War Erwin Rommel ein Kriegsverbrecher?

Eine jüngere (2019) Arbeit eines deutschen Historikers an der Uni Oslo zum Thema:
Eine Gesamtschau auf Kriegsverbrechen in Nordafrika während des 2.WK, an denen vor allem italienische, aber auch deutsche und alliierte Soldaten und Behörden beteiligt waren. Rommel wird kritisch behandelt, ebenso Lieb. Eine wissenschaftliche Einordnung der Arbeit kann ich nicht vornehmen.
Na ja, dieser Patrick Bernhard hat sich als Historiker wohl vorgenommen, all das, was andere Historiker vor ihm über Kriegsgeschehen in Nordafrika geschrieben, als untauglich zu bezeichnen. Vor allem Peter Lieb hätte ihm zufolge während seines Aufenthalts in GB als Dozent an der Militärakademie Sandhurst unkritisch das britische Narrativ der “edlen” Kontrahenten Montgomery und Rommel übernommen, das nichts als gelogen sei.

Dabei behandelt dieser Aufsatz Bernhards vor allem italienische Verbrechen, mit denen Rommel nur peripher, wenn überhaupt, in Kontakt kam. Jedenfalls habe ich in der damaligen Wehrmachtsausstellung in München nichts über Verbrechen der Wehrmacht in Afrika zu Rommels Zeit (12. Februar 1941 bis 6. März 1943) gesehen.

Danach gab es welche, ja, auch von deutschen Soldaten, die jedoch nicht mehr unter Rommels Führung standen. Während seiner Zeit gab es italienische Übergriffe gegen Kriegsgefangenen, die unter italienischer Bewachung standen, sowie gegen Zivilbevölkerung. Aber es hätte die Überschreitung seiner Kompetenzen bedeuten, mit seinen Soldaten diese unterbinden zu wollen.

Fazit: Dieser Aufsatz ist mit heißer Nadel gestrickt worden. Und obwohl ihn 1100 Personen gelesen oder gesehen haben, enthält er Fehler – Zitat:

Britische Autoren, von denen etliche selbst Veteranen des Nordafrikafeldzugs waren, erklärten kurzerhand das Schicksal der einheimischen Bevölkerung im wahrsten Sinne des Wortes zu einer Fußnote der Geschichte. Ein gutes Beispiel ist Robert Lewins The Life and Death of the Afrika Korps, eine erstmals 1977 erschienene populäre Darstellung, die in den folgenden Jahren noch mehrere Neuauflagen erlebte.

Der Autor des referierten Buches The Life and Death of the Afrika Korps ist weder der oben genannte Robert Lewin noch Robin Lewin, wie ihn die Fußnote auf der Seite 30 nennt, sondern Ronald Lewin, ein Veteran und Historiker, der unter Montgomery diente und bei El Alamein verwundet wurde.

Zweimal einen Namen falsch zu schreiben, das ist schon eine Leistung - offensichtlich hat niemand das Werk korrekturgelesen.
 
Na ja, dieser Patrick Bernhard hat sich als Historiker wohl vorgenommen, all das, was andere Historiker vor ihm über Kriegsgeschehen in Nordafrika geschrieben, als untauglich zu bezeichnen. Vor allem Peter Lieb hätte ihm zufolge während seines Aufenthalts in GB als Dozent an der Militärakademie Sandhurst unkritisch das britische Narrativ der “edlen” Kontrahenten Montgomery und Rommel übernommen, das nichts als gelogen sei.
Das schreibt er so nicht.
Er schreibt, dass es eine deutsch-britische Tradition der Geschichtsschreibung über diesen Krieg gäbe, die aus dem Bedürfnis einer Verständigung entstanden sei, bei der beide Seiten ein Interesse daran hatten, den Krieg in Afrika als "sauber" darzustellen und die Sphäre der kolonialen Gewalt mehr oder weniger auszublenden, was schon durchaus Sinn ergibt.
Wenn man auf britischer Seite angefangen hätte sich an den Verbrechen der Achsenmächte in Afrika abzuarbeiten, wäre man nicht umhin gekommen, das Fass mit der Thematik Kolonialverbrechen überhaupt aufzumachen und daran konnte von britischer Seite, im Besonderen so lange man noch Kolonialacht war, bleiben wollte und das mit zum britischen Selbstbild gehörte, wenig Interesse bestehen.

Unterstellt wird, dass sich eine deutsch-britische Geschichtsschreibung des Krieges in Nordafrika daraus entwickelt habe, die sich weitgehend auf Operationsgeschichte und militärische Ereignisse konzentriert habe, aber ohne diese in den größeren Kontext der Kolonialgeschichte und anderer Felder einzubetten.
Das halte ich für eine legitime Kritik.

Anschließend wird Liebs Aufsatz, mit Verweis auf den militärischen Hintergrund dieses Historikers und dessen Tätigkeit an Lehreinrichtungen der Bundeswehr und in Sandhurst, wo diese Traditionen stark seien (und wo naturgemäß natürlich die Operationsgeschichte auch im Fordergrund stehen muss, weil das an militärischen Einrichtungen des Hauptinteressenfeld ist) und dessen Art der Abfassung, dieser Schule, der die Einbettung der Militärgeschichte in einen größeren Kontext fehle zugeordnet, was grundsätzlich nachvollziehbar ist.

Dabei behandelt dieser Aufsatz Bernhards vor allem italienische Verbrechen, mit denen Rommel nur peripher, wenn überhaupt, in Kontakt kam.
Ich weiß nicht, was du daran zu kritisiren hast, der Anspruch des Aufsatzs war ja nicht explizit über Rommel zu schreiben, sondern genau die Einbettung des Krieges in Nordafrika in den Rahmen der Kolonialgeschichte und verwandter Bereich vorzunehmen.
Das war die Kritik an Lieb und anderen und dieser Kritik wird der Aufsatz auch gerecht, indem er das Geschehen hinter der Front thematisiert und die militärischen Operationen in diesen Zusammenhang einordnet.

Fazit: Dieser Aufsatz ist mit heißer Nadel gestrickt worden.
Nö, ist er nicht.
Der ist durchaus fundiert, geht an die Sache nur mit einem anderen Anspruch heran und eben nicht mit dem explizit über Rommel zu schreiben.
Warum, wäre dir klar, wenn du die Kritik an Lieb am Ende des Aufsatzes verstanden hättest, anstatt sie zu verdrehen.

Zweimal einen Namen falsch zu schreiben, das ist schon eine Leistung - offensichtlich hat niemand das Werk korrekturgelesen.
Wenn das alles ist, was du an sachlicher Kritik vorzubringen hast, dann ist das relativ schwach.

Übrigens auch bei Lieb sind mir 1-2 Stellen aufgefallen, die so nicht ganz hinhauen.
Das findet man allerdings in so gut wie jedem größeren Aufsatz oder Werk.

Das ein Autor einen Namen falsch geschrieben oder irrtümlich den falschen Vornahmen eines Autoren genannt hat, entwertet nicht die Argumentation.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zunächst: Fühle Dich frei, mich eines Besseren zu belehren, denn der Zweite Weltkrieg ist alles andere als mein "Fachgebiet", und ich kann mich hier nur auf die genannten Quellen, v.a. Lieb und die englische Wikipedia, beziehen. Trotzdem muss ich sagen, Deine Argumentation überzeugt mich hier nicht:
Die einzige Möglichkeit das aktiv zu hintertreiben wäre ein entsprechender Gegenbefehl oder eine Abänderung des Befehls gewesen, oder eine Weisung an seine Truppen, sich in sämtlichen Fragen des Umgangs mit Kriegsgefangenen direkt an ihn zu wenden, bevor sie irgendetwas anderes in diese Richtung unternahmen.
Eine solche Weisung würde sich, wenn sie gegeben worden wäre, allerdings wahrscheinlich irgendwo gefunden haben.
Nicht notwendigerweise. Selbst wenn man Rommel als Naivling betrachtet, der sich womöglich auch politisch für unverwundbar hielt, würden seine Untergebenen sicher mehr Vorsicht an den Tag gelegt haben, falls eine formelle Weisung seinerseits erging.

Denkbar wäre aber auch ein Gentleman's Agreement beim Skat-Spiel oder dergleichen. Zumal Rommel ja nicht der einzige "Afrikaner" in Italien war, es dürfte bekannt gewesen sein, dass er dort Ausschreitungen unterbunden und die Italiener auch kritisiert hatte. Soldaten bleiben Soldaten, auch unter den Bedingungen des Totalitarismus zieht sich ein Soldat nicht freiwillig die Missbilligung seines Vorgesetzten zu. Es muss einen Grund gehabt haben, dass seine Untergebenen sich nicht durch die Weisung zu Kriegsverbrechen berechtigt gefühlt haben.

Davon abgesehen, kann man Rommels Zeit in Afrika wohl unter der Feststellung subsumieren, dass er nicht den Vorsatz hatte, Kriegsverbrechen zu begehen; warum hätte sich das in Italien ändern sollen? Der einzige mir ersichtliche Grund wäre der als Verrat empfundene Seitenwechsel der Italiener gewesen. Denn ich denke, wir werden beide einig sein, dass Rommel kein Opportunist oder Feigling war, der wie so viele andere Wehrmachtsoffiziere verbrecherische Befehle aus Kadavergehorsam oder zur Vermeidung von Karrierenachteilen weitergeleitet hat.

Warum aber kam es in seinem italienischen Verantwortungsbereich anscheinend (?) zu keinen Massakern? Wenn man unterstellt, dass die weisungswidrige Milde nicht Rommels Willen entsprach, müsste man sich fragen, warum er nicht persönlich Befehl gegeben hat, die in der Weisung angesprochene Härte auszuüben, oder wie es gar zu dem der Weisung völlig zuwider laufenden Agreement für die Region Turin kommen konnte.

Du wendest ein, dass kein Eingreifen verbürgt ist, aber mir scheint: Jedenfalls ist eine Situation aufgetreten, die sich als Folge eines Eingreifens interpretieren lässt. Indem er der Amnestie von Turin zustimmte, handelte Rommel der weitergeleiteten Weisung ausdrücklich zuwider. Da ist es für mich naheliegender (Ockhams Rasiermesser), dass das Ausbleiben von Verbrechen in seinem Verantwortungsbereich seinem Willen entsprach.
Jetzt könnte man natürlich argumentieren, dass das in Nordafrika vor allem deswegen ging, weil der Schauplatz so abgelegen war, dass sich das ohnhin der aktivenn Kontrolle Berlins entzog, so dass er da größere Spielräume hatte Anordnungen zu entsprechen oder nicht zu entsprechen, als das in Italien gegebenenfalls der Fall war.
Das dürfte sogar mit Sicherheit so gewesen sein. Nicht nur geographisch war Nordafrika ein Nebenkriegsschauplatz, sondern auch politisch. Der Fall Achse hingegen war eine Katastrophe für die Nazis, eine Angelegenheit, die jederzeit die höchste Aufmerksamkeit in Berlin erhalten musste.
Aber natürlich hätte er den Spielraum gehabt, einen entsprechenden Befehl so zu entschärfen, dass die dahinterstehende Absicht nicht mehr umgesetzt wurde, oder das es sich umgehen ließ.

Z.B. hätte er ja anordnen können, wenn der Befehl nichts über Zeitpunkt und Modus vorzunehmender Erschießungen sagte, Befehl an seine Truppenn zu geben, widerstandleistende Offiziere nicht direkt zu erschießen, sondern gefangen zu nehmen und zur weiteren Behandlung an sein Hauptquartier zu überstellen, wo er dann die Möglichkeit gehabt hätte die Umsetzung des Befehls zu boykottieren, sei es durch Hinausschieben der Hinrichtungen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, sei es dadurch den Personen zur Flucht zu verhelfen und Berlin falsche Berichte über ihre Hinrichtung zu geben oder ähnliches.
Das erscheint mir zu weit gedacht. Es hätte genügt, seinen Divisionskommandeuren bei einem Gespräch zwischen Tür und Angel zu verstehen zu geben, dass er es missbilligen würde, wenn es aufgrund der Weisung zu Hinrichtungen käme.
Das ein Autor einen Namen falsch geschrieben oder irrtümlich den falschen Vornahmen eines Autoren genannt hat, entwertet nicht die Argumentation.
Richtig, aber es bietet jedenfalls Anlass, Argumentation und Motivation zu hinterfragen.

In einer benoteten wissenschaftlichen Arbeit würden Flüchtigkeitsfehler im Quellenapparat zu Punktabzügen führen, im Wiederholungsfall sogar als Plagiatsversuch angesehen. Und wenn man sich anschickt, einen anerkannten Militärhistoriker zu widerlegen, der obendrein auch noch Offizier ist und damit von der Materie mehr verstehen kann als ein Neuzeithistoriker und Faschismus- bzw. Kolonialismusforscher ohne militärischen Hintergrund, sollte man schon peinlich genau arbeiten, wie ich finde.

Übrigens erscheint es mir etwas anmaßend und jedenfalls taktisch unklug von Bernhard, Lieb aufgrund seines beruflichen und akademischen Werdeganges letztlich einen Tunnelblick zu unterstellen, denn angesichts seiner Spezialisierung könnte man leicht auch Bernhard selbst einer Voreingenommenheit verdächtigen. Militärhistoriker sind oft etwas zu unkritisch und rechtslastig, aber gerade die Kolonialismusforschung ist in meinen Augen auch keine Bastion der Unvoreingenommenheit. Wenn jemand in der heutigen Zeit mit dem Anspruch antritt, die Historie des Afrikafeldzugs als Kolonialkrieg herauszuarbeiten, fällt es mir schwer zu glauben, dass er sich der Person Erwin Rommel unvoreingenommen angenähert hat.
 
Davon abgesehen, kann man Rommels Zeit in Afrika wohl unter der Feststellung subsumieren, dass er nicht den Vorsatz hatte, Kriegsverbrechen zu begehen; warum hätte sich das in Italien ändern sollen? Der einzige mir ersichtliche Grund wäre der als Verrat empfundene Seitenwechsel der Italiener gewesen. Denn ich denke, wir werden beide einig sein, dass Rommel kein Opportunist oder Feigling war, der wie so viele andere Wehrmachtsoffiziere verbrecherische Befehle aus Kadavergehorsam oder zur Vermeidung von Karrierenachteilen weitergeleitet hat.

Man könnte das auch umdrehen:

So lange Rommel formal unter italienischem Oberbefehl stand und in der italienischen Kolonie Libyen kämpfte, war schon aus diplomatischen Gründen Zurückhaltung geboten. Dahinter in Libyen darauf zu achten, dass die eigenen Truppen möglichst nicht in Ausschreitungen und Zerstörungen verwickelt wurden, konnte auch einfach die Einsicht stehen, dass es von italienischer Seite möglicherweise nicht gut aufgenommen wäre und für Ärger zwischen den beiden Achsen-Partnern hätte sorgen können, wenn deutsche Truppen auf italienischem Territorium angefangen hätten sich derart zu verhalten.
Im Besonderen, was die einheimische Bevölkerung (gefangene Findtruppen wären ein anderes Thema) angeht, hätte das als Einmischung in die inneren Verhältnisse Italiens aufgefasst werden können.

Es könnte also durchaus sein, dass die Motivation dafür zu sorgen, dass die deutschen Truppen in Nordafrika sich möglichst wenig in so etwas vertrickten nicht grundsätzlich eine Ablehnung dieser Methoden entsprach, sondern möglicherweise mehr der Kalulation folgte nichts zu tun, worüber sich Mussolini und die italienischen Stellen hätten echauffieren können, weil es sich womöglich als selbstherrlicher Eingriff in die italienischeen Verhältnisse hätte verstehen lassen.
Wenn das die Motivation gewesen wäre, wäre sie in Italien entfallen gewesen, weil man nach dem Seitenwechsel Italiens auf diplomatische Empfindlichkeiten keine Rücksicht mehr nehmen musste.


Warum aber kam es in seinem italienischen Verantwortungsbereich anscheinend (?) zu keinen Massakern? Wenn man unterstellt, dass die weisungswidrige Milde nicht Rommels Willen entsprach, müsste man sich fragen, warum er nicht persönlich Befehl gegeben hat, die in der Weisung angesprochene Härte auszuüben, oder wie es gar zu dem der Weisung völlig zuwider laufenden Agreement für die Region Turin kommen konnte.
Lief das Agreement betreffend der Region Turin dem ausdrücklich zuwider?

Würde ich nicht unbedingt so sehen. Die Weisungen/Befehle die bisher in der Diskussion waren, waren ja keine Anordnungen unterschiedsloser Massaker, sondern sie richteten sich explizit gegen solche italienische Soldaten und Offiziere, die kämpfend Widerstand leisteten.
Nun musste das auf Soldaten, die sich irgendwo in die Alpen geflüchtet hatten ja nicht unbedingt zutreffen.
Dorthin konnte man sich ja auch mit dem Vorsatz flüchten, sich einfach nur vor den einrückenden Deutschen zu verstecken und so weit ich das überblicke, gab es keinen Befehl italienische Soldaten oder Offiziere zu töten, so lange diese nicht gegen die deutschenn Truppen kämpften, sondern nur desertierten/abtauchten oder sich bewaffnet in die Berge zurück zogen, aber ohne dort gegen die Deutschen aktiv zu werden.
Eine Amnestie für Truppen, die sich zunächst der Entwaffnung entzogen hatten, ohne aber aktiv gegen die Deutschen Verbände vorzugehen, würde ich nicht unbedingt als zuwiderlaufend betrachten, auch eine Amnestie für sich gegen eine Entwaffnung wehrende Soldaten, die in so abgelegenen Gebietenn unterwegs waren, dass man ihnen durchaus glauben konnte, dass sie einfach von den Ereignissen nicht unterrichtet und die Kapitulationsaufforderung noch nicht bis zu ihnen durchgedrungen war nicht.
Gerade in den Gebirgsregionen konnte es ja durchaus vorkommen, dass Radio- und Funkübertragungen nicht an bestimmten Stellen einfach nicht vernünftig empfangen werden konnten.


Warum kam es in seinem Verantwortungsbereich zu keinen Massakern?

Zunächstmal war er ja nur relativ kurze Zeit in Italien, so dass er mit dem Partisanenkrieg dort in der Spätphase dees Krieges nur relativ wenig bis keine Berührung gehabt haben dürfte.
Wenn man davon ausgeht, dass in den ersten Monaten sich ein Großteil Norditaliens wegen der deutschen Invasion erstmal im Schockzustand befand und die Situation erstmal realisieren und darüber nachdenken musste, wie damit umzugehen war und dass es dann möglicherweise nochmal einige Zeit daurte, bis entsprechende Widerstandsnetzwerke entstanden waren, kann es durchaus sein, dass Rommel mit diesem Phänomen wenig Berührung hatte.

Dannn würde ich jetzt darüber hinaus fragen: wie würden einzelne Soldaten oder Offiziere, die anno 1943 den Kampf nun an der Seite der Alliierten gegen die Deutschen fortsetzen wollten (denn nur um die ging es ja), sich verhalten haben?

Ich würde meinen, da die Alliierten Truppen Teile des italienischen Südens kontrollierten und sich Badoglio und der König dahin flüchteten, wäre es für Widerstandskämpder aus den Reihen der Regulären Armee wahrscheinlich das logischste gewesen, sich zunächst nach Süden durchzuschlagen um dort gegebenenfalls unter Alliierten Komando eine italienische Legion zu bilden oder derartiges.
Jedenfalls wären die Alliierten im Süden in der Lage einen solchen Kampf logistisch zu unterstützen, während im Norden selbst absehbar irgendwann der Nachschub ausgegangen wäre.
Wenn man darüber hinaus noch vorraussetzt, dass reguläre Soldaten, Partisanen in der Regel für perfide halten dürften und aus ihrer Grundhaltung heraus den symetrischen Kampf einer Guerilliataktik vorziehen, wäre es auch von dem her logisch gewesen.

Im Süden aber war Kesselrings Bereich, dass heißt, dass es in Kesselrings Bereich zu größeren Verbrechen kam, während es bei Rommel eher ruhig blieb, muss nicht nur mit der Haltung der Kommandierenden zu tun haben, sondern kann auch einfach daran liegen, dass die Soldaten und Offiziere, die gegen die deutschen Kämpfen wollten in größerer Zahl aus Rommls Bereich hinaus in Kesselrings Bereich hineinströmten mit dem Ziel sich zu den alliierteen Linien durchzuschlagen und sich deren Truppen anzuschließen.


Und dann kommt natürlich noch dazu, wer die Massaker verübte.
Es gibt auf Wikipedia eine Auflistung der größeren bekannten Massaker der Deutschen in Italien:


Schaut man sich die an, gab es Massaker, die von Verbänden der Wehrmmacht allein oder unter ihrer Mitwirkung verübt wurden, vor allem die "Fallschirm-Panzer-Division 1 Hermann Göring", aber auch andere Einheiten.
Der weitaus größte Teil der umfangreicheren Massaker ging aber auf das Konto von SS-Einheiten und teilweise auch auf das von Einheiten von Sicherheitspolizi und SD.

Man kann also sagen, dass die Wehrmacht auch in Italien sicher nicht sauber war, allerdings wurde der Großteil jedenfalls der größeren Massaker von Einheiten verübt, bei denen, jedenfalls für mich fraglich ist, inwieweit diese den Kommandostrukturen der Wehrmacht überhaupt unterstanden und inwiefern, die Befhlshaber der Wehrmacht in diesem Bereich dafür im Einzelnen direkt verantwortlich waren.

Die Forumlierung "Im Befehlsbereich anderer kam es zu weit mehr Verbrechen und Massakern", klammert diese Betrachtung aus.
Denn dass etwas geographisch gesehen im Abschnitt/Befehlsbereich/Kommandobereich eines Generals oder militärischen Kommandierenden, bedeutet bei den Parallelstrukturen von Wehrmacht und SS oder der Involvierung von Polizeieinheiten, wie ich das sehe nicht unbedingt gleichzitig auch die Verantwortlichkeit des entsprechenden Generals für alle diese Ereignisse.
 
Dann kommt noch die zeitliche Dimension dazu und hier bräuchte man jetzt einen Überblick über sämtliche bekannten Tötungen im Rahmen von Kriegsverbrechen in Italien. Müsste man mal sehen, ob sich sowas irgendwo findet.

Schaut man sich die Liste mit den größeren Massakern in Italien an, stellt man fest, dass jedenfalls unter diesen der weitaus größere Teil in spätere Phasen des Krieges fällt.
Unter den größeren gelisteten Massaker sind, wenn ich micht nicht verzählt habe 6, die ungefähr in die Zeit von Rommels Aufenthalt in Italien fallen.

Davon 3 in der Provinz Pola (also Istrien), 3 in der Campagna (also in der Region Neapel, was in diser Zeit mehr oder weniger im Frontbreich lag) und eines im südlichen Teil der Abbruzzen.

Das heißt, zumindest, was die größeren Massaker angeht, sind so lange Rommel in Italien war Istrien und die Camapagna die Schwerpunte gewesen.
Istrien wird wahrscheinlich mit der Nähe zu Jugoslawien und dem Partisanenkrieg dort zusammenhängen.

In Neapel selbst wo es zum Massaker kam hatte sich im September 1943 die Bevölkerung gegen die deutschen Truppen erhoben.


Das Massaker von Accera scheint sich unmittelbar danach und im Zusammenhang damit als Racheaktion entwickelt zu haben

Bleibt noch das in den Abruzzen:


Was leider fehlt ist ein überblick über die zahlenmäßig kleineren Verbrechen.

Schaut man sich die größeren Massaker an, sind die alle außerhalb Rommls Befehlsbreich, dass ist richtig.
Aber die 3 im Süden, Neapel, Accera und dasjenige in den Abruzzen hatten wohl allesamt mit Kriegesereignissen und ihren Dynamiken zu tun.
In Neapel wegen des Aufstands, in Accera aus Rache, wahrscheinlich unter Beeteiligung von Soldaten, die gerade eben den Aufstand in Neapel erlebt hatte und in den Abruzzen wird es sehr wahrscheinlich Frustration und Wut über die militärischen Entwicklungen und den Rückzug gwesen sein (Massaker als Reaktion auf militärische Rückschläge, hat es in der Geschichte ja mehrfach gegeben).
Jetzt fehlt wie gesagt natürlich einfach der Überblick über die kleineren Massaker/Tötungsaktionen etc.
Wenn man sich an den Großen Massakern orientiert, die zu der Zeit passierten, als Rommel in Norditalien war, hatte er wahrscheinlich einfach das Glück weder ein bekanntes oder als solches verrufenenes Partissanengebiet (Istrien mit seiner teilweise jugoslawischen Bevölkerung) noch den unmittelbaren Frontbereich im Süden unter seinem Kommando gehabt zu haben.
 
Ich weiß nicht, was du daran zu kritisiren hast, der Anspruch des Aufsatzs war ja nicht explizit über Rommel zu schreiben, sondern genau die Einbettung des Krieges in Nordafrika in den Rahmen der Kolonialgeschichte und verwandter Bereich vorzunehmen.
Der Anspruch des Aufsatzes war es nicht, explizit über Rommel zu schreiben? Diese deine Meinung hast du für dich allein. Warum? Weil man einen Aufsatz wie diesen, der den Namen Rommel im Titel führt, dann aber sich im Text nur zu 30 % mit Rommel beschäftigt - mangels negativer Fakten? -, Aufmerksamkeit heischend nennen kann. Oder auch einen Versuch, Rommel am Zeug flicken zu wollen, aber nicht können.

Was soll man davon halten, wenn der Autor Lieb so angreift – Zitat:

[44] Kriegstagebuch der Panzerarmee Afrika, Abt. Ia, Eintrag vom 21.2.1942, BA-MA, RH 19 VIII/13. Vgl. dagegen Peter Lieb, Erwin Rommel: Widerstandskämpfer oder Nationalsozialist?, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 61,3 (2013), S. 302-43, hier S. 327, der das Dokument zwar zitiert, aber nicht richtig in seinen historischen Zusammenhang einzuordnen vermag. Stattdessen bietet Lieb eine reichlich widersprüchliche und unvollständige Darstellung der Ereignisse in Nordafrika, insbesondere was die Rolle Rommels in den deutsch-italienischen Konsultationen zur Behandlung der arabischen Zivilbevölkerung betrifft.

- er selbst aber das Dokument weder zitiert noch sagt, wie eine widerspruchsfreie und vollständige Darstellung der Ereignisse in Nordafrika auszusehen hätte. Sein Sammelsurium von Mutmaßungen kann sicher nicht dazu zählen - Zitat:

Hier ist bereits angedeutet, dass Rommel einen starken informellen Einfluss ausübte. Offiziell war zwar die Panzergruppe Afrika, zu der das Afrikakorps zählte, dem italienischen Oberbefehl unterstellt. Rommels Stimme besaß jedoch aufgrund seiner militärischen Erfolge erhebliches Gewicht beim italienischen Achsenpartner. Obwohl die Italiener seit 20 Jahren in Libyen herrschten, suchten sie bei Rommel selbst in einer so heiklen Angelegenheit wie der „Eingeborenenfrage“ Rat. Im Umkehrschluss heißt das allerdings nicht, dass Rommel dem italienischen Achsenpartner einfach hätte diktieren können, was dieser seiner Ansicht nach tun sollte. Vielmehr fiel Rommels Drängen nach entschlossenem Durchgreifen bei denjenigen innerhalb des italienischen Militärapparats auf fruchtbaren Boden, die ohnehin eine radikalere Lösung in der Bekämpfung der Aufständischen favorisierten. Zweifelsohne erweiterte sich durch die Rückendeckung des deutschen Feldmarschalls der Handlungsspielraum von Männern wie General Umberto Piatti, der hinter der Front auf ein noch brutaleres Repessionsregime drängte. Hinzu kam, dass die Angriffe von Arabern auf deutsche und italienische Versorgungslinien den Beteiligten die Notwendigkeit vor Augen führte, die Bemühungen der beiden Achsenpartner stärker zu koordinieren. Das galt auch und gerade für die Counterinsurgency. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass zu dieser Zeit durchaus noch diskutiert wurde, ob auch deutsche Einheiten ganz offiziell die italienische Armee bei der Suche nach Widerstandsnestern im Rückraum der Front unterstützen sollten. Schließlich berieten deutsche und italienische Stellen zusammen, ob man gegebenfalls alle Nomaden in Internierungslager verbringen sollte, wie man das bereits in den frühen Jahren der italienischen Kolonialherrschaft zur „Pazifizierung“ des Landes getan hatte; hier zeigt sich einmal mehr, wie sehr der Zweite Weltkrieg in Nordafrika in der Gewalttradition des Kolonialismus stand. Nachdem sich die Internierung aller Araber jedoch aufgrund fehlender personeller Ressoucen als undurchführbar erwies, griffen italienisches Militär und Polizei zu noch härterer und umfassenderer Gewalt. Unter Piattis Kommando führte die Kolonialmacht eine Reihe sogenannter Strafaktionen durch, zu denen die Zerstörung von Nomadensiedlungen ebenso zählte wie die Bombardierung von Viehherden und die Verschleppung der Stammeschefs in Wüstencamps. Deutsche und Italiener schafften es also letztlich in Libyen nicht, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen und andere Wege zu finden, mit den Unruhen fertig zu werden. Die Gewalt kam erst an ihr Ende, als die Alliierten das Land befreiten.

Das ist alles: Italienische und deutsche Stellen diskutieren und beraten sich, aber nirgendwo steht, dass deutsche Soldaten bei den Strafaktionen der Italiener gegen die Zivilbevölkerung mitmachten.
 
Mir scheint, ich sollte mich nicht weiter an dieser Diskussion beteiligen. Ich weiß einfach zu wenig über den italienischen Kriegsschauplatz.
 
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