Das hat an dieser Stelle niemand behauptet.
Ich habe dort behauptet, dass die zulänglichen Kapazitäten an Arbeitskräften nicht vorhanden waren um römische Straßen im größeren Stil neu zu bauen.
Du wirst wohl kaum bestreiten, dass es in der Hälfte des Raums, der das mittelalterliche Europa ausmachte, überhaupt keine oder nur wenig ausgebaute römische Straßen gab, zumal wenn man Byzanz außen vor lässt.
Oder wie viele römische Straßen kannst du etwa für Norddeutschland östlich des Rheins, für Polen oder Skandinavien benennen?
Da fehlte selbstverständlich das hinlängleiche Maß an Arbeitskräften um das mal eben neu zu bauen, genau wie bei neuen Stadtgründungen abseits bestehender römischer Straßen in den ehemaligen römischen Mittelmeerprovinzen.
Warum genau sollte man sich in Gebieten, wo es keine Römerstraßen gab und man auch nicht die nötigen Ressourcen hatte um welche zu bauen mit Abhandlungen über römischen Straßenbau besonders beschäftigen, zumal wenn auch die Ressourcen zur Herrstellung von Codices knapp sind?
Ich frage dich an dieser Stelle nochmal, ob du mir ernsthaft verkaufen willst, dass man eine beschädigte Wasserleitung oder ein lädiertes Straßenpflaster ohne Anleitung von Vitruv und anderer Quellen nicht hätte reparieren können.
Das ist schlicht Unfug.
Wenn man das reparieren wollte, musste man nichts weiter leisten, als dass vorherige intakte Teilstück zu immitieren oder zu substituieren, im Fall eines abgenutzen Straßenpflasters, reichte es im Zweifel hin einige abgenutzte Steine auszutauschen, dafür brauchte man keine antiken Abhandlungen, dazu reichte Beobachtung der bestehenden Bausubstanz hin.
Wenn die Beschädigungen tiefergehend waren und vorausgesetzt hätten über längere Strecken das gesamte Fundament abzutragen und ein vollständig neues zu bauen, wäre man wieder beim Argument der Arbeitskraft.
Du übergehst nach wie vor 3 ganz wesentliche Aspekte in dieser Frage:
a) Konkreter Nutzen
b) Sicherheit
c) Unterhaltungsmöglichkeiten
a) Ich frage noch einmal, wozu mussten städtische Siedlungen, die längst nicht mehr die Einwohnerzahlen aus römischer Zeit und das damit verbundene Versorgungsproblem hatten, unbedingt römische Infrastruktur erhalten?
Das entsprach in Teilen einfach nicht mehr ihren Bedürfnissen, eine Stadt mit ein paar 1.000 Einwohnern braucht keinen Auqädukt über zig Km Länge um ihre Trinkwasserversorgung zu sichern.
Die ist mit Brunnen und Zisternen wesentlich besser drann, zumal wenn sie das Baumaterial und die Grundstücke dafür bereits aus den Resten der vorherigen Bebauung/Bausubstanz gewinnen kann.
Eine städtische Siedlung mit gerade ein paar 1.000 Einwohnern benötigt zu ihrer Versorgung auch keinen kontinuierlichen Zustrom von Versorgungsgütern aus einem Umkreis von mehreren 100 km, sie kommt mit einem Umkreis von 1-2 Tagesreisen aus un einem entsprechend wesentlich geringeren Verkehrsaufkommen.
Wozu Straßen erhalten, die darauf ausgelegt ist, dass Legionen mit 10.000 Mann (Auxiliare und Tross inklusive) jederzeit und zügig darüber bewegt werden können, oder dass da jeden Tag X.000 Tonnen Versorgungsgüter drüber rollen können, wenn es für die eigene Versorgung hinreichend ist Infrastruktur zu haben, über sie sich am Tag vielleicht ein paar dutzend Wagenladungen bewegen, oder vielleicht einige 100 an Markt- und Messetagen.
Das macht überhaupt keinen Sinn, Aufwändungen dieser Art wären totes Kapital, und zwar in perpetuierter Weise, weil es ja nicht mit einer Instandsetzung getan ist.
b) Die zig Kilometerlangen Straßen und Wasserleitungen machten vor dem Hintergrund der römischen Großraumordung durchaus Sinn.
Vor dem Hintergrund der diversen Klein- und Kleinstherrschaften, den dauernden Kleinkriegen und dem Fehdewesen aber nicht.
Eine Wasserleitung über 40 Km im römischen Reich, ging vielleicht im Mittelalter durch drei an einander grenzende Herrschaften, deren Machthaber sich jederzeit überwerfen konnten.
Man hätte also jederzeit damit rechnen müssen, dass im Rahmen solcher Auseinandersetzungen Infrastruktur wie Wasserleitungen und Brücken bevorzugt gezielt demoliert werden.
Wenn man aber damit rechnen muss und solche Kapazitäten überhaupt nicht benötigt werden, warum sich dann nicht auf andere, den Umständen angemessenere Modelle verlegen?
Warum auf eine Wasserleitung setzen, die man im Falle kriegerischer Auseinandersetzungen nicht schützen kann, wenn man seine Wasserversorgung auch aus Brunnen und Zisternen bestreiten kann, die durch eine eigene Stadtmauer durchaus zu schützen sind?
Im Besonderen in den nördlichen Gebieten, wo dafür hinreichende Regenmengen ohnehin kein Problem darstellten.
c) Korrespondierend mit b) und der nicht mehr vorhandenen Großraumordnung, wie wollte man als Stadt, selbst wenn man ein Interesse am Fortbstand dieser Infrastruktur hatte, den Unterhalt und die Instandsetzung derjenigen Teile der Infrastruktur sichern, der außerhalb des eigenen Machtbereichs lag, im Besonderen wenn der dortige Landesherr daran kein Interesse hatte, weil er daraus keinen Profit ziehen konnte oder sogar eine konkurrierende Stadtgründung betrieben hatte, die er fördern wollte?
Wie wäre es, wenn man sich zunächst mal mit solchen praktischen Fragen beschäftigte und mal darüber nachdächte, ob die Menschen im Mittelalter vielleicht sehr gute Gründe gehabt haben könnten, sich sehr bewusst gegen die römische Infrastruktur zu entscheiden, weil sie komplett anderen Bedürfnissen als denen ihrer eigenen Gesellschaftsordnung entsprach?