Warum entstanden Naturwissenschaften im Westen?

Die Explosion des naturwissenschaftlichen Wissen war zur Zeit der industriellen Revolution und folgt mehr oder weniger deren Zentren, wir in "Europa" sollten sowieso aufpassen, dass uns die Chinesen nicht überholen. Während wir hoffen, dass Diktaturen nicht innovativ sein können, entsteht in Shenzhen ein Start up nach dem anderen.

Vor der Industrialisierung kann man wirklich nicht sagen, dass Westeuropa in irgendeiner Weise völlig überlegen ist.

Vor der Industrialisierung war Wissenschaft ein teures Hobby und gediehe nur in Zeiten, wo die Leute nichts "Besseres" zu tun hatten. Nun war Wissenschaft lebenswichtig, sowohl im Krieg, als auch in der Wirtschaft oder ganz allgemein, man lebte dank Wissenschaft länger.
 
Vor der Industrialisierung war Wissenschaft ein teures Hobby und gediehe nur in Zeiten, wo die Leute nichts "Besseres" zu tun hatten. Nun war Wissenschaft lebenswichtig, sowohl im Krieg, als auch in der Wirtschaft oder ganz allgemein, man lebte dank Wissenschaft länger.

Das würde jetzt meiner Meinung nach sehr stark drauf ankommen, wie eng du den Wissenschaftsbegriff fassen möchtest, welche Zweige du ausklammerst und wo du den Anfang der Industrialisierung sehen möchtest.

Auf diversen Feldern sehe ich da vor der Industrialisierung, jedenfalls wenn man diese frühestens in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts beginnen lassen möchte, durchaus eine ganze Menge, was über bloßes kostspieliges Hobby hinaus geht, alleine wenn wir etwa an den gesamten Bereich der Nautik und der Geographie denken, auch an Grundlagenbereiche in Physik und Chemie, wenn man sich etwa über das fortschreitende Kriegswesen und Bautechniken unterhalten möchte.
 
Ich will Wissenschaft nicht in Abrede stellen, aber der Boom kam erst mit der Industrialisierung und auch der klare Fortschritt im "Vergleich zu Westeuropa". 1800 noch war China Europa nicht unterlegen, dies änderte sich innerhalb weniger Jahrzehnte.

Was vom christlich-jüdischen-islamischen Glauben wissenschaftsfördernd ist, ist meiner Meinung nach die Idee, dass die Welt einem immer "besseren" Ziel zusteuert, was es im Fernen Osten nicht gibt, da wiederholt sich die Geschichte immer. Das Gegenbeispiel wären aber die Griechen, diese dachten es werde immer schlimmer und schlimmer, dem wissenschaftlichen Denken hat es nicht geschadet.
 
Ich will Wissenschaft nicht in Abrede stellen, aber der Boom kam erst mit der Industrialisierung und auch der klare Fortschritt im "Vergleich zu Westeuropa". 1800 noch war China Europa nicht unterlegen, dies änderte sich innerhalb weniger Jahrzehnte.

China würde ich hier explizit ausklammern wollen, aus dieser Frage. Können wir als Vergleich gerne abarbeiten, aber ich würde es trennen wollen.

Das, im Besonderen die Naturwissenschaften mit dem ausgehenden 18. und beginnenden 19. jahrhundert zu boomen anfingen, ist richtig, nur stellt sich da die Frage, ob da möglicherweise die Industrialisierung nicht als Ursache, sondern bereits als Produkt sich intensivierenden wissenschaftlichen Fortschritts anzusehen ist.

Was ich jedenfalls, auch für einen gewichtigen Faktor halte, ist der zunehmende Rückbau von konkurrenzvermeidenden Wirtschaftsweisen/-räumen, der in Teilen natürlich noch mit der industrialisierung einher geht, den man in Teilen sicherlich aber auch schon etwas früher ansetzen kann.
 
Die Dampfmaschine kannte man schon in der Antike, auf die Idee damit die Sklaven in den Bergwerken zu ersetzen kam aber niemand.

Naja, selbst wenn jemand auf die Idee gekommen wäre, wäre das mit den damaligen Kenntnissen um Metallurgie und ohne größere abbauwürdige Steinkohlevorkommen und entsprechende Kenntnis um Verkokungsprozesse kaum möglich gewesen, entsprechende Dampfmaschinen mit einem solchen Wirkungsgrad zu entwickeln, dass es einen tatsächlichen kosteneffizienten Ersatz dargestellt hätte.
 
Die Wissenschaft ist wie ein Staffellauf. Der Stab wird von einem Wissenschaftler zum nächsten weitergegeben, und selbst der "Stammbaum" eines Steven Hawking weist letztendlich bis auf den ersten Menschen zurück, der das Feuer für sich entdeckte. Was wir heute haben, ist eine Menschheitsleistung. Nur selten und zeitweise ragt der Beitrag einer Kultur wirklich über die Beiträge der anderen hinaus.

Ich würde nicht sagen, dass der Westen die Naturwissenschaften erfunden habe; dafür sind z.B. die Beiträge der indischen Mathematiker und Astronomen viel zu fruchtbar gewesen. Was der Westen allerdings erfunden hat, ist eine neue, überlegene Art, Wissenschaft zu betreiben: durch die Beobachtung der realen Welt, mit den Mitteln der Deduktion und Induktion, auf Basis der Empirie.

Ausgerechnet im "finsteren" christlichen Mittelalter wurde dieser entscheidende Schritt getan (wie Alistair Cameron Crombie und der in Istanbul lehrende John Freely ('Aristoteles in Oxford') eindrucksvoll gezeigt haben). Bis zu solchen Gelehrten wie Gerbert von Aurillac und Beda Venerabilis war die Welt nämlich v.a. religiös gedeutet worden; nur die antiken Philosophen bildeten eine Art von Ausnahme.

Ihre Werke, die von den Arabern bewahrt worden waren, gelangten zu jener Zeit erst wieder nach Europa zurück. Die Griechen jedoch hatten die Wissenschaft auf eine philosophische Grundlage gestellt, was die Araber von ihnen übernahmen. So meinte Aristoteles, der Weise denke nicht mit den Händen, er müsse also jedes Problem allein durch seine Vorstellungskraft lösen können.

Die kulturelle Relevanz der antiken Philosophen erzwang, dass diese Sichtweise lange als Maß der Dinge akzeptiert wurde. Friedrich II. ist wohl der erste (!) Gelehrte, der Aristoteles zu kritisieren wagte, wenn er in 'Von der Kunst zu beizen' zeigt, dass des Griechen Angaben über die Vogelwelt falsch sind, was aber – so Friedrich – verständlich sei, schließlich habe Aristoteles niemals mit Vögeln gearbeitet.

Das versinnbildlicht ein strukturelles Problem: Aristoteles hatte von Dingen geschrieben, von denen er keine Ahnung hatte; seine Angaben hatte er sich teils im Wege der Analogie zusammengereimt, teils darauf fußen lassen, was er für schlüssig und ästhetisch gefällig hielt.

Was die Bedeutung der Araber für die abendländische Wissenschaft angeht, muss man bedenken, dass der Islam eine andere Beziehung zur Wissenschaft hatte. Er kannte keinen Theodulf von Orléans, der glaubte, Reiche und Arme, Kleriker und Laien, Männer und Frauen hätten gleichermaßen ein Recht auf Bildung.

Dem frühmittelalterlichen Historiker Abul-Hassan al-Mas'udi zufolge wurde Bagdad deshalb das Zentrum arabischer Gelehrsamkeit, weil die Kalifen das Wissen benachbarter Kulturen sammelten (übrigens nicht zuletzt durch Christen), um es in den Dienst der Verwaltung des expandierenden Islam zu stellen.

Auch wollte man wohl aus theologischen Gründen Rückstände aufholen. Die 'Physik' des Aristoteles und dessen 'Topik' (ein Werk über die Kunst der Argumentation) wurden laut Freely unter den Kalifen Abdullah al-Mahdi und Harun ar-Raschid ins Arabische übersetzt, um die geistige Elite anderer Glaubensrichtungen beeindrucken zu können und zur Annahme des Islam zu bewegen.

Ihm zufolge währte diese Blüte der islamischen Wissenschaft nicht lange, und wurde keineswegs erst durch Verheerungen wie die des Mongolensturms abgewürgt. Vielmehr habe bereits zu Lebzeiten des freidenkerischen Alkendi (gest. ca. 870) eine fundamentalistische, wissenschaftsfeindliche Bewegung um sich gegriffen, die der Islam nur teilweise und nicht überall überwinden konnte.

Demgegenüber war der christliche Klerus in den Klöstern Trägerin der Bildung; wo er Landesherrschaft ausübte, bediente er sich freimütig der Wissenschaften, um sich im Ringen mit den weltlichen Fürsten einen Machtvorteil zu verschaffen. Auch das Konzept der Verherrlichung Gottes durch das Ergründen der Geheimnisse der Schöpfung ist vor allem in Europa präsent.

Die Dominanz der abendländischen Wissenschaft lässt Freely grob um die Jahrtausendwende beginnen, wobei die karolingische Renaissance sie vorweggenommen habe:

"Die islamische Wissenschaft stand damals in voller Blüte; sie hatte die wissenschaftliche Überlieferung der Griechen verarbeitet und ihre eigenen Werke hervorgebracht. [Es schien] eine Zeitlang, als wäre die islamische Kultur dem christlichen Abendland überlegen. Doch mit dem Wiederaufleben der europäischen Kultur in den Klöstern schlug die Waage in die andere Richtung aus […]"

Diese Entwicklung sieht Freely dann im Wesentlichen mit der "Renaissance des 12. Jahrhunderts" (Haskins) gesichert, getragen von Köpfen wie Adelard von Bath, der in 'Quaestiones naturales' der Erklärung natürlicher Phänomene durch Naturgesetze den Vorzug gab und riet: "Nur wo das menschliche Wissen vollständig versagt, sollte man eine Sache auf Gott zurückführen".

Man kann die Bedeutung dieser Einsicht gar nicht überschätzen. Ohne eine Wissenschaftspraxis, die nur gelten lässt, was der objektive Betrachter beobachten und nach objektiven Kriterien beweismäßig nachvollziehen kann, ist kein fundierter Erkenntnisgewinn möglich. Ich glaube, es liegt an zwei Faktoren, dass eine solche Wissenschaft im "Abendland" ihren Anfang nahm:

1) An der Bedeutung des Logos in der christlichen Tradition. Friedrich Nietzsche meinte, das Christentum habe seinen Bedeutungsverlust selbst herbeigeführt, indem es Vernunft und Wahrheit verklärte und damit unabsichtlich eine Geisteshaltung hervorbrachte, mit der es in Konflikt geraten musste.

Auch ließ die christliche Vorstellung des Menschen als Ebenbild Gottes den westlichen Individualismus entstehen, der eher dazu ermuntert, die eigene Lebenswelt zu verändern. Beidem stand, wie @Zoki55 erinnert, in anderen Kulturen eine fatalistischere Grundeinstellung gegenüber.

2) An der Einrichtung der Universität. Zwar gab es universitätsähnliche Bildungsstätten auch in anderen Kulturen, in Bagdad etwa das Bait al-Hikma. Doch nur in den Universitäten wurden gewissermaßen genormte, universell anwendbare Voraussetzungen dafür geschaffen, Wissenschaft um ihrer selbst willen zu betreiben.

Nur die Universitäten waren derart in der Breite vertreten und gegenseitig nutzbringend vernetzt. Nur die Universitäten standen schon früh einem derart breiten Schülerkreis offen. Und anders als das Bait al-Hikma oder Platons Akademeia bestand die Universität unabhängiger von der Person der Lehrer und des Herrschers.

Die Freiheit der Lehre ist definitiv eine westliche Erfindung. Natürlich liegen ihre Anfänge auch im Eigennutz; Friedrich Barbarossa wollte in Bologna seinen Machtanspruch bestätigt, Karl IV. in Prag seinen Namen als den eines Förderers der Wissenschaften verherrlicht sehen. Trotzdem brachten sie eine Rede- und Debattierfreiheit hervor, die meiner Meinung nach weltweit ziemlich einzigartig war.

Denn das Klischee des wissenschaftsfeindlichen christlichen Mittelalters stimmt nur bedingt.

Weder wurde – um nur zwei Beispiele zu nennen – Christoph Columbus ausgelacht, als er seinen Plan vorstellte, westwärts nach Indien zu segeln; die Form der Erde war den ach-so-beschränkten Geistlichen bekannt, und sie hatten ihren Umfang genauer berechnet als Columbus selbst; noch war (der von den Jesuiten für seine Verdienste ausgezeichnete) Galileo Galilei wirklich Opfer der Kirche.

Kurzum, erfunden wurde im Westen die zielführendste Art, Naturwissenschaften auszuüben, und damit die nötige Basis, um in komplexe Bereiche vorzustoßen, die für die Wissenschaft der Griechen, Araber oder alten Chinesen – die sich auf Götter berief, ästhetische Erklärungen verlangte und, wenn überhaupt, oft nur zufällig richtig lag – unerreichbar gewesen wäre.

Und dieser Beitrag ist so eindeutig dem "weißen" christlichen Abendland zuzuschreiben, dass die Critical Race Theory sogar die Behauptung aufgestellt hat, vgl. bei Michael Eric Dyson, das Beharren auf logische Schlüsse und experimentelle Replizierbarkeit sei ein Unterdrückungswerkzeug (!!), mit dem die Weißen ihre Dominanz im Wissenschaftsbetrieb verteidigen wollten.

Da oben das Beispiel China fiel: Totalitarismus ist natürlich wissenschafts- und fortschrittsfeindlich. Er spricht Denkverbote aus, untergräbt die akademische Bestenauslese, indem er begabte Menschen ausschließt, und verausgabt sich in der Förderung von Pseudowissenschaft und Größenwahn.

Die Volksrepublik China ist freilich erst seit den Reformen der Wendezeit auf der wissenschaftlichen Landkarte vertreten, und führt erst seit wenigen Jahren Benchmark-Ratings wie die Hitparade der Patent-Anmeldungen an. Man könnte das mit einem lapidaren "Ausnahmen bestätigen die Regel" abtun.

Aber tatsächlich hat Peking das Problem erkannt. Die KPCh verfolgt seit den 1980ern die konzentriert die Strategie, China im Windschatten des Amerika-Russland-Konflikts (und später des "Krieges gegen den Terror") zur bestimmenden Weltmacht zu machen. Dazu ging man auch ideologische Kompromisse ein.

Die Universitäten etwa gehörten bis in die Präsidentschaft Xi Jinpings hinein zu den am wenigsten regulierten staatlichen Institutionen. Zudem hat China in historisch einmaliger Weise von einem teils einvernehmlichen, teils erzwungenen Technologietransfer aus dem Westen profitiert.

Indem es den immens lukrativen chinesischen Markt solchen Unternehmen vorbehält, die mit lokalen Firmen zusammenarbeiten, und die umfangreichste Wirtschaftsspionage unserer Zeit betreibt, ist China nicht wegen, sondern trotz seines innovationshemmenden Systems zur Wissenschaftsgroßmacht aufgestiegen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Wissenschaft ist wie ein Staffellauf. Der Stab wird von einem Wissenschaftler zum nächsten weitergegeben, und selbst der "Stammbaum" eines Steven Hawking weist letztendlich bis auf den ersten Menschen zurück, der das Feuer für sich entdeckte. Was wir heute haben, ist eine Menschheitsleistung. Nur selten und zeitweise ragt der Beitrag einer Kultur wirklich über die Beiträge der anderen hinaus.

Ich würde nicht sagen, dass der Westen die Naturwissenschaften erfunden habe; dafür sind z.B. die Beiträge der indischen Mathematiker und Astronomen viel zu fruchtbar gewesen. Was der Westen allerdings erfunden hat, ist eine neue, überlegene Art, Wissenschaft zu betreiben: durch die Beobachtung der realen Welt, mit den Mitteln der Deduktion und Induktion, auf Basis der Empirie.

Ausgerechnet im "finsteren" christlichen Mittelalter wurde dieser entscheidende Schritt getan (wie Alistair Cameron Crombie und der in Istanbul lehrende John Freely ('Aristoteles in Oxford') eindrucksvoll gezeigt haben). Bis zu solchen Gelehrten wie Gerbert von Aurillac und Beda Venerabilis war die Welt nämlich v.a. religiös gedeutet worden; nur die antiken Philosophen bildeten eine Art von Ausnahme.

Ihre Werke, die von den Arabern bewahrt worden waren, gelangten zu jener Zeit erst wieder nach Europa zurück. Die Griechen jedoch hatten die Wissenschaft auf eine philosophische Grundlage gestellt, was die Araber von ihnen übernahmen. So meinte Aristoteles, der Weise denke nicht mit den Händen, er müsse also jedes Problem allein durch seine Vorstellungskraft lösen können.

Die kulturelle Relevanz der antiken Philosophen erzwang, dass diese Sichtweise lange als Maß der Dinge akzeptiert wurde. Friedrich II. ist wohl der erste (!) Gelehrte, der Aristoteles zu kritisieren wagte, wenn er in 'Von der Kunst zu beizen' zeigt, dass des Griechen Angaben über die Vogelwelt falsch sind, was aber – so Friedrich – verständlich sei, schließlich habe Aristoteles niemals mit Vögeln gearbeitet.

Das versinnbildlicht ein strukturelles Problem: Aristoteles hatte von Dingen geschrieben, von denen er keine Ahnung hatte; seine Angaben hatte er sich teils im Wege der Analogie zusammengereimt, teils darauf fußen lassen, was er für schlüssig und ästhetisch gefällig hielt.

Was die Bedeutung der Araber für die abendländische Wissenschaft angeht, muss man bedenken, dass der Islam eine andere Beziehung zur Wissenschaft hatte. Er kannte keinen Theodulf von Orléans, der glaubte, Reiche und Arme, Kleriker und Laien, Männer und Frauen hätten gleichermaßen ein Recht auf Bildung.

Dem frühmittelalterlichen Historiker Abul-Hassan al-Mas'udi zufolge wurde Bagdad deshalb das Zentrum arabischer Gelehrsamkeit, weil die Kalifen das Wissen benachbarter Kulturen sammelten (übrigens nicht zuletzt durch Christen), um es in den Dienst der Verwaltung des expandierenden Islam zu stellen.

Auch wollte man wohl aus theologischen Gründen Rückstände aufholen. Die 'Physik' des Aristoteles und dessen 'Topik' (ein Werk über die Kunst der Argumentation) wurden laut Freely unter den Kalifen Abdullah al-Mahdi und Harun ar-Raschid ins Arabische übersetzt, um die geistige Elite anderer Glaubensrichtungen beeindrucken zu können und zur Annahme des Islam zu bewegen.

Ihm zufolge währte diese Blüte der islamischen Wissenschaft nicht lange, und wurde keineswegs erst durch Verheerungen wie die des Mongolensturms abgewürgt. Vielmehr habe bereits zu Lebzeiten des freidenkerischen Alkendi (gest. ca. 870) eine fundamentalistische, wissenschaftsfeindliche Bewegung um sich gegriffen, die der Islam nur teilweise und nicht überall überwinden konnte.

Demgegenüber war der christliche Klerus in den Klöstern Trägerin der Bildung; wo er Landesherrschaft ausübte, bediente er sich freimütig der Wissenschaften, um sich im Ringen mit den weltlichen Fürsten einen Machtvorteil zu verschaffen. Auch das Konzept der Verherrlichung Gottes durch das Ergründen der Geheimnisse der Schöpfung ist vor allem in Europa präsent.

Die Dominanz der abendländischen Wissenschaft lässt Freely grob um die Jahrtausendwende beginnen, wobei die karolingische Renaissance sie vorweggenommen habe:

"Die islamische Wissenschaft stand damals in voller Blüte; sie hatte die wissenschaftliche Überlieferung der Griechen verarbeitet und ihre eigenen Werke hervorgebracht. [Es schien] eine Zeitlang, als wäre die islamische Kultur dem christlichen Abendland überlegen. Doch mit dem Wiederaufleben der europäischen Kultur in den Klöstern schlug die Waage in die andere Richtung aus […]"

Diese Entwicklung sieht Freely dann im Wesentlichen mit der "Renaissance des 12. Jahrhunderts" (Haskins) gesichert, getragen von Köpfen wie Adelard von Bath, der in 'Quaestiones naturales' der Erklärung natürlicher Phänomene durch Naturgesetze den Vorzug gab und riet: "Nur wo das menschliche Wissen vollständig versagt, sollte man eine Sache auf Gott zurückführen".

Man kann die Bedeutung dieser Einsicht gar nicht überschätzen. Ohne eine Wissenschaftspraxis, die nur gelten lässt, was der objektive Betrachter beobachten und nach objektiven Kriterien beweismäßig nachvollziehen kann, ist kein fundierter Erkenntnisgewinn möglich. Ich glaube, es liegt an zwei Faktoren, dass eine solche Wissenschaft im "Abendland" ihren Anfang nahm:

1) An der Bedeutung des Logos in der christlichen Tradition. Friedrich Nietzsche meinte, das Christentum habe seinen Bedeutungsverlust selbst herbeigeführt, indem es Vernunft und Wahrheit verklärte und damit unabsichtlich eine Geisteshaltung hervorbrachte, mit der es in Konflikt geraten musste.

Auch ließ die christliche Vorstellung des Menschen als Ebenbild Gottes den westlichen Individualismus entstehen, der eher dazu ermuntert, die eigene Lebenswelt zu verändern. Beidem stand, wie @Zoki55 erinnert, in anderen Kulturen eine fatalistischere Grundeinstellung gegenüber.

2) An der Einrichtung der Universität. Zwar gab es universitätsähnliche Bildungsstätten auch in anderen Kulturen, in Bagdad etwa das Bait al-Hikma. Doch nur in den Universitäten wurden gewissermaßen genormte, universell anwendbare Voraussetzungen dafür geschaffen, Wissenschaft um ihrer selbst willen zu betreiben.

Nur die Universitäten waren derart in der Breite vertreten und gegenseitig nutzbringend vernetzt. Nur die Universitäten standen schon früh einem derart breiten Schülerkreis offen. Und anders als das Bait al-Hikma oder Platons Akademeia bestand die Universität unabhängiger von der Person der Lehrer und des Herrschers.

Die Freiheit der Lehre ist definitiv eine westliche Erfindung. Natürlich liegen ihre Anfänge auch im Eigennutz; Friedrich Barbarossa wollte in Bologna seinen Machtanspruch bestätigt, Karl IV. in Prag seinen Namen als den eines Förderers der Wissenschaften verherrlicht sehen. Trotzdem brachten sie eine Rede- und Debattierfreiheit hervor, die meiner Meinung nach weltweit ziemlich einzigartig war.

Kurzum, erfunden wurde im Westen die zielführendste Art, Naturwissenschaften auszuüben, und damit die nötige Basis, um in komplexe Bereiche vorzustoßen, die für die Wissenschaft der Griechen, Araber oder alten Chinesen – die sich auf Götter berief, ästhetische Erklärungen verlangte und, wenn überhaupt, oft nur zufällig richtig lag – unerreichbar gewesen wäre.

Und dieser Beitrag ist so eindeutig dem "weißen" christlichen Abendland zuzuschreiben, dass die Critical Race Theory sogar die Behauptung aufgestellt hat, vgl. bei Michael Eric Dyson, das Beharren auf logische Schlüsse und experimentelle Replizierbarkeit sei ein Unterdrückungswerkzeug (!!), mit dem die Weißen ihre Dominanz im Wissenschaftsbetrieb verteidigen wollten.

Da oben das Beispiel China fiel: Totalitarismus ist natürlich wissenschafts- und fortschrittsfeindlich. Er spricht Denkverbote aus, untergräbt die akademische Bestenauslese, indem er begabte Menschen ausschließt, und verausgabt sich in der Förderung von Pseudowissenschaft und Größenwahn.

Die Volksrepublik China ist freilich erst seit den Reformen der Wendezeit auf der wissenschaftlichen Landkarte vertreten, und führt erst seit wenigen Jahren Benchmark-Ratings wie die Hitparade der Patent-Anmeldungen an. Man könnte das mit einem lapidaren "Ausnahmen bestätigen die Regel" abtun.

Aber tatsächlich hat Peking das Problem erkannt. Die KPCh verfolgt seit den 1980ern die konzentriert die Strategie, China im Windschatten des Amerika-Russland-Konflikts (und später des "Krieges gegen den Terror") zur bestimmenden Weltmacht zu machen. Dazu ging man auch ideologische Kompromisse ein.

Die Universitäten etwa gehörten bis in die Präsidentschaft Xi Jinpings hinein zu den am wenigsten regulierten staatlichen Institutionen. Zudem hat China in historisch einmaliger Weise von einem teils einvernehmlichen, teils erzwungenen Technologietransfer aus dem Westen profitiert.

Indem es den immens lukrativen chinesischen Markt solchen Unternehmen vorbehält, die mit lokalen Firmen zusammenarbeiten, und die umfangreichste Wirtschaftsspionage unserer Zeit betreibt, ist China nicht wegen, sondern trotz seines innovationshemmenden Systems zur Wissenschaftsgroßmacht aufgestiegen.

Wollte dir eigentlich einen Like geben, aber deine anfängliche Aussage nur zeitweise ist wer überlegen scheint zu sehr mit deinen späteren Aussagen über den Westen im Wiederspruch. Also der (ganze?) Islam war bildungsfeindlich? Und das fast von Anfang an? Naja, CRT mag Unrecht haben was die Motive des Westens angeht, aber das stört mich schon. Sind wir alle wirklich so invidualistisch, anti-fatalistisch? Und wieso überhaupt? Wer hat diese Erkenntnis gewonnen?
 
Wollte dir eigentlich einen Like geben, aber deine anfängliche Aussage nur zeitweise ist wer überlegen scheint zu sehr mit deinen späteren Aussagen über den Westen im Wiederspruch.
Dann habe ich mich entweder dämlich ausgedrückt, oder Du hast mich falsch verstanden. Denke in historischen Maßstäben: Wie lange beherrschte z.B. Rom die damals bekannte Welt? Wie lange war das chinesische Kaisertum vieler Dynastien der Dreh- und Angelpunkt Ostasiens? Und wie "lange" dauert erst die westliche Dominanz an?

Wir reden hier über wenige Jahrhunderte – nach Freely allenfalls rund 800 Jahre –, seitdem mit der Wissenschaft ein Aspekt "abendländischer" Kultur eine hervorgehobene Rolle spielt. In geschichtlichen Dimensionen ist das ein Klacks. Nach 800 Jahren hatte das Kaiserreich China noch gut 1100 Jahre der Bedeutsamkeit vor sich.
Also der (ganze?) Islam war bildungsfeindlich? Und das fast von Anfang an? Naja, CRT mag Unrecht haben was die Motive des Westens angeht, aber das stört mich schon. Sind wir alle wirklich so invidualistisch, anti-fatalistisch? Und wieso überhaupt? Wer hat diese Erkenntnis gewonnen?
Nichts für ungut, aber nach diesen Fragen tendiere ich dazu, den Verständnisfehler bei Dir zu suchen. Ich verstehe nicht, warum Du Dich an absoluten Begriffen festklammerst, die ich nicht gebraucht habe. Ich glaube, eindeutig relative Begriffe gebraucht zu haben. Also:

Nein, nicht von Anfang an. Das habe ich nicht geschrieben, vielmehr die kulturelle Blüte der frühislamischen Araber betont, die freilich durch eine fundamentalistische Gegenbewegung sowie die Zerstörung Bagdads durch die Mongolen gehemmt worden sei. Das christliche Europa schlug sich im direkten Vergleich besser, aber das heißt nicht, dass es der radikale Gegenentwurf und eitel Sonnenschein gewesen wäre.

Auch in Europa gab es religiös bedingte Wissenschaftsfeindlichkeit. Natürlich gab es sie. Sie war nur schwächer ausgeprägt, was teils theologische, teils politische Gründe hatte. Die politischen Gründe habe ich erklärt. Die theologischen Zusammenhänge habe ich ebenfalls dargelegt. Bitte die Stichwörter beachten: Nietzsche, Klöster, Logos, Gottebenbildlichkeit. Und so weiter, und so fort.

Und ja, natürlich ist der Westen Ausgangs- und Brennpunkt der individualistischen Prägung unseres Systems. Über die augenfälligen Unterschiede zwischen den Gesellschaften bspw. Japans und Dänemarks kann man doch nicht ernsthaft diskutieren. Oder über die Verdammung der westlichen Spaß- und Konsumgesellschaft als Beweis unserer "Degeneration" durch den radikalen Islam. Damit sage ich nichts Neues.
 
Dann habe ich mich entweder dämlich ausgedrückt, oder Du hast mich falsch verstanden. Denke in historischen Maßstäben: Wie lange beherrschte z.B. Rom die damals bekannte Welt? Wie lange war das chinesische Kaisertum vieler Dynastien der Dreh- und Angelpunkt Ostasiens? Und wie "lange" dauert erst die westliche Dominanz an?

Wir reden hier über wenige Jahrhunderte – nach Freely allenfalls rund 800 Jahre –, seitdem mit der Wissenschaft ein Aspekt "abendländischer" Kultur eine hervorgehobene Rolle spielt. In geschichtlichen Dimensionen ist das ein Klacks. Nach 800 Jahren hatte das Kaiserreich China noch gut 1100 Jahre der Bedeutsamkeit vor sich.Nichts für ungut, aber nach diesen Fragen tendiere ich dazu, den Verständnisfehler bei Dir zu suchen. Ich verstehe nicht, warum Du Dich an absoluten Begriffen festklammerst, die ich nicht gebraucht habe. Ich glaube, eindeutig relative Begriffe gebraucht zu haben. Also:

Nein, nicht von Anfang an. Das habe ich nicht geschrieben, vielmehr die kulturelle Blüte der frühislamischen Araber betont, die freilich durch eine fundamentalistische Gegenbewegung sowie die Zerstörung Bagdads durch die Mongolen gehemmt worden sei. Das christliche Europa schlug sich im direkten Vergleich besser, aber das heißt nicht, dass es der radikale Gegenentwurf und eitel Sonnenschein gewesen wäre.

Auch in Europa gab es religiös bedingte Wissenschaftsfeindlichkeit. Natürlich gab es sie. Sie war nur schwächer ausgeprägt, was teils theologische, teils politische Gründe hatte. Die politischen Gründe habe ich erklärt. Die theologischen Zusammenhänge habe ich ebenfalls dargelegt. Bitte die Stichwörter beachten: Nietzsche, Klöster, Logos, Gottebenbildlichkeit. Und so weiter, und so fort.

Und ja, natürlich ist der Westen Ausgangs- und Brennpunkt der individualistischen Prägung unseres Systems. Über die augenfälligen Unterschiede zwischen den Gesellschaften bspw. Japans und Dänemarks kann man doch nicht ernsthaft diskutieren. Oder über die Verdammung der westlichen Spaß- und Konsumgesellschaft als Beweis unserer "Degeneration" durch den radikalen Islam. Damit sage ich nichts Neues.

Okay, vielleicht sehe ich da einiges aus der falschen Perspektive. Du hast schon recht, so lange ist der Westen noch nicht an der Macht...
Vielleicht lese ich das falsche... was sind denn Beispiele für westliche Wissenschaftsfeindlichkeit? Kommt mir so vor als sei das ein eher neues Phänomen. Seid Darwin eine Gegenperspektive bot.
Und Japan war vielleicht mal kollektivistisch, wird aber immer individualistischer, mit Anime Popkultur und so. Und ich weiß nicht ob früher so ein Unterschied geherrscht hat.
 
Die Entstehung (was immer das genau bedeutet) der Naturwissenschaften (was immer das jetzt genau ist) im Westen (wo immer der auch exakt liegt) ist natürlich ein so komplexer Prozess, dass er nicht mit wenigen Schlagworten erklärt werden kann. Dennoch ein, zwei Gedanken, die mE Aspekte des ganzen darstellt:

Das naturwissenschaftliche Weltbild und die monothistischen Religionen haben eine Gemeinsamkeit: Sie führen alles (worüber sie Aussagen machen) auf einen einzigen Satz Regeln zurück; den einen Gott im einen, die Naturgesetze im anderen Falle. Auch wenn wir diese Regeln nicht genau kennen, und sie vielleicht nie genau kennen werden (weil Gottes Wille unergründlich ist, oder der menschlichen Erkenntnisfähigkeit & der wissenschaftlichen Methode Grenzen gesetzt sein können), in beiden Weltanschuungssystemen wird von der grundsätzlichen Existenz eines solchen Regelsatzes ausgegangen; und damit auch von der Unvereinbarkeit mit anderen, widersprechenden Welterklärungen. Man kann nicht zwei Religionen haben, da sich Grundaussagen und -glaubensinhalte widersprechen werden. Man kann Christ sein und ein naturwissenschafltiches Weltbild haben. Man kann aber nicht ein naturwissenschaftliches Weltbild haben, und die Bibel für wortwörtlich wahr halten. Auch das funzt schlicht nicht.

Die Unerbittlichkeit im Denken hat in Weltgeschichte zu erheblichem Leid geführt, und "der Westen" (wenn ich den mal mit dem "christlichen Abendland" identifiziere) steht da ziemlich in der ersten Reihe. In keiner anderen mir bekannten Weltregion wurde eine recht weitgehende ideologisch-religiöse Homogenität dermaßen brutal herbeigeführt (vor Beginn der Kolonialisierung ab dem 16. Jh.). Massenmord gabs überall, aber der Grund oder zumindest die Begründung "Religion" war hierzukontinent doch erstaunlich beliebt...

Nun haben auch benachbarte Regionen monotheistische Religionen, und teilen mit Europa auch die davor liegenden Wurzeln (Mesopotamien, Ägypten, Griecheland, Rom...). Der heutige Nahe Osten waren hellenisiert, West- & Nordeuropa nicht. Das Römische Reich hat Kleinasien länger beeinflusst als Gallien oder Britannien. Dennoch war und ist eine große religiöse Vielfalt, ein Nebeneinander von Religionen & Konfessionen, dort viel eher die gelebte Realität.

Die gleiche Unerbittlichkeit ist aber auch die Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnis; also, nicht die, die andere Theorien vertreten, mit Daumenschrauben zu malträtieren, aber die unausgesprochen Übereinkunft, dass bei einem Zusammenstoß von Ideen und Vorstellungen letztlich einer recht haben muss (bzw es eine richtige Antwort geben muss, evtl liegen konkret ja auch beide falsch).

Mein Eindruck ist, dass das eine Grundlage der Naturwissenschaften ist. Kann eine Weltanschauung, die das Universum von einer Vielzahl von Kräften und Mächten beherrscht sieht, die notwendige Rigorosität entwickeln, die zur Handhabung der wissenschaftlichen Methode im gesellschaftlichem Rahmen notwendig ist? Die griechischen Philosophen hab recht gut vorgelegt (va auch mit der Suche nach dem "Urelement" als Grundlage für einen einheitlichen Satz Regeln), aber mit der heutigen wissenschaftlichen Methode hatte das noch nicht viel zu tun. In anderen Weltgegenden wurden große Erungenschaften gemacht, in der Technik, Medizin, Philosophie etc, auch durch Expemerentieren in großem Maßstab. Es wurde mWn aber nie zu einem einheitlichen, von religiös-weltanschaulichen Ansichten möglichst unbeeinflußten Ganzen zusammen gesetzt, wie sie wissenschaftliche Methode und naturwissenschaftliche Welterklärung bilden.

In Europa wurde Leuten der Scheiterhaufen angedroht (und nicht nur angedroht...), weil sie ein halbes Grad abseits des kirchlichen Kurses segelten. Und diese Leute waren auf diesem Kurs, weil sie überzeugt waren, in der Sache (welcher jetzt auch immer) recht zu haben, und das auch beweisen zu können. Auch wenn das ganze erst wirklich aufblühen konnte, als die Drohung mit dem Scheiterhaufen ad acta gelegt wurde, und tatsächlich (halbwegs...) das bessere Argument zählte, sieht es damit ganz anders aus als zB in Japan. Dort wurden die europäischen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse durchaus rezipiert und, nach Änderung der politischen Verhältnisse, schneller adaptiert und eingesetzt als anderswo. Aber entstandensind sie nicht in einem Land, wo noch heute 70 % der Bevölkerung Shintoisten & 67 % Buddhisten sind (und das real säkulärer ist als so manches europäische Land). ME durchaus auch wegen der Toleranz, die in den Zahlen zum Ausdruck kommt. (Und die ich immer wieder amüsant finde, auch wenn darin natürlich nur mein eigener europäischer Bias aufschent, der mir sagt, dass Religion was eindeutiges zu sein hat...).
 
Robert Laughlin ein Nobelpreisträger meint ja, dass Wissenschaft sich wieder davon lösen muss, alles aus einer Theorie kommt und das wir in Zukunft um Wissenschaft zu betreiben, wir Emergenz als wichtig sehen müssen.

Die Theorie von Allen hält er für pseudoreligiöses Geschwätz (okay von mir drastisch formuliert), was mit Wissenschaft nichts mehr zu tun hat. Vielen Physikern wirft er auch vor an Theorien zu forschen die wir nie oder erst vielleicht in Jahrhunderten nachprüfen können. Dies ist keine Physik mehr sondern Philosophie, wenn nicht sogar Theologie.

Das Buch ist echt konfus geschrieben, aber dies währen mal die Thesen knackig zusammengefasst. Hawking bekommt auch sein Fett weg (M-Theorie, Multiversum, Hawking Strahlung und e.t.c. sind keine Physik).

[Mod]bitte vernünftig bibliographieren und keine kommerziellen Websites verlinken[/mod]
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
ielleicht lese ich das falsche... was sind denn Beispiele für westliche Wissenschaftsfeindlichkeit? Kommt mir so vor als sei das ein eher neues Phänomen. Seid Darwin eine Gegenperspektive bot.
Wissenschaftsfeindlichkeit seit Darwin?

Nein, Wissenschaftsfeindlichkeit gab es im christlichen Europa immer, v.a. als Ausdruck religiöser Hysterie (z.B. wegen der Pest) oder im Zuge innerreligiöser Konflikte (bspw. der Reformation). Und der Pöbel stand der Wissenschaft sowieso argwöhnisch gegenüber. So wurde noch 1740 in Frankreich ein Landvermesser der Cassinis von Bauern erschlagen, die ihn (wegen der Instrumente) für einen Magier gehalten hatten.

Ich glaube, es gibt im historischen Maßstab zwei Unterschiede zwischen Europa und dem Rest der Welt, was die Grundlagen für die Wissenschaft als Institution angeht – wie also das Klima für Wissenschaftler war:

1. Bis ins 13. Jahrhundert hinein waren Klöster die Bildungs-Hubs des Abendlandes. Hier wurden gelehrte Werke gesammelt und vervielfältigt, sowie neue verfasst. Die meisten Naturwissenschaftler des Früh- und Hochmittelalters waren Mönche (teils auch Nonnen). Viele erreichten hohe Weihen (so wurde Gerbert von Aurillac Papst, Robert von Lincoln Bischof, und viele andere Bischöfe oder Äbte).

Die Wissenschaft war mit der Priesterschaft in einer Weise verzahnt, wie es z.B. im Islam nicht möglich war. Um ungestört forschen zu können, bemühten sich diese Forscher, die "heidnischen" Wissenschaften mit der biblischen Lehre zu vereinigen, dadurch wurde sie sozusagen gesellschaftsfähig.

Es gab durchaus Versuche, bspw. den Aristoteles aus den Universitäten zu verbannen, aber das hielt nie lange, und der größte Widerstand schlug den Radikalen aus dem Klerus selbst entgegen. Schließlich konnte die Kirche auch dadurch Macht ausüben, dass Fürsten- und Bürgersöhne zu ihr kamen, um sich zu bilden.

2. Natürlich hatten auch Kleriker anderer Religionen Macht und Autorität, aber nur selten existierten in der Menschheitsgeschichte Organisationen wie die Kirche mit allgemein akzeptierter geistlicher und weltlicher Macht, und zwar grenz- und kulturüberschreitend. Die meisten hohen Geistlichen waren mindestens mächtige Vasallen von Fürsten, vielfach aber selber souveräne Fürsten in doppelter Funktion.

Sie mussten das weltliche Spiel der Macht mitspielen. So war der Papst ab der Renaissance einer der größten Mäzene kluger und kreativer Köpfe. Das diente teils der Prachtentfaltung wie an weltlichen Fürstenhöfen, hatte aber auch praktische Gründe. Jede Wissenschaft hat schließlich auch praktische Anwendungen.

Das Problem für den Wissenschaftler: Die kirchliche Lehre legitimierte die Macht der Päpste und Bischöfe, und sie zu widerlegen hieß, ihre weltliche Macht zu delegitimieren. Deswegen verfolgten auch durch und durch weltliche Prälaten, die als Lebemänner mit der Theologie nicht viel am Hut hatten, sogenannte Ketzerei.

Wenn nun @Reinecke schreibt, dass es gefährlich gewesen sei, der kirchlichen Lehre zu widersprechen, hat er vollkommen Recht, verkürzt aber in seiner Darstellung, welche Art Widerspruch gefährlich war. Wie oben angedeutet, ließ sich durchaus auch an Themen forschen, die der Bibel widersprachen, wenn man es philosophisch richtig verpackte und nicht kirchliche Dogmen in ihrem Bestand angriff.

Eine andere Methode bestand darin, Abhandlungen zu schreiben, die dem Leser angeblich ermöglichen sollten, "ketzerische" Lehren zu widerlegen, während es in Wahrheit darum ging, die Lehre überhaupt erst zu verbreiten. Auch die Dialogform war beliebt. Die Lehre wurde in einem fiktiven Gespräch untergebracht, das nach dem Motto "was wäre, wenn" verlief, ohne sich ausdrücklich festzulegen.

Wenn man sich mit der Verfolgung durch die Inquisition und entsprechenden Urteilen beschäftigt, wird man sehen, dass der große Konflikt zwischen Kirche und Wissenschaft – den es freilich gab –, erst nach dem Mittelalter richtig an Fahrt aufnahm, in etwa zwischen 1500 und 1650. Das lag nicht nur daran, dass die Wissenschaft selbst an Fahrt aufgenommen hatte und immer neue Erkenntnisse produzierte.

Es hat vielmehr damit zu tun, dass die Universitäten die Klöster als zentrale Forschungsstätten abgelöst hatten. Die neue, humanistisch geprägte Forschergeneration setzte sich vornehmlich aus (theologischen) Laien zusammen. Sie wollten die Vernunft gegen den Glauben verteidigen und keine Kompromisse mehr eingehen, wie es die Mönche und kirchentreuen frühen Scholaren vor ihnen getan hatten.

Wenn etwa Giordano Bruno auf dem Scheiterhaufen landete, so geschah das in praktischer Hinsicht, weil er seine Lehren nicht zurücknehmen wollte, und in theoretischer, weil er der Kirche nicht gestatten wollte, salopp gesagt, ihr Gesicht zu wahren. Ich weiß, das klingt, als wollte ich nicht uneingeschränkt für Freiheit und Gerechtigkeit Partei ergreifen, aber hier geht es nicht um Unrecht, sondern um Ursache und Wirkung.

Ich will damit sagen: Der Konflikt zwischen der vernunftbasierten Wissenschaft und der oft unvernünftigen Glaubenslehre war in Europa in Wahrheit vielleicht eher weltlicher als religiöser Natur. Die Kirche konnte hart und grausam sein, aber weniger aus Glaubenseiferei, als das Klischee es will. Dadurch blieb der Wissenschaft mehr Raum zu atmen, als es meiner Meinung nach anderswo der Fall war.
Und Japan war vielleicht mal kollektivistisch, wird aber immer individualistischer, mit Anime Popkultur und so. Und ich weiß nicht ob früher so ein Unterschied geherrscht hat.
Es wird zweifellos immer individualistischer – wobei ich als Ursachen eher auf den gestiegenen Lebensstandard, amerikanische Einflüsse und den Bedeutungsschwund herkömmlicher sozialer Strukturen durch die Verstädterung tippen würde. Nicht umsonst wurden Roboter, die einsamen Menschen Gesellschaft leisten sollen, in Japan erfunden.

Dennoch ist Japan (und ganz Ostasien) im Vergleich etwa zu Deutschland unglaublich kollektivistisch. Niemand protestiert dort gegen das Masken-Tragen wegen Covid-19, weil es sowieso zum guten Ton gehört, auf die Gemeinschaft Rücksicht zu nehmen; und in irgendeiner Form aus der Reihe zu tanzen, sich ins Rampenlicht zu stellen oder andere zu blamieren, wird immer noch gesellschaftlich hart sanktioniert.

Nur ein Beispiel: Fast jeder Strafprozess endet in Japan mit einem Schuldspruch. Warum? Die Behörden bringen überhaupt nur solche Fälle zur Anklage, wo die Beweislast erdrückend ist. Denn verliert ein Staatsanwalt einen Fall, gilt das als Schande für seine Behörde und Verrat an seinen Mitarbeitern.

Früher war dieser Kollektivismus, der uralt ist, noch sehr viel ausgeprägter. So war 1939 das soziale Klima in Hitlerdeutschland im Vergleich zu Japan geradezu liberal (jedenfalls für Deutsche). Es hat versprengte japanische Soldaten gegeben, die – im Unwissen um die Kapitulation – auf einsamen Eilanden im Pazifik noch zwanzig Jahre nach Kriegsende ihren "Dienst" taten, aus Furcht, Kaiser und Volk zu enttäuschen.

Dass Japan zu einer wissenschaftlichen Weltmacht aufgestiegen ist, ist – wie später im Falle Chinas – auf einen konzertierten Plan der Staatsführung zurückzuführen, um zu den als Bedrohung angesehenen westlichen Mächten aufzuschließen. Dabei baute man nicht zuletzt auf starke kollektivistische Impulse, mithin die Bereitschaft, das eigene Leben und Wirken in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen.
 
Wissenschaftsfeindlichkeit seit Darwin?

Nein, Wissenschaftsfeindlichkeit gab es im christlichen Europa immer, v.a. als Ausdruck religiöser Hysterie (z.B. wegen der Pest) oder im Zuge innerreligiöser Konflikte (bspw. der Reformation). Und der Pöbel stand der Wissenschaft sowieso argwöhnisch gegenüber. So wurde noch 1740 in Frankreich ein Landvermesser der Cassinis von Bauern erschlagen, die ihn (wegen der Instrumente) für einen Magier gehalten hatten.

Welche Ausdrücke von Wissenschaftsfeindlichkeit gab es wegen der Pest, oder der Reformation? Und ist die Story mit Cassinis wirklich belegt?

Es gab durchaus Versuche, bspw. den Aristoteles aus den Universitäten zu verbannen, aber das hielt nie lange, und der größte Widerstand schlug den Radikalen aus dem Klerus selbst entgegen. Schließlich konnte die Kirche auch dadurch Macht ausüben, dass Fürsten- und Bürgersöhne zu ihr kamen, um sich zu bilden.

Nun, das kommt mir jetzt doch ein bisschen komisch vor. Nicht, dass ich dir nicht glauben will, aber ich lese seid einiger Zeit einen Blog der sich speziell mit der angeblichen Wissenschaftsfeindlichkeit des Mittelalters auseinandersetzt und er erwähnt keine großen Versuche griechische Literatur zu bannen. Eher im Gegenteil. Es gab mal einen (sehr eingeschränkten) Bann, aber der ist komplett nach hinten los gegangen. Zu mal man an anderen Universitäten speziell damit Werbung gemacht hat, dass diese angeblich so gefährlichen Schriften hier eingesehen werden können! Also das komplette Gegenteil von der angeblichen Verbohrtheit.

Es hat vielmehr damit zu tun, dass die Universitäten die Klöster als zentrale Forschungsstätten abgelöst hatten. Die neue, humanistisch geprägte Forschergeneration setzte sich vornehmlich aus (theologischen) Laien zusammen. Sie wollten die Vernunft gegen den Glauben verteidigen und keine Kompromisse mehr eingehen, wie es die Mönche und kirchentreuen frühen Scholaren vor ihnen getan hatten.

Wenn etwa Giordano Bruno auf dem Scheiterhaufen landete, so geschah das in praktischer Hinsicht, weil er seine Lehren nicht zurücknehmen wollte, und in theoretischer, weil er der Kirche nicht gestatten wollte, salopp gesagt, ihr Gesicht zu wahren. Ich weiß, das klingt, als wollte ich nicht uneingeschränkt für Freiheit und Gerechtigkeit Partei ergreifen, aber hier geht es nicht um Unrecht, sondern um Ursache und Wirkung.

Das mit dem Humanismus ist mir neu. Aber Giordano Bruno als Beispiel für Wissenschaftsfeindlichkeit aufzuführen kommt mir nicht richtig vor. Der Typ war ein radikaler Mystiker, nicht etwas das man auch nur im entferntesten als Wissenschaftler bezeichnen kann.

Mal einen Artikel aus dem Blog den ich oben erwähnte - Giordano Bruno was a Martyr for Science (historyforatheists.com)
 
Welche Ausdrücke von Wissenschaftsfeindlichkeit gab es wegen der Pest, oder der Reformation?
Religiöse Hysterie führt stets zu einem illiberaleren Gesellschaftsklima, und damit zu weniger Spielraum für Abweichler. Was die Pest anlangt, gründete etwa die letzte große Verfolgungswelle des 14. Jahrhunderts gegen die Beginen und Begarden maßgeblich auf deren Zweifel an der "offiziellen" Version, dass die Pest von den Juden durch die Vergiftung der Brunnen verursacht worden sei.

Die Reformation dagegen ist nur ein Beispiel für die innerkirchlichen Konflikte, angefangen bei den Richtungsstreitigkeiten der Frühkirche (man denke etwa an die Parabolani des Kyril, die in Alexandria die Philosophen bedrängten und Hypatia ermordeten), die zur Ausbildung puristischer Strömungen führten.

Ich sagte nicht, dass die Reformation wissenschaftsfeindlich gewesen sei; so hielt Calvin die Wissenschaften für ein Geschenk Gottes. Doch führte die Konfrontation zu einer (schließlich auch institutionellen) Gegenreformation, die – ausgerechnet in der humanistischen Neuzeit, nicht etwa im "finsteren" Mittelalter – einen Radikalismus beförderte, den das Mittelalter noch nicht gekannt hatte.

Die Hexenverbrennungen etwa sind eine Praktik der Neuzeit, nicht des Mittelalters. Als Heinrich Institor 1486 mit seinem 'Hexenhammer' ankam, wurde er ausgelacht – vom Klerus. 125 Jahre später hatten führende Kleriker wie die Würzburger Fürstbischöfe das Buch (bildlich gesprochen) auf dem Nachttisch liegen.
Und ist die Story mit Cassinis wirklich belegt?
Ist sie. Aber nicht ein Mitglied der Familie Cassini wurde getötet, sondern einer seiner Vermesser. Der Mord geschah in einem Ort namens Les Estables, in der Region Haute-Loire.
Nun, das kommt mir jetzt doch ein bisschen komisch vor. Nicht, dass ich dir nicht glauben will, aber ich lese seid einiger Zeit einen Blog der sich speziell mit der angeblichen Wissenschaftsfeindlichkeit des Mittelalters auseinandersetzt und er erwähnt keine großen Versuche griechische Literatur zu bannen. Eher im Gegenteil. Es gab mal einen (sehr eingeschränkten) Bann, aber der ist komplett nach hinten los gegangen.
Aber genau das schreibe ich doch die ganze Zeit, das christliche Mittelalter war nicht sonderlich wissenschaftsfeindlich – jedenfalls nicht so sehr, wie die Nachwelt ihm unterstellt.

Und möglicherweise denkst Du an das gleiche Edikt, das nämlich ab 1210 der Universität Paris die Schriften Aristoteles verbot. Wie gesagt, langlebig war es nicht; 1250 gehörten alle Werke des Griechen zu dem Kanon, den jeder Pariser Magister aus dem Stegreif beherrschen musste.

Wir reden hier aneinander vorbei.
Das mit dem Humanismus ist mir neu. Aber Giordano Bruno als Beispiel für Wissenschaftsfeindlichkeit aufzuführen kommt mir nicht richtig vor. Der Typ war ein radikaler Mystiker, nicht etwas das man auch nur im entferntesten als Wissenschaftler bezeichnen kann.
Mystiker waren aus heutiger Sicht nahezu alle Wissenschaftler vor Newton, Leibniz und Co. Selbst bei Roger Bacon stehen Nigromantie und empirische Physik gleichberechtigt gegenüber.

Aber Dein Urteil über Bruno kann ich nicht teilen. Er war ein Wissenschaftler, und geriet wegen seiner Ansicht mit der Kirche in Konflikt, dass das Weltall unendlich sei und der Kosmos weder Anfang noch Ende habe, was (nach heutigem Wissensstand) beides stimmt, aber die Schöpfungslehre negierte.

Verbrannt wurde er, weil er sich weigerte, seine Lehre zu widerrufen. Die Bibel beginnt praktisch damit, wie Gott die Erde erschafft. Daran zu zweifeln heißt, an der Bibel zu zweifeln, und an der Bibel zu zweifeln heißt, zu bezweifeln, dass der Papst Christi Stellvertreter auf Erden und unfehlbar ist.
Danke, ich werde später mal ein wenig darin lesen… aber das wäre die erste nach eigenem Bekenntnis atheistische Quelle, die das katholische Mittelalter als aufgeschlossen darstellen will.
 
Verbrannt wurde er, weil er sich weigerte, seine Lehre zu widerrufen. Die Bibel beginnt praktisch damit, wie Gott die Erde erschafft. Daran zu zweifeln heißt, an der Bibel zu zweifeln, und an der Bibel zu zweifeln heißt, zu bezweifeln, dass der Papst Christi Stellvertreter auf Erden und unfehlbar ist.
Das Unfehlbarkeitsdogma gab es damals noch nicht. Das gibt es erst seit dem 19. Jhdt.
 
Religiöse Hysterie führt stets zu einem illiberaleren Gesellschaftsklima, und damit zu weniger Spielraum für Abweichler. Was die Pest anlangt, gründete etwa die letzte große Verfolgungswelle des 14. Jahrhunderts gegen die Beginen und Begarden maßgeblich auf deren Zweifel an der "offiziellen" Version, dass die Pest von den Juden durch die Vergiftung der Brunnen verursacht worden sei.

Ja, das glaub ich ja wohl. Aber diese religiöse Hysterie hat keine Auswirkung auf echte Wissenschaften.

Die Reformation dagegen ist nur ein Beispiel für die innerkirchlichen Konflikte, angefangen bei den Richtungsstreitigkeiten der Frühkirche (man denke etwa an die Parabolani des Kyril, die in Alexandria die Philosophen bedrängten und Hypatia ermordeten), die zur Ausbildung puristischer Strömungen führten.

Es ist allerdings ein weitverbreiteter Irrglaube, dass Hypatia starb weil sie eine gelehrte Frau war. Wurden andere Gelehrte ihrer Tätigkeit wegen "bedrängt"? Es gab ja auch noch nach Hypatia weibliche Philosophinnen. Tim O´Neill, der Macher des Blogs den ich dir verlinkt hab hat übrigens auch nen Artikel zu Hypatia geschrieben.


Aber Dein Urteil über Bruno kann ich nicht teilen. Er war ein Wissenschaftler, und geriet wegen seiner Ansicht mit der Kirche in Konflikt, dass das Weltall unendlich sei und der Kosmos weder Anfang noch Ende habe, was (nach heutigem Wissensstand) beides stimmt, aber die Schöpfungslehre negierte.

Verbrannt wurde er, weil er sich weigerte, seine Lehre zu widerrufen. Die Bibel beginnt praktisch damit, wie Gott die Erde erschafft. Daran zu zweifeln heißt, an der Bibel zu zweifeln, und an der Bibel zu zweifeln heißt, zu bezweifeln, dass der Papst Christi Stellvertreter auf Erden und unfehlbar ist.Danke, ich werde später mal ein wenig darin lesen… aber das wäre die erste nach eigenem Bekenntnis atheistische Quelle, die das katholische Mittelalter als aufgeschlossen darstellen will.

Ja, aber wie soll er das mit damaligen Methoden beobachtet haben? Konnte er nicht, er hat es aber trotzdem geglaubt, deshalb Mystiker. Ist in etwa so als ob ich rate, dass es das Multiversum gibt. Wird vielleicht mal bewiesen, das macht mich aber nicht zu nem Wissenschaftler.

Ich glaub nicht, dass wir aneinander vorbeireden. Du glaubst nur, dass das westliche Mittelalter intoleranter war als ich und wir diskutieren darüber. Mir fällt vor allem auf, dass du keine Fälle nennst in der Wissenschaft, behindert wird.
 
Das Unfehlbarkeitsdogma gab es damals noch nicht. Das gibt es erst seit dem 19. Jhdt.
Guter Einwand, ich hätte präziser von Unantastbarkeit sprechen sollen. Ich dachte dabei an Glaubenssätze wie das Papstprimat.
Ja, das glaub ich ja wohl. Aber diese religiöse Hysterie hat keine Auswirkung auf echte Wissenschaften.
Das sehe ich anders. Die Wissenschaftler existierten nicht im luftleeren Raum. Sie waren in einem Klima tätig, das ihrer Tätigkeit gewogen sein oder zumindest indifferent gegenüberstehen musste.
Es ist allerdings ein weitverbreiteter Irrglaube, dass Hypatia starb weil sie eine gelehrte Frau war. Wurden andere Gelehrte ihrer Tätigkeit wegen "bedrängt"? Es gab ja auch noch nach Hypatia weibliche Philosophinnen. Tim O´Neill, der Macher des Blogs den ich dir verlinkt hab hat übrigens auch nen Artikel zu Hypatia geschrieben.
Hypatia starb nicht, weil sie eine gelehrte Frau war. Hypatia starb, weil sie, wie die alexandrinische Philosophenschule, den "heidnischen" Pantheismus vertrat, der Kyril von Alexandria ein Dorn im Auge war. Eine "heidnische" Intelligenz untergrub den geistlichen Führungsanspruch Kyrils und seiner Priesterschaft.
Ja, aber wie soll er das mit damaligen Methoden beobachtet haben? Konnte er nicht, er hat es aber trotzdem geglaubt, deshalb Mystiker. Ist in etwa so als ob ich rate, dass es das Multiversum gibt. Wird vielleicht mal bewiesen, das macht mich aber nicht zu nem Wissenschaftler.
Diese Aussage halte ich für schlicht und ergreifend falsch. Mit Deiner Definition wischst Du das Meiste der antiken und mittelalterlichen Wissenschaft beiseite, die ihre Erkenntnisse, von denen viele später bestätigt wurden, mit aus heutiger Sicht unzureichenden Mitteln oder gar im Wege der Schlussfolgerung erlangte.

Die griechischen Atomistiker wie Demokrit konnten auch nicht mehr sehen, als ihre Augen ihnen erlaubten, und folgerten aus ihren Überlegungen über die Natur doch korrekt die Existenz der Atome. Natürlich machten sie dabei Fehler, irrten über Dinge, die sie nicht wissen konnten. Aber es liegt im Wesen der Wissenschaft, Theorien über Dinge anzustellen, die man noch nicht mit Sicherheit weiß.

Außerdem verkennst Du meines Erachtens nach den Gehalt dessen, was wir heute Freiheit der Lehre nennen, eine Begrifflichkeit, die durch das Vernunftprimat der Humanisten bereits im Entstehen war. Giordano Bruno, übrigens ein Hochschullehrer und anerkannter Gelehrter seiner Zeit, endete nicht auf dem Scheiterhaufen, weil die Kirche ihn für einen Mystiker hielt, der unwissenschaftlichen Quatsch verbreitete.

Er wäre für die Kirche überhaupt keine Bedrohung gewesen, hätte er bloß als Märchenerzähler gegolten, der sich nicht auf den wissenschaftlichen Kenntnisstand seiner Zeit berufen konnte. Und das ist der springende Punkt: seiner Zeit. In den Augen seiner gebildeten Zeitgenossen war Bruno ein seriöser Gelehrter. In den Augen seiner Zeit war die Hermetik bloß eine weitere philosophische Strömung.

Du argumentierst hier meiner Ansicht nach anachronistisch, nicht unähnlich wie jene Leute heute, die meinen, man müsste historische Persönlichkeiten an den moralischen Maßstäben der Moderne messen und dürfe z.B. nicht den Misogyn Schopenhauer mit Denkmälern ehren.
Ich glaub nicht, dass wir aneinander vorbeireden. Du glaubst nur, dass das westliche Mittelalter intoleranter war als ich und wir diskutieren darüber.
Ich schließe aus den Quellen, dass das europäische Mittelalter nicht besonders intolerant gegenüber den Wissenschaften war, und habe dafür jede Menge Beispiele geliefert. Du jedoch gehst davon aus, dass es geradezu liberal war, was es gar nicht sein konnte.
Mir fällt vor allem auf, dass du keine Fälle nennst in der Wissenschaft, behindert wird.
Soll ich Dir jetzt ernsthaft eine Liste aller Wissenschaftler nennen, die auf dem Scheiterhaufen landeten? Deren Schriften auf dem Index librorum prohibitorum landeten? Die vor ein Inquisitionsgericht zitiert wurden?
 
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Das sehe ich anders. Die Wissenschaftler existierten nicht im luftleeren Raum. Sie waren in einem Klima tätig, das ihrer Tätigkeit gewogen sein oder zumindest indifferent gegenüberstehen musste.

Okay, das könnte ich gelten lassen, dass die Verfolgung von Häretikern etc ein Klima schuf, dass der Wissenschaft schädlich war. Auf den Universitäten war das aber doch ganz anders, oder? Da fragt sich doch wie das Klima war, gerade bei den Leuten die tatsächlich Gelehrte werden konnten...

Hypatia starb nicht, weil sie eine gelehrte Frau war. Hypatia starb, weil sie, wie die alexandrinische Philosophenschule, den "heidnischen" Pantheismus vertrat, der Kyril von Alexandria ein Dorn im Auge war. Eine "heidnische" Intelligenz untergrub den geistlichen Führungsanspruch Kyrils und seiner Priesterschaft.

Ich glaub nicht das Hypatia deswegen starb. Ich glaub sie war nicht mal Pantheistin. Man könnte es meinen, aber sie hatte ja auch unter Christen große Verehrer, eben auch bei Kyrils politischen Rivalen.

Du argumentierst hier meiner Ansicht nach anachronistisch, nicht unähnlich wie jene Leute heute, die meinen, man müsste historische Persönlichkeiten an den moralischen Maßstäben der Moderne messen und dürfe z.B. nicht den Misogyn Schopenhauer mit Denkmälern ehren.

Warum sollen wir im hier und jetzt Leute ehren die auf gut Deutsch gesagt Quatsch verzapft haben? Ich glaub der Punkt steht fest, dass Naturwissenschaftler nichts zu befürchten hatten. Leute wie Hypatia oder Bruno waren aber eher Mystiker und zudem kamen weitere Faktoren hinzu weshalb sie den Tod fanden. Bei Hypatia Politik zum Beispiel.

Soll ich Dir jetzt ernsthaft eine Liste aller Wissenschaftler nennen, die auf dem Scheiterhaufen landeten? Deren Schriften auf dem Index librorum prohibitorum landeten? Die vor ein Inquisitionsgericht zitiert wurden?

Also ein paar würden mir schon reichen. Mich wurmt es nämlich um ehrlich zu sein ganz schön, dass mir das Mittelalter so liberal vorkommt im Vergleich zu den "Kollektivisten". Ich will nämlich meinen (fast) jede Kultur verdient Anerkennung. Aber wenn sie nüchtern betrachtet so Schrecklich waren im Vergleich zum Westen....
 
Die griechischen Atomistiker wie Demokrit konnten auch nicht mehr sehen, als ihre Augen ihnen erlaubten, und folgerten aus ihren Überlegungen über die Natur doch korrekt die Existenz der Atome.

Gings dabei nicht um die Frage, ob Materie unendlich teilbar ist, oder man i-wann bei einer kleinsten Einheit angekommen ist? Die ist bis heute nicht beantwortet. Das unteilbare Atom ist jedenfalls teilbar... ;)
 
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