Dass das Alpenkeltische und Rätische ausgestorben sind und dass das Ladinische möglicherweise ein Keltisches Substrat aufweist sind zwei Paar Schuh!
Klar. Was ich sagen wollte: Ladiner haben vermutlich mehr „Altes“ bewahrt, weil sie aufgrund der schwer zugänglichen Gebietes, in dem sie siedelten und siedeln, fremden Einflüssen weniger ausgesetzt waren als z.B. die Bewohner der leichter erreichbaren Poebene. Natürlich blieben auch sie nicht unbeeindruckt von diesen Einflüssen – die oben erwähnten Untersuchungen des Roland Bauers zeigen das ganz deutlich: Die weiter nördlich siedelten Ladiner haben mehr von ihren deutschsprachigen Nachbarn übernommen, und die im Süden mehr von den italienischsprachigen.
Es ist nicht erforderlich, dass die Angehörigen einer Religion sich einer Sprache bedienen bzw. sich ihrer im Alltag bedienen. Der Kult macht also den Sprachwandel mit …
Schon klar. Nur ist anzunehmen, dass die Kelten, die ja vor den Römern die Alpen – und den Raum rundherum – besiedelten, auch nach der Ankunft der Römer weiter ihre Sprache benutzten und ihren Göttern huldigten, weil die Römer zumindest in Kultdingen bis zum Auftreten des Christentums sehr tolerant waren. Dass 400 Jahre nach der Gründung Aquileias durch die Römer die keltischen Gottheiten dort noch vorherrschend sind, ist daher kein Zufall. Ebenso dürfte kein Zufall sein, dass Oberitalien, d.h. dort wo einst Kelten siedelten, einem sprachlichen Fleckerlteppich gleicht:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ae/Linguistic_map_of_Italy.png
In Kärnten gab es besonders viele Sprachwechsel: Das Keltische wurde vom Latein verdrängt, das Latein vom Slawischen, das Slawische vom Deutschen (zumindest großteils, eine slowenische Minderheit gibt es bis heute).
Zu den Slawen in Kärnten schreibt Stefan Eichert in „Frühmittelalterliche Strukturen im Ostalpenraum“ (Verlag des Geschichtsvereins für Kärnten, 2012) – Zitat:
Bis weit in das 6. Jahrhundert hinein kann man im Arbeitsgebiet [Kärnten] von einem Fortbestehen der römischen bzw. romanisch geprägten Verwaltung über Binnennorikum ausgehen. Damals besteht eine gut ausgebaute Kirchenstruktur mit zahlreichen frühchristlichen Gotteshäusern. In Auguntum (Osttirol), Teurnia und Virunum sind zudem auch spätantike Bischofssitze überliefert. Gleichermaßen finden sich sehr viele, meist befestigte Höhensiedlungen dieser Zeit.
[…]
In der aktuellen Forschung geht man nun eher davon aus, dass im 6. Jahrhundert die römisch geprägte Organisation mit staatlicher, militärischer, kirchlicher und wirtschaftlicher Verwaltung ohne slawische Einwirkung ihr Ende fand. So gibt es in den spätantiken Anlagen kaum stichhaltige Hinweise auf eine Zerstörung durch slawische Verbände. Des Weiteren belegen Kleinfunde, dass noch bis ins späte 6. Jahrhundert hinein eine romanische Elite, vermutlich in kleiner Zahl, im Land ansässig war.
[…]
Ein plausibles Modell erklärt diesen Umstand dadurch, dass slawische Bevölkerungsteile im späten 6. und frühen 7. Jahrhundert als vermutlich militärisch geführte Gruppe ins Land kommen und sich an die Stelle der zuvor abgekommenen romanischen Elite setzen und/oder mit diesen verschmelzen. Machtpolitisch müssen sie ein bedeutender Faktor gewesen sein und so passten sich die „Alteingesessenen“ in sprachlicher und politischer Ansicht der neuen Eliten an, so dass das ehemalige Noricum Mediterraneum nun nach außen hin „slawisch“ wirkte.
Dieses Modell wird auch durch die Namensforschung gestützt. So formulierte Eberhard Kranzmayer bereits 1956 die These von einer friedlichen Durchmischung slawischer Einwanderer mit autochthoner Bevölkerung, die er anhand übernommenen vorslawischen Orts-, Fluss-, Berg- und Gegendnamen feststellen konnte.
Später kamen noch Bayern hinzu. Dazu schreibt Stefan Eichert weiter – Zitat:
In den vierziger Jahren des 8. Jahrhunderts sind Kampfhandlungen in Karantanien überleifert. Hierzu wird berichtet, dass Awaren Karantanien bedrängten. Der Karantanenfürst Boruth wendet sich deshalb an den Bayernherzog Odilo um Hilfe. Dieser interveniert erfolgreich militärisch und bindet die Karantanen in einer gewissen Abhängigkeit an Bayern. Daraufhin beginnt die von Salzburg bzw. vermutlich auch von Freising/Innichen und Aquileia ausgehende Missionierung. Offensichtlich regt sich massiver Widerstand gegen diese und mehrere Jahre lang scheinen Aufstände an der Tagesordnung zu sein. In den siebziger Jahren werden die aufsässigen Karantanen von Herzog Tassilo III. besiegt und unter seine Oberhoheit gezwungen. […] Die heidnische, antibayerische bzw. proawarische Bevölkerung und deren Anführer wurden entmachtet. In der Folgezeit sind zwar noch eigenständige slawische Fürsten an der Macht, diese sind jedoch gezwungenermaßen Christen und dem westlichen Einfluss angepasst.
Wie sicherlich bekannt, wurde Tassilo kurz darauf entmachtet, so dass Karantanien sich dem westlichen Einfluss für ca. 40 Jahre wieder entziehen konnte. Bis eben die Franken kamen. Dazu schreibt Stefan Eichert weiter – Zitat:
Spätestens 828, vielleicht auch schon kurz nach der Niederschlagung der Aufstände Liutewits, wird Karantanien in eine karolingische Grafschaft umgewandelt und die slawischen Fürsten werden durch fränkische Grafen ersetzt.
Die werden aber vielfach gar nicht dort wohnen, sondern schicken Verwaltungsleute und eigene Bauern/Kolonisten. Diese letzten siedelten jedoch anfangs in neuen, nicht von Slawen besetzten Gegenden, so dass in Kärnten ein Nebeneinander von Germanen und Slawen entstand, das praktisch bis in unsere Tage fortdauert. Das galt auch für die Steiermark und die Mark Krain, dem heutigen Slowenien. Das erklärt, wieso sich in diesen Ländern die slawische Sprache trotz der über 1000-jährigen germanischer Herrschaft bis heute halten konnte.
Aber das bedeutet auch: Für die Übernahme einer fremden Sprache reicht es nicht, wenn nur die Eliten sie sprechen bzw. übernehmen.