue Hauptstadt zu gründen war ein mutiger, aber unzureichender Schritt in diese Richtung. Statt mit den alten Auswüchsen zu brechen, verpflanzte man die Brot & Spiele – Welt nur auch nach Konstantinopel und in die anderen Städte der Tetrarchie. Die Tetrarchie selbst scheiterte, weil sie den Völkern nicht zu vermitteln war. Ein so abstrakter Staatsgedanke war noch nicht zu verwurzeln. Besonders der Armee war solches Denken fremd.
Ein ungebrochenes Ansehen des Imperiums bei den Völkern außerhalb des Reiches hätte m.E. mit guten Gründen sehr wohl die Basis geboten selbst mit einem Hunnensturm weitgehend fertig zu werden.
 
Vor einigen Jahren habe ich eine interessante Theorie gehört. Ich wieß nicht, ob das stimmt. Laut dieser Theorie hat der folgende Grund zum Untergang des Römischen Reiches beigetragen: Die Wasserröhren der römischen Aquedukte und Bauwerke (oder das, was die Römer als Wasserröhren benutzten) wurden aus Blei hergestellt. Das hatte eine ungünstige Auswirkung auf die Gesundheit der Menschen und auf ihre Fähigkeit Kinder zu haben. Ihre Meinung?
 
Kiprian schrieb:
Die Wasserröhren der römischen Aquedukte und Bauwerke (oder das, was die Römer als Wasserröhren benutzten) wurden aus Blei hergestellt. Das hatte eine ungünstige Auswirkung auf die Gesundheit der Menschen und auf ihre Fähigkeit Kinder zu haben. Ihre Meinung?

Die Theorie kenne ich auch. M. W. waren auch die Wasserleitungen in alten Häusern in Deutschland bis in die 50-er Jahre aus Blei. An der Geburtenrate hat das nichts geändert, womit ich nicht sagen will, dass Blei keine Auswirkung auf die Gesundheit hat, das hat es sehr wohl. Man hat bei Untersuchungen auch Bleirückstände gefunden. Aber Neugeborene wurden damals von der "Wohlstandsgesellschaft" zunehmend einfach "entsorgt", obwohl es ein Gesetz dagegen gab.

Ich stelle aber, unabhängig davon, noch die Meinung eines Zeitgenossen - Salvianus von Massilia (ca. 400 - 480 n. Chr.) ein, woraus hervorgeht, dass es sehr wohl zu der Zeit Menschen gab, die sich Gedanken machten, die allerdings nicht in die militärische Richtung (Germanen u.ä.) gingen:

"Rom war nie so üppig und nie so elend wie heute: es lacht und lacht - bis es stirbt."
 
Kiprian schrieb:
...wurden aus Blei hergestellt. Das hatte eine ungünstige Auswirkung auf die Gesundheit

Wenn kollektive Gesundheitsschädigung eine Großmacht zu Fall brächte, wären die USA heute eine bedeutungslose Steppe :icecream:
 
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