Bessere Beziehungen zu Großbritannien wären imho der Schlüssel für Deutschland gewesen, die historische Isolierung zu vermeiden.
Aber die standen ja in diesem Sinne nicht zur Debatte, so lange nur ein Agreement mit einer britischen Regierung, die morgen passé sein konnte, nicht aber ein vertraglich fixiertes Arrangement mit dem britischen Staat zur Disposition stand, was aber nicht ohne Sanktionierung durch das Parlament abgegangen wäre.
Es gab ja weder zwischen dem UK und Deutschland noch zwischen dem UK und Österreich-Ungarn unüberbrückbare Interessengegensätze, daher hätte eine Anbindung Großbritanniens an den Zweibund bzw. Dreibund durchaus Sinn gemacht. [...]
Es gab außer gegenüber Frankreich von deutscher Seite her gegenüber keinem Akteur nicht überbrückbare Interessengegensätze.
Die Abwesenheit von Interessengegensätzen im Frieden, garantiert aber nicht die Neutralität im Krieg, im Besonderen, wenn Kalkulationen wie der Schlieffenplan mit im Spiel sind, die die Situation druch die Einbeziehung weiterer Akteure verändern.
Nun konnte man anno 1887 vom Schliffenplan noch nichts wissen.
Genau so wissen wir aber auch nicht, exakt, wie sich Großbritannien verhalten hätte, hätte man anno 1913 den Ost-Aufmarsch nicht aufgegeben und anno 1914 entschieden seinen Schwerpunkt im Osten zu setzten und sich im Westen auf die Festungen zu verlassen.
Wir wissen lediglich, dass London nicht breit war seine Neutralität für einen solchen Fall zu garantieren.
Das bedeutet aber nicht, dass ein Kriegseintritt dann zwangsläufig gewesen wäre, sondern erstmal nur, dass sich London seine Optionen offen halten wollte.
Daraus aber folgt, jedenfalls meiner Auffassung nach, dass man gar nicht so einfach sagen kann, dass die deutsche Diplomatie im Hinblick darauf Großbritannien herauszuhalten tatsächlich gescheitert wäre, sondern dass das möglicherweise von der militärischen Schwerpunktsetzung und den Kriegszielen im Konfliktfall abhing.
Es würde sich also die Frage stellen, ob man nicht bereits alles hatte, was man mit einem solchen, am britischen Parlament vorbeigehenden Agreement mit einer Londoner Regierung hätte erreichen können.
Das kann aber auch daran gelegen haben, dass Großbritannien generell nicht besonders geneigt war, ein festes Bündnis einzugehen.
Woran genau es gelegen hat, dass man in Großbritannien keine feste bündnistechnische Bindung wollte, auf die man hätte festgenagelt werden können, ist ja im Prinzip nebensächlich, hauptsächlich bedeutend ist der Umstand, dass es eben so war.
Zur Erinnerung: Auch die Entente Cordiale war ja kein förmliches Bündnis, sondern formal zunächst nur ein kolonialer Interessenausgleich.
Wurde aber um die britisch-französische Marinekonvention ergänzt, die über die kolonialen Absprachen hinausging.
Hinzukommt, dass natürlich die gemeinsame Garantie für Belgien bestand, und man auf diesem Weg eine Verbindung hatte ohne ein direktes militärisches Bündnis einzugehen, weil man militärische Planungen natürlich auf der Folie einer gemeinsamen Verteidigung der belgischen Neutralität führen konnte.
Und da das die einzige Front war, an der Frankreich tatsächlich potentiell bedroht war, kam eine gemeinsame Organisation der Verteidigung Belgiens einem Militärabkommen und einer Garantie für die territoriale Integrität Frankreichs gleich.
Eine vergleichare Rolle hätte aber Belgien für Beziehungen zwischen Großbritannien und Deutschland kaum darstellen können, da Deutschland natürlich auch im Osten angreifbar war und hier keine britischen Garantien bestanden, über die sich ohne formales Bündnis die deutsche Ostflanke schützen ließ, hier wären ergänzende, bindende Abspachen notwendig gewesen um für Deutschland fiktional die gleichen faktischen Garantien zu schaffen, wie für Frankreich.
Solche Garantien gibt es doch nie. Auch bei einem förmlichen Bündnis nicht.
Nun, wenn man den Wert von förmlichen Verträgen grundsätzlich negiert, würde ich sagen, kann man die Diplomatie auch gleich einstellen.